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Monat: März 2024

Autotraum – ausgeträumt?

Ein Auto bedeutet Freiheit. Zumindest gehörte es lange zu den heilsbringenden Versprechungen von materiellen Konsumwünschen. Wie der Fernseher oder der Kühlschrank galt das Auto während des «Wirtschaftswunders» in der Nachkriegszeit als Baustein eines guten Lebens.

Zunehmend wird das Auto als Feind wahrgenommen. Zu viele schädliche Emissionen: Lärm, CO₂. Antwort der Politik: 30er-Zonen, Dezibel-Beschränkungen, Abgasvorschriften.

Vorbei scheint die Zeit des Autos als Spassmobil, als aufregende gestaltungspotente Innovation, die jedes ästhetische und technische Bedürfnis zu befriedigen wusste. Das Auto hat seinen Nimbus der Unschuld verloren.

Am Auto lässt sich nachvollziehen, wie sich der Zeitgeist über einen bestimmten Zeitraum verändert. Es ist die materialisierte Form von Ideologie. Weitere  Beispiele sind Architektur, Mode oder Musik. Insofern kann das Auto stellvertretend für eine breite Entwicklung gesehen werden.

Magische Illusionen

Das SUV (Sport Utility Vehicle) scheint als einziger Fahrzeugtyp noch an Träume appellieren zu können. Der Name suggeriert Sportlichkeit und Geländetauglichkeit. Meistens sind solche Autos weder sportlich noch geländetauglich.

Doch sie sind ein erträgliches Geschäftsmodell für Hersteller: Wegen ihrer Massigkeit und ihrem Gewicht sind sie ressourcenintensiver im Unterhalt, belasten Strassen stärker, brauchen grössere Reifen, verursachen mehr Bremsstaub, erzielen höhere Durchschnittspreise.

Verkaufsargument: Übersicht durch höhere Sitzposition. Wirklich? Eher trifft das Gegenteil zu: Grosse Autos sind unübersichtlich. In seiner panzerartigen Erscheinungsweise soll es Durchsetzungskraft ausstrahlen, um sich im Verkehr mächtiger zu fühlen. Wenigstens auf der Strasse soll der soziale Aufstieg demonstriert werden. Die Selbstüberschätzung führt zu falschem Sicherheitsempfinden.

Die Bauform eines SUV entspricht der Quadratur des Design-Kreises. Sie führt zu einem Luftwiderstand eines Containers und soll – im Fall des SUV-Coupés – sportlich wirken. Aerodynamik bezieht sich jedoch auf Keilförmigkeit. Mit Marketing lassen sich semantische Widersprüche in magische Illusionen verwandeln.

Zeitlose Ikonen wie Citroën DS oder VW Käfer? Kaum ein Hersteller wagt ein Abenteuer, jegliche Formen offenbaren assimilierte Standards eines massentauglichen Universalgeschmacks. Innen wie aussen. Aussen ein Möchtegern-SUV, innen viel Klinisches. Die Bedienelemente erinnern eher an Smartphones.

«Smarte» Zukunft

Das Auto der Zukunft soll «smart» sein. Mithilfe künstlicher Intelligenz bereitet es ein komfortables Fahrerlebnis. Lästige Manöver wie Einparken werden überflüssig. Autofahren der Zukunft als supercool-smartes Sorglospaket.

All dies ist Ausdruck einer rationalistischen Denkweise, eines ökonomischen Prinzips, das wesentlich einem puritanischen Kalkül entspricht: kalt, seelenlos, unpolitisch. Doch das Verantwortungsproblem bleibt.

Das Auto der Zukunft soll niemandem mehr gehören («Carsharing») und dank digitaler Überwachungstechnologie den Einstieg für diejenigen blockieren, deren ökologischer Fussabdruck das Monatskontingent bereits überschritten hat.

Hauptsache es wird «grün». Denn angeblich herrscht Klimakrise. Und das Auto: auserkoren, die Welt zu retten. Besser gesagt: ihre Besitzer, durch «nachhaltigen» Konsum, damit das Genussdiktat nicht hinterfragt werden muss.

Ein «grünes» Auto ist ein gutes Auto, weil es vorgaukelt, von seinen ursprünglich gefährlichen Komponenten gesäubert zu sein. Man fährt ein Elektroauto, um etwas «Gutes» zu tun. Was tust du, um die Natur zu bewahren? Die Sinnfindung wird durch eine sentimentale Form der Identifikation auf das Auto projiziert. Die Werbung verkauft schon längst immaterielle Werte, die der Selbstverwirklichung dienen sollen. Die tatsächlichen Eigenschaften eines Autos wie Funktionalität oder Ausstattung sind dabei unwichtig geworden. Die Form des Blechs darf grotesk sein, solange die Energieeffizienz vermeintlich stimmt.

Unsterbliches Geheimnis

Mit der «richtigen» Haltung den Planeten retten: So «benutzerfreundlich» wie heute haben Menschen noch nie Probleme gelöst. «Nachhaltigkeit» ist das Gebot der Stunde. Tu nur noch das, was umweltverträglich ist. Schon die Kirche hat mit dem schlechten Gewissen gute Geschäfte gemacht.

Diese quasireligiöse Moral beeinflusst das Verhalten mannigfaltig. Dadurch erhalten scheinbar freie Handlungen unterschwellig eine noch strengere Anweisung. Selbstbestimmung entpuppt sich als aufgezwungener Glückskommunismus. Man macht etwas nicht nur für sich, sondern auch für ein kolportiertes höheres Gut.

