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Intelligente Pflanzen – Stumm und taub gezüchtet

Gesunde Pflanzen sind «intelligente» und empfindsame Lebewesen. Sie zeigen Reaktionen und haben ein ätherisches Bewusstsein. Der italienische Pflanzenneurologe Stefano Mancuso von der Universität Florenz beschreibt, wie Bäume über Blätter und Wurzelspitzen «lauschen» und einander «zuhören», wie sie ständig Informationen aus der Umwelt aufnehmen und verarbeiten, um dann entsprechend zu «handeln».

Mancuso entdeckte, dass die Bäume Informationen auch durch die Luft senden und auf diese Weise miteinander kommunizieren können. Hauptverantwortlich hierfür scheint das gasförmige Molekül Äthylen zu sein, das die Bäume in verschiedenen Situationen über die Blätter ausschütten. Die Botschaften können durch den Wind über mehrere Hundert Meter weit verbreitet werden.

Bäume kommunizieren nicht nur durch die Luft, sondern auch unter der Erde. Hierzu nutzen sie ihr immenses, dynamisches Wurzelnetz – das «wood wide web». Beim Informationsaustausch innerhalb dieses Netzes spielen symbiotische Pilze (Mykorrhizen) eine entscheidende Rolle. Nehmen Bäume über deren Wurzeln Informationen über schädliche Bakterien, Viren oder Pilze auf, können sie ihr Abwehrsystem aktivieren oder ihr Wachstum flexibel anpassen. Gesunde Bäume sind über einen weiten Wahrnehmungskreis resonanzfähig, sie können zusammenklingen und untereinander kommunizieren. Indem sie Veränderungen in ihrer Umwelt erkennen und darauf reagieren, gewährleisten sie die Erhaltung ihrer Art.

Auf der Grundlage dieser Informationen stimmt es nicht nur Pflanzenneurologen sehr nachdenklich, dass manche Arten von Kulturpflanzen ihre Fähigkeit zu Resonanz und Kommunikation verloren haben. «Sie können die Alarmrufe ihrer Artgenossen nicht mehr verstehen und sind selbst nicht mehr in der Lage, zu warnen. Sie sind stumm und taub gezüchtet worden. Das heisst, sie können keine Duftstoffe mehr aussenden, um Helfer anzulocken, die Schädlinge fressen oder vertreiben sollen», sagt Stefano Mancuso in einem Vortrag.

Künstliche Nahrung für High-Tech-Städter?

Gegenwärtig werden durch gezielte Manipulation weltweit schrille und grobe Unstimmigkeiten in der harmonischen Welt der Pflanzen erzeugt. So werden in grossem Stil sogenannte Farmscrapers vorangetrieben, in denen High-Tech-Pflanzen produziert werden. Die Produktion erfolgt ganzjährig, wobei eine maximale Produktion pro Quadratmeter angestrebt wird. Das Pflanzenwachstum wird durch künstliches und damit informationsarmes Licht angeregt und erfolgt in Hydrokulturen (wassergefüllten Behältern) oder durch Aeroponik (geschlossene Behälter mit Aerosolen). Vorreiter im Farmscraping sind asiatische Länder sowie die USA. In Kopenhagen steht seit 2021 der grösste europäische Farmscraper mit 14 Etagen. In der Schweiz sucht derzeit die GreenState AG nach Investoren. …

von Silvia Siegenthaler


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Zurück zu den Wurzeln

Die Kraft der Wildpflanzen

Sie sind naturverbunden, gehen ihren ureigenen Weg und haben ein grosses Wissen über die wilden Grünen: 13 Kräuterleute porträtiert Daniela Schwegler in ihrem neuesten Buch «Grünkraft». Der sehr ansprechend gestaltete Porträtband mit Illustrationen von Trix Barmettler und Reportagefotos von Gerry Amstutz ist Lesegenuss und Augenschmaus zugleich. Auch für die Gaumenfreude ist gesorgt: Wildkräuter-Rezepte bieten Inspiration für etwas andere Speisen.

Schmackhaft, vitalstoffreich und heilsam: Sie sind Alleskönner und wahre Überlebenskünstler. Bei der Wahl ihres Lebensraums sind sie definitiv nicht wählerisch. So wachsen und gedeihen sie etwa im Wald, an Wegrändern, auf Äckern oder sogar in Pflasterritzen. Heutzutage werden sie von vielen aus Unkenntnis als Unkraut abgestempelt, dabei sind sie die Urnahrung und Urmedizin der Menschheit.

«Die wilden Grünen erobern sich Land zurück. Immer mehr Menschen besinnen sich und entdecken mit den Wildpflanzen wieder ihre eigenen Wurzeln», sagt Daniela Schwegler. Die 54-jährige Autorin und freischaffende Texterin lädt in ihrem neuesten Buch «Grünkraft. Kräuterleute im Porträt» dazu ein, den Reichtum der Wildpflanzenwelt neu zu entdecken und die wilden Grünen wieder in den Alltag zu integrieren.

In zwölf Kapiteln erzählen zehn Kräuterfrauen, ein Kräutermann sowie ein Kräuterpaar, die in den verschiedensten Ecken der Schweiz leben, wie sie zu den Wildpflanzen gefunden haben, diese in den Alltag integrieren, und weshalb das Leben mit Kräutern so viel bereichernder ist als ohne. Sie geben Einblicke in ihr Wissen über die Verwendungszwecke, Wirk- und Heilkräfte der Wildpflanzen.

Heilkräuter statt Chemie

Von Rita Huwiler Weissen etwa erfährt man, dass eine Tinktur aus der Weidenrinde oder dem Mädesüss den Wirkstoff Salicylsäure enthält und somit als natürliche Alternative zu Aspirin verwendet werden kann. «Es dauert vielleicht teilweise etwas länger, wenn man etwas mit Heilkräutern statt mit Chemie auskuriert, aber dafür ist es nachhaltiger und nebenwirkungsfreier», sagt die pensionierte Naturheilpraktikerin, die im Wallis Heil- und Wildpflanzenkurse anbietet. Oft wachse unser Heilmittel in unmittelbarer Nähe. Ein selbst gesammelter Tee oder eine eigene Salbe helfe uns auf körperlicher und seelischer Ebene tiefer als ein schnell gekauftes Medikament, ist Huwiler Weissen überzeugt. Die 68-Jährige, die auch viel über Wildfrüchte weiss – «es gibt über 40 verschiedene Hagebuttensorten» –, besuchte schon Kurse bei der begnadeten Wildpflanzenköchin Meret Bissegger, die ebenfalls porträtiert wird.

