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Unsere Seele – Phantom oder Destination?

Interview mit Christina von Dreien

Gehen wir unseren Weg allein oder gibt es eine «höhere Kraft», die uns führt? Ist alles vorbestimmt oder schaffen wir unsere Realität aus uns selbst heraus? Christina von Dreien gibt Antworten darauf, inwieweit unser Bewusstsein darüber entscheidet, ob wir unseren «Seelenplan» erfüllen oder uns am Ende selbst verfehlen.

«DIE FREIEN»: Liebe Christina, sind wir unser eigener Schöpfer oder gibt es so etwas wie einen «höheren Plan»?

Christina von Dreien: Es ist beides. In unserem persönlichen Leben ist es zum Beispiel so, dass wir vor unserer Geburt bestimmte Erfahrungen auswählen, die wir erleben wollen. Wir machen einen Lebensplan. Wir entscheiden uns zum Beispiel, in welcher Familie wir auf die Welt kommen wollen und suchen uns bestimmte «Stationen» in unserem Leben aus. Das ist dann unser höherer Plan. Das bedeutet aber nicht, dass wir unser Leben nicht beeinflussen können. Im Lebensplan sind ja nur bestimmte «Stationen» festgelegt, und alles zwischen diesen Punkten hängt von uns selbst ab. Ausserdem haben wir auch immer den freien Willen, wie wir auf unsere «Stationen» reagieren und wie wir damit umgehen.

Zum Thema «freier Wille» möchte ich auch noch anmerken, dass unser Wille ja nicht so frei ist, wie wir denken. Denn wir werden ja dauernd von vielen verschiedenen Informationen, Glaubenssätzen, Überzeugungen gesteuert und beeinflusst und von Energiefeldern beispielsweise anderer Menschen überlagert. Insbesondere auch durch den Konsum von allerlei Medien wie Fernsehen, Zeitungen und Radio werden uns immer wieder dieselben Informationen präsentiert. Und wir werden durch alles, was wir wiederholen, sozusagen programmiert und denken dann, das sei die Wirklichkeit.

Je höher jedoch unser Bewusstsein ist und wir unseren inneren Beobachter eingeschaltet haben, desto freier wird unser Wille. Es kann zum Beispiel sein, dass wir uns vor unserer Geburt dafür entschieden haben, mehr Mitgefühl zu lernen. Wir suchen uns dafür Situationen aus, in denen wir das lernen können. Wenn wir auf der Erde sind und in eine solche Situation kommen, hängt es von unserem Bewusstsein und unseren Entscheidungen ab, ob wir durch diese Situation tatsächlich auch Mitgefühl lernen. Sobald wir es gelernt haben, lösen sich die anderen Situationen, die wir in unserem Lebensplan eingeplant hatten, um Mitgefühl zu lernen, auf, beziehungsweise sie treten dann nicht ein, weil sie nicht mehr notwendig sind. Falls wir aber Mitgefühl noch nicht lernen konnten, wird irgendwann die nächste Situation in unser Leben kommen, die wir uns ausgesucht haben, um Mitgefühl zu lernen.

Wir sind also immer Schöpfer in unserem Leben, weil unsere Entscheidungen und unsere Handlungen eine Auswirkung auf unser Leben haben, egal ob wir in einer Situation sind, die wir uns vor der Geburt ausgesucht haben oder nicht. Wir sind auch durch jeden Gedanken, den wir denken und jedes Gefühl, welches wir haben, Schöpfer unseres Schicksals, denn alles ist Schwingung und unsere Gedanken und Gefühle erschaffen Realität.

Inwieweit sind wir an diesem Plan beteiligt? Können wir ihn aktiv beeinflussen?

CvD: Da wir ja nicht nur durch Entscheidungen in bestimmten Situationen, sondern auch durch jeden Gedanken, den wir denken und jedes Gefühl, welches wir haben, Schöpfer unseres Schicksals sind, sind wir ständig – sozusagen in jeder Sekunde unseres Lebens – dabei, dieses zu beeinflussen. Alles ist Schwingung und unsere Gedanken und Gefühle gehen in dieses grosse Feld, welches ja genauso Schwingung ist, und sie erschaffen ständig unsere persönliche Realität. Auch deshalb ist es ja von so grosser Wichtigkeit für den Verlauf unseres kollektiven Schicksals als Menschheit, was jeder Einzelne durch seine Gedanken und Gefühle in das kollektive Feld hinein schickt.

Je gezielter und absichtsvoller unsere Gedanken und Gefühle von uns ausgesendet werden, je höher unser Bewusstsein ist, desto stärkere Auswirkungen haben diese für das Ganze. Unsere Wirkung als einzelne Menschen ist uns viel zu wenig bewusst und das Wissen um unsere wahre Schöpferkraft ist uns über Jahrtausende hinweg mit Absicht vorenthalten worden. Denn unsere Schöpferkraft wird abgelenkt und in andere Bahnen gelenkt, indem wir ständig zum Beispiel mit Angst konfrontiert werden. In einer Stimmung der Angst können wir nicht wirklich kreativ sein und keine sinnvollen Lösungen finden. Wir sind dann sehr gut manipulierbar durch diejenigen, welche derzeit die Menschheit zu ihren Zielen hinlenken wollen.

Was ändert es, wenn man sich selbst als göttliches Wesen denkt?

CvD: Es kommt darauf an, ob wir uns als göttliche Wesen nur denken oder ob wir es fühlen. Nur wenn wir es fühlen, können wir wirklich danach leben. Jeder von uns kam vor langer Zeit aus der göttlichen Quelle. Aus diesem Grund hat jedes einzelne Lebewesen eine Verbindung zur göttlichen Quelle. Wenn wir uns selbst und alle anderen als göttliche Wesen sehen könnten, wäre es selbstverständlich, dass wir liebevoll und respektvoll miteinander umgehen. Dass wir achtsam mit allem Leben umgehen. Wir würden wissen, dass wir in unserem Innersten Liebe sind. Wir wären nicht durch Angst manipulierbar und wir wüssten, dass wir absolut frei sind. Wir wüssten, wie die göttlichen, universalen Gesetzmässigkeiten funktionieren und würden sie ganz selbstverständlich in unserem Leben anwenden. Ausserdem würden wir wissen, dass wir eine Schöpferkraft haben und dass deshalb unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen nicht nur eine grosse Wirkung auf uns selbst haben, sondern dass sie auch eine Wirkung auf andere haben. Energetisch sind wir alle miteinander verbunden und deshalb hat alles, was wir tun, eine energetische Wirkung, die von allen anderen aufgenommen werden kann, zumindest wenn sie dafür offen sind.

Woran erkennen wir, dass wir unserem Seelenplan entsprechend handeln und leben?

CvD: Jeder Mensch hat einen eigenen Lebensplan. Es gibt deshalb sehr viele verschiedene Lebenspläne. Man kann nicht sagen, dass jeder, der zum Beispiel in Situation X ist, vom Lebensplan abgekommen ist oder dass jeder, der in Situation Z ist, mit Sicherheit seinem Lebensplan folgt. Viele Menschen haben zum Beispiel das Gefühl, dass wenn jemand krank wird, dass er oder sie von ihrem Lebensplan abgekommen ist oder etwas «falsch» gemacht hat. Es kann aber sein, dass genau diese Krankheit zum Lebensplan dazugehört. Jeder Mensch kann schlussendlich nur selbst spüren, ob er seinem Lebensplan gerade folgt oder nicht. Sagen kann man jedoch, dass wir unserem Herzen folgen, wenn wir das tun, was uns Freude macht, dass wir dann mit Sicherheit unserem Lebensplan folgen.

Unser Leben ist kein Zufall, sondern es gibt einen Grund, weshalb wir hier sind. Das bedeutet auch, dass es nicht einfach so ist, dass wir einfach nur glücklich sind, wenn wir unserem Lebensplan folgen, denn dieser kann auch grosse Herausforderungen für uns beinhalten.

Gibt es so etwas wie «verlorene Seelen»? Oder kann es so etwas wie ein «vom Weg abkommen» gar nicht geben, weil am Ende alles vorbestimmt ist?