Unmündigkeit ist unsexy. Gilt auch beim Autofahren. Man will nicht durch Technologie fremdgesteuert werden. Die Kulturpuritaner vergessen das oft. Es geht um Subjektivität, Kontrolle ist alles. Mit ihr ist die sinnliche Erfahrung des Autofahrens verknüpft. Ausserdem lebt mit der Kultur des Autos ein göttlicher Traum: die Allbeweglichkeit. Es sind diese auratischen Geheimnisse, die das «Auto» unsterblich machen. ♦

von Armin Stalder


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Die «Guru-Falle»

Spiritueller Materialismus als Antwort auf verzerrte Zeiten

Der Reiz von «Spiritualität» verfliegt, sobald uns niemand mehr zuhört, wenn wir von ihr sprechen. So zumindest das Bild, das die moderne Wohlfühl- und Wellness-Spiritualität vermittelt: Sie dient nicht mehr der Erkenntnis, der Annäherung an eine tiefere Wahr-heit, sondern unserem Ego. – Dem, was sie eigentlich auflösen sollte.

Das Geschäft mit der Hoffnung

Vom Motivationscoaching zum Selbstliebe-Workshop: Der Markt für Persönlichkeitsentwicklung boomt. Doch war es früher noch die Reise in den indischen Ashram, bucht der «Suchende» heute Seminare für sein «Soulupdate». Unter dem Motto «Alles ist möglich, wenn du nur daran glaubst» entsteht die Vorstellung, es hänge allein vom «richtigen Mindset», also unserer Bereitschaft, in uns zu investieren, ab, ob wir unsere Ziele erreichen oder nicht. Der dabei entstehende Strudel finanzieller Verschuldung samt seinen fast zwanghaften Reinungsritualen als eine Art moderner Ablasshandel wird dabei meist ebenso vernachlässigt, wie die Frage danach, inwieweit uns all dies letztendlich dorthin führt, wo wir eigentlich hinwoll(t)en – zu uns selbst.

Und das ist auch das Problem: Dem Einzelnen zu wahrer Erkenntnis zu verhelfen, rechnet sich nicht. Insofern ein Coach als moderner «Guru» von der Sehnsucht und Unzufriedenheit seiner Kunden profitiert, ist dieser auch nicht daran interessiert, diese zu erfüllen bzw. aufzulösen, sondern erzeugt stattdessen fortwährend neue. Mit dem Versprechen von Freiheit, innerer Ruhe und spiritueller Erfüllung erweckt er nicht nur Gefühle des Mangels, sondern präsentiert sich obendrein als «Schlüssel», diese zu beheben. Er generiert Abhängigkeiten, in denen jedes «Scheitern» dem Betroffenen selbst angelastet wird: Gefangen in der vermeintlichen Endlosschleife seines Unterbewussten, in der immer wieder neue «Widerstände» auftauchen,
die es mittels Abschluss eines weiteren Seminars zu überwinden gilt, findet sich der – zum Kunden verkommene – «Schüler» in einer Art Schuldumkehr wieder. …

von Lilly Gebert


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Die vierte Wende

Die Welt erscheint in konstantem Niedergang. Nie waren die Aussichten so düster. Wenn wir die Menschheitsgeschichte als linearen Prozess wahrnehmen, ist alle Hoffnung vergebens.

Alle Zeichen stehen auf weitere Verschlechterung, mehr Machtakkumulation, mehr Krisen, Tod und Verderben. Kein Silberstreif am Horizont, der auf eine plötzliche Umkehr dieser Entwicklungen hoffen lässt. Wer sollte das Ruder auch herumreissen, der Freiheit und der Vernunft wieder zum Durchbruch verhelfen? Etwa die FDP? Oder die AfD? Sahra Wagenknecht? Donald Trump? Wer angesichts solcher Retter lieber gleich zur Schaufel greift, um sich irgendwo einzugraben, dem könnte die Alternative zum linearen Denken doch noch Hoffnung verleihen.

Die Autoren William Strauss und Neil Howe belegen in ihrem Bestseller «The Fourth Turning» (Die vierte Wende) aus dem Jahr 1997 eindrücklich, dass die Geschichte nicht linear verläuft, sondern ständig wiederkehrenden Zyklen folgt. Die Autoren beschreiben vier solcher «Wenden» und nennen die jüngsten Beispiele in der angelsächsischen Geschichte:

  • Die erste Wende; die «Hochphase». Ein allgemeiner Optimismus erfasst die Gesellschaft, die sich in weiten Teilen auf einem gemeinsamen Weg in eine bessere Zukunft sieht. Der Gemeinschaftssinn findet Ausdruck in starken Institutionen. Fast alle ziehen an einem Strick und nur einige überzeugte Individualisten stören sich an der Konformität dieser Phase. Das letzte angloamerikanische Hoch war das Nachkriegszeitalter – es begann nach dem Zweiten Weltkrieg und endete 1963 mit der Ermordung von John F. Kennedy.

von Michael Bubendorf


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Der Ungeist der Moderne

Alte Städte, Dörfer und Gebäude strahlen eine erhabene Schönheit und Beständigkeit aus, die in der entfesselten, beschleunigten Gesellschaft völlig zersetzt wurden. Wie konnte die Kunstfertigkeit und Strukturiertheit früherer Zeiten so schnell verloren gehen?