Ihre erste Wildspinatsuppe aus Gutem Heinrich kochte sich Bissegger auf 1800 Metern über Meer, und zwar auf dem offenen Kaminfeuer: Drei Monate lang war sie einst auf einer Tessiner Alp – «vier Stunden Fussmarsch vom nächsten Dorfladen entfernt» –, wo sie zusammen mit vier Männern 210 Geissen und 48 Kühe hütete. Heute führt sie das Bed & Breakfast Casa Merogusto in Malvaglia, wo sie ihr Wissen in Kochkursen und auf Kräuterwanderungen weitergibt. Kursteilnehmer lernen zum Beispiel, dass der Spitzwegerich ähnlich wie ein Steinpilz schmeckt. Bissegger ist es ein grosses Anliegen, die lateinischen Namen für die Wildpflanzen zu verwenden: «Mit dem wissenschaftlichen Namen kann man über die Sprach- und Regionsgrenzen hinweg kommunizieren.» Sie veranschaulicht dies anhand des Gänsefusses (Chenopodium): «Chenopodium album ist die Weisse Melde. Chenopodium gigantum, der sehr ähnlich ist, der Baumspinat. Chenopodium bonus-henricus ist der Gute Heinrich. Chenopodium quinoa ist Quinoa.» Wenn man sie nun alle auf Deutsch benenne, seien es ganz unterschiedliche Pflanzen. Aber wenn man ihren lateinischen Namen benutze, merke man, dass alle verwandt sind. «Darum sind sie so ähnlich im Gebrauch, im Geschmack, und darum sind in Ötzis Magen Chenopodium album-Samen gefunden worden.»

Apropos Samen: Maurice Maggi, Blumengrafikkünstler und passionierter Koch aus Zürich, «streift im Schutze der Nacht mit ‹Samenbomben› durch die Quartiere und streut Malven, Eselsdisteln, Wegwarten oder auch mal Kulturgemüse wie Pak Choi und Schwarzkohl an trostlosen und öden Orten aus».

Die 13 porträtierten Kräuterleute haben alle ihren ganz eigenen Zugang zu den wilden Grünen. Was sie vereint: das Leben im Einklang mit der Natur und den Mitmenschen. Mit viel Achtsamkeit, Sorgfalt und feinem Humor ist es der Autorin gelungen, die Charaktere der Kräuterleute umfassend darzustellen. Entstanden sind inspirierende und tief berührende Texte über bewusste, teils spirituelle Menschen, deren Lebensläufe nicht geradlinig verliefen.

«Graue Erbsenzähler»

Auch Schwegler musste in ihrem Leben schon einige Umwege gehen. Umwege, die sie zu ihrer wahren Berufung führten. «Das Schreiben ist die einzige Konstante in meinem Leben», sagt die Autorin, die in einem Handwerkerhaushalt im Thurgauer Dorf Istighofen aufgewachsen ist. Während ihrer Kantonsschulzeit schrieb sie Artikel für die Thurgauer Zeitung. Im Laufe des Volkswirtschaftsstudiums in Konstanz interviewte sie die Thurgauer Rechtsanwältin Ruth Bommer. «Ich stellte mir Juristen bis dahin als graue Erbsenzähler vor. Und auf einmal hatte ich eine faszinierende Rechtsanwältin vor mir, die Jeans trug, in einer Rockband spielte und einen Klienten im Gefängnis besuchte.» Das hat Schwegler dazu bewogen, auf ein Jurastudium umzusatteln.

Doch den Glauben an den Rechtsstaat verlor sie früh. Als Gerichtsberichterstatterin musste sie unter anderem auch über Sexualdelikte berichten. «In allen Fällen wurde der Beschuldigte freigesprochen – in dubio pro reo.» Es folgte der Sprung vom regionalen zum nationalen Journalismus: Als Redaktorin arbeitete sie bei der Schweizerischen Depeschenagentur in Bern, beim juristischen Fachmagazin plädoyer und bei der Kirchenzeitung reformiert. Seit 2011 ist die Autorin und Texterin freischaffend unterwegs. In einer existenziellen Krise hatte sie sich für die Selbstständigkeit entschieden. «Manchmal muss uns Gott eben einen Tritt in den Hintern geben», sagt die 54-Jährige schmunzelnd. So entstand ihr erster Porträtband «Traum Alp», der 2013 auf der Schweizer Sachbuch-Bestsellerliste landete. «Die Selbstständigkeit ist eine Schulung im Gottvertrauen.»

Von Wildpflanzen lernen

Vor einigen Jahren hat Schwegler das «Wildpflanzenfieber» gepackt. Alles begann mit einem Vortrag des Ethnobotanikers Wolf-Dieter Storl, an dem ihr die Sitznachbarin auch noch von der Kräuterakademie in Salez vorschwärmte. Alsbald meldete sie sich für den dortigen Lehrgang an. Die Autorin erinnert sich, wie überrascht sie war, als sie zum ersten Mal erlebte, wie jemand Löwenzahn direkt von der Wiese ass – heute ist sie selbst eine passionierte Wildpflanzensammlerin. «Die Wildpflanzen sind vollkommen mit Gott verbunden, sie haben kein Ego wie wir Menschen. Und sie verfügen über ein ungeheures Überlebenswissen. Herrschen schlechte Bedingungen, können sie jahre-, im Extremfall jahrhundertelang als Samenkorn in der Erde zuwarten, und wenn die Bedingungen dann gut sind, erwachen sie zu neuem Leben.» Die wilden Grünen zeugten von der Schönheit der Schöpfung, findet Schwegler.