CvD: Wie schon erwähnt, ist nicht alles vorbestimmt, sondern wir haben mit unseren Entscheidungen und unserem Bewusstsein einen Einfluss auf unser Leben. Es gibt Menschen, welche die Erwartungen und Vorstellungen von der Gesellschaft oder von bestimmten anderen Menschen so stark übernehmen, dass sie gar nicht mehr spüren, was sie selbst eigentlich wollen. Diese Menschen leben nicht mehr ihr eigenes Leben, sondern nur noch das, was ihnen von anderen vorgegeben wird.

Es gibt auch Menschen, die nie in ihrem Leben Liebe gefühlt haben und deshalb gar nicht wissen, was das ist. Aus diesem Grund können sie selbst auch nicht liebevoll handeln. Sie sind dann auch nicht für unsere liebevollen Gedanken offen und diese können sie nicht erreichen.

Verloren ist trotzdem niemand. Letztendlich kehrt jede Seele zur Quelle zurück. Wenn ein Mensch erkennt, dass er bisher nicht auf seinem eigenen Weg war, also dem Seelenplan nicht gefolgt ist und nun aber bereit ist, seinen eigenen Weg wieder zu finden, dann wird er von seiner Seele und seinen feinstofflichen Helfern auch so geführt.

Wie kommen wir in das Vertrauen, dass sich alles schon irgendwie «fügen» wird?

CvD: Indem man sich daran erinnert, dass man in allem einen höheren Sinn finden kann und dass wir geführt sind von unserer eigenen Seele und anderen Wesen, die einen grösseren Überblick aus einer höheren Perspektive auf unser Leben haben. Auch wenn wir uns das vielleicht nicht immer vorstellen können. Wir müssen das in unserem Verstand auch nicht immer verstehen können. Im Gegenteil: Wenn wir immer alles ganz genau verstehen möchten, kann uns das daran hindern, in ein echtes Vertrauen zu kommen. Denn Vertrauen können wir schlussendlich nicht in unserem Verstand finden, sondern nur in unserem Herzen.

Gibt es auch ein «zu viel» an Vertrauen? Stichwort Passivität – man ruht sich darauf aus, dass das Schicksal ja ohnehin schon vorbestimmt sei.

CvD: Wahres Vertrauen hat aus meiner Sicht nichts damit zu tun, dass man sagt «ich muss selbst nichts tun». Vertrauen bedeutet für mich, dass mir bewusst ist, dass über allem etwas Grösseres steht, dass über allem ein göttlicher Plan ist. Die Ereignisse, die wir selbst nicht direkt verändern können, können wir diesem göttlichen Plan übergeben, weil sie grösser sind als wir selbst. Aber diejenigen Dinge, welche wir persönlich zum Besseren verändern können, dürfen wir auch verändern. Denn wir selbst sind auch Teil des göttlichen Plans und deshalb dürfen wir auch das Vertrauen in uns selbst haben, dass wir jenen Teil, den wir zum Besseren verändern können, auch tun dürfen und können. ♦

von Lilly Gebert

***

Christina von Dreien ist Autorin und Rednerin. Die 22-jährige Toggenburgerin schildert in ihren Büchern und Seminaren ihre Wahrnehmung der feinstofflichen Welt und wie wir mit der Kraft unseres Bewusstseins und der bedingungslosen Liebe unser individuelles und kollektives Leben heilsam und konstruktiv neugestalten können.


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Jeder Mensch hat nur zwei Leben

Was ist meine Aufgabe? Das ist eine sehr gute Frage, die sich wohl die meisten Menschen erst stellen, wenn sie in eine Krise geraten, einen Schicksalsschlag erlitten haben oder Nahtoderfahrungen überlebt haben. In meinem Fall habe ich mir diese Frage schon mit etwa sechs Jahren gestellt und die Antwort darauf erst weniger intellektuell, denn durch mein Handeln selber gegeben.

Mit sechs Jahren flog meine damalige Familie auseinander und ich erlebte ein jähes Ende meiner Kindheit. Mein Vertrauen in Eltern als Vorläufer von Institutionen oder dem Staat wurde bis ins Mark erschüttert. Seit dieser Zeit empfinde ich mich als Rebell und orientierte mich an Rebellen. Aber was sind Rebellen?

Für mich sind es Personen, denen es nicht gegeben ist, als Opportunist leben zu können. Rebellen müssen einfach dort den Mund aufmachen, wo Unrecht geschieht. Sie müssen sich einmischen, auch wenn das ihrer persönlichen Karriere wenig förderlich ist. «Meine» Rebellen verstehen Freiheit nicht dahingehend, dass sie tun können, was sie wollen, sondern dass sie nicht tun müssen, was sie nicht wollen. «Meine» Rebellen sind bereit, für ihre Ideale zu leiden. Einen Preis zu bezahlen. Sie sind bereit, für ihre Ideale zu sterben, aber nie darauf aus, ihre Ideale Dritten aufzuzwingen.

Meine Aufgabe ist es, die Menschen um mich herum daran zu erinnern, dass sie frei sind. Sie wurden frei geboren und haben das Recht, frei zu entscheiden. Ihr Massstab sollte ihr innerer Kompass sein, ihr Gewissen. Der Mensch weiss, was richtig und was falsch ist. Er spürt, wenn etwas gerecht oder im höchsten Masse ungerecht ist. Der Mensch lernt aber auch sehr schnell, dass zwischen Anspruch an sich und tatsächlichem Alltag oft ein himmelweiter Unterschied ist. Viele von uns fristen ihr Dasein als Opportunisten wider Willen. Sie wurden über den Angst-Hebel an eine zutiefst bigotte Gesellschaft angepasst und sind im Kern sehr unglücklich damit. Meine Aufgabe ist es, mich selber und damit andere zu erinnern, dass ein anderes, ein wahrhaftigeres Leben möglich ist. Ein Leben, bei dem jeder Tag der letzte sein kann, ohne dass man das Gefühl hätte, mein Leben hatte mit dem, was ich leben wollte, gar nichts zu tun. Ich habe am Leben vorbei gelebt.

Meine Aufgabe für mich besteht darin, mich immer wieder an «meine» Rebellen zu erinnern, ihren Mut, ihre Aktionen, ihre Berufung, ihre Spiritualität. Seit 1986 mit einem Presseausweis «bewaffnet», habe ich mich immer von Menschen, die mir imponierten, leiten lassen: Malcom X, Rosa Parks, Abie Nathan, Martin Luther King, Rudi Dutschke, Georges Gurdjieff, Jesus von Nazareth, Eugen Drewermann, Noam Chomsky, Howard Zinn, Daniel Ellsberg, Emma Goldman, Bruno Gröning, Bertold Brecht, Muhammad Ali, Sidney Poitier, Franz Jägerstätter, Khalil Gibran, Julian Assange Edward Snowden. Catweazle! Sie alle haben mein Tun, meine Art, das Leben zu hinterfragen und zu interpretieren, zu arbeiten, stark, um nicht zu sagen im Wesentlichen, geprägt. Bis heute.

Das Leben, so sehe ich es, kann nur dann als Erfüllung erlebt werden, wenn der Einzelne bereit ist, seinen eigenen Weg zu riskieren. Für eine höhere Sache. Eine Überzeugung. Ein Ideal. Sei du selbst, sonst ist es ein anderer. Aber finde vor allem heraus, wer du selbst bist!

Das ist meine Aufgabe, und die versuche ich zu erfüllen. Nicht, damit Dritte es bemerken und ich Follower generiere, sondern weil ich das Abkommen von diesem Pfad, meinem Weg, als verschwendetes Leben interpretiere.

Es gibt einen grossen Unterschied zwischen Haltungsjournalismus und Journalismus mit Haltung. Ich bevorzuge Letzteres und lehne Ersteren ab. Haltung bedeutet, sein Handwerk zu beherrschen, in meinem Fall die Sprache, sich aber nie zum Hofberichterstatter machen zu lassen. Ich mag es nicht, Teil einer Gruppe zu sein, wenn der Preis dafür darin besteht, seine Ideale wie Mode zu wechseln. Zeitgeist-Journalismus. Das führt zum politischen Klimawandel und der ist zu 100 Prozent menschengemacht.