Als Bob Dylan 1964 mit dem Song «The Times They Are a-Changin´» an die Öffentlichkeit trat, traf er damit den Nerv der Zeit. Die 1960er-Jahre waren die Zeit des Aufbruchs, die Zeit, in der verkrustete Strukturen aufgeweicht und neue Freiheiten gewonnen werden sollten. Was sich in den Jahrzehnten zuvor angestaut hatte, löste sich nun fast explosiv. Dass Explosionen immer auch Zerstörungen nach sich ziehen, wurde dabei wohl kaum bedacht.

Alles verändert sich: der einzelne Mensch, die Gesellschaft, Städte und Dörfer, die Kontinente und auch das Klima. Die meisten Veränderungen lassen sich jedoch beeinflussen: Sie lassen sich beschleunigen oder hemmen, lassen sich in diese oder jene Richtung lenken. Das ist im Grossen die Aufgabe der Politik, im Kleinen der Auftrag des Einzelnen. Problematisch kann es jedoch werden, wenn den Veränderungen oder dem Wandel Vorstellungen und Ideologien zugrunde liegen. Wenn man das Mass des Gegebenen überschreitet.

Wie alles, hat auch der Wandel ein Gegenstück. Es sind dies die Beständigkeit und die Kontinuität. Sie geben dem Wandel Struktur, Mass und Ziel. Mehr noch: Aus der Beständigkeit und Kontinuität geht der eigentliche Wandel erst hervor. Nur was Bestand hat, kann sich angemessen wandeln. Andererseits kann ein entfesselter Wandel den Bestand aufzehren, er beginnt, eigengesetzlich geworden, das Bestehende zu verbrauchen.

Eine Gesellschaft, in der Beständigkeit und Kontinuität eine wesentliche Rolle spielen, orientiert sich entweder an den natürlichen Gegebenheiten oder an einem religiösen Motiv. Natürliche Gegebenheiten, die Bestand und Wandel verkörpern, finden sich in der Natur und auch im Universum zuhauf. So kreisen etwa die Planeten um die «unbewegte» Sonne, genauso wie die Elektronen um den Atomkern kreisen; ein Apfel besteht aus dem Kerngehäuse und dem das Gehäuse umgebenden Fruchtfleisch; bei einem Baum unterscheiden wir zwischen dem Stamm und dem raumergreifenden Geäst mitsamt dem Laub, während der Mensch und das höherentwickelte Tier sich durch Rumpf und Glieder auszeichnen. Dementsprechend ist das Königreich strukturiert. Der König stellt die in sich ruhende Mitte dar, um die das Volk «kreist». Das zeigt sich besonders deutlich beim Schachspiel, bei dem der König den geringsten Spielraum hat – er wirkt, ohne zu handeln. Im Gegensatz dazu stehen die «Offiziere» und die Bauern, die geradezu auf Bewegung angewiesen sind.

Auch die alten Städte, die wir wegen ihrer Ausstrahlung und Schönheit bewundern, sind nach diesem Prinzip strukturiert. Marktplatz, Kirche und Rathaus stellen die unbewegte Mitte dar, von der die Wege und Strassen mit den diversen Wohngebäuden ausgehen. Hervorgegangen ist die Stadt aus der wehrhaften, unbewegten Burg, um die sich nach und nach ein lebendiger und bewegter Markt bildete.

Der entfesselte Wandel

Mit dem Beginn der Neuzeit, im Besonderen aber durch die Französische Revolution und die Aufklärung, verschieben sich die Gleichgewichte. Der König hat real, vor allem aber im übertragenen Sinn, abzutreten oder wird abgesetzt, wodurch die in sich ruhende Mitte verwaist. Die Bewegung oder der Wandel nehmen überhand. Die gesteigerte Bewegung ist die Beschleunigung, und so beschleunigen sich allmählich sämtliche Lebensbereiche. Problematisch dabei ist, dass eine Struktur, der die Mitte fehlt, letztlich weder Mass noch Ziel und auch keine Richtung hat.

Die Burg, um die herum sich die Märkte bildeten, ist mittlerweile zur Ruine geworden, während sich die Märkte selbst entfesselt haben und alles zu beherrschen beginnen. Konsum und Fortschritt heissen die Schlagwörter. Die Organismen, die bisher aus Rumpf und Gliedern bestanden, haben sich auf die Glieder reduziert – Strassen bestimmen das Bild der Stadt und namenlose, nicht voneinander zu unterscheidende Wohneinheiten. Unsere Städte und Dörfer haben kein Haupt und kein Herz mehr, sie sind zu organisierten Zellklumpen geworden.

Die Entfesselung bewirkt letztlich, dass sich die Dinge – und dies besonders seit den 1960er-Jahren – aufzulösen beginnen. Das betrifft sämtliche gewachsenen Strukturen: die Familie, die Sprache, die Traditionen – Gemälde werden abstrakt, die Musik atonal, die Geschlechter undefinierbar, die Landschaft wird zum zersiedelten Gebiet.

Dörfer und Städte

Eng verbunden mit der Entfesselung und der Beschleunigung ist das Aufkommen der Industrialisierung. Es müssen immer mehr Produkte in immer kürzerer Zeit produziert werden. Dass die Produkte dadurch vereinheitlicht werden, liegt auf der Hand. Zudem muss alles, was über den reinen Nutzen hinausgeht, eliminiert werden.