Die Autorin wünscht sich, dass sie mit «Grünkraft» viele Menschen erreicht, «die sich vom ‹Wildpflanzenfieber› anstecken lassen». Und sie hofft, dass sie «den Mut finden, den von der Natur geschenkten üppigen Schatz vor ihrer Haustür zu entdecken». ♦

von Luisa Aeberhard

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«Grünkraft. Kräuterleute im Porträt» ist seit Juni 2024 in Buchhandlungen erhältlich. Daniela Schwegler gibt ihr Buch, an dem sie zwei Jahre gearbeitet hat, erstmals als Verlegerin in ihrem neu gegründeten WörterglückVerlag heraus, in Co-Produktion mit dem AS-Verlag. Der Band kann auch auf der Website der Autorin bestellt werden. Dort ebenfalls bestellbar sind: «Uferlos. Fährleute im Porträt» (2022), «Himmelwärts. Bergführerinnen im Porträt» (2019), «Landluft. Bergbäuerinnen im Porträt» (2017), «Bergfieber. Hüttenwartinnen im Porträt» (2015) und «Traum Alp. Älplerinnen im Porträt» (2013). danielaschwegler.ch

Rezept-Tipp: Wildes Blackenkompott

Der Alpenampfer ist unser wilder Rhabarber. Das Kompott aus diesen Blackenstängeln schmeckt milder und runder als jener des kultivierten Gartenrhabarbers.

30 – 50 Stängel von Alpenblacken, jene mit den breiten Riesenblättern, zwischen Juni und August erntenDie Blackenstängel grosszügig schälen. In kleine Stücklein schneiden.
Zitronensaft, frisch oder aus der PlastikzitroneMit Zitronensaft beträufeln.
5 – 10 EL WasserMit Wasser und Zitronensaft aufkochen, 10 Minuten köcheln lassen.
Rohzucker oder Melasse, notfalls BienenhonigMit Zucker abschmecken, nach Belieben mit dem Stabmixer pürieren.

Das Kompott lässt sich auch einfrieren oder frisch-heiss in Schraubdeckelgläser abfüllen. Früchtetiramisu mit Himbeeren oder Erdbeeren kann auch sehr gut mit Blacken- statt Rhabarberkompott hergestellt werden. Ausserdem eignet sich Blackenkompott mit Löffelbiskuits oder Zwieback und Vanillepudding sehr gut für die Götterspeise. (Rezept von Gisula Tscharner in «Grünkraft. Kräuterleute im Porträt»)


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Ein Idyll für Naturliebhaber und Gleichgesinnte

Roni Brunner von «Suoni della natura» im Gespräch

Roni Brunner stammt ursprünglich aus dem Aargau. Anfang 2021 kaufte er gemeinsam mit seiner Partnerin Katharina sein 4,5 Hektar grosses Grundstück im Herzen Italiens, unmittelbar angrenzend zur Toskana. Dort sind die beiden mittlerweile zu 100 Prozent energieautark: Die Energie für ihre Ferienstudios fliesst aus ihren Solaranlagen, das Wasser aus einem 120 Meter tiefen Brunnen. Die Oliven- und Obstbäume sowie ihr Garten sind biologischen Anbaus.

Zeitgleich mit der Eröffnung seines Natur- und Erlebnisortes «Suoni della natura» begann Roni Brunner bei «DIE FREIEN» zu inserieren. Nun, zwei Jahre später, haben wir nachgehakt und uns erkundigt, welche Früchte die rund ein Dutzend Inserate getragen haben.

«DIE FREIEN»: Lieber Roni Brunner, wie sind Sie auf unsere Zeitschrift aufmerksam geworden?

Roni Brunner: Wenn ich mich recht erinnere, bin ich, schon bevor die erste Ausgabe herauskam, über Corona-Transition auf «DIE FREIEN» aufmerksam geworden. Dort wurde das Heft vorgestellt und angekündigt, dass die erste Ausgabe in Arbeit sei. Ich bestellte dieses sofort und überlegte mir, dass ich dort gerne inserieren möchte.

Wie kam es zur Entscheidung, bei uns zu inserieren? Welcher Impuls war im Vordergrund?

RB: Der Impuls, das waren ganz klar die Personen, die die Zeitschrift anspricht. Mir schien es, als wäre die Schnittmenge zwischen den Menschen, die sich bei euch wohlfühlen, und denen, die auch ich gerne um mich habe – und die ich auch gerne als Gäste habe –, sehr gross.

Was hat das Inserat für Sie und Ihren Natur- und Erlebnisort bewirkt?

RB: Wir konnten etliche Anfragen und Buchungen realisieren, die auf das Inserat bei euch zurückzuführen sind. Wir sind nicht bei den grossen Anbietern wie Airbnb vertreten, an deren Klientel sind wir auch gar nicht interessiert. Deshalb fragen wir unsere Gäste immer, wie sie uns gefunden haben. Und es ist wirklich schön zu sehen, welch Netzwerke sich durch das Inserat gesponnen haben und weiterhin spinnen.

Was war die schönste Begegnung, die dank Ihrem Inserat bei «DIE FREIEN» zustande kam?

RB: Eine lustige Episode war, dass jemand, der aus dem weitesten Bekanntenkreis kam, seinen Aufenthalt bei uns gebucht hat. Da er in dem Nachbardorf von dem Ort lebt, aus dem wir kommen, und in dem wir Flyer auflegen, dachten wir natürlich zuerst, er sei darüber auf uns aufmerksam geworden. Dann stellte sich aber heraus, dass er das Inserat bei euch im Heft gesehen hatte. Das war lustig.

Wem würden Sie empfehlen, bei uns zu inserieren?

RB: Beispielsweise Restaurant- oder Gästebetriebe, die sich denen gerne anbieten würden, die sich, ich sag mal, der «Schwurblerszene» angetan fühlen. Eben die, die für sich einen anderen Weg gewählt haben und auf diesem «bewusste» Gäste suchen.

Das kann ich gut nachvollziehen. Es entsteht ja auch eine gewisse Unbeschwertheit oder Leichtigkeit, wenn man sich darauf einstellen darf, dass man bestimmte Themen nicht vor vorgehaltener Hand besprechen muss, sondern ganz frei und offen reden darf.

RB: Ja genau. Wir sind zum Beispiel auch vegetarisch unterwegs. Das ist ja keine Bedingung, aber es zieht schon eher «bewusstere» Menschen an, die dann vielleicht auch aufs Fleisch verzichten oder anderweitig ähnliche politische, gesellschaftliche Ansichten vertreten und mit uns teilen. Diesen Austausch auf Augenhöhe schätze ich sehr.

Wie weit reicht dieser Austausch?

RB: Im Kleinen sind wir im permanenten Austausch darüber, wie wir Prozesse einleiten oder unterstützen könnten, die langfristige Veränderungen mit sich ziehen können. Vor Ort gibt es immer wieder Begegnungen, aus denen sich wirklich gute Diskussionen ergeben. Man fühlt sich gegenseitig unterstützt und genährt und hat es einfach gut miteinander. Beispielsweise haben sich schon Yoga-Gruppen um eine Yoga-Lehrerin entwickelt, die sagte, dass sie gerne ganz frei und freiwillig Kurse anbieten würde – es haben sich mittlerweile schon mehrere Menschen angeschlossen. So entsteht alles sehr organisch und wird von den Menschen und ihrer gemeinsamen Begegnung getragen.

Dieses schöne Gefühl von eigenverantwortlichen und von ihren inneren Neigungen angetriebenen Menschen, die aus sich heraus und um sich herum eine Kreativität entfalten – das wünscht man sich!

RB: Ja genau. Auch Musiker, Kunstschaffende, Landart-Künstler haben bereits den Weg zu uns gefunden. So ergibt sich eine ganz eigene Klientel, die sich nicht länger durch Äusserlichkeiten, sondern durch eine grosse Innerlichkeit definiert – und wiederum auch nicht definieren lässt.

von Lilly Gebert

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Katharina Zweifel & Roni Brunner
Località Manziano 16, 05010 Parrano, TR, Italia
Anfrage nach Verfügbarkeit: contact@suonidellanatura.info
suonidellanatura.info
Tel.: +41 (0)79 316 83 15


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Jetzt gehts ans Eingemachte

Wenn die Grosszügigkeit der Natur nachlässt, sie ihre Kräfte zurückzieht und keine frischen Lebensmittel mehr in den Gärten und auf den Feldern wachsen, greifen wir zu den Vorräten. So zumindest war es bei unseren Vorfahren. Dann wurde es ernst: Es zeigte sich, ob man vorgesorgt und sich gut auf den Winter vorbereitet hatte.

Bis in die 1960er-Jahre wurden in den meisten Haushalten Obst, Gemüse oder andere
Lebensmittel eingekocht. Heute wird diese Kulturtechnik mit einem neuen Bewusstsein wiederentdeckt und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Mit Einwecken, Einkochen, Fermentieren, dem Haltbarmachen von gesunden Lebensmitteln, kann man sich viel Unabhängigkeit, Gesundheit und Freude schenken.

Wir machen uns auf den Weg zu Claudia in Andermatt, die uns viel Auskunft über die Kunst des Einmachens geben kann. Die Reise zu ihr führt uns durch eine der eindrücklichsten Gegenden Mitteleuropas: Die sagenumwobene Schöllenenschlucht. Die Route nach Andermatt im Herzen der Schweiz war einst eine der am schwersten passierbaren Strecken. Heute fahren wir die Haarnadelkurven im Auto mit Sitzheizung und GPS-gesteuertem Navi. Was hält Menschen an diesem abgelegenen Ort im Kanton Uri, wo die Bauindustrie in den letzten Jahren monumentale Hotels errichtet hat, die den Einheimischen die Aussicht versperren? Und wie steht es um deren Freiheit?

Auch bei Claudia ging es immer wieder ans Eingemachte: Sei es der Wolf, die invasive Tourismusindustrie oder Corona – ihr Vorrat an Mut und Zuversicht war in den letzten Jahren wichtiger denn je. So schenkt uns Claudia einen Einblick in ihr bewegtes Leben:

«Wir halten rund 40 Schafe, die fast ausschliesslich draussen sind. Im Sommer bei uns in und um Andermatt, im Winter auf Weiden im Unterland. Unsere Schafe waren zuvor über den Sommer auf einer Alp in einem abgelegenen Alptal. Wir besuchten sie alle paar Tage. Die Tour, um die Tiere zu sichten, dauerte den ganzen Tag.

Im Sommer 2014 hatten wir einen Wolfsangriff, 21 Schafe wurden uns gerissen. Ich mag mich genau daran erinnern: Es war für mich ein schlimmer Schock, schon die Stimmung, als wir hochkamen, war ganz komisch. Wir hatten noch Hirtenbuben dabei, diese waren ganz verstört. Da kamen verletzte Schafe auf uns zu, die eine Seite offen hatten. Viele lagen tot herum. Ich schlief viele Nächte schlecht und es hat einiges an Überwindung gebraucht, um mit den Schafen weiterzumachen. Für uns war von da an klar: Ungeschützt sind die Schafe nicht mehr unterwegs. Weil die Runde zu den Schafen sechs bis acht Stunden dauert, gehen sie auch nicht mehr auf die Alp, denn unter diesen Umständen hätten wir sie höchstens alle zwei Tage besuchen können, und das war für uns zu wenig. Darum sind sie jetzt rund um Andermatt, wo wir sie täglich besuchen können. Als Schutz vor dem Wolf sind heute Lamas und Esel bei der Herde. Das funktioniert gut. Die Lamas sind neugierige Tiere und ängstigen sich nicht vor dem Wolf. Das verunsichert den Wolf und er traut sich nicht anzugreifen.

Andermatt, wo ich seit 25 Jahren lebe, hat sich in den letzten Jahren stark verändert: die grossen Bauten, der internationale Tourismus. Stehe ich während der Hochsaison auf dem Bahnhof, sehe ich Menschen aus aller Welt mit Skiern … Wenn ich in den Rummel will, kann ich ihn haben. Wenn nicht, gibt es trotz allem noch genug Plätze, die ruhig sind. Man merkt dort kaum, was in Andermatt los ist während der Hochsaison. Ich schätze es, etwas abseits meine eigenen Wege zu gehen und das gelingt mir auch gut!

Wir leben hier einerseits sehr abgelegen, andererseits sind wir aber auch sehr frei in unserer Lebensgestaltung. So erging es mir während Corona: Wegen der Massnahmen blieb ich meinem geliebten Jodelchor fern. Ich hätte schon gehen können, wollte aber nicht, denn alle wollten die Massnahmen einhalten. Ich nicht. Ich fuhr dann ins Unterland, traf mich mit ein paar Gleichgesinnten und jodelte mit ihnen zusammen. Da war ich dann plötzlich in der Rolle der «Chorleiterin». (lacht) Mittlerweile bin ich wieder zurück im Chor, vor allem, weil mir das Singen in meinem Chor fehlte. Das Thema Corona bleibt unausgesprochen. Trotzdem können wir uns alle irgendwie akzeptieren. Ich hatte lange Mühe mit der Versöhnung, aber ich habe gemerkt, dass sie mich brauchen, und ich habe das Singen sehr vermisst.

Für mich persönlich war der Tag, als die Massnahmen aufgehoben wurden, einer der schlimmsten Momente in der ganzen Krise. Da machen die Machthaber schnipp! – Alle setzen die Masken auf, dann schnapp! – und alle ziehen die Maske wieder ab. Dieser blinde Gehorsam, der hat mich so abgestossen. Mich nervt es, dass die gehorsamen Menschen immer mit Schafen verglichen wurden. Die Schafe sind viel intelligenter. Jedes Tier ist intelligenter als der Mensch. Die würden das nie tun!

Für uns sind die harten Winter die schönen Winter! Da ist alles zu, es ist ruhig, die Menschen werden gesprächiger, man fühlt sich hier oben viel mehr als Gemeinschaft. Da spürt man den Zusammenhalt. Das trägt zum Bedürfnis, eigene Vorräte zu haben, bei. Damit bist du unabhängig von nicht mehr funktionierenden Lieferketten. Wir kennen das: Wenn die Schöllenen zu ist, sind halt auch mal die Gestelle im Laden leer. An einem Ort, wo die Natur sich sehr deutlich in ihrem Rhythmus zeigt, hat man einen stärkeren Bezug zu ihr und lebt mehr in ihrem Rhythmus. Wenn die Ernte draussen nachlässt, die Natur still wird und Schnee über den Matten liegt, macht man sich an die Vorräte, ans Eingemachte.

Ich bin so gross geworden, dass man nichts wegwirft. Meine Mutter und meine Grossmutter achteten schon darauf, dass man nichts vergeudet. Ich habe das so mitbekommen, aber es ist mir auch persönlich wichtig. In erster Linie geht es mir um die Wertschätzung gegenüber den Geschenken der Natur. Es ist schön, wenn man den ganzen Winter die Ernte vom Sommer essen kann. Ich sehe es um mich herum: Die Menschen haben grosse Gärten, können aber gar nicht alles Gemüse frisch verwerten. Dann bin ich eine dankbare Abnehmerin, und mache es in Gläser ein.

Damit begonnen habe ich auf den SAC-Hütten, wo ich während acht Jahren Hüttenwartin war. Im Herbst kochte ich überschüssiges Gemüse, Obst und Früchte ein, so hatte ich immer frische Sachen, auch wenn mal unerwartete Gäste kamen. Beim Haltbarmachen wende ich vor allem das «Einwecken» an. Dazu braucht es Gläser, Gummiringe und Klammern. Einwecken kann man fast alles, da sind kaum Grenzen gesetzt: Von Gemüse, Ratatouille, Suppen, Apfelmus, Fleisch, Kuchen, Brot über Relishes, Süss-Saures und ganze Menüs. Ich habe schon vieles ausprobiert, beispielsweise auch Einmachen ohne Zucker, was wirklich problemlos funktioniert. Inspiration hole ich mir aus Büchern oder im Internet.

Als ich anfing, dachte ich mir: Einkochen ist etwas Altes und das kann nicht so schwierig sein, da es etwas Natürliches ist. Hygienisches Arbeiten ist schon wichtig, aber ich habe den Eindruck, da wird heute ein grosses Brimborium darum gemacht. Früher hatten die Leute nie solche Möglichkeiten wie wir. Ich schaue einfach, dass ich sauber arbeite. Das ist wirklich einfach und es braucht viel weniger, als viele meinen. Es braucht Zeit, macht dafür auch sehr viel Freude: Wenn man dann die vielen Gläser mit den leckeren, gesunden Vorräten sieht, weiss man, dass sich der Aufwand lohnt. Auch für meinen Mann, der manchmal gern zu Fast Food greifen würde – er wählt lieber die gesunde Variante aus dem Keller. Und: Beim Selbstgemachten weiss ich, was drin ist.

Lernen kann man das Einmachen, indem man Vertrauen und Mut hat und einfach ausprobiert. Ich selber habe nur ganz wenig Garten. Ich schaue, ob es irgendwo eine Schwemme an Gemüse gibt und ob ich diese nutzen kann. Oft sind die Leute, die Überschuss haben, froh, wenn man es ihnen abnimmt, weil es ihnen selber weh tut, wenn es aus Überforderung auf dem Kompost landet.

Eingemachtes ist sehr lange haltbar. Ich lasse manchmal einzelne Gläser extra lange stehen, um herauszufinden, ob irgendwann ein Glas schlecht wird. Aber solange ein Glas zubleibt und es gut riecht beim Öffnen, erachte ich es als gut. Das Lagern ist auch unkompliziert. Man kann die Gläser in der Wohnung oder im Keller lagern.

Meine Freizeit ist mir sehr wichtig, ich fülle sie mit dem Sammeln in der Natur, mit Einkochen und Haltbarmachen. Das macht mir Freude und gibt mir Sinn. Meine Nachbarin hat sehr viele Ringelblumen im Garten, und sie «wuchern» ihr zu stark. So darf ich die immer holen für Salben, Tinkturen oder Tee. Ich gebe ihr dann das, was ich daraus herstellte zum Probieren.

Ich schätze die Jahreszeiten und schätze, dass ich mir die Freiheit nehmen kann, das zu machen, was ich gerne tue. Wenn du das machst, was du gerne tust, brauchst du keine Zeit mehr für dich – denn das ist ja dann Zeit für dich. Für viele ist das der Knopf: Die gehen arbeiten und haben jeden Morgen einen Widerstand. Wenn du eine Arbeit machst, die du gerne machst, empfindest du das nicht mehr als Arbeit. So war ich immer: Wenn mir etwas nicht mehr Freude gemacht hat, bin ich gegangen und habe mir wieder etwas Neues gesucht.» ♦

von Prisca Würgler


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Acker der Erkenntnis

Empört über die Corona-Politik der Schweizer Regierung, beschloss der Unternehmer Peter Meyer, nicht mehr länger tatenlos zuzuschauen. Er erwarb ein grosses Anwesen im Zürcher Oberland, um freiheitsliebenden Menschen einen Ort für Gemeinschaftsgärten und Begegnung zu bieten. Eigenverantwortung wird hier grossgeschrieben.

Peter Meyer, erfolgreicher Gründer und Geschäftsführer von Swiss Advance, war einst stolzer Schweizer Bürger und stand mit seiner Firma für die Vorzüge und Werte dieses Landes ein.

Die Firma stellte erstklassige Produkte für Outdooraktivitäten her, welche für Schweizer Qualität, Langlebigkeit und unübertroffene Funktionalität standen. Verwendet wurden hochwertige, recycelbare Materialien, produziert wurde in Behindertenwerkstätten und sozialen Institutionen in der Schweiz. Doch im Jahr 2022 stellte er seine Firma ein und verhängte höchstpersönlich einen weltweiten Lieferstopp. Er wollte ein Zeichen setzen – eine Regierung, die ihre soziale Verantwortung derart missachte, müsse boykottiert werden. Wie es dazu kam, beschreibt Peter Meyer folgendermassen:

«Ich habe einige Firmen gegründet, mitaufgebaut und verkauft, schon einige Millionen an Steuern bezahlt. Eines Tages, an einem sonnigen Tag im Lockdown, marschierten sehr unerwartet einige Tausend Menschen an meinem Büro in Zug vorbei – ohne Maske. Es handelte sich um eine Corona-Demonstration, mehrheitlich ältere Menschen im Birkenstock-Style, aus der Gesundheitsbranche … Wir gaben den Polizisten Blumen … Am nächsten Tag schrieben die Medien, dass ein kleiner Haufen von Nazis und Impfgegnern eine Demo veranstaltet habe. Ich war geschockt, dass die Medien dermassen dreist lügen und die Journalisten dabei einfach mitmachen … Als Unternehmer habe ich Verantwortung gegenüber der Natur, gegenüber den Mitmenschen, der Gesellschaft und unseren ursprünglichen Schweizer Werten. Wie soll eine tatsächliche Demokratie, die ihren Namen verdient, funktionieren, wenn Menschen mit divergenten Sichtweisen als Nazis oder Irre diffamiert und von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, nur weil sie keinen Impfausweis – eine moderne Armbinde – besitzen? … Die langen Schatten von Davos werden bis nach Nürnberg reichen, wo dieser Weltschmerz darauf wartet, endlich adäquat beleuchtet zu werden. Erst dann werde ich mit meiner Firma wieder Produkte herstellen.»

In der Zwischenzeit kaufte sich Peter Meyer ein Anwesen mit viel Land in der Nähe des Greifensees im Kanton Zürich. Es ist ein ehemaliger Gnadenhof für Tiere. An diesem neuen Lebensort schuf er eine Oase für Mensch, Tier und Pflanzen. Hier hat er seine Gärtnerei FuturePlanter untergebracht, die rund 100 einheimische Wildpflanzen für die Stiftung Green Advance zieht, damit bedrohten Wildbienen und Schmetterlingen wieder mehr Futter zur Verfügung steht. Meyer stellt jedem der will, Land zur Verfügung, um einen Gemeinschaftsgarten anzulegen. Auch für Anlässe öffnet er seine Tore. Auf dem grosszügigen Gelände steht eine Jurte zur Verfügung. Und an einem romantischen Platz gibt es eine Saunalandschaft mit Hotpot, den er einem Verein von Saunaliebhabern überlässt, die den öffentlichen «Zertifikat-Saunas» damals den Rücken gekehrt haben.

Die Erfahrung, dass man aufgrund eines fehlenden medizinischen Zertifikats, oder weil man für sich entscheidet, seine Atmungsorgane nicht zu behindern, ausgeschlossen wird und öffentliche Räume nicht mehr betreten darf, hat sich tief eingeprägt. Es sind Situationen, die man nicht mehr vergisst, weil man weiss, dass sie jederzeit wieder möglich sind. Das Vertrauen in die Gesellschaft wurde brüchig; man suchte nach Alternativen.

So fanden sich Menschen aus Gruppierungen wie Graswurzle, Urig und Maur Power zusammen, um hier, oberhalb des Greifensees an sonnigster Lage einen gemeinschaftlichen Permakulturgarten zu kultivieren. Das Ziel war, den eigenen Selbstversorgungsgrad zu erhöhen, unabhängiger zu werden und sich gesund und natürlich zu ernähren. Nicht nur die Angst vor einer bevorstehenden Lebensmittelknappheit war eine Antriebsfeder für dieses Gartenprojekt; es ging auch darum, einen Begegnungsort zu schaffen, neue Freunde zu finden, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, voneinander zu lernen und sich selbst als wirksam zu erleben. Eigenverantwortung wurde von Anfang an grossgeschrieben. Peter Meyer stellte als einzige Bedingung, dass das Land natürlich bewirtschaftet werden muss und nach den Spielregeln der Permakultur gearbeitet werden sollte – wobei das Kriterium Permakultur immer wieder Diskussionen auslöst, weil es verschiedene Vorstellungen davon gibt.

Im März 2022 begannen rund 40 Menschen, gemeinsam den Acker am Hang über dem Greifensee in Maur umzustechen. Dazu hatte man sich zuvor ein Mandalamuster ausgedacht, das mithilfe einer Drohne zu Boden gebracht wurde. Mit viel harter Handarbeit wurden ausserdem eine Feuerstelle für das gemütliche Beisammensein, ein gedeckter Raum für Planungssitzungen, ein Kompostklo, eine Kompostieranlage und eine solarbetriebene Wasserpumpe angelegt.

Die unterschiedlichen Gruppierungen teilten sich die Gartenflächen auf. Die Graswurzlerin Annegreth Künthi führt uns durch den Garten und erzählt, welche Erfahrungen sie in den letzten zwei Jahren gesammelt hat:

«Am Anfang waren wir alle hochmotiviert, ja enthusiastisch. Was da möglich war und gemeinsam geschaffen wurde! Jeder brachte sein Können ein. Doch mit dem Anlegen des Gartens ist es nicht getan, es bedarf ständiger Pflege. Die einen teilten ihre Parzellen so auf, dass jeder sein eigenes Gartenstück bewirtschaftet und allein auch dafür verantwortlich ist. Andere einigten sich auf das gemeinschaftliche Bewirtschaften einer Parzelle.» Laut Annegreth sehe es im Gemeinschaftsgarten jedoch aus wie im Kommunismus: «Er verwahrlost, weil sich niemand verantwortlich fühlt, aber jeder nimmt, wo es etwas zu nehmen gibt.» Ganz anders die individuell geführten Gartenbeete: «Sie beruhen auf klaren Besitzverhältnissen und sehen gepflegt und kultiviert aus. Der Gedanke des Gemeinschaftsgartens ist in der Theorie schön, aber in der Praxis oft untauglich und ruft Probleme, Diskussionen und Frust hervor. So schlecht der Ruf des Eigentums sein mag – der Mensch ist mehr Individualist, als sich manche eingestehen mögen.»

Es seien viele Menschen gekommen, aber auch wieder gegangen. Die Arbeit werde oft unterschätzt und seit Aufhebung der Massnahmen seien viele wieder im Hamsterrad des Alltags gefangen. Annegreths beste Erfahrung aus diesem Projekt? Zu wissen, dass Menschen Unglaubliches schaffen können, wenn sie es wollen. Die Grosszügigkeit und Hilfsbereitschaft aller Beteiligten sei eine stärkende Kraft in dieser schwierigen Zeit gewesen. Doch nun brauche es Menschen mit Durchhaltewillen, die den Garten in die Zukunft tragen.

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Bist du motiviert oder interessiert, mehr darüber zu erfahren? Dann melde dich bei Peter Meyer (079 648 31 05) oder schreib eine E-Mail an a.kuenti@gmx.net oder m.gasser@hispeed.ch.

Die Scheune auf seinem Anwesen hat Peter zu einem multifunktionalen Veranstaltungsort umgebaut: Sie wurde isoliert und mit Tribüne, Beleuchtung und Inventar ausgestattet. Hier können Vorträge, Konzerte, Treffen oder andere Events stattfinden. Bei Interesse melde dich direkt bei Peter. ♦

von Prisca Würgler


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Samen der Unabhängigkeit – Der Sortengarten

Die Auswahl an Kulturpflanzen weltweit wird immer einfältiger. 94 Prozent des Saatgutes sind bereits verschwunden. Peter Ochsner gibt dieser Entwicklung mit seinem Sortengarten-Paradies Gegensteuer.

In einem Samen steckt die Erfahrung aus der Vergangenheit und gleichzeitig das Potenzial für die Zukunft. Hier verdichten sich Vergangenes und Zukünftiges. Doch wer heute im Grosshandel Samen kauft, muss davon ausgehen, dass er Pflanzen anbaut, die er selber nicht weiterziehen kann. Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind es Hybrid- oder sogenannte Inzuchtzüchtungen – oder eine der restlichen sechs Prozent Nutzpflanzensorten, die es überhaupt noch gibt.

Dem steuert Peter Ochsner mit seinem Sortengarten entgegen. Er baut alte Gemüse- und Getreidesorten an und züchtet deren Saatgut weiter. So erhält er eine Vielfalt an robusten und anpassungsfähigen Pflanzen, sichert die unabhängige Lebensmittelproduktion und deckt eine breite Palette an Geschmacks- und Genussrichtungen ab.

Wir haben Peter Ochsner in seinem Paradies oberhalb von Heiden im Kanton Appenzell Ausserrhoden besucht und uns gleich selbst überzeugt: Hier gibt es nichts, das das Auge beleidigt, nichts, das von den Klängen der Natur ablenkt. Ungehindert duften Rosen und blühende Pflanzen vor sich hin und betören unsere Sinne. Peter erklärt uns auf einem Rundgang, was seinen Sortengarten so besonders macht.

«DIE FREIEN»: Peter, wie kamst du dazu, hierherzuziehen und einen Sortengarten anzubauen?

Peter Ochsner: Meine Frau und ich haben lange nach einem Haus an einem ruhigen Platz gesucht und hatten immer den Traum, einen Garten mit vielen verschiedenen und raren Sorten zu haben. So entstand unser Sortengarten mit mittlerweile über 100 verschiedenen Gemüse- und Getreidesorten.

Was hat dich dazu bewogen, Saatgut zu gewinnen?

PO: Erst züchtete ich gängige Gemüsesorten. Weil ich die Vielfalt immer faszinierend fand, habe ich gesucht, was es sonst noch gibt. Damals kam ProSpecieRara auf. Ich erhielt drei Sorten, die ich bei mir anbaute. Nur, wenn ich Saatgut ablieferte, gab es wieder neues Saatgut. Das waren alte Sorten, von denen es nicht mehr viele Samen gab, und da war es schon sehr wichtig, dieses Saatgut wieder zu vermehren und weiterzuzüchten, sonst wäre es verschwunden.

Was muss man beachten, wenn man im eigenen Garten Sorten erhalten will?

PO: Es gibt ganz einfache Sorten wie Tomaten, die Selbstbefruchter sind, und von der man im Extremfall mit einer oder zwei Pflanzen Samen gewinnen kann. Mit Fremdbestäubern ist das etwas komplizierter: Bei Kohlarten zum Beispiel braucht man mindestens 60 Pflanzen einer Sorte, aber im Hausgarten kann man auch seine drei Kohlrabipflanzen miteinander verkreuzen lassen und wieder aussäen. Nach ein paar Jahren muss man sich dann halt wieder einmal frisches Saatgut besorgen. Schnittsalat bietet sich gut an für den Hausgarten, um selber Saatgut zu gewinnen: Nach der Aussaat kann man den ganzen Sommer über ernten und lässt einfach mindestens sechs Pflanzen aufschiessen und verblühen. Im Herbst erntet man die Samen und bewahrt sie trocken und kühl auf für den nächsten Frühling. Gut gelagert bleiben sie ohne Weiteres mehrere Jahre keimfähig. So muss man von seinem Salat auch nicht jedes Saatgut gewinnen.

Wie sorgst du dafür, dass deine Sorten rein bleiben?

PO: Bei mir im Garten achte ich natürlich darauf, dass ich Sorten einer Pflanze, die sich verkreuzen können, alternierend anbaue, damit sie sortenrein bleiben.

Warum ist es wichtig, selber Samen zu ziehen und Saatgut zu bewahren?

PO: Weil die Vielfalt an Pflanzen abnimmt. Einfalt bedeutet eigentlich immer Reduktion: Das Klima verändert sich, plötzlich gedeihen gewisse Sorten nicht mehr, oder es wird trockener, und man braucht anderes Gemüse. Mit der Vielfalt ist man abgesichert: Mal gedeiht die eine Sorte besser, mal die andere. Man ist flexibel und kann auf unterschiedliche Umstände reagieren. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass das Saatgut, das sie kaufen, von Hybridsorten stammt und gar nicht mehr weitergezüchtet werden kann. In den Drittweltländern gibt es eine tragische Entwicklung: Einerseits profitieren Grosskonzerne vom Saatgut, welches die Leute dort schon lange anbauen und züchten, und welches sehr gute Eigenschaften hat. Andererseits machen sie die Bauern damit abhängig: Sie verkaufen ihre Hybridsorten mit dem Versprechen, dass damit viel grössere Erträge erzielt werden können. Doch wenn die Bauern mal eingestiegen sind, können sie kein eigenes Saatgut mehr gewinnen. Zudem können Hybridsorten anfälliger für Schädlingsbefall und Witterung sein. Die Chemiekonzerne verkaufen dann natürlich auch gleich die Pestizide, um diese Probleme, die sie selber erzeugt haben, zu bekämpfen. Eine perfides Geschäftsmodell.

Wie können wir die Freiheit über unseren eigenen Lebensmittelanbau erhalten?

PO: Die Nahrungsmittelsicherheit und -unabhängigkeit kann nur gewährleistet werden, wenn wir uns eine Vielfalt an robusten Pflanzen erhalten. Ursprüngliche Sorten sind zudem gesünder, gehaltvoller und unvergleichlich im Geschmack. Das heisst, es braucht Menschen, die diese Jahr für Jahr anbauen und Samen gewinnen. Das können nur wir tun. Es liegt an uns.

Du arbeitest nach den Gesetzen der Natur. Wie sorgst du sonst noch für Nachhaltigkeit im Garten?

PO: Ich gärtnere biologisch, schon immer. Das war für mich immer klar, weil die Natur alles liefert, was man braucht. Wenn man viele Mittel braucht, auch biologische, dann stimmt was nicht, dann macht man etwas falsch. Ich setze mich auch mit biodynamischer Landwirtschaft auseinander, weil es mich fasziniert, dem Boden nur Impulse zu liefern, ohne viel Stoffe in ihn einzubringen. Seit rund fünf Jahren verwende ich auch Komposttee, das ist ein Teil der regenerativen Landwirtschaft. Zu kämpfen im Garten habe ich höchstens mal mit Blattläusen, Pilzen und Mäusen, aber sonst habe ich selten Probleme. Als weitere Freunde und Helfer im Garten habe ich meine beiden Laufenten, die halten die Schnecken im Zaun. Und helfen auch mal beim Schnittsalat essen. (lacht)

Was tust du, damit das Saatgut haltbar bleibt?

PO: Es ist wichtig, dass die Samen regelmässig angebaut werden, da sich das Klima und die Bedingungen stetig verändern. Wenn du die Samen jahrelang im Keller lagerst, kriegen sie einen Schock, wenn du sie nach dieser langen Zeit wieder anbaust. Für mich ist der Samen etwas Lebendiges, und es ist wichtig, dass er sich den Veränderungen und klimatischen Bedingungen anpassen kann. Für mich sind es Beziehungen zu den Samen, die ich pf legen will. Es interessiert mich, wie sich die Pflanze jedes Jahr wieder entwickelt.

Warum baust du einen Sortengarten auf 900 Metern über Meer an?

PO: Es ist hier sehr milde und wir fühlen uns einfach erst ab 900 Metern über Meer wohl. Zudem hat man in höheren Lagen weniger Schädlingsdruck als in tieferen, das ist noch ein Vorteil für den Anbau von Saatgut. Tomaten würde ich jetzt hier nicht im grossen Stil anbauen, aber ansonsten gelingt das meiste sehr gut. Die Pflanzen, die hier wachsen, sind zudem sehr robust.

Welches sind deine Pflanzenfavoriten?

PO: Spargellattich, er kommt aus China, man kann ihn wie Lattich essen oder aufstängeln lassen und als Spargel essen, er schmeckt auch danach. Und Speiseklette, das ist eine Pflanze mit grossen Blättern und einer langen braunen Wurzel, die man schälen und anbraten kann, sie schmeckt dann wie Chips. Die Wurzel ist sehr gut lagerbar und frosthart. Für Vegetarier gibt es sehr interessante Eiweisslieferanten und wunderbaren Fleischersatz: Die Ackerbohne, Soja, Lupine, Kichererbsen, Bohnen, die man ausreifen lässt und von denen man den Samen isst. Dann gibt es noch Kefen, die knollige Platterbse und die Erbsen-Wicke. Das sind alles Pflanzen, die geerntet sehr gut lagerfähig und somit das ganze Jahr zu geniessen sind. Einige sind sogar mehrjährig und sehr robust.

Wie finanzierst du dich?

PO: Früher habe ich noch Teilzeit gearbeitet. Heute investiere ich alle meine Zeit in den Garten und in die Pflanzen. Um den grossen Aufwand meiner Handarbeit zu finanzieren, habe ich die Möglichkeit der Pflanzenpatenschaften geschaffen. Mit so einer Patenschaft kauft man sich bei mir das Versprechen, dass ich diese Pflanze hier züchte und bewahre. ♦

von Prisca Würgler

*

Peter Ochsners Sortengarten ist für den Weiterbestand auf Spenden angewiesen. Besichtigungen sind jederzeit möglich nach Voranmeldung bei: peterochsner4@gmail.com. Mehr Infos unter

sortengartenpeterochsner.com

Filmtipp: Wie kommt es, dass 94 Prozent unseres Nutzpflanzensaatguts verschwunden sind? Dies zeigt der Dokumentarfilm «Seed» (dt. Version «Unser Saatgut», 2019) eindrücklich auf. Ausleihbar oder erwerbbar auf vimeo.com.


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Einen Nährboden für die Zukunft schaffen

Eine neue Welt ist möglich! Doch oft mangelt es zukunftsweisenden und nachhaltigen Projekten an Geld, das andernorts wiederum in Hülle und Fülle vorhanden ist. Hier eine Brücke zwischen Geldgebern und Projektinitiierenden zu bauen, das haben sich Pius Christ und Patrick Annicchiarico zum Ziel gesetzt und dazu die Stiftung Fondation Goldapfel ins Leben gerufen.

«Ein im Herzen eines Apfels versteckter Kern ist ein unsichtbarer Obstgarten», schrieb einst Khalil Gibran, der bekannte Poet und Mystiker aus dem Libanon. Doch nur, wenn der Kern auf fruchtbaren Boden fällt, kann er reiche Früchte hervorbringen. Diesem Kern – den nachhaltigen Ideen innovativer Menschen – wollen die beiden Stiftungsväter einen fruchtbaren Boden bereiten. «Denn wenