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In guten Händen? Pro und Kontra Bitcoin

Es herrscht wenig Einigkeit über Bitcoin. Das fängt bei der Definition an. Für die einen ist Bitcoin eine digitale Währung, für andere ein digitaler Wertspeicher und für den nächsten eine Spekulationsblase analog der Tulpenmanie des 16. Jahrhunderts. Das liegt auch an der diffusen Entstehungsgeschichte der ersten und grössten Kryptowährung.

Der Erfinder von Bitcoin ist Satoshi Nakamoto, der 2008 ein revolutionäres Dokument mit dem Titel «Bitcoin: Ein elektronisches Peer-to-Peer-Cash-System» veröffentlichte, in dem er die Idee einer Kryptowährung vorstellte. Im Januar 2009 veröffentlichte Nakamoto die erste Version der Bitcoin-Software und begleitete die Entwicklung der dezentralen Datenbank (der «Blockchain») während mehrerer Jahre, schrieb bei Online-Foren zum Thema und tauschte mit anderen Bitcoin-Entwicklern rege E-Mails aus, bis er im Jahr 2011 die Netzwerk-Schlüssel und damit die Geschicke Bitcoins anderen Entwicklern übergab. «Ich habe mich anderen Dingen zugewandt. Bitcoin ist in guten Händen.» Seither hat niemand mehr von ihm gehört. Mittels Blockchain-Analyse können Satoshi Nakamoto ungefähr eine Million Bitcoin zugewiesen werden, das sind aktuell etwa 60 Milliarden Schweizer Franken, was nahezu dem Gegenwert sämtlicher in Umlauf befindlichen Banknoten der Schweizer Nationalbank entspricht. Dieses ungeheuerliche Vermögen wurde nie bewegt, kein einziger Coin jemals ausgegeben.
Es gibt viele Argumente gegen Bitcoin. Schauen wir uns diese genauer an:

1. Man weiss nicht, wer Bitcoin erfunden hat. Satoshi Nakamoto ist ein Pseudonym. Die Identität des Bitcoin-Erfinders konnte nie geklärt werden, möglicherweise ist er weder ein Mann, noch aus Japan, noch ein einzelner Mensch. Doch ist dies ein Argument gegen Bitcoin oder eher eines, das für die Kryptowährung spricht? Wäre bekannt, welcher Mensch hinter Bitcoin steht, wäre dieser auch anfällig für Druckversuche und Manipulationen. Ohnehin liegt die Macht über Bitcoin längst nicht mehr bei einem Einzelnen, sondern bei einem riesigen Netzwerk von Teilnehmern weltweit.

2. Bitcoin hat keinen intrinsischen Wert. Über die Definition des Werts kann man Bücher füllen. Letztlich lässt sich feststellen, dass kein Gut einen Wert hat, sondern dass die Menschen Dingen einen Wert geben. Viele sehen in Bitcoin eine Chance für ein dezentrales Geld, das sich dem Zugriff und der Manipulation des Staates entzieht. Das ist eine historisch erstmalige Chance, der viele Menschen einen Wert zumessen. Andere sehen in der limitierten Schöpfung neuer Bitcoin einen Wert. Es wird nie mehr als 21 Millionen Bitcoins geben können. Ein radikaler Unterschied zu den aufgeblähten Geldmengen der Federal Reserve, der Europäischen Zentralbank oder der Schweizer Nationalbank.

von Michael Bubendorf


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«Bitcoin bedeutet finanzielle Souveränität»

Der Berner EDU-Grossrat Samuel Kullmann ist überzeugter Anhänger der Kryptowährung Bitcoin. Er gehört zu den wenigen Politikern in der Schweiz, welche dieses Thema in die öffentliche Debatte einbringen.

Samuel Kullmanns Einstellung zum Bitcoin kontrastiert das Bild, welches die Mainstreammedien von der Kryptowährung zeichnen. Ihre Vorwürfe lauten meist gleich: Bitcoin sei wegen der Kursausschläge bloss Spekulationsobjekt, werde wegen der Anonymität zur Finanzierung krimineller Aktivitäten missbraucht, und sei letztlich durch keinen realen Wert gedeckt. Kullmann widerspricht, für ihn ist der Bitcoin «ein grosser Durchbruch.» Seit fast zehn Jahren beschäftigt er sich genauer mit dem Finanzsystem. Es begann im Januar 2015, als die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Mindestkurs von 1.20 Franken pro Euro aufhob: «Dies führte zu extremen Kursschwankungen. Da fragte ich mich: Was passiert da genau?» Die SNB habe das nur gemacht, weil die Europäische Zentralbank (EZB) begann, für 60 Milliarden Euro monatlich Staatsanleihen zu kaufen. «Das klang ungesund.» Kullmann kam zum Schluss, dass es besser ist, unabhängiger von den Banken zu werden, denn die systemische Instabilität sei gross: Seit der Finanzkrise 2008 hätten allein westliche Grossbanken Strafzahlungen in der Höhe von 400 Milliarden Dollar leisten müssen.

Kullmann, der sich auch mit Gold und Silber auseinandergesetzt hat, weil sich damit Ersparnisse aus dem Bankensystem herausnehmen liessen, erwarb seinen ersten Bitcoin Ende 2016 – «für ungefähr 800 Franken». Mit der Lektüre von «Der Bitcoin-Standard» des Wirtschaftswissenschaftlers Saifedean Ammous habe er sein Verständnis für die Kryptowährung vertieft. Im April 2024 hat der 37-Jährige ein eigenes Buch zum Thema herausgegeben.