Für die Stadt bedeutet dies, dass technisch hergeleitete Konzepte und Planungen in das Gewachsene einzugreifen beginnen. Eindrückliche Beispiele dafür liefern die schachbrettartigen Strassenmuster von La-Chaux-de-Fonds (1841) oder New York (1811). Dazu kommt, dass die alten Strukturen, die auf eine Mitte hin ausgerichtet waren, dem neuen «Geist» zuwiderlaufen. In Deutschland etwa wurde nach 1945 mehr historische Bausubstanz zerstört als während des Krieges.

In einer Stadt, die nur noch aus Gliedern besteht, die wahllos ins Nichts hinauslaufen und beliebig erweitert werden können, findet man sich ohne technische Hilfsmittel auch nicht mehr zurecht. Ohne Navi würde kaum noch jemand sein Ziel erreichen.

Das Argument, dass mit dem «Fortschritt» dem weltweiten Bevölkerungswachstum Rechnung getragen werden müsse, wirkt dabei fast zynisch. Auch das Bevölkerungswachstum und die Migration sind Folgen der allgemeinen Entfesselung und Beschleunigung.

Die Auflösung der Zeitlosigkeit

Fast etwas irritiert blickt man bisweilen auf die alten Gebäude: auf romanische oder gotische Kirchen, auf die Bürgerhäuser der Renaissance und des Barock.

Wie war das möglich?, fragt man sich angesichts der Erhabenheit und Kunstfertigkeit, die bei diesen Bauten in praktisch jedem Detail deutlich werden – angesichts der Zeitlosigkeit und Gültigkeit, die diese Häuser ausstrahlen. Es war deshalb möglich, weil der Wandel aus der Beständigkeit hervorging, weil die Dinge wie von einem in der Mitte sich befindenden Magneten gehalten wurden. Das beginnt bei den Handwerksberufen, indem der Gipser Stuckateur, der Maler Kunstmaler, der Maurer Bildhauer und der Schreiner Holzbildhauer waren. Sie alle schufen Originale, die aufgrund der Kunstfertigkeit des jeweiligen Handwerkers und nicht mittels Maschinen und einem genormten und zertifizierten Arbeitsablauf entstanden.

Mit der Industrialisierung haben sich die Dinge in ihr Gegenteil verkehrt. Die Arbeitskraft wurde teurer, das Material billiger. Deshalb musste mit allen Mitteln versucht werden, die Arbeitskraft gering zu halten oder sie auszulagern. Die Automatisierung geht auf diesen Umstand zurück, ebenso die Digitalisierung, die entgegen der analogen Denkweise, die in kontinuierlichen, stetigen Schritten abläuft, die Einzelschritte auflöst – und in vorläufig letzter Konsequenz auch die künstliche Intelligenz.

Der verlorene Sohn

Was müsste getan werden, damit wieder Grosses, Erhabenes entsteht, und zwar nicht nur im Einzelfall, sondern im Sinne eines allgemeinen Ausdrucks? Ansatzpunkte gibt es viele: Masshalten, die Bildung kleinräumiger Strukturen, griffige Verordnungen, die die Nachhaltigkeit fördern usw. Manche dieser Massnahmen gleichen jedoch Lippenbekenntnissen, denn es kann nicht darum gehen, den vorhandenen Zustand durch den Austausch der Mittel aufrechtzuerhalten. Was Not tut, ist zunächst das Eingeständnis, dass man sich verrannt hat. Dass wir, entsprechend dem verlorenen Sohn, unser Erbe verschwendet haben. Am tiefsten Punkt angelangt, folgt die Umkehr, bei der mit jedem Schritt die Gewissheit wachsen dürfte, dass die ewig gültigen, auf Beständigkeit beruhenden Strukturen im Verborgenen nach wie vor vorhanden sind. Wir haben zwar die Oberfläche gründlich umgekrempelt und beginnen mittlerweile auch in die Substanz einzugreifen. Aber die letzten Dinge sind unangreifbar. Aus ihnen bilden sich die Strukturen des Lebens immer wieder neu; aus ihnen geht der wirkliche Wandel erst hervor.

Das Pendel wird zurückschwingen – die Zeiten ändern sich. ♦

von Volker Mohr


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Flache vs. runde Erde

Interview mit ZeeRock und Oliver Wittwer

«Dass die Erde eine Kugel ist, ist doch längst bewiesen!» «Es gibt viele Beobachtungen, die der runden Erde widersprechen.» «Wenn wir schon bei anderen grossen Themen so massiv belogen wurden, kann es gut sein, dass wir auch hier in die Irre geführt werden.» «Was spielt es überhaupt für eine Rolle, ob die Erde rund, flach oder ein Donut ist?»

Die Frage nach der Form der Erde erhitzt die Gemüter. Während sich die wachsende Anhängerschaft der Flachen Erde sicher ist, dass es sich beim Globus um «die grösste aller Lügen» handelt, halten die anderen das für kompletten Unsinn. Flacherdler bezeichnen Vertreter des konventionellen Weltbilds gerne als Gatekeeper oder als Anfänger, denen es nicht ernst um die Wahrheit sei. Jene wiederum finden, dass man sich lächerlich macht, wenn man die Form der Erde nur schon hinterfragt – oder warnen sogar davor, dass es sich um eine Psyop handeln könnte, um Wahrheitssuchende und «Verschwörungstheorien» generell als unglaubwürdig zu diskreditieren. Beide Seiten beanspruchen für sich, dass ihre Position eindeutig belegbar sei, während die Gegenseite Fakten ignoriere, Denkfehler begehe, Beobachtungen falsch interpretiere, einem Glauben anhänge und «nicht mit sich reden lässt».