Das Ergebnis erleben wir auf allen Ebenen. Pervertierte Demokratie. Eine Simulation von Demokratie, bei der ihre wichtigste Eigenschaft, Toleranz, als politisch nicht korrekt gilt, wenn das Gegenüber nicht zu 100 Prozent mit den persönlichen Überzeugungen übereinstimmt. Wir reden nur noch mit denen, mit denen wir einer Meinung sind und verlangen, dass alle anderen ausgegrenzt werden. Wer diese Entwicklung nicht mitträgt, wird bekämpft, diffamiert, isoliert. Immer mit dem Ziel, ihn in den ideologischen Gleichschritt zu zwingen. Meine Aufgabe ist es, mich diesem Gleichschritt zu widersetzen, und das tue ich. Seit ich sechs bin.

Der schöne und der wahre Grund? Der schöne, weil ich mir nichts gefallen lasse, nur um meine Ruhe zu haben oder weil ich zu schwach bin, mich aufzulehnen. Der wahre? Weil ich mir dieses Leben ausgesucht habe. Da hat sich nichts ergeben, das war so gewünscht. Es geht dem Menschen, auch wenn er es oft nicht verstehen kann, um eben jene Erfahrung, die ihn am meisten schmerzt. Ich kann diese Behauptung, mehr eine innere Beobachtung, nicht beweisen, und sie ist im juristischen Sinne, im Sinne von dem, was wir als gerecht empfinden, nicht zu erklären, ohne sich schnell um Kopf und Kragen zu reden, und dennoch spüre ich, dass diese meine Beobachtung eine tiefe Weisheit in sich trägt. Sie ist da. Aber nicht von mir. Ich habe sie für mich entdeckt, aber nicht erfunden.

Was möchte ich? Ich möchte nie vergessen, dass jeder Mensch nur zwei Leben habt. Das erste beginnt, wenn der Mensch erkennt, dass er nur ein Leben hat. Diese Erkenntnis wird von mir in regelmässigen Abständen vergessen. Wenn ich massiv attackiert werde, wenn ich mich übernommen habe, wenn ich zu lange auf dem Gas gestanden habe. Mein Aufgabe ist es, mich in Demut zu üben. Nie den Respekt zu verlieren. Nicht mal vor Leuten, die ich verachten «dürfte». Das ist schwer. Ich kenne Menschen, die mir helfen, mich immer wieder an meine Ideale zu erinnern. Dann justiere ich nach. ♦

von Kayvan Soufi-Siavash

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Kayvan Soufi-Siavash ist seit 1986 Reporter, erst beim Privatradio, dann bei ZDF, ARD, Pro 7 und Deutsche Welle. Seit 2011 mit KenFM aktiv, aus dem 2021 apolut wurde. 2023 startet sein neues Solo-Projekt Soufisticated, in dem es weniger um Politik und mehr um die menschliche Begegnung gehen wird – um das, was das Leben wirklich ausmacht. Parallel arbeitet Kayvan am Apollo Campus, eine Stiftung, die vor allem wissenschaftliche Vorträge publizieren wird. Das wird spannend.


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Ein Ticket für verbotene Kunst

Eindrücke aus dem Musical «Shen Yun»

In unserer Redaktion flattert so manche Post durch den Briefkastenschlitz. Von Werbebroschüren für Kugelschreiber oder Verpackungsmaterial bis zu Büchern. Eine Broschüre für das Musical «Shen Yun» lag bereits auf dem Altpapierstapel. Ein Blick zurück machte mich neugierig: «Verbotene Volkskunst wird wiederbelebt.» Mit verbotenen Inhalten ist man bei mir an der richtigen Adresse: Die Broschüre schaffte es zurück auf meinen Schreibtisch. Zehn Minuten später waren zwei Karten reserviert.

Das Musical Theater Basel ist bis auf den letzten Platz besetzt. Das Publikum lauscht gebannt den ersten Klängen des Orchesters und lässt sich durch die farbenfrohe Kleiderpracht und die artistische Tanzchoreografie verzaubern und in eine andere Welt entführen.

Hier werden wir nun in die Geschichte der Unterdrückung der über 5000-jährigen Volkskunst Chinas eingeweiht. In China sind die Ausübung und die Vorführung dieses fantastischen Kulturerbes verboten. Weshalb, ist mir noch etwas schleierhaft. Ist die Kulturrevolution noch nicht überwunden? Auch wenn das kommunistische China nach wie vor repressiv geführt wird – Shows sind doch möglich …

Nebst atemberaubenden Bühnenbildern und ästhetischer Perfektion lassen mich die Inhalte der einzelnen Programmstücke aufhorchen: Dramatische Inszenierungen aus Kriegs- und Kaiserzeiten wechseln sich mit verschiedenen Volkstänzen von ethnischen Minderheiten, wie beispielsweise der Mandschuren, der Tibeter oder Mongolen ab. Nebenbei überrascht eine moderne 3D-Bühnentechnik. Figuren, die über die Leinwand schweben, stehen plötzlich auf der Bühne oder umgekehrt. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Ein dem Alkohol zugeneigter Mönch führt seinen Meister hinters Licht und trickst mit seiner eigensinnigen Art die halbe Stadt aus. Sein Schalk mag manchem Zuschauer ein Lachen abgewinnen. Doch nun wird es ernst: In der nächsten Szene wird der Kommunismus in seiner brutalsten Form dargestellt und das grosse Verbrechen aufgezeigt. Nun meine ich zu verstehen, warum das Musical in rund 20 Ländern, aber auf keinen Fall in China aufgeführt werden kann.

In einem Park wird ein Mädchen von ihrer Mutter mit dem Geschenk eines selbstgenähten Schals überrascht. Der Vater möchte den Moment der Glücklichen mit der Kamera festhalten. Dankbar setzen sich die beiden hin, um Meditationsübungen zu praktizieren, die auf den Werten von Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht basieren.

Wird hier die Kulturrevolution zu Maos Zeiten inszeniert?

Doch da tauchen schwarz gekleidete Männer mit Stöcken auf. Auf ihren Rücken prangen rot Hammer und Sichel, das Parteizeichen der KPCh. Mutter und Tochter werden verhaftet. Im Gefängnis werden sie voneinander getrennt. Die Tochter wird getötet; ihre Organe werden zur Spende freigegeben.

Ich frage mich, ob zu Maos Zeiten in den 1960er-Jahren Organspende schon praktiziert wurde oder ob meine historische Einschätzung gerade durcheinandergeraten ist. Eine Recherche zum Thema lässt mich verstört zurück: Politische Gefangene in China sollen als lebende Organlager nach Bedarf hingerichtet werden, um den Transplantationsmarkt Chinas, auf dem grosse Nachfrage herrscht, pünktlich zu beliefern. Der gruselige, ja abstossende Vorwurf wird durch internationale Berichte gestützt; in der führenden medizinischen Fachzeitschrift The Lancet finden sich Publikationen zur «Organernte von exekutierten Gefangenen in China». Die chinesischen Behörden bestätigen selbst, dass «die meisten Organe von Leichen exekutierter Gefangener stammen». Zwar hat die chinesische Regierung versprochen, diese mörderische Praxis zu beenden, doch bis heute werden Berichten zufolge in China Gefangene für Organspenden systematisch hingerichtet. Opfer dieser Praxis seien insbesondere politische Gefangene und Angehörige ethnischer Minderheiten.

Der Kontext erschliesst sich mir durch die Ansage, in der betont wird, dass die Verfolgung von Menschen, die meditieren, auch heute noch an der Tagesordnung sei. Diese Szene bildet also die aktuelle Lage ab. Das Programmheft klärt auf: Bei den Meditierenden handelt es sich um Anhänger von «Falun Dafa». Hinter dem Musical-Ensemble «Shen Yun» steht Falun Gong.

Diese spirituelle Bewegung wurde 1992 in China gegründet und ist auch als Falun Dafa bekannt. Ihre Anhänger praktizieren Meditationsübungen, die aus dem Qigong abgeleitet sind. Der Gründer der Bewegung lebt heute in den USA. Nach der Gründung von Falun Gong durch Meister Li Hongzhi in China wurde die Bewegung von der chinesischen Regierung zunächst sogar gefördert. Doch Mitte der 1990er-Jahre drehte der Wind, die KPCh begann, Falun Gong aufgrund ihrer Mitgliederzahl, ihrer Unabhängigkeit vom Staat und ihrer spirituellen Lehre als Bedrohung anzusehen. Im April 1999 erreichten die Spannungen ihren Höhepunkt, als sich über 10’000 Falun-Gong-Praktizierende friedlich auf dem Gelände vor der Zentralregierung in Peking einfanden, um für rechtliche Anerkennung und Freiheit von staatlicher Einmischung zu appellieren. Dieses später als «Demonstration» bewertete Ereignis wird weitläufig als Katalysator der darauffolgenden Verfolgung angesehen. Manche meinen jedoch, dass es von der KPCh arrangiert worden sein könnte, um die Verfolgung zu rechtfertigen. Es folgten Zensur, Hetzkampagne, Verbot.