Unsicheres Fiatgeld

Das Hauptproblem im gegenwärtigen Finanzsystem laut Kullmann: Geld werde per staatliches Dekret zu Geld, «das aber durch nichts mehr gedeckt ist, wie es beim Goldstandard noch war. Durch Druck von Banknoten und Münzprägung gibt die SNB neues Fiatgeld heraus. Das entspricht aber weniger als zehn Prozent der Geldmenge.» Der Rest existiere nicht physisch, sondern entstehe durch Verschuldung. «Wenn sich Private, Unternehmen oder Staaten verschulden, schaffen Geschäftsbanken aus dem Nichts neues Geld, Buchgeld genannt.» So sei in den vergangenen 40 Jahren die Geldmenge des Frankens im Durchschnitt zwischen vier und fünf Prozent jährlich gewachsen. «Dieser Wert geht zulasten der Kaufkraft. Die meisten Leute wissen das nicht», sagt Kullmann. …

von Armin Stalder

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Weitere Infos zu Samuel Kullmanns Bitcoin-Engagement: kullmann-services.ch


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Ein Idyll für Naturliebhaber und Gleichgesinnte

Roni Brunner von «Suoni della natura» im Gespräch

Roni Brunner stammt ursprünglich aus dem Aargau. Anfang 2021 kaufte er gemeinsam mit seiner Partnerin Katharina sein 4,5 Hektar grosses Grundstück im Herzen Italiens, unmittelbar angrenzend zur Toskana. Dort sind die beiden mittlerweile zu 100 Prozent energieautark: Die Energie für ihre Ferienstudios fliesst aus ihren Solaranlagen, das Wasser aus einem 120 Meter tiefen Brunnen. Die Oliven- und Obstbäume sowie ihr Garten sind biologischen Anbaus.

Zeitgleich mit der Eröffnung seines Natur- und Erlebnisortes «Suoni della natura» begann Roni Brunner bei «DIE FREIEN» zu inserieren. Nun, zwei Jahre später, haben wir nachgehakt und uns erkundigt, welche Früchte die rund ein Dutzend Inserate getragen haben.

«DIE FREIEN»: Lieber Roni Brunner, wie sind Sie auf unsere Zeitschrift aufmerksam geworden?

Roni Brunner: Wenn ich mich recht erinnere, bin ich, schon bevor die erste Ausgabe herauskam, über Corona-Transition auf «DIE FREIEN» aufmerksam geworden. Dort wurde das Heft vorgestellt und angekündigt, dass die erste Ausgabe in Arbeit sei. Ich bestellte dieses sofort und überlegte mir, dass ich dort gerne inserieren möchte.

Wie kam es zur Entscheidung, bei uns zu inserieren? Welcher Impuls war im Vordergrund?

RB: Der Impuls, das waren ganz klar die Personen, die die Zeitschrift anspricht. Mir schien es, als wäre die Schnittmenge zwischen den Menschen, die sich bei euch wohlfühlen, und denen, die auch ich gerne um mich habe – und die ich auch gerne als Gäste habe –, sehr gross.

Was hat das Inserat für Sie und Ihren Natur- und Erlebnisort bewirkt?

RB: Wir konnten etliche Anfragen und Buchungen realisieren, die auf das Inserat bei euch zurückzuführen sind. Wir sind nicht bei den grossen Anbietern wie Airbnb vertreten, an deren Klientel sind wir auch gar nicht interessiert. Deshalb fragen wir unsere Gäste immer, wie sie uns gefunden haben. Und es ist wirklich schön zu sehen, welch Netzwerke sich durch das Inserat gesponnen haben und weiterhin spinnen.

Was war die schönste Begegnung, die dank Ihrem Inserat bei «DIE FREIEN» zustande kam?

RB: Eine lustige Episode war, dass jemand, der aus dem weitesten Bekanntenkreis kam, seinen Aufenthalt bei uns gebucht hat. Da er in dem Nachbardorf von dem Ort lebt, aus dem wir kommen, und in dem wir Flyer auflegen, dachten wir natürlich zuerst, er sei darüber auf uns aufmerksam geworden. Dann stellte sich aber heraus, dass er das Inserat bei euch im Heft gesehen hatte. Das war lustig.

Wem würden Sie empfehlen, bei uns zu inserieren?

RB: Beispielsweise Restaurant- oder Gästebetriebe, die sich denen gerne anbieten würden, die sich, ich sag mal, der «Schwurblerszene» angetan fühlen. Eben die, die für sich einen anderen Weg gewählt haben und auf diesem «bewusste» Gäste suchen.

Das kann ich gut nachvollziehen. Es entsteht ja auch eine gewisse Unbeschwertheit oder Leichtigkeit, wenn man sich darauf einstellen darf, dass man bestimmte Themen nicht vor vorgehaltener Hand besprechen muss, sondern ganz frei und offen reden darf.

RB: Ja genau. Wir sind zum Beispiel auch vegetarisch unterwegs. Das ist ja keine Bedingung, aber es zieht schon eher «bewusstere» Menschen an, die dann vielleicht auch aufs Fleisch verzichten oder anderweitig ähnliche politische, gesellschaftliche Ansichten vertreten und mit uns teilen. Diesen Austausch auf Augenhöhe schätze ich sehr.

Wie weit reicht dieser Austausch?

RB: Im Kleinen sind wir im permanenten Austausch darüber, wie wir Prozesse einleiten oder unterstützen könnten, die langfristige Veränderungen mit sich ziehen können. Vor Ort gibt es immer wieder Begegnungen, aus denen sich wirklich gute Diskussionen ergeben. Man fühlt sich gegenseitig unterstützt und genährt und hat es einfach gut miteinander. Beispielsweise haben sich schon Yoga-Gruppen um eine Yoga-Lehrerin entwickelt, die sagte, dass sie gerne ganz frei und freiwillig Kurse anbieten würde – es haben sich mittlerweile schon mehrere Menschen angeschlossen. So entsteht alles sehr organisch und wird von den Menschen und ihrer gemeinsamen Begegnung getragen.

Dieses schöne Gefühl von eigenverantwortlichen und von ihren inneren Neigungen angetriebenen Menschen, die aus sich heraus und um sich herum eine Kreativität entfalten – das wünscht man sich!

RB: Ja genau. Auch Musiker, Kunstschaffende, Landart-Künstler haben bereits den Weg zu uns gefunden. So ergibt sich eine ganz eigene Klientel, die sich nicht länger durch Äusserlichkeiten, sondern durch eine grosse Innerlichkeit definiert – und wiederum auch nicht definieren lässt.

von Lilly Gebert

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Katharina Zweifel & Roni Brunner
Località Manziano 16, 05010 Parrano, TR, Italia
Anfrage nach Verfügbarkeit: contact@suonidellanatura.info
suonidellanatura.info
Tel.: +41 (0)79 316 83 15


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Autotraum – ausgeträumt?