Grund genug für «DIE FREIEN», sich diesem kontroversen Thema zu stellen. Unsere ursprüngliche Idee eines Zwiegesprächs scheiterte aufgrund ebendieser Mischung aus Vorurteilen und schlechten Vorerfahrungen. Stattdessen stellten wir je einem Vertreter der flachen und der runden Erde einige grundsätzliche Fragen – wissend, dass wir in diesem Rahmen nur an der Oberfläche beider Weltbilder kratzen können.

Das meint der eine Experte … ZeeRock

«DIE FREIEN»: Lieber ZeeRock, die Flache Erde gilt als eine der skurrilsten Verschwörungstheorien. Du hast in deiner zwölfstündigen Vortragsserie «Die Weltenlüge» das Modell der Flachen Erde ausführlich dargelegt. Wieso befasst du dich damit?

ZeeRock: Das ist doch das Fundament. Wenn du über die eigene Heimat, den Ort, auf dem du steht, belogen wirst, dann kannst du auch nicht sagen, wer du bist, wo du bist, wohin du gehst. Du bist dann lost in space. Die Globuslüge ist die Grundlage, um dem Menschen später viele andere dumme Dinge mitzugeben.

Wann hast du am offiziellen Weltbild zu zweifeln begonnen?

ZR: Ich hab schon in der Jugend, als der erste Irakkrieg ausbrach, begriffen, dass man nicht alles glauben darf, was einem gesagt wird. …

von Christian Schmid Rodriguez


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Datenschutz versus Freiheit

Das neue Datenschutzgesetz (DSG) und der Digital Services Act (DSA) sind weitere Schritte in die Unfreiheit. Die schweizerischen Bestimmungen sind sogar noch tückischer als die europäischen.

Dachten Sie bisher auch, dass Sie im helvetischen Internet irgendwie sicherer seien als im Internet der EU? Weil man nicht diese lästigen Cookie-Banner wegklicken muss? Sie haben sich leider getäuscht.

Mit dem total revidierten Datenschutzgesetz DSG und den Ausführungsbestimmungen, insbesondere in der neuen Datenschutzverordnung, hat sich die Schweiz dem Datenschutzniveau der Europäischen Union angenähert. Sie setzt jedoch auch eigene Akzente: Im Gegensatz zur in der EU geltenden DSGVO werden beispielsweise keine Cookie-Banner verlangt.

Websites, welche ihre Angebote explizit ans europäische Ausland richten, sowie Websites, welche aus dem europäischen Ausland übernommen wurden, können mit einem Cookie-Banner Ihr Einverständnis zu den Cookies einfordern. Alle anderen müssen über die Verwendung von Cookies nur informieren.

Ein Beispiel? Die Website der Schweizer Post. Die Schweizer Post informiert nur, dass sie «zur Verbesserung Ihres Benutzererlebnisses» Cookies einsetzt. Daneben sehen Sie den Button – mit dessen Betätigung Sie sich einverstanden erklären … müssen!

Während Sie auf einer Website aus dem EU-Raum wählen können, mit welchen Cookies Sie einverstanden sind, setzt Ihnen die Schweizer Post die Pistole auf die Brust: Entweder, Sie akzeptieren, oder Sie verlassen die Website. Weitere Möglichkeiten? Gibt es nicht. Als Benutzer müssen Sie den Cookies, welche abgefragt werden, zustimmen, wenn Sie auf der Website bleiben wollen.

Das DSG dient nicht der Sicherheit, sondern dem Silicon Valley

Das Schweizer Datenschutzgesetz verlangt in der Theorie, dass der Besucher informiert wird, welche Daten von ihm abgefragt werden, und von wem. Website-Betreiber sehen sich neuerdings gezwungen, den Vorgang zu schildern, den das Kontaktformular auslöst: Dass diese Nachricht vom Sekretariat gelesen, gespeichert und archiviert wird. Doch dieser Vorgang existiert schon, seit es Firmen mit einem Sekretariat gibt; es ist sinnlos, darüber ein Wort zu verlieren.

Kein Wort wird hingegen darüber verloren, dass eine Quadrilliarde Informationen ins Silicon Valley fliessen, von jeder Fertig-Website aus. …

von Mike S. Krischker


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Ist der Liberalismus eine materialistische Philosophie?

Beim Begriff Sozialismus denken viele an zwischenmenschliche Wärme, Solidarität und Zusammenhalt. Sozialismus ist das warme Lagerfeuer, um das sich die Gemeinschaft versammelt. Jenen, die es am meisten nötig haben, wird geholfen.

Beim Konservativismus wiederum stehen traditionelle Werte, Familie, Hierarchien und Religion im Vordergrund, die ein geordnetes Miteinander ermöglichen.

Im Gegensatz dazu halten viele den Liberalismus für eine materialistische Philosophie. Die Forderung nach gesichertem Privateigentum ziele letztlich nur auf die egoistische Verteidigung der eigenen materiellen Besitztümer ab, während Solidarität und Allgemeinwohl hintanstehen müssten.

Was entgegnen Liberale auf diese Vorwürfe?

Den meisten Liberalen ist klar, dass der Liberalismus zwar keine hinreichende, aber eine notwendige Bedingung für ein glückliches Leben aller darstellt. Ohne individuelle Freiheit in Form von Abwehrrechten wäre es unmöglich, alle Menschen zufriedenzustellen. Warum? Weil Menschen zwar alle miteinander verbunden sind, sich aber dennoch charakterlich stark voneinander unterscheiden. Menschen haben nun einmal unterschiedliche Präferenzen, Bedürfnisse und Lebensziele. Gestehen wir den Einzelnen keine Freiräume zu und bevormunden wir sie stattdessen durch eine kollektive Gewalt, sind Unglück, gesellschaftliche Konflikte und Spaltung vorprogrammiert.

Wenn Liberale aus diesen Gründen das Privateigentum als wichtigstes Abwehrrecht verteidigen, denken sie nicht nur an materielle Besitztümer wie Geld, Autos und Uhren, sondern an die Achtung der Menschenwürde, Gewaltverzicht und Frieden. Am Ursprung des Privateigentumgedankens stehen der eigene Körper und die Seele. Liberale glauben, dass der Körper im materiellen Diesseits demjenigen gehört, der ihn direkt steuert, also jedem Einzelnen.

Natürlich kann man darüber philosophieren, ob wir tatsächlich die Eigentümer unserer Körper sind oder ob diese uns nur von einer höheren Macht verliehen wurden. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass andere Menschen kein Recht haben, mit Gewalt und Drohung auf andere einzuwirken, um sie zu einem Verhalten zu zwingen, zu dem sie sich ohne solche Übel nicht freiwillig entschieden hätten.

Freiheit als Grundbedingung

Der Liberalismus ist, wie erwähnt, keine hinreichende, aber eine notwendige Bedingung für ein glückliches Leben aller. Natürlich braucht es für Glück nicht nur individuelle Freiheit, aber ohne Freiheit ist keine Verwirklichung der ureigenen Träume möglich – unabhängig davon, ob diese materieller oder immaterieller Natur sind. Hinzu kommen verschiedenste Werte und Lebensprinzipien (z.B. dass man andere nicht manipuliert), die Auswirkungen auf die Reinheit unseres Gewissens und unser Glück haben, auch Liebe und Spiritualität, wobei es hier Unterschiede von Person zu Person geben mag.

Nur weil der Liberalismus sich nicht in diese Angelegenheiten einmischt und es jedem selbst überlässt, was er mit seiner Freiheit anstellen will – solange er die Freiheit der anderen respektiert –, bedeutet das nicht, dass er eine materialistische Philosophie ist. In einer freiheitlichen Gesellschaft kann man zwar einem plumpen Materialismus frönen. Aber man kann sich geradeso gut auch anders entscheiden. ♦

von Olivier Kessler

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Olivier Kessler ist Direktor des Liberalen Instituts. Er ist Co-Autor von «64 Klischees der Politik: Klarsicht ohne rosarote Brille» sowie Autor und Mitherausgeber u.a. der Bücher «Wissenschaft und Politik: Zuverlässige oder unheilige Allianz?» und «Verlockung der Macht: Die Kunst, die offene Gesellschaft zu verteidigen».


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Vom Leben auf vier Rädern

Manchmal muss es erst einmal knallen, damit man seine Träume verwirklicht. So war es auch bei Robin Bär. Zuerst der Albtraum: Glatteis, Unfall, Autoschaden. Dann die Idee: Warum eigentlich wieder ein Auto kaufen und nicht gleich ein «Büssli», das man ausbauen kann? Der 28-Jährige erzählt, wie er seinen Traum vom Leben im Van realisierte, und warum er beschloss, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.

Im unberührten Wald barfuss über die noch feuchte Erde laufen; splitterfasernackt von einer Klippe ins Wasser springen; der Sonne dabei zuschauen, wie sie im Meer versinkt; beim Einschlafen den Blick zur Dachluke richten und Sterne zählen.

Das Vanlife soll abenteuerlich und unbeschwert sein – Freiheit pur. Doch entspricht dieses Bild der Realität? Die Instagram-Fotos von Weltenbummlern, die ihre Wohnung gegen einen Kleinbus eingetauscht haben, sind oft auf Hochglanz poliert und stimmen daher kaum mit der Wirklichkeit überein. «Das Vanlife ist nicht vergleichbar mit einem Dauerurlaub, in dem man total entspannen kann», sagt Robin Bär. Klar gebe es Tage, die sehr erholsam seien, aber «easy-peasy» sei so ein Leben im Van nicht; man müsse mit vielen unvorhersehbaren Situationen rechnen. «Ich bin zum Glück jemand, der bei Stresssituationen Ruhe bewahrt und gleich nach Lösungen sucht», so der 28-Jährige.

Ein Lebensmotto von Robin lautet: «Du hast viel mehr Lebensfreude, wenn du nicht weisst, was dich morgen erwartet.» Dass er sein Studium – Sportwissenschaften an der Berner Fachhochschule – nach zwei Semestern bereits wieder abbrach, war auch nicht zu erwarten, hatte er doch sein Wunschstudium gefunden. «Fünf Jahre für den Bachelor ist eine sehr lange Zeit», findet Robin, der Teilzeit studierte und nebenbei als Abteilungsleiter im Bereich Vertrieb bei der Landi in Marthalen arbeitete. Er fügt an: «Die Idee, mich selbstständig zu machen, schlummerte schon lange in mir.» Dieses Vorhaben reifte während seiner ersten grossen Van-Reise im Jahr 2022 heran – heute führt er eine Agentur für Social-Media-Marketing in der Sportbranche.

Robin fackelt nicht lange, für Zweifel hat er keine Zeit. Das war nicht immer so: «Meine Exfreundin hat mich mit ihrer positiven Lebenseinstellung sehr geprägt.» Während sich andere in seinem Alter schon um ihre Vorsorge kümmerten, lebe er lieber im Hier und Jetzt. «Ich möchte nicht, dass mein Leben an mir vorbeizieht, deshalb fokussiere ich mich lieber auf das, was mir wichtig ist, mich glücklich macht – ich versuche, das Beste aus jeder Situation zu machen.»

Auch die Idee, mit einem Van gemeinsam auf Reisen zu gehen, kam von der Exfreundin: «Im Winter 2020 baute ich mit meinem Auto einen Unfall – es hatte Glatteis auf der Fahrbahn. Meine Exfreundin konnte mich überzeugen, dass ich mir anstelle eines neuen Autos ein ‹Büssli› anschaffte.» Die neue Errungenschaft kostete die beiden rund 9000 Franken, hinzu kamen rund 21´000 Franken für den Innenausbau. Für diesen haben sie rund ein Jahr benötigt – in der Freizeit wurde ausgemessen, gezimmert, gewerkelt, bemalt, genäht usw.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Van ist stilvoll und gemütlich eingerichtet. Die sechs Quadratmeter grosse Wohnfläche wird optimal genutzt. Das Bett lässt sich mit ein paar Handgriffen zur Sitzecke umfunktionieren. Die Stauraumlösungen sind gut durchdacht: Beim Kopfkissenbereich sind im Bettgestell kleine Vertiefungen eingebaut, hier kann beispielsweise die Lektüre elegant verstaut werden. Oberhalb des Spülbeckens befindet sich ein Regal, an dessen Boden können dank eines Magnetsystems Tassen angebracht werden. Auf einem Hängeregal, welches an der Decke befestigt werden kann, und das dann über dem Fussende des Bettes schwebt, lässt sich der Laptop platzieren – so geht Van-Kino. Die Wand- und Deckenverkleidung ist zwar aus Holz; einige Paneele sind jedoch weiss gestrichen. «Meine Exfreundin hatte diese Idee – bei der Gestaltung musste ich mit ihr viele Kompromisse eingehen», sagt Robin und lacht.

Die weisse Farbe fing nicht an zu bröckeln, aber die Beziehung: Nach dem ersten grossen, rund siebenmonatigen Trip trennten sich die beiden, als sie wieder zurück in der Schweiz waren. Robin denkt gerne an die gemeinsame Zeit auf vier Rädern zurück: «Wir sind im Oktober 2022 in Venedig gestartet und dann innert eines Monats entlang der Adriaküste bis in den Süden Italiens gefahren – wir flohen quasi vor dem kalten Wetter.» Da der Van nicht mit einer Heizung ausgestattet ist, kann es je nach Jahreszeit drinnen sehr kalt werden. In Apulien bei einem Freiwilligeneinsatz in einem Tierheim verliebte sich das damalige Paar in einen Vierbeiner: Der Auserwählte hiess damals noch Pauli – heute hört er auf den Namen Comino. Es ist kein Zufall, dass der Hund nach der kleinsten bewohnten Insel des maltesischen Archipels benannt ist, reiste das Paar doch von Sizilien mit der Fähre nach Malta – «20 Grad und türkisfarbenes Wasser an Weihnachten, das war schon supertoll!»

Nach dem Beziehungsaus ging es nicht lange, bis Robin wieder das Fernweh lockte. Eigentlich wollte er sich mit einem Kollegenpaar, welches bereits mit seinem eigenen Van unterwegs war, im Süden Schwedens treffen. Doch Elektronikprobleme machten ihm einen Strich durch die Rechnung: «Da der Van in die Werkstatt musste, sass ich zehn Tage in Göttingen fest. Das Vanlife hat eben nicht nur Sonnenseiten.» Das Kollegenpaar reiste ohne Robin weiter. Ganz auf sich allein gestellt, war er aber nicht – Comino begleitete ihn.

In den Wäldern Schwedens fand Robin reichlich Blaubeeren und Pilze. Auf dem Speiseplan standen oft auch Fische – neben diversen Sportarten ist Angeln ein grosses Hobby von Robin. Ob Nahrung, Wasser oder Schlaf: Beim Vanlife stehen die Grundbedürfnisse im Zentrum. «Während meiner zweimonatigen Schweden-Reise betrugen meine Lebenshaltungskosten im Schnitt 45 Euro pro Tag. Es fühlt sich gut an, das materielle Leben auf das Notwendigste zu beschränken.»

Manchmal ist es paradox: Erst wenn man in die Fremde geht, kommt man bei sich selbst an. Robin formuliert dies so: «Je weniger Ablenkung ich habe, desto mehr bin ich in meiner Mitte.» So richtig gut und frei fühlte sich Robin, als er im Pieljekaise-Nationalpark auf eine Hochebene wanderte: «Der Aufstieg lohnte sich, ich konnte unzählige grasende Rentiere aus nächster Nähe beobachten.»

Im Frühling möchte der Selbstständigerwerbende wieder mit dem Van losziehen. Als Reiseziel schweben ihm die Balkanstaaten vor, auch der hohe Norden würde ihn reizen, eine konkrete Reiseroute hat er aber noch keine. Robin hat viele Ideen für neue Projekte – die meisten stecken aber noch in den Kinderschuhen. Vor rund zwei Jahren etwa hat er zusammen mit angehenden Programmierern der ZHAW begonnen, die App «VanFan» zu entwickeln. Dank dieser sollen sich Vanreisende mit anderen, die gerade unterwegs sind, vernetzen und treffen können.

Gute Ideen sollte man zuerst einmal reifen lassen. Manchmal braucht es eine Reise mit dem Van, damit man sie realisiert – und so seinen Träumen ein Stück näher kommt. ♦

von Luisa Aeberhard

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Robin Bär beschreibt in seinem Buch «Vanlife – die Kultur» die Vor- und Nachteile des Lebens im Camper und bietet auf Instagram einen umfassenden Einblick in das Vanlife.


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Die Stunde der kosmischen Entscheidung

Es geht ein Riss durch die Welt und ihre Herzen. Aus Sorge, dass der Mensch sich selbst nicht aus dem Blick verliert, trägt der Romantiker sein Gefühl auf der Zunge und sich selbst zu Grabe. Gibt es keinen anderen Weg, mit unserer Zerrissenheit umzugehen? Wo bleibt das «Dazwischen», die Grenze zwischen icht und Schatten? Ein Aufruf zur transzendentalen Vernunft.

Was hält die Welt in ihrem Innersten zusammen? Kaum eine andere Frage hat die Philosophie je so beschäftigt, und tut es noch. Atome, Materie, die gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse, unser Verstand, das Bewusstsein, die Ideen? – Welchen Bewegungskräften unterliegen wir? Werden wir von etwas durchströmt, oder durch etwas gesteuert? Der Streit um die Urfrage, das Sein alles Seienden, fand seinen Höhepunkt gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als sich in Deutschland, genauer gesagt in Jena, eine Strömung entwickelte, die man später Idealismus nennen sollte. Seine Akteure, unter ihnen die Philosophen Hegel, Schelling und Fichte sowie die Dichter Schiller, Hölderlin und Novalis, träumten davon, dem Leben mehr Bedeutung zu verleihen und die edle Ruhe gegen ein Leben voll tieferer Empfindungen einzutauschen. Sie wollten sich nicht länger auf die Wahrnehmung und Urteilskraft anderer verlassen, sondern machten es sich zur Aufgabe, die Dinge selbst zu untersuchen.

Gemeinsam mit ihren Gefühlsverwandten, den Romantikern, vertraten sie die Ansicht, dass die Welt immer kälter werde und ihre Bewohner seelisch verarmten. «Der Lärm von Vernunft und Wissenschaft» mache die Menschen taub für den Traum, die Fantasie, das Unbewusste. Nicht nur bezweifelten sie, dass der Fortschritt immer das «Bessere» mit sich bringe; den Widerspruch von rauer Verstandesherrschaft und der Verletzlichkeit des Einzelnen empfanden sie als Epochenkrise. …

von Lilly Gebert


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Kunst für eine gemeinsame Vision

An der New Earth Expo 2024 wird das einmalige Kunstprojekt «Art Im-Puls» zu bestaunen sein: Individuelle Kreationen auf Leinwand werden zu einem neuen Kunstwerk zusammengefügt. Einzigartige Inspirationen verschmelzen zu einer neuen gemeinsamen Vision. Bis jetzt sind laut Projektleiterin Janine Landtwing rund 150 individuelle Kreationen in Arbeit.

Landtwing betreibt das Atelier «Soul Alchemy Lab» in Cham und knüpft mit «Art Im-Puls» ideell an ein Projekt an, das sie vor einigen Jahren durchführte. 69 Künstler von fast allen Kontinenten hatten sich daran beteiligt. Dieses Mal soll es noch umfangreicher werden.

Die Idee des Projektes: Möglichst viele Menschen sollen im Sinne des Kernthemas der Expo, Souveränität, ihre Einzigartigkeit ausdrücken und in der Form eines Werks einbringen, das dann co-kreativ in das gemeinschaftliche Gesamtbild eingefügt wird. Dadurch wird das Abbild eines Weges in eine neue Welt greifbar.

So setzt das Kunstprojekt eingebettet im übergeordneten Thema der Expo neue Impulse für das spielerische Mitwirken an einer neuen Welt, ein gesünderes Miteinander und einen friedvollen Lebensraum.

Das neue Bild, bestehend aus den vielen einzelnen, entsteht gleichzeitig physisch und online. Seit Dezember kann der Fortschritt auf der Homepage der New Earth Expo verfolgt werden.

Künstlerische Vorkenntnisse sind zum Mitmachen nicht nötig. So beteiligen sich neben Künstlern auch Schulklassen bei «Art Im-Puls». Die Freude am Kreieren, die Motivation, an etwas Gemeinsamen mitzuwirken, steht im Vordergrund, sagt Landtwing.

Es sei spannend, diesen Prozess mit Menschen zu gestalten und im Voraus nicht zu wissen, was letztlich aus den vielen einzelnen Werken entstehe. Das Projekt biete einen Raum, aus dem sich selber etwas kreiere.

Die Expo hat sieben Schwerpunktthemen: Gesundheit und Wohlbefinden, neue Gemeinschaften und Formen des Zusammenlebens, Vernetzung, Politik und Gesellschaft, Kunst und Kreativität, Souveränität der Menschen, Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Jedes davon hat eine Hintergrundfarbe. Alle Einzelwerke werden durch einen Kreis am Rand mit dem nächsten Bild verbunden. Diese Verknüpfung verbindet die Einzigartigkeit mit dem Gesamten.

Wer am Kunstprojekt mitwirken will, kann sich über nachfolgenden Link anmelden. Das Werk muss bis zum 8. April 2024 bei Janine Landtwing ankommen, damit das Gesamtbild bis zur Expo fertiggestellt werden kann. Zur Anmeldung:

newearth.soulalchemy.art/de/newearthexpo

von Armin Stalder


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