Der Vorwurf: Störung der sozialen Ordnung

Ein Ziel der KPCh war und ist es vermutlich immer noch, Falun Gong auszurotten. Falun-Gong-Praktizierende werden in China massiv verfolgt und von der chinesischen Regierung oft gezielt als Opfer der «Organernte» ausgewählt, wie Reuters berichtet. Seit Beginn der Verfolgung um 1999 begannen die Anhänger, aktiv ihre Menschenrechte in China einzufordern. So erwuchs eine weltweite Bewegung mit einer geschätzten Mitgliederzahl im zweistelligen Millionenbereich. Sie ist im Exil zu einer mächtigen Stimme gegen die kommunistische Partei geworden.

In meiner Recherche über Falun Gong stiess ich auf drei SRF-Beiträge aus den Jahren 1999 und 2005. Im ältesten wird bereits ins Feld geführt, Falun Gong sei eine Sekte. Man rate mal, wer der Experte ist, der vor gefährlichen Tendenzen warnt – es ist der altbekannte Georg Schmid, der auch Menschen, die die Corona-Politik hinterfragen, in die Nähe von Sekten, Gewalt und Pathologie rückt. Ein weiterer «Experte» betont, dass die Verfolgung einzelner Falun-Gong-Anhänger nicht nur dem repressiven Regime in China zuzuschreiben sei – während Bilder gezeigt werden, wie die Schriften von Li Hongzhi massenweise zerstört werden. Ich schlucke leer – die Diffamierung von Andersdenkenden schien auch in diesem Fall schon relativ opportun gewesen zu sein. Dann betont der Sinologe Thomas Fröhlich von der Uni Zürich doch noch: Tatsache sei, dass die Toleranz gegenüber Falun Gong in vielen Staaten grösser sei als in China. Die Vorwürfe an Falun Gong bleiben seltsam nebulös; so wird beispielsweise die Verweigerung von bestimmten medizinischen Behandlungen als eine Form von Selbstmord kritisiert.

Ja, Falung Gong ist eine spirituelle Bewegung und macht daraus auch keinen Hehl. Sie verbindet Daoismus mit buddhistischen Praktiken und ihre Anhänger glauben – wie bei den meisten Religionen – an eine grosse Erlösung. So wird im Musical «Shen Yun» ein Sologesangsstück aufgeführt, dessen Übersetzung auf der Leinwand eingeblendet wird:

«Die Welt in Aufruhr, den Menschen einer Prüfung gleich, im Chaos erlösen Gottheiten die Gutherzigen zurück ins Himmelsreich. Nicht an Gottheiten zu glauben, stellt modernes Denken dar, da Atheismus und Evolutionstheorie eine reine Täuschung ist …»

In der Pause erinnere ich mich an die Bücher von Tiziano Terzani. Er lebte ab 1975 mehrere Jahre in China und war Asiens Auslandskorrespondent für den Spiegel. Schon vor Maos Tod reiste er von Singapur aus regelmässig zur Grenze Chinas und berichtete aus erster Hand über die Gräueltaten der Kulturrevolution. Eindringlich schilderte er das unermessliche Elend und die Zerstörung des kulturellen, geistigen, menschlichen Erbes Chinas.

Ein Strohhalm aus Überlieferungen inmitten der kulturellen Verwüstung?

Alles, was kulturelle Anbindung und Verwurzelung bot, wurde damals ausgelöscht. Ist die Bewegung Falun Dafa ein Strohhalm aus Überlieferungen zerstörten Kulturguts? Ist «Shen Yun» die Frucht aus dem Samen, der in der Asche der Zerstörung überdauerte?

Jedenfalls bringt sie eine beeindruckende Vielfalt künstlerischen Ausdrucks chinesischer Traditionen auf die Bühne. 24 Jahre nachdem in der Schweiz erstmals über diese Bewegung berichtet wurde, ist sie schon fast im Mainstream angelangt. Das Musical zieht mit seinen vier Aufführungen rund 6000 Besucher nach Basel in den Theatersaal.

Die letzte Szene von «Shen Yun» zeigt deutlich die heutige Situation in China: Menschen an ihren Handys irren wie Marionetten umher. Die KP-Spitzel lauern überall. Eine Gruppe von meditierenden und tanzenden und sich umarmenden Menschen werden mit Knüppeln zu Boden geprügelt. Im gleichen Atemzug tauchen auch die Vollstrecker der Null-Covid-Strategie auf. Sie agieren Hand in Hand mit den Regimeinformanten. Von der Leinwand her rollt apokalyptisch eine Sintflut auf die Geschundenen auf der Bühne heran. Da tritt ein Mönch auf: Er strahlt das Licht der Liebe aus und hält damit den drohenden Untergang auf – das ist der Beginn des Goldenen Zeitalters.

Unterdrückung, Denunziation, Gesundheitstotalitarismus, Polizeigewalt gegen friedlichen Protest; all dies haben wir in den letzten drei Jahren auch bei uns der Schweiz erlebt. China ist heute überall und viele Politiker sehen die Kommunistische Partei als Vorbild: Justin Trudeau, Premierminister von Kanada, brachte seine Bewunderung für die Diktatur Chinas öffentlich zum Ausdruck und auch die Regierung in der Schweiz findet immer grösseren Gefallen an autokratischem Handeln, Notverordnung und der Umgehung demokratischer Prozesse. Die totalitäre Politik der Kommunistischen Partei Chinas wurde zum internationalen Exportschlager. Wir werden sie überwinden müssen, damit das «Goldene Zeitalter» anbricht. Denn ich befürchte, dass da kein Mönch kommen wird, um das für uns zu erledigen.

Die Zuschauer quittieren die Aufführung mit Standing Ovations. Ich bin mir nicht ganz schlüssig: Klatschen wir zum kommenden Neuanfang? Oder zum wachsenden Bewusstsein über die staatlichen Verbrechen? Und insgeheim frage ich mich: Wann überführen wir die westlichen Verbrechen auf der Weltbühne? ♦

von Prisca Würgler


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Je mehr wir uns selbst lieben …

Auch schwierige Zeiten helfen uns, zu uns selbst zu kommen, sagt Köbi Meile. Der 80-jährige Heiler erzählt aus seinem Leben.

«Ich kann nicht heilen, ich kann nur versuchen, den Weg zum eigenen inneren Heiler und Helfer aufzuzeigen. Es ist auch mein grosser Wunsch, dass wir uns immer bewusster werden, dass das grösste Glück, die grösste Liebe, die wir finden können, der grösste und wunderbarste Helfer und Heiler, immer in uns selbst zu finden ist.

In jungen Jahren war ich Knecht und Älpler. Als Kutscher in Davos und Arosa und als Metzger habe ich auch kurz gearbeitet. Dann war ich Strassenwischer und WC-Boss bei der Gemeinde. Bis ich mich selbstständig gemacht und im Glarnerland eine Sattlerei eröffnet habe. Das Handwerk lernte ich von der Pike auf selber. Die Kundschaft ist grösser und grösser geworden. Und meine Mitarbeiter und ich heimsten viel Lob ein für unsere schön gestickten Kuhschellenriemen. Schlussendlich habe ich den Betrieb fast drei Jahrzehnte lang geführt.

Doch es gab auch Zeiten, da sah ich keine Zukunft mehr. Vor über 40 Jahren hatte ich das Gefühl: nicht mehr lange, und dann landet der Köbi auf dem Friedhof. …

von Redaktion


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Vom Kopf zum Herzen zur Freiheit

Ein Herzensmensch ist ein Mensch, der nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen denkt. Das verstehen Kopfmenschen nicht.