Ein Auto bedeutet Freiheit. Zumindest gehörte es lange zu den heilsbringenden Versprechungen von materiellen Konsumwünschen. Wie der Fernseher oder der Kühlschrank galt das Auto während des «Wirtschaftswunders» in der Nachkriegszeit als Baustein eines guten Lebens.

Zunehmend wird das Auto als Feind wahrgenommen. Zu viele schädliche Emissionen: Lärm, CO₂. Antwort der Politik: 30er-Zonen, Dezibel-Beschränkungen, Abgasvorschriften.

Vorbei scheint die Zeit des Autos als Spassmobil, als aufregende gestaltungspotente Innovation, die jedes ästhetische und technische Bedürfnis zu befriedigen wusste. Das Auto hat seinen Nimbus der Unschuld verloren.

Am Auto lässt sich nachvollziehen, wie sich der Zeitgeist über einen bestimmten Zeitraum verändert. Es ist die materialisierte Form von Ideologie. Weitere  Beispiele sind Architektur, Mode oder Musik. Insofern kann das Auto stellvertretend für eine breite Entwicklung gesehen werden.

Magische Illusionen

Das SUV (Sport Utility Vehicle) scheint als einziger Fahrzeugtyp noch an Träume appellieren zu können. Der Name suggeriert Sportlichkeit und Geländetauglichkeit. Meistens sind solche Autos weder sportlich noch geländetauglich.

Doch sie sind ein erträgliches Geschäftsmodell für Hersteller: Wegen ihrer Massigkeit und ihrem Gewicht sind sie ressourcenintensiver im Unterhalt, belasten Strassen stärker, brauchen grössere Reifen, verursachen mehr Bremsstaub, erzielen höhere Durchschnittspreise.

Verkaufsargument: Übersicht durch höhere Sitzposition. Wirklich? Eher trifft das Gegenteil zu: Grosse Autos sind unübersichtlich. In seiner panzerartigen Erscheinungsweise soll es Durchsetzungskraft ausstrahlen, um sich im Verkehr mächtiger zu fühlen. Wenigstens auf der Strasse soll der soziale Aufstieg demonstriert werden. Die Selbstüberschätzung führt zu falschem Sicherheitsempfinden.

Die Bauform eines SUV entspricht der Quadratur des Design-Kreises. Sie führt zu einem Luftwiderstand eines Containers und soll – im Fall des SUV-Coupés – sportlich wirken. Aerodynamik bezieht sich jedoch auf Keilförmigkeit. Mit Marketing lassen sich semantische Widersprüche in magische Illusionen verwandeln.

Zeitlose Ikonen wie Citroën DS oder VW Käfer? Kaum ein Hersteller wagt ein Abenteuer, jegliche Formen offenbaren assimilierte Standards eines massentauglichen Universalgeschmacks. Innen wie aussen. Aussen ein Möchtegern-SUV, innen viel Klinisches. Die Bedienelemente erinnern eher an Smartphones.

«Smarte» Zukunft

Das Auto der Zukunft soll «smart» sein. Mithilfe künstlicher Intelligenz bereitet es ein komfortables Fahrerlebnis. Lästige Manöver wie Einparken werden überflüssig. Autofahren der Zukunft als supercool-smartes Sorglospaket.

All dies ist Ausdruck einer rationalistischen Denkweise, eines ökonomischen Prinzips, das wesentlich einem puritanischen Kalkül entspricht: kalt, seelenlos, unpolitisch. Doch das Verantwortungsproblem bleibt.

Das Auto der Zukunft soll niemandem mehr gehören («Carsharing») und dank digitaler Überwachungstechnologie den Einstieg für diejenigen blockieren, deren ökologischer Fussabdruck das Monatskontingent bereits überschritten hat.

Hauptsache es wird «grün». Denn angeblich herrscht Klimakrise. Und das Auto: auserkoren, die Welt zu retten. Besser gesagt: ihre Besitzer, durch «nachhaltigen» Konsum, damit das Genussdiktat nicht hinterfragt werden muss.

Ein «grünes» Auto ist ein gutes Auto, weil es vorgaukelt, von seinen ursprünglich gefährlichen Komponenten gesäubert zu sein. Man fährt ein Elektroauto, um etwas «Gutes» zu tun. Was tust du, um die Natur zu bewahren? Die Sinnfindung wird durch eine sentimentale Form der Identifikation auf das Auto projiziert. Die Werbung verkauft schon längst immaterielle Werte, die der Selbstverwirklichung dienen sollen. Die tatsächlichen Eigenschaften eines Autos wie Funktionalität oder Ausstattung sind dabei unwichtig geworden. Die Form des Blechs darf grotesk sein, solange die Energieeffizienz vermeintlich stimmt.

Unsterbliches Geheimnis

Mit der «richtigen» Haltung den Planeten retten: So «benutzerfreundlich» wie heute haben Menschen noch nie Probleme gelöst. «Nachhaltigkeit» ist das Gebot der Stunde. Tu nur noch das, was umweltverträglich ist. Schon die Kirche hat mit dem schlechten Gewissen gute Geschäfte gemacht.

Diese quasireligiöse Moral beeinflusst das Verhalten mannigfaltig. Dadurch erhalten scheinbar freie Handlungen unterschwellig eine noch strengere Anweisung. Selbstbestimmung entpuppt sich als aufgezwungener Glückskommunismus. Man macht etwas nicht nur für sich, sondern auch für ein kolportiertes höheres Gut.