Ein Wort wurde zum Modewort in der Freiheitsbewegung und begegnet uns seither nahezu täglich: das Herz-Wort. Vom Herzdenken ist die Rede, von Herzensgrüssen, Herzensentscheiden und Herzenswünschen, wir benützen das Wort in Sätzen wie: «Du musst auf dein Herz hören» oder «Lass’ dein Herz sprechen», und eine Sängerin aus der Bewegung tingelt quer durch die Schweiz und freut sich darauf, «viele von euch Freigeistern und Herzensmenschen wiederzusehen».

Das Herz ist der gemeinsame Nenner, könnte man sagen, der uns alle verbindet. Diese Gemeinsamkeit ist inzwischen so selbstverständlich geworden, dass wir darüber gar nicht mehr nachdenken, was ein Herzensmensch eigentlich ist. In einem Satz könnte man sagen: Ein Herzensmensch ist ein Mensch, der nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen denkt. Er prüft die Information, die der Kopf erfasst, mit dem Herzen. Das Herz ist die spirituelle Mitte des Menschen. Im Herzen sitzt die Intuition. Herzdenken ist intuitives Denken, und Intuition kommt aus dem Lateinischen. Intuitio bedeutet «unmittelbare Anschauung», intueri «genau hinsehen, anschauen». Man könnte auch, mit etwas Vorsicht, von «kritischem Denken» sprechen.

Kritisches Denken ist hinterfragendes, suchendes Denken. Wer kritisch denkt, trägt den Keim dazu möglicherweise schon in sich, wenn er zur Welt kommt. Wie wohl die meisten, die diese Zeilen lesen, habe auch ich schon als junger Mensch das Denken der Erwachsenen hinterfragt. Ich habe «selber» zu denken begonnen. Damit landete ich bei der Linken, deren Utopie mich begeisterte – bis ich merkte, dass die linke Ideologie jede eigenständige Haltung ausschliesst. Wieder setzte sich der Keim meines kritischen Denkens durch, und ich löste mich von der Linken. Von Dogmen war ich für immer geheilt. Ich begab mich auf den «Weg zu einem persönlichen Denken». Er führte mich in die Spiritualität, die mich seither begleitet und nährt.

In der Freiheitsbewegung ist die Spiritualität stark verankert. Aber von all den Tausenden, die auf dem Zenit der Bewegung in Bern auf die Strasse gingen, interessieren sich längst nicht alle für Spirituelles. Trotzdem sind sie Herzensmenschen. Weil sie selbstständig denken. Weil sie auf auf ihr Inneres hören. Weil sie auf ihren gesunden Menschenverstand vertrauen und versuchen, ihren eigenen Weg zu gehen. In all diesen Menschen liegt eine grosse Kraft, die zurzeit etwas schläft, so wie jede Bewegung ihre ruhigeren Zeiten erlebt. Doch diese Kraft wird wieder erwachen, wenn die Not es gebietet.

Wenn wir aber die Menschen in der Freiheitsbewegung als Herzensmenschen bezeichnen – was sind dann die andern? All jene, die sich bedenkenlos impfen liessen und bedenkenlos alles glauben, was der Mainstream ihnen erzählt, ob es sich um Corona handelt, um die Ukraine oder ums Klima? All jene, die Tür an Tür mit uns wohnen, im gleichen Volleyballclub mit uns spielen, sogar zur gleichen Familie gehören und dennoch, so scheint es, einer anderen, unbegreiflichen Welt angehören? Was sind dann sie?

Für mich war die Antwort von Anfang an klar: Sie sind Kopfmenschen. Denn der Kopf ist das Gegenstück zum Herzen. Wie die Herzensmenschen erfassen auch die Kopfmenschen eine Information mit dem Verstand. Darin sind alle Menschen gleich. Aber dann denken die Kopfmenschen nicht mehr weiter. Sie prüfen die Information nicht mit dem Herzen. Sie übernehmen sie einfach.

Vielleicht haben auch sie dieses «Gen» schon in sich getragen. Oder sie finden das Mainstreamdenken bequemer. Was immer dazu geführt haben mag, dass es Herzensmenschen und Kopfmenschen gibt: Die beiden Verhaltensweisen stehen sich diametral gegenüber. Und wie nie zuvor trat dieser Gegensatz in der Corona-Zeit an die Oberfläche. Deshalb der Schock, das gegenseitige Unverständnis, warum die anderen so «falsch» denken. In Krisenzeiten offenbaren die Menschen, wie sie wirklich sind.

Doch von «Kopfmenschen» spricht in der Freiheitsbewegung niemand, obwohl das Wort existiert und im Wörterbuch der deutschen Sprache als «einseitig vom Verstand bestimmter Mensch» definiert wird. Dennoch zögern wir, kopfgesteuerte Menschen so zu bezeichnen.

Dieses Zögern hat damit zu tun, dass die Bedeutung des Kopfes in unserer westlichen Welt nach wie vor dominant ist. So wie sich die Frauen in ihrer Emanzipation noch immer viel zu sehr von patriarchalen, männlichen Werten beeinflussen lassen, lassen sich Herzensmenschen noch immer viel zu sehr von der Allmacht des Kopfes beeindrucken. So wie die Frauen noch viel zu wenig ihrer Spiritualität vertrauen, so unterschätzen Herzensmenschen noch viel zu sehr ihre Herzenskraft.

Vor allem intellektuell begabte, akademisch gebildete Freiheitsbewegte möchten den Kopf nicht den Kopfmenschen überlassen. Sie befürchten, als Herzensmenschen nicht ernstgenommen zu werden. Sie möchten keine «Esoteriker» sein, die nur ihrem «Bauchgefühl» folgen – obwohl das Bauchgefühl im Grunde ein anderes Wort für Intuition ist. Sie möchten nicht, dass die Kopfmenschen sie belächeln und ihnen sagen: Was soll das ganze Gefasel vom «Herzen»? Das Herz ist eine biologische Pumpe, mehr nicht. Was zählt, ist der Kopf. Die Intelligenz. Die Logik. Der Scharfsinn!

Einverstanden. Ohne Kopf kann der Mensch nicht leben. Die Intelligenz ist sein Grundkurs, die Logik sein Bachelor, der Scharfsinn sein Master. Aber der Kopf ist nichts als ein Mittel zum Zweck. Das Gehirn ist ein Werkzeug, ein Instrument, das die Aufgabe hat, dem Herzen zu dienen. Mehr nicht. Im Herzdenken ist der Kopf inbegriffen. Der Kopf ist Schritt 1. Schritt 2 ist das eigene Denken. Das Nachdenken. Das persönliche Denken. Aber Kopfmenschen verstehen das nicht. Weil sie über den ersten Schritt nicht hinauskommen. Deshalb sind sie Kopfmenschen. Deshalb dürfen wir sie so nennen. Sie so zu nennen ist keine Wertung. Wir sind nicht besser als sie, nur anders. Wir sagen nur, wie sie denken.

Werden sie immer Kopfmenschen bleiben? Die Gedanken sind frei. Jeder Mensch kann ein Herzensmensch werden, wenn er es will. Das haben die letzten Jahre gezeigt. Es gab viele Überläufer, und sie werden in Zukunft noch zahlreicher sein. Doch der Kopfmensch muss wissen: Selber zu denken, braucht Mut. Und Verzicht. Und Bereitschaft zum Zweifel. Und Willenskraft. Ein Herzensmensch ist kein Zustand. Sondern ein Weg. Und vor allem ist es eine Verpflichtung. ♦

von Nicolas Lindt


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Die Waagschale des Lebens

Es gibt keinen Grund, die Urteilskraft eines gesunden Menschen anzuzweifeln. Als wirkmächtiges Vermögen, als essenzieller und existenzieller Pfeiler des Lebens prägt sie unser Leben auf allen Ebenen ständig, in allen Bereichen des Erkennens und Handelns. Das Leben trainiert unaufhaltsam die intuitiven und geistigen Muskeln der aktiven Urteilskraft, der Stellungnahme, der Entscheidung, der Handlung.

Hinter jeder Handlung, auch im Nichttun, liegt die Kraft unserer Gefühle und Gedanken – die Urteilskraft, die mich wählen und entscheiden lässt, bewusst oder unbewusst. Spätestens die Hirnforschung hat gezeigt, dass wir nicht anders können, als zu werten und zu beurteilen, und dass wir innert Millisekunden in den Kampf- oder Fluchtmodus schalten können. Urteilskraft ist die menschliche Grundlage und Voraussetzung zum Leben und Überleben, zur kreativen (Mit-)Gestaltung der Welt in all ihren Facetten.

Das gesunde, glückliche Kind nimmt die Natur einer Sache neugierig, mit offenen Sinnen und voller Interesse wahr. Ihm ist sonnenklar, was es als schön und gut empfindet und was als abstossend und schlecht. Ein kleines Kind kann diese Empfindungen zwar verbal noch nicht präzise zum Ausdruck bringen; es zeigt jedoch eindeutig ein intuitives Urteilsvermögen. Urteilskraft manifestiert sich als eine reine Kraft des Gefühls, als Urfunke des Herzens. Sie äussert sich unmittelbar in der Mimik und im Ton, entweder ungestüm oder besonnen, und frei von mentaler Überlagerung.

Im Gegensatz zu ihren Eltern haben Kinder einen Riesenspass, sich unmittelbar auf sich selbst und auf das eigene Körpergefühl zu verlassen: umfallen, aufstehen, purzeln, rollen, ausprobieren, tun und witzeln, dem Raumgefühl trauen, als «Blindekuh» tastend den Mitspieler erkennen und beim Namen nennen. Unabhängig von Wind und Wetter – im einfachen Spiel der Kinder liegt etwas Erhabenes. Sie transzendieren das Irdische, vernachlässigen es jedoch nicht. Keiner wird bevorzugt, niemand darf benachteiligt werden. Urteilskraft ist die Voraussetzung für Gerechtigkeit (iustitia). Sie ist die Kindertugend Nummer eins …

von Silvia Siegenthaler

Foto: Justitia an der Gerechtigkeitsgasse Bern, auf dem Gerechtigkeitsbrunnen. Sie ist die erste bekannte Darstellung der «blinden Gerechtigkeit» Justitia, vom Künstler Hans Gieng, aus dem Jahr 1543. November 2022 von Silvia Siegenthaler.


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Falsche Vorbilder – Die Kunst, für sich selbst einzustehen

Nina Maleika hat noch nie etwas von sinnlosen Regeln und falschen Autoritäten gehalten. Die Musikerin erzählt uns, wie ihr Gerechtigkeitssinn geschärft wurde, als sie noch ein Kind war.

«DIE FREIEN»: Liebe Nina, du bist Sängerin, Songwriterin und Moderatorin, gibst Musikunterricht für Kinder, ernährst dich vegan, bist sehr engagiert und stadtbekannt. Als was aber identifizierst du dich selbst?

Nina Maleika: Tatsächlich als alles, ich war schon immer ein sehr vielseitiger Mensch. Natürlich ist die Kunst die letzten zwei bis drei Jahre ein bisschen kürzergetreten im Zuge meines Aktivismus. Aber ich habe 20 Jahre als Sängerin und Künstlerin gelebt und jetzt haben andere Sachen Priorität. Ich lasse mich nicht gerne einschränken oder einkategorisieren. Das hat mich immer ausgemacht: Dass ich irgendwie überall zu Hause war, mich auch als alles identifiziert habe.

Du bist eine starke Persönlichkeit, die auch mal den Mund aufmacht – hast du vielleicht eine besonders ausgeprägte Aversion gegen Konformitätsdruck?

NM: Ich habe vor allem eine Aversion, wenn mir jemand etwas vorschreiben will, den ich erstens nicht kenne und den ich als Autoritätsperson auch nicht respektiere. Und ich habe ein Problem mit Anweisungen, die irgendwie keinen Sinn machen, die einfach in meine Persönlichkeit eingreifen. Das war als Kind schon so. Ich war noch nie dazu geneigt, einer Führungsperson in irgendeiner Form hinterherzurennen. Ich war auch als Kind nie Fan von irgendeiner Band mit Postern an der Wand. Dieses Glorifizieren habe ich in der Form nie gehabt. Damit ist es natürlich schwer für mich, das auszuhalten, was hier seit fast drei Jahren passiert. Ein Freund von mir hat neulich gesagt: «So eine Pandemie ist nichts für dich. Du machst da einfach nicht mit.»

Erklärst du dir so auch deinen Sinn für Gerechtigkeit?

NM: Meinen Sinn für Gerechtigkeit hat meine Mutter in mir geweckt. Ich war als Kind immer sehr rebellisch, immer sehr «dagegen». Aber ich war teilweise auch sehr ungerecht zu anderen Kindern. Ich habe mich damals auch körperlich durchgesetzt mit Fäusten, wenn mir was nicht gepasst hat. Aber wenn ich irgendwie Fehler gemacht habe, hat meine Mutter die Kinder nach Hause geholt und gesagt: «Da musst du dich jetzt entschuldigen». Diesem starken Drang und Wunsch, immer auf die Schnauze zu hauen, wenn mir was nicht gefällt, hat meine Mutter immer was entgegengesetzt, wenn es darum ging, dass man sich gegen Schwache gerichtet hat. Und sie hat mir einen sehr, sehr guten Blick dafür mitgegeben und eingeschärft, um zu gucken: Wo sind Menschen, die schwach sind? Nimm sie unter deine Fittiche und hilf ihnen. Sei und steh bei ihnen.

Zweimal wurden bei dir Hausdurchsuchungen durchgeführt. Man könnte fast sagen, man hat dich auf dem «Kieker» – offenbar passt du nur zu gut in dieses staatlich-mediale Feindschema.

NM: Also, erstens gibt es nicht so viele bekannte Frauen unter den Aktivistinnen, die so laut sind. Es gab die Anwältin Beate Bahner, Eva Rosen oder vielleicht noch Sarah Bennett. Die meisten von ihnen waren am Anfang sehr laut, sind jetzt aber schon wieder in den öffentlichen Medien zurückgetreten. Und dann kam ich halt auf deren Schirm. Ich glaube, es ist sehr ungewöhnlich, dass jemand sich so angstfrei und so laut und deutlich mit der Ansage «Ich lasse mich hier nicht weg- oder kleinreden» der Öffentlichkeit aussetzt. Da bin ich natürlich ein gefundenes Fressen. Ich sehe es aber nicht nur negativ: Wenn ich die Aufmerksamkeit, die ich durch die Hausdurchsuchung bekommen habe, innerhalb der Bewegung dafür einsetzen kann, Leuten Mut zu machen, dann hat sich das «gelohnt». Natürlich haben sie mich auf dem Kieker, aber ich kann es halt auch tragen. Von daher sind sie da bei mir schon an der richtigen Adresse. (lacht)

Siehst du nicht auch in eben dieser Haltung vieler Menschen, die darauf hoffen, dass jemand aufsteht und für sie einsteht, eine Gefahr?

NM: Ja, natürlich. Ich gucke mir die Menschen jetzt auch schon eine ganze Zeit lang an, und irgendwie scheint es normal zu sein, dass viele immer jemanden brauchen, der vorneweg geht und den sie als mutig, als Held oder Heldin abstempeln können. Ich finde das zu einem gewissen Punkt auch okay und vielleicht auch normal. Aber ich würde mir wünschen, dass alle selber persönlich da vorne stehen – wir gemeinsam. Ich habe diesen Guru, diesen Helden nie gebraucht, andere brauchen ihn. Wenn da jemand vorangeht, der das mit Verantwortungsbewusstsein macht, dann finde ich es gut. Aber die Gefahr ist natürlich, dass die anderen sich zurücklehnen und dann irgendwelche Leute da vorne laufen. Vielleicht ist der Mensch einfach noch nicht so weit.

Ermöglichen Kunst und Musik in dieser Hinsicht vielleicht eine Hilfe zur Selbsthilfe?

NM: Ehrlich gesagt, weiss ich nicht mehr so genau, was Kunst ist und ob sie hilft. Wir erleben ja, dass die Künstler entweder gar nicht schnallen, was hier passiert, oder es nicht schnallen wollen, weil sie am Tropf dieses dreckigen Systems leben und sich natürlich auch die Butter vom Brot nicht nehmen lassen wollen. Von daher überschätzen wir Kunst vielleicht. Vielleicht hatte sie diesen Stellenwert mal, aber jetzt nicht mehr – zumindest nicht in unserem kranken System.

Wie würde für dich denn eine gerechte, lebenswerte Gesellschaft aussehen?

NM: Ich glaube, eine lebenswerte und gerechte Gesellschaft funktioniert in unserem kapitalistischen, westlichen System nicht. Das ist ein Trugschluss. Wir sind alle einfach nicht konsequent genug. Wenn wir so leben wollen würden, wie es gesund wäre, dann müssten wir hier komplett alle raus. Wir müssten zurück zum Ursprung. Dann müssten wir unser Konto kündigen, unsere Steuernummer kündigen, und das wollen wir nicht. Wir wollen alle weiter in unserem geilen Haus wohnen. Wir wollen alle weiter in Luxus leben, in den Urlaub fahren und zum Arzt gehen, weil wir uns selbst und unseren Heilkräften nicht vertrauen. Und deswegen müssen wir den Wahnsinn hier mitmachen und können uns auch nur partiell darüber beschweren, inklusive mir. Wir sind einfach nicht im Vertrauen und wir sind alle nicht konsequent. Ich kenne ganz wenige, die sagen: Okay, ich geh raus.

Woran hast du denn noch Spass?

NM: Ich habe an total vielem Spass. Ich habe Spass an dem Leben, das ich neu erschaffe, und an der Person, die ich gerade werde, also an ganz vielem. Das ist auch ein Abschied. Ich habe Spass am Aufbau des Neuen, ohne zu wissen, was es ist. Wenn wir merken, dass das Alte nicht mehr funktioniert, wenn man sich von irgendwas löst; wenn man sich sozusagen aus der alten Welt herauszieht und etwas Neues schafft, tappt man wahrscheinlich erst mal ein paar Jahre im Dunklen. Man befindet sich in einer Übergangsphase, in der man nicht genau weiss, wohin mit sich, wo nur noch ein grosses Fragezeichen ist. Ich glaube, dass das gesund und auch normal ist. Nach drei Jahren Wahnsinn komme ich auch immer mehr zurück zum spirituellen Aspekt: Man muss sich erst komplett verlieren, um etwas Neues entstehen zu lassen. Wir können nichts Neues erschaffen, wenn das Alte nicht gestorben ist. Das ist vielleicht erst mal nicht so schön und klingt vielleicht nicht positiv, aber ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Prozess. Ich kenne ehrlich gesagt auch niemanden, der sich in diesem Wahnsinn tiefgreifend verändert hat, ohne den spirituellen Aspekt einzubeziehen. Es geht gar nicht anders. Das, was hier passiert, ist so was von schlimm – dem kannst du nur mit Humor oder mit Spiritualität begegnen. Alles andere halte ich für unmöglich. ♦

von Lilly Gebert


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Was ist Schönheit? Was ist Liebe?

Urteilsvermögen hat nichts mit Intelligenz zu tun. Intelligenz ist nicht einmal Voraussetzung dafür. Urteilsvermögen heisst Verstand. Das ist etwas ganz anderes.

Im Gegensatz zum Tier, das Dinge instinktiv wahrnimmt, kann der Mensch alles selbständig betrachten und beurteilen. Wäre der Mensch in seinem Denken nicht frei, könnte er nicht kreativ sein. Schon Jahrmillionen bevor es den Menschen gab, bauten Vögel ihre kunstvollen Nester. Trotzdem werden sie nie Kathedralen errichten. Aber sie werden auch nie Schlachthöfe bauen. Seit Jahrmillionen pfeifen, zwitschern und krächzen sie von den Bäumen. Trotzdem werden sie nie Oratorien komponieren. Aber sie werden auch keine elektronischen Verstärker aufstellen, um den ganzen Wald mit ihrem Gekrächze zu beschallen.

Der freie Wille unterscheidet uns vom Tier. Das Tier kann die Dinge nicht frei beurteilen, verfügt dafür über einen Instinkt. Der Mensch hingegen ist völlig frei in seinem Denken, was Voraussetzung ist für sein kreatives Schaffen. Diese Freiheit birgt die Gefahr in sich, dass er Fehler begeht. Dank seiner Freiheit kann der Mensch über sich selbst hinauswachsen aber auch unter sich selber hinabsinken. Den Unterschied macht seine Urteilskraft. Zu deren Bildung hat der Liebe Gott dem Menschen die Vernunftbegabung geschenkt. Wäre die Vernunft mehr als eine Begabung, handelte es sich um einen Instinkt, wie ihn Tiere haben, und ein solcher würde uns einschränken in unserer Willensfreiheit. Diese besondere Vernunftbegabung ist Grundlage unseres Urteilsvermögens und muss gefördert und geschult werden, damit wir Urteilskraft erlangen. Ob der Mensch seine Freiheit nutzt, um Opernhäuser zu errichten oder Foltergefängnisse zu bauen, ein Ballett zu choreographieren oder eine Militärparade, hängt davon ab, ob seine Vernunftbegabung während seiner Kindheit und Jugend gefördert oder vernachlässigt wurde.

Mit unseren materiellen Sinnesorganen wie Augen, Nase und Ohren beurteilen wir die Dinge nach deren materiellen Beschaffenheit. Materielle Messinstrumente wie Senkblei, Wasserwaage oder Rasterelektronenmikroskop verstärken unsere materiellen Sinnesorgane. Zur Beurteilung geistiger Eigenschaften bedarf es geistiger Sinnesorgane. Diese umfassen unter anderem das Gewissen und die Intuition und bilden unser Urteilsvermögen. Deshalb sagen wir über einen lieben Menschen, der in seinem Aussehen nicht gerade den Schönheitsidealen entspricht, er besitze innere Schönheit. Und aus demselben Grund interessiert sich ein guter Mensch wenig für Militärparaden, selbst wenn diese schön choreographiert sind.

In östlichen Lehren unterscheidet man zwischen Intelligenz und Verstand. Intelligenz wird als reine Rechenkapazität des Gehirns definiert. In unserer digitalen Welt ist jeder Toaster intelligenter, als wir es sind. Intelligenz, Gefühle und Triebe werden betrachtet als Kinder, die weder unterdrückt noch vernachlässigt werden dürfen, sondern der liebevollen Aufsicht, Erziehung und Förderung bedürfen. Der Verstand ist das erwachsene Element. Intelligenz ist bloss Hubraum. Verstand ist ein Kompass. Hubraum ist verheerend, wenn man in die falsche Richtung fährt. Wer versucht, die gesamte Menschheit mit mRNA-Technologie genetisch zu verbessern, muss über viel Intelligenz verfügen und darf keinen Verstand haben. Deshalb riet Pestalozzi, zuerst Herz und Hand zu schulen und dann erst den Kopf. Mit Herz ist die Urteilskraft gemeint. In unserem Bildungssystem wird aber zuerst der Kopf geschult und dann der Kopf und dann noch der Kopf. Das erklärt einiges. ♦

von Andreas Thiel


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Liebe ist Heilung

Geistiges Heilen und Handauflegen gehören zu den ältesten und natürlichsten Heilmethoden. Jeder trägt das Potenzial dazu in sich, sagt Matthias A. Weiss. Der ehemalige evangelisch-reformierte Pfarrer hat sich ganz dem Mysterium des Heilens verschrieben und zeigt, wie man diese Kunst selbst erlernen kann.

«DIE FREIEN»: Matthias A. Weiss, wie sind Sie als Theologe zum Heilen gekommen?

Matthias A. Weiss: Das ist eine gute Frage! Wenn man mir das vor 20 Jahren angeboten hätte, hätte ich gesagt, dir piepts wohl! Habe ich mir das ausgesucht? Ja und nein. Schliesslich glaube ich, dass es nicht ein Entscheid gegen das Pfarramt war, sondern ein Entscheid für etwas, das mich noch mehr fesseln konnte und mich noch fester und stärker zu begeistern vermag.

Schon als Kind wollten Sie mit den Händen arbeiten?

MW: Ja, von daher wurde mir das geistige Heilen in die Wiege gelegt. Nur hatte ich als junger Mensch keine Ahnung, wie ich meine Begabung einst einsetzen könnte. Am ehesten sah ich mich nach dem Studium bei der Arbeit mit Holz. Ich arbeitete dann als Pfarrer für Gehörlose und Hörbehinderte. Bei ihnen durfte ich lernen, dass es viel mehr an Kommunikation zwischen Himmel und Erde gibt als nur diejenige des gesprochenen Wortes. Doch ich war unzufrieden, weil es nicht das war, was mir wirklich entsprach. Die akademische und kirchliche Welt wurde mir zunehmend fremder.

Dann stiessen Sie auf die renommierte Heilerin Renée Bonanomi.

MW: Ja, sie war meine beste Lehrerin. Bei ihr durfte ich diese wunderbar einfache und natürliche Art des Heilens kennenlernen. Und mit der Entdeckung meiner geistheilerischen Fähigkeiten war ich auch an den Punkt gelangt, wo ich endlich meine Berufung gefunden hatte.

Wie sind Sie denn zu Renée Bonanomi gekommen?

MW: Die kürzeste Antwort darauf lautet: Es musste so sein. Denn wenn man nicht das tut, was einem entspricht, ist man unzufrieden. Wenn du in den Schuhen von jemand anderem läufst, kannst du nicht zufrieden werden und sein. Und meine Schuhe sind halt diejenigen des Heilens.

2005 machten Sie sich dann selbstständig als Heiler und verliessen das Pfarramt.

MW: Ja, und dies mit dem Gefühl: Endlich lebst du das, wonach du fast 30 Jahre lang gesucht hast! Seither arbeite ich als freischaffender Theologe, der den Menschen durch Handauflegen hilft.

Sie bieten einen Lehrgang «Heilen» an, in dem Sie zeigen, wie man selbst heilerische Fähigkeiten entwickeln kann.

MW: Ja. Und was wir dort erleben dürfen, ist einfach jenseits jeglicher Erfahrungen, welche ich je in einer Kirche machen konnte. …


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Die Vergebung und ich

Die Freiheitsfeinde fordern Vergebung? Die bekommen sie von mir nicht, solange ich weiss, dass sie weiterhin eine Gefahr für mich und meine Liebsten sind.

Vergebung ist wichtig, und ich bin leider kein Meister dieser Disziplin. Wer mich einmal enttäuscht hat, erhält zwar meist eine zweite Chance. Doch habe ich immer wieder Menschen dauerhaft aus meinem Leben ausgeschlossen, die mich ein zweites Mal enttäuscht haben. Das ist einerseits der Vernunft geschuldet, aber ich bin in mancher Hinsicht auch nachtragend, und das zu meinem Schaden; der Zorn, die Wut und die Enttäuschung, die sich im Nachtragen kumulieren, lasten ja vor allem auf mir selbst. Man vergibt anderen um seiner selbst willen; man lässt los, um eben nicht mehr nach-tragen zu müssen.

Die Nervosität der Hetzer

Die massive Hetze gegen Menschen, die dem Corona-Narrativ nicht blind folgen wollten, wird den Verantwortlichen spürbar unangenehm. Dies vor allem aus zwei Gründen; weil erstens schlagende Beweise für die Erfolglosigkeit der «Pandemie-Massnahmen» vorliegen und weil zweitens die durch diese Massnahmen entstandenen Schäden zutage treten. Plötzlich und unerwartet sterben die Menschen rund um den Globus. Medien und Politiker rätseln vordergründig über die Gründe dieses präzedenzlosen Massensterbens. Aber sie wissen wohl selbst, dass sich das Offensichtliche nicht auf ewig vertuschen lassen wird, dass der anhaltende und zunehmende Massenexitus einer einzigen Ursache geschuldet ist: dem grössten Medizinexperiment aller Zeiten. Die Verantwortlichen werden nervös, weil wir – die «Skeptiker» – recht behalten.

In der Nervosität wird der Ruf nach Versöhnung immer lauter. Mittlerweile wird regelrecht um die Gunst der Corona-Realisten gebuhlt: Die Online-Ausgabe der britischen Zeitschrift The Daily Telegraph schrieb in der Vergangenheit darüber, wie der Lockdown das Leben verbessert habe und bejubelte die «good news» der schnellen Impfstoffentwicklung. Jetzt richtet dieselbe Zeitung die Fahne nach dem neuen Wind: «Bravo an die Lockdown-Skeptiker, die für ihren Mut zur Verteidigung der Freiheit verleumdet wurden.»

Ich lehne die Gunst jener Medien ab, die in den letzten Jahren Hetze gegen Andersdenkende betrieben und sich jetzt plötzlich doch in der Lage sehen, ein differenziertes Bild von freiheitsliebenden Menschen zu zeichnen. In der Schweiz überschlägt sich die vermeintlich alternative Online-Zeitung Infosperber in letzter Zeit mit kritischen Berichten zu den «Unwahrheiten», die Berset und BAG verbreiteten. Dafür erhält der spät berufene Aufklärer Urs Gasche Applaus: Ein Leser kommentierte, dass er seine Abos bei den etablierten Zeitungen künden werde, um den so gesparten Betrag dem Infosperber zu senden. Dass sich der Infosperber in mehreren Artikeln abfällig und diffamierend über die Menschen äusserte, die sich von Anfang an gegen die Missstände stellten, scheint vergessen oder zumindest vergeben.

Nicht so schnell!

Vergessen möchte und werde ich zeitlebens nie. Ich habe gespeichert, wie sich Menschen in den letzten Jahren verhalten haben. Ungewollt hat sich in meinem Kopf eine persönliche Fichenkartei etabliert: die Guten, die Bösen, die Hässlichen. Die Guten; das sind Menschen, auf die ich mich auch im schlimmsten Sturm verlassen kann. Unkorrumpierbare Menschen, die sich nicht von Interessen leiten lassen, sondern von ihren Werten. Die Bösen; jene Menschen, die das Desaster der letzten Jahre verantworten. Und die Hässlichen; all die, die bei erster Gelegenheit auf jeden faschistischen Saubannerzug aufsteigen, mit dem Finger auf Abweichler zeigen, denunzieren und Hass befeuern. Und dann natürlich die grösste Kartei; jene Menschen in der grauen Masse, die sich einfach dahin schieben lässt, wohin der Druck nun mal gerichtet ist. Diese Fiche in meinem Kopf, die wird bleiben. Ich kenne mich selbst zu gut, um zu glauben, dass ich sie dereinst löschen werde.

Das Erinnern schliesst aber Vergebung nicht aus. Ich möchte vergeben können, will loslassen, möchte nicht festhalten am Groll.

Meine Bedingung

Meine Vergebung und die Möglichkeit zur Versöhnung sind an eine unverhandelbare Bedingung geknüpft: Einsicht. Die Täter aus Politik und Medien, die Mitschwimmer aus der Gesellschaft müssen den grossen Fehler, den sie gemacht haben, einsehen; der gescheiterte Versuch, Sicherheit durch Einschränkung der Freiheit zu schaffen.

Dem Ruf nach Bestrafung der Täter stehe ich als Anarchist ablehnend gegenüber und plädiere lediglich dafür, dass Geschädigte von den Tätern entschädigt werden müssen. Bei mir braucht sich sowieso niemand zu entschuldigen. Ich brauche keine Reue der Täter, ich interessiere mich nicht dafür, ob die Mitschwimmer Busse tun. Was ich brauche, um vergeben zu können, ist die glasklare Einsicht, dass es falsch war, Menschen zur Einschränkung ihrer Freiheit zu zwingen. Nicht weil ich recht haben will, brauche ich diese Einsicht. Dass ich mit meinen Einschätzungen während der letzten bald drei Jahre richtig lag – das weiss ich längst, die Beweise liegen offen vor uns.

Es geht um etwas anderes: Ich muss von den Tätern wissen, dass sie so etwas nie wieder tun werden – und weshalb sie so etwas nie wieder tun werden. Nicht etwa, weil sie sich über die Gefährlichkeit des Virus geirrt oder das Schaden-Nutzen-Verhältnis der Massnahmen falsch eingeschätzt haben. Auch nicht, weil sie eine experimentelle Gentherapie als Impfung missverstanden haben oder weil sie dem Komplex aus Pharma, Medien und Politik zu sehr vertrauten. Sondern weil sie eingesehen haben, dass sie niemals – niemals! – die Freiheit zugunsten der Sicherheit hätten einschränken dürfen.

Erst dann bin ich bereit, zu vergeben, erst dann kann es zur Versöhnung kommen. Weil ich erst dann sicher sein kann, dass diese Menschen keine Bedrohung für mich und meine Liebsten mehr darstellen. ♦

von Michael Bubendorf


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