Unmündigkeit ist unsexy. Gilt auch beim Autofahren. Man will nicht durch Technologie fremdgesteuert werden. Die Kulturpuritaner vergessen das oft. Es geht um Subjektivität, Kontrolle ist alles. Mit ihr ist die sinnliche Erfahrung des Autofahrens verknüpft. Ausserdem lebt mit der Kultur des Autos ein göttlicher Traum: die Allbeweglichkeit. Es sind diese auratischen Geheimnisse, die das «Auto» unsterblich machen. ♦

von Armin Stalder


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MOMO

«Momo» ist eine Weihnachtsgeschichte für Kinder und gleichzeitig eine erleuchtende Geschichte für Erwachsene zum besseren Verständnis des ungerechten Geldsystems. «Momos» Potenzial in Bezug auf das friedliche Zusammenleben der Menschheitsfamilie kann nicht überschätzt werden.

Die Geschichte handelt vom ungeheuerlichen Privileg, das sich einige wenige Menschen bereits vor Jahrhunderten einfach genommen haben: Die unbegrenzte und dafür Zinsen verlangende Schuldgeld-Schöpfung aus dem Nichts durch Zentralbanken und Geschäftsbanken, auf Kosten unser aller Arbeit und Lebenszeit. Dabei handelt es sich um nichts weniger als das Monopol zum unendlichen Drucken von Geld zum eigenen Vorteil und mittlerweile zur Beherrschung der Welt und über 90 Prozent aller Menschen.

Der Autor von «Momo», Michael Ende, erkannte bereits in den 1970er-Jahren, dass das kapitalistische Fiat- oder Fake-Money-System durch Inflation bzw. Geldentwertung und Verarmung der Mehrheit immer wieder grosse Krisen und Kriege provoziert, und dass wir dies nur verhindern können, indem wir die menschengemachten Spielregeln des Geldsystems verändern. Michael Ende wünschte sich ganz offensichtlich eine öffentliche Diskussion über ein demokratisches Geldsystem, mit dem Ziel, die Zukunft unserer Kinder entscheidend zu verbessern. Denn was das Geldsystem zerstört, kann kein Sozialsystem jemals reparieren. Noch kurz vor seinem Tod bedauerte Michael Ende, dass man seine Botschaft nicht ernstgenommen hatte, wie ein sehenswerter Dokumentarfilm aus dem Jahr 1996 festhält.

Die MOMO Friedensbewegung

Die MOMOs, die Mitglieder der MOMO Friedensbewegung, sehen in der humanen Marktwirtschaft von Peter Haisenko die bisher beste Umsetzung eines fliessenden und nicht inflationären Geldsystems. Die humane Marktwirtschaft könnte die bereits viel zu lange andauernde Herrschaft des Fake-Money beenden. Insofern ist das tiefere Verständnis der Geschichte von «Momo» absolut essenziell für die friedliche Entwicklung unserer Gesellschaft, denn das Geldsystem ist das Hauptproblem.

Weil «Momo» aber auf eine für jedermann verständliche Art die Ungerechtigkeit des Schuldgelds offenlegt, sind diese schöne Geschichte und die gleichnamige Friedensbewegung nun ins Fadenkreuz des gewissenlosen Systems geraten. Der juristische Angriff auf uns zeigt ganz klar, dass sich die Konstrukteure und Vertreter des Weltfinanzsystems vor «Momo» fürchten.

Das ist ein sehr guter Grund, euch allen das Buch und den Film sowie die MOMO Friedensbewegung wärmstens zu empfehlen – speziell zu Weihnachten, dem Fest des Lichts und der Erleuchtung. «Momo» ist nicht nur ein Plädoyer für ein gerechteres Geldsystem, seine Botschaften zielen auf Empathie, die Tugend des Zuhörens und mehr Frieden in dieser Welt. Dies umzusetzen könnte uns, vereint als Menschheitsfamilie, dank MOMO gelingen. ♦

von einem Momo


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Die demokratische Illusion

– und die Dreigliederung des sozialen Organismus

Ist die moderne Demokratie in der Lage, die Ansprüche von freien und selbstbestimmten Menschen angemessen zu repräsentieren? Viele Freiheitsliebende beantworten die Frage mit einem klaren Nein. Kann die heutige Demokratie so umgebaut werden, dass unsere Ansprüche besser vertreten werden oder müssen wir sie grundsätzlich überdenken?

Die von Rudolf Steiner vorgelegte Idee der Dreigliederung zeigt, weshalb und wie wir
die Rolle der Demokratie im Gesamtgefüge von Staat, Wirtschaft und Kultur neu verorten müssen. Damit der Staat wirksam reduziert werden kann, braucht es einen radikalen Umbau hin zu einer solidarisch-brüderlichen Wirtschaft und die Entwicklung eines freien Kultur- und Geisteslebens.

Die Illusion der modernen, repräsentativen Demokratie beruht auf der Vorstellung, der Stimmbürger könne durch Wahl, durch Abstimmungen und die öffentliche Meinung die Politiker so leiten, dass diese ihm dienstbar würden. Oder umgekehrt: der Politiker werde durch diese Faktoren gezwungen, dem Bürger zu dienen. Man geht davon aus, dass rechtlich-demokratische Mechanismen, Medienkontrolle und Gewaltentrennung dafür sorgen würden, dass ungeeignete Politiker ersetzt werden, wenn sie versagen. Diese Überzeugung ist grundlegend falsch. Trotzdem hält sie sich auch in der Bürgerrechtsbewegung hartnäckig. Man debattiert immer noch darüber, was der Stimmbürger alles tun könnte, um seine Repräsentanten dazu zu bringen, ihn wirklich zu vertreten.

Eine Aufarbeitung der Corona-Zeit und der Mechanismen, die zur Korrumpierung des Staates geführt haben, ist wichtig. Ebenso eine Analyse der Berichterstattung der Medien und deren Verflechtung mit Staats- und Wirtschaftsinteressen. Was man jedoch bei aller berechtigten Kritik vermisst, ist ein Lösungsansatz. …

von Istvan Hunter


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Was ist eine gerechte Gesellschaft?

Zwiegespräch mit Marko Kovic und Titus Gebel

Titus Gebel ist erfolgreicher libertärer Unternehmer und fördert weltweit freie Privatstädte. Marko Kovic bekennt sich zum Sozialismus und ist als «Experte für Verschwörungstheorien» ein scharfer Kritiker der Bürgerrechtsbewegung. Wie sieht die Gesellschaft aus, die sie sich wünschen?

«DIE FREIEN»: Lieber Marko, lieber Titus, ihr habt beide sehr unterschiedliche politische Weltanschauungen. Wie stellt ihr euch eine lebenswerte Gesellschaft vor, und wie kann diese erreicht werden?

Titus Gebel: Eine lebenswerte Gesellschaft ist für mich gekennzeichnet durch das Motto «Leben und leben lassen», sodass jeder nach seiner Façon glücklich werden kann. Wir möchten alle in Frieden leben, wir möchten nicht totgeschlagen oder ausgeraubt werden – das will nicht mal ein Krimineller. Da haben wir alle eine hundertprozentige Übereinstimmung – bei allem, was darüber hinausgeht, nicht. Aber heute haben wir Systeme, in denen die Mehrheit entscheidet und die Minderheit zu Dingen zwingt, die sie eigentlich nicht möchte. Und dieses System wird natürlich gekapert von allen möglichen Interessengruppen, was zu einem permanenten politischen Konflikt führt, um die Mehrheit zu erringen, Gesetze zu verabschieden oder abzuwehren. Ich nenne das einen unsichtbaren Bürgerkrieg. Und das will ich nicht. Ich möchte, dass sich jeder auf das konzentriert, was er am besten kann, und das geht nur, wenn wir den Staat beschränken auf Schutz von Freiheit, Leben, Eigentum. Weil er, sobald er darüber hinausgeht, Missbrauch betreibt.

Wie kommen wir da hin?

TG: Schwierige Frage. Meine Erfahrung ist, dass die meisten das gar nicht wollen, das muss ich auch akzeptieren. Das Problem in der Demokratie ist, dass man den Wählern tendenziell immer mehr verspricht, um gewählt zu werden. Dadurch steigt die Staatsquote an und irgendwann sind so viele Leute und Unternehmen direkt oder indirekt vom Staat abhängig, dass das System nicht mehr reformierbar ist. Die Idee des schlanken Staats funktioniert in der Theorie, aber nicht in der Praxis. Deshalb denke ich, dass man sich komplett aus dem System rausnehmen und alternative Systeme von ausserhalb anbieten muss, aber ausschliesslich für Freiwillige. Ich habe mir so ein System überlegt: die Freie Privatstadt, in der wir anstelle des Staats alle Dienstleistungen privat erbringen. Wenn es Interessenskonflikte gibt, werden sie vor unabhängigen Schiedsgerichten ausserhalb unserer Organisation ausgehandelt. Es ist volle Vertragsfreiheit gegeben, sodass sich die Zivilgesellschaft spontan so entwickeln kann, wie sie das möchte. Aber man kann eben nicht andere dazu zwingen, nach seiner Pfeife zu tanzen. Auch dann nicht, wenn man die Mehrheit hat.

Wie weit sind diese Pläne fortgeschritten?

TG: In der Praxis ist es natürlich schwierig, denn man muss mit bestehenden Staaten verhandeln, die bereit sind, so ein Experiment durchzuführen. Das geht mit Staaten, die sowieso schon Sonderwirtschaftszonen haben und sich überlegen, so etwas auch für Bürger zu machen, sodass man dort auch wohnen kann. Es gibt seit einigen Jahren den Trend hin zu solchen Zonen, weil einige Staaten sich auch einen Wettbewerbsvorteil davon versprechen. Es ist aber noch ganz am Anfang und in der Schweiz eigentlich ausgeschlossen.

Marko Kovic: Du hast die Diagnose der Pathologie von einem zu grossen Staat, der sich plagt mit Partikularinteressen – das würde ich sogar ein Stück weit teilen. Aber habe ich richtig verstanden, dass du denkst, das ist die Konsequenz des demokratischen Systems an sich? Du denkst also nicht, dass eine Demokratie funktionieren kann ohne diese Pathologien? …

von Christian Schmid Rodriguez


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Warum Sie nicht an einen totalen Zusammenbruch glauben sollten

Es gibt eine grosse Anzahl von Menschen, die auf einen umfassenden, apokalyptischen Zusammenbruch des westlichen Systems warten. Ich behaupte, dass es nicht dazu kommen wird. Und ich hoffe, Sie davon überzeugen zu können, dass ich recht habe.

Das gegenwärtige Risiko ist ein langer, stetiger Rückgang der Lebensqualität, nicht eine Apokalypse. Natürlich wäre eine Apokalypse dramatisch reizvoll: In der Apokalypse bricht alles Verkommene zusammen, alle Geheimnisse werden aufgedeckt, die Wahrheit kommt ans Licht, und wir haben am Ende recht. Das gibt ein ganz schön dramatisches Drehbuch für einen Film ab, aber das wird so nicht passieren in der modernen Welt.

Damit will ich nicht sagen, dass der aktuelle Zustand erhalten bleibt – das wird er nicht. Er wird in die Geschichte eingehen, wie die mächtigen Pharaonen oder das ewige Rom und allenfalls kurz betrauert werden. Die Gründe, weswegen wir – jenseits der Kriegsgebiete – keinen totalen Zusammenbruch erleben werden, sind einfach …

von Paul Rosenberg

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Paul Rosenberg beschäftigt sich seit der ersten Cypherpunk-Ära intensiv mit Kryptografie. Er ist Co-Autor eines Grundlagenpapiers über private digitale Volkswirtschaften und betreibt den anarchistischen Blog Free-Man’s Perspective.


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Die wichtigste Währung der Welt

Steigende Inflationsraten, die gewaltige Überschuldung der westlichen Welt, «Entdollarisierung» – die Qualität von Geld ist in den letzten Jahren wieder ein bisschen mehr in den Fokus geraten. Die wichtigste Währung der Welt allerdings ist immaterieller Natur und flüchtig.

Sicher, der US-Dollar ist allen Unkenrufen zum Trotz nach wie vor die wichtigste Währung im internationalen Zahlungsverkehr, auch wenn der Renminbi Yuan mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Gold und Silber sind zweifelsohne wichtige Depotbestandteile, und physisch sowie im direkten Besitz sogar elementare Bestandteile einer Versicherung gegen «Worst case»-Szenarien. Kryptowährungen sind vielleicht die Zukunft oder aber die Digitalwährungen der Zentralbanken. Doch sie alle sind abhängig von der Währung, die ich meine. Diese ist nicht greifbar und auch nicht zählbar.

Und doch zahlen wir jeden Tag in ihr – und werden in ihr bezahlt. Wir nutzen sie, wenn wir den Aufzug betreten. Wenn wir Autos, Züge oder Flugzeuge benutzen. Wenn wir die Strasse an der Ampel überqueren. Ebenso wenn wir Geschäfte machen, als Angestellte wie als Unternehmer. Auch im Umgang mit dem Staat und seinen Bütteln, hier zahlen wir ebenfalls in dieser Währung, und natürlich auch innerhalb unserer eigenen, freiwillig gewählten und eingegangenen Gemeinschaften und Verbindungen. Selbstredend ist sie ebenfalls die Basis des gesamten Fiat-Geldsystems (die treffendere Bezeichnung wäre übrigens Schuldgeldsystem, denn die Zentralbanken schaffen Geld nicht aus dem Nichts, sondern gegen Schuldverschreibungen).

Die Rede ist von Vertrauen.

Wenn wir den Aufzug betreten, vertrauen wir darauf, dass dieser ordentlich gewartet ist und uns nicht, statt nach oben oder unten, ins Jenseits befördert. Wir vertrauen darauf, dass die Bremsen im Auto funktionieren, dass der Zug relativ pünktlich abfährt und die Weichen für ihn korrekt gestellt werden. Wenn wir bei Grün über die Ampel gehen, vertrauen wir darauf, dass die Autos entsprechend Rot haben und auch, dass sie anhalten werden. Angestellte vertrauen darauf, dass ihnen die Firma am Monatsende das vereinbarte Gehalt auszahlt und der Chef vertraut darauf, dass auch am nächsten Tag seine Mitarbeiter pünktlich am Arbeitsplatz erscheinen. Wir (also als Gesellschaft; als Libertäre freilich eher nicht) vertrauen auch dem Staat und seinen Institutionen: beispielsweise, dass vor Gericht tatsächlich weitgehend Recht gesprochen wird. Dass die politische Klasse – trotz aller Korruption und Postenschacherei – doch auch das Wohl der eigenen Bevölkerung irgendwie im Sinn hat. Auf die Strom- und Wasserversorgung vertrauen wir ebenso wie auf eine vernünftige Entsorgung der Abwässer, dass wir im Supermarkt kaufen können, was wir für den alltäglichen Bedarf (und weit darüber hinaus) benötigen. Ebenso vertrauen wir darauf, dass das, was wir da kaufen, nicht irgendwie gepanscht oder vergiftet ist.

All das ist nicht selbstverständlich, auch wenn es uns Menschen, die wir im Westen (ich könnte auch schreiben: im judeo-christlichen Abendland) und insbesondere in Deutschland gross geworden sind, so scheint. Tatsächlich ist einer der Gründe für den enormen wirtschaftlichen Erfolg des Westens, dass seine staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen ebenso wie seine Mitglieder selbst vertrauenswürdig sind (beziehungsweise es wohl waren).

Man kann sich im Westen eigentlich gar nicht vorstellen, was für ein unglaubliches Wunder es beispielsweise ist, dass Busse fahrplangemäss fahren. Im Rest der Welt fahren Busse nämlich recht willkürlich – hier in China gibt es keine zeitbezogenen Fahrpläne. Der Bus kommt, wenn er kommt. Gottseidank fahren hier so viele Busse, dass man selten lange warten muss, aber manchmal kommen dann drei der gleichen Linie direkt hintereinander. Auf Kuba hingegen kann es auch passieren, dass potenzielle Fahrgäste umsonst den Tag an der Bushaltestelle verbrachten.

Oder denken Sie an die Plattform eBay und deren ursprüngliches Konzept: Zwei völlig unbekannte Menschen, die auch räumlich weit auseinanderliegen, handeln miteinander, und die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Handel die einzige Interaktion zwischen diesen beiden Menschen bleiben wird, liegt nahe 100 Prozent. Was hindert die Partner, kaputte Ware zu schicken beziehungsweise nicht zu zahlen? Tatsächlich gab es sogar Versicherungen gegen Zahlungsausfälle beziehungsweise defekte Waren. Sie wurden so gut wie nicht genutzt: Die Vertragspartner, obwohl Hunderte Kilometer auseinander, waren nicht nur meistens, sondern zu 99,99 Prozent ehrlich und vertrauten einander – zu Recht.

Hier in China bietet sich ein völlig anderes Bild: Selbst im Supermarkt kann man sich nicht sicher sein, dass die Ware original ist. Ein Weinimporteur erzählte mir neulich, dass etwa 60 Prozent aller Weine aus Frankreich, die in China angeboten werden, gefälscht sind. Passend dazu las ich, dass pro Jahr in China mehr Wein des australischen Weingutes Penfolds verkauft wird, als selbiges im Jahr produziert. Als ich in Peking lebte, versuchte mir die Eigentümerin eines Tante-Emma-Ladens ein (!) Päckchen Taschentücher für 26 Renminbi Yuan (damals etwa 3 Euro) zu verkaufen, da sie mich wohl in einer Notlage wähnte, denn in China nimmt man sein Toilettenpapier selbst auf die öffentliche Bedürfnisanstalt mit. Auch ist das Vertrauen der Chinesen in ihre staatlichen Institutionen zwar einerseits enorm, andererseits aber ruft man eher ungern die Polizei und regelt die Dinge lieber selbst – und gäbe es keine Kapitalverkehrskontrollen in dem Land, die Immobilienpreise in Australien, London und der US-Westküste würden noch sehr viel höher stehen und das Reich der Mitte würde binnen Stunden vermutlich drei Viertel der Spareinlagen seiner Bürger verlieren.

Gesellschaften mit einem hohen internen Vertrauenslevel haben enorme Vorteile gegenüber solchen mit einem niedrigen. Pauschal kann man sagen, dass die Transaktionskosten dadurch dramatisch niedriger liegen, ja zahllose Transaktionen überhaupt erst dadurch zustande kommen können, weil man sich gegenseitig vertraut.

Was passiert nun, wenn die Bürger das Vertrauen in den Staat, die Institutionen oder auch in ihre eigene Gesellschaft verlieren? Für viele Libertäre mag mit dem endgültigen Verlust des Vertrauens in Staat und Politik das goldene Zeitalter der Privatgesellschaft heraufdämmern. Ich hingegen bin da skeptischer. Ich habe viel Zeit in Gesellschaften mit deutlich niedrigeren gesellschaftlichen Vertrauensleveln verbracht – wirklich freiheitlich(er) waren keine …

Das Fundament wird brüchig

Im Gegenteil: Mit einsetzendem Vertrauensverlust gehen Freiheiten erst langsam, dann schneller verloren, erst für die ärmeren Gesellschaftsschichten, dann aber auch immer stärker für die Mittelschicht. Das mag man als Angstmacherei abtun, aber ich bin lediglich ein entspannter, auf der anderen Seite der Welt lebender Beobachter. Von Populismus oder Angstmacherei habe ich nichts. Mein nüchterner, allenfalls leicht nostalgischer Blick gen Westen lässt mich aber leider konstatieren, dass die Zeichen deutlich geschrieben stehen: Insbesondere in Deutschland, aber auch im Westen als solchem, wachsen die Zweifel an den Fähigkeiten der politischen Klasse, schwindet der Glaube an die Kräfte und die Rechtmässigkeit gesellschaftlicher Institutionen, werden Vernunft, Besonnenheit und kühles Kalkulieren gegen Moden, künstliche Erregungen und kurzfristige Hypes getauscht.

In Deutschland ist der enorme Auftrieb der «Schwefelpartei» AfD eigentlich schon ein hinreichender Beleg für das schwindende Vertrauen ins politisch-mediale System: Die Partei, seit ihrer Gründung als Wiedergänger der NSDAP gebrandmarkt, würde inzwischen bundesweit von mehr als 20 Prozent der wahlbereiten Bürger gewählt – daraus kann man eigentlich nur den Schluss ziehen, dass das Gros eben dieser Wähler die Märchen, welche politische Konkurrenz und Mainstreammedien über die AfD erzählen, nicht mehr glaubt. Auch wenn ich nicht ausschliessen kann und will, dass ein Teil der AfD-Wähler diese Märchen glaubt und die Partei gerade deshalb wählt. Aber in persönlicher Kenntnis etlicher Wähler sowie einiger Vertreter ebenjener Partei scheinen mir jene allenfalls ein sehr (sehr) kleiner Teil zu sein.

Wie auch immer – es gibt noch viel mehr Hinweise: der steigende Goldpreis, immerhin versechsfacht seit der Jahrtausendwende, ist ein ebenso klares Indiz wie die zunehmende Abstimmung mit den Füssen vulgo Auswanderung: Im vergangenen Jahr verliessen 1,2 Millionen Menschen die Bundesrepublik. Absoluter Rekord. Kehrseite der Auswanderung ist Einwanderung – hier kamen im vergangenen Jahr 2,7 Millionen Menschen. Ebenfalls absoluter Rekord. Leider kamen keine (bzw. nur kaum) arbeitswillige Vietnamesen, leistungsbereite Chinesen oder wenigstens junge, hübsche und heiratswillige Kolumbianerinnen, sondern nahezu ausschliesslich junge Männer aus Afrika und der arabischen Welt. Die selbstredend nicht nur kaum ausgebildet und damit auch kaum arbeitsfähig sind, sondern in aller Regel auch noch Mohammedaner, und damit genau jenes Gemisch mitbringen, das das gesellschaftliche Vertrauensfundament weiter und schneller erodieren lässt. Die Ereignisse in der Silversternacht 2016 (die sich seitdem regelmässig wiederholen) mögen ein hinreichender Fingerzeig sein, ein anderer jene Szenen, die sich inzwischen in jedem Sommer in (fast) jedem Freibad in Berlin, Bremen und anderen bundesrepublikanischen Brennpunkten abspielen.

Die Folgen von Multikulti bringen eben nicht mehr Freiheit und damit mehr Möglichkeiten, sondern eine Vertrauenserosion: Man spricht wortwörtlich, ebenso wie im übertragenen Sinne, nicht mehr dieselbe Sprache – banalste Dinge wie das Warten an einer Bushaltestelle oder das Fragen nach dem Weg oder der Kinobesuch werden dann plötzlich zu einem Risiko. Auch dass obskure Ideen wie zum Beispiel der Glaube an eine flache Erde Hochkonjunktur haben, zeigt das schwindende Vertrauen. Während Eratosthenes im Grab rotiert, gibt es offenbar eine wachsende Anzahl an Menschen, die sogar den grundlegendsten physikalischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen misstrauen – bedenkt man, wie sehr der Begriff Wissenschaft in den letzten dreieinhalb Jahren missbraucht wurde («follow the science»), kann ich es ihnen nicht einmal verdenken.

Für viele Libertäre mag das Schwinden des Vertrauens in politische Parteien sowie staatliche Institutionen eine gute Sache sein. Tatsächlich aber wird so der Weg in Richtung einer freiheitlicheren Gesellschaft nicht beschritten. Im Gegenteil. Je weniger der Bürger der Politik vertraut, desto fester wird das politische Establishment die Zügel anziehen. Desto härter wird die Propaganda auf die Bürger einprasseln und desto schwerer werden jene bestraft, die vom Staat und seinen Bütteln als «Abweichler» eingestuft werden. Die Plandemie und der Umgang mit jenen, die das Narrativ nicht befolgen wollten oder sich gar der Gentherapie offen verweigert haben, ist ein erster Vorgeschmack auf das Kommende.

Dies gilt auch jenseits der Politik – wenn dem staatlichen Geld nicht mehr vertraut wird, dann tritt nicht einfach besseres Geld an dessen Stelle, sondern der Staat und seine Institutionen werden das schlechte Geld mit aller Macht schützen und es mit Gewalt und Zwang am Umlaufen halten. Wer nicht mehr in Gerichte und Rechtsstaat vertraut, wird einerseits geneigt sein, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen oder andererseits Recht und Gesetz zu ignorieren. Und wer nicht darauf vertrauen kann, Kritik oder auch blosse Meinung frei und gefahrlos äussern zu können, wird entweder schweigen oder nach anderen Möglichkeiten suchen, sich Gehör zu verschaffen. Ohne Vertrauen in zuverlässige Institutionen und einen verlässlichen Kurs wird auch die Wirtschaft unzuverlässig und sich nach stabileren, verlässlicheren Orten umsehen. Wenn erstmal ein gewisses Mass an Vertrauen verloren gegangen ist, setzt sehr schnell eine Abwärtsspirale ein – an deren Ende eben nicht ein goldenes Zeitalter individueller Freiheit steht, sondern eine fragmentierte, verarmte, verängstigte und gewalttätige Gesellschaft mit einem mehr oder weniger totalitären Staats- und Politikapparat.

Wäre eine Umkehr möglich? Einerseits ja, andererseits bin ich doch mehr als skeptisch. Wir wissen aus unseren eigenen, individuellen Beziehungen: Verloren gegangenes Vertrauen lässt sich, wenn überhaupt, nur mit unbedingter Ehrlichkeit wiederherstellen. Ich sehe beim politischen ebenso wenig wie beim medialen Personal und auch – mit Abstrichen – in der Wirtschaft kaum jemanden, dem ich die Fähigkeit und den Willen zur Ehrlichkeit zutraue. Die Lösung wird letztlich nur für den Einzelnen darin bestehen, als Individuum so frei, so autark, so autonom als möglich zu werden, was aber freilich nicht bedeutet, dass die Verwerfungen eines gesellschaftlichen Vertrauenskollapses spurlos an einem vorübergehen könnten. ♦

von Stephan Unruh

***

Stephan Unruh, geboren in Süddeutschland, landete nach Stationen in Mexiko, Vietnam und Malaysia in Südchina, von wo aus er als Teilhaber einer Hongkonger Handelsgesellschaft China und den asiatisch-pazifischen Raum mit Hightech aus Deutschland (ja, das gibts trotz allem noch) versorgt.

Dieser Artikel erschien in leicht geänderter Form zuerst auf dem libertären Portal freiheitsfunken.info


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Briefwechsel mit Richard Koller

Betreff: «Bargeld ist Freiheit und kein Fiat-Zwang»

Lieber Richard

Vor einigen Wochen hat das Anliegen der Bargeld-Initiative unerwartet Schützenhilfe vom Bundesrat erhalten, der einen Gegenentwurf zur von der «Freiheitlichen Bewegung Schweiz» angeführten Initiative ausarbeiten will. Diese erste Bargeld-Initiative ist ein ordnungspolitisches Vorzeigeprojekt: Kurz, klar und knackig formuliert, nimmt die Initiative den Staat an die Leine und fördert so die Individualrechte gegenüber dem Staat. Diese Initiative hat das Potenzial, den gefährlichen Flirt der Mächtigen mit der Bargeldabschaffung zu beenden, was die Einführung eines Orwellschen Überwachungsstaats nachhaltig behindert. Dafür gebührt dir und den weiteren Initianten Dank und Respekt.

Nun hast Du mit weiteren Initianten die zweite Bargeld-Initiative auf den Weg gebracht. Leider ist sie das exakte Gegenteil der ersten Initiative: Umständlich und ausführlich formuliert, hat sie das Ziel, die Bürger des Landes an die Kandare zu nehmen, sie gibt dem Staat Zwangsinstrumente gegen die Bürger des Landes an die Hand und würde zur buchstabengerechten Durchsetzung eine engmaschige Überwachung sämtlicher Transaktionen durch den Bund erfordern. Zeigt sich hier einmal mehr, dass wir zu dem werden, was wir bekämpfen? Die zweite Bargeld-Initiative ist eine der freiheitsfeindlichsten Vorlagen, über die das Volk je zu befinden hatte.

Sämtliche Transaktionen von Dienstleistern in der Schweiz sollen also mit Bargeld bezahlt werden können. Das ist eine ungeheuerliche Anmassung. Wenn ein Mensch mit der Kraft seiner Hände oder seines Geistes ein Produkt herstellt, dann sollte es diesem Menschen – und ihm allein – überlassen sein, gegen welchen Wert er die Früchte seiner Arbeit eintauschen will. Es ist nicht Aufgabe des Staates oder des Stimmbürgers, ihm dies vorzuschreiben. Wenn der Bäcker seine Brötchen lieber gegen Kartoffeln oder Silber tauschen möchte als gegen den Schweizer Franken, dann soll er das Recht dazu haben.

Besonders ironisch erscheint mir, dass es dieselben Menschen sind, die – vollkommen zu Recht – das Fiat-Geldsystem kritisieren und gleichzeitig ihre Mitmenschen zur Teilnahme an diesem kranken System zwingen wollen. Man muss geradezu hoffen, dass das Fiat-Geldsystem zusammenbricht, bevor die zweite Bargeld-Initiative angenommen wird. Sonst wären wir gezwungen, kostbare Güter und qualitativ hochstehende Dienstleistungen gegen ein vollkommen wertlos gewordenes Papiergeld einzutauschen.

Persönlich bin ich ein grosser Fan von Bitcoin. Aber ich würde nie jemanden dazu zwingen wollen, Bitcoin zu nutzen. Das beste Geld soll sich in Zukunft im freien Markt durchsetzen können, nicht mit politischem Zwang.

Viele Grüsse, Michael Bubendorf

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Lieber Michael

Vielen Dank für deinen Brief, welcher aufzeigt, dass unser Verständnis der gegenwärtigen Geschehnisse und der Bargeld-Initiativen unterschiedlich ist …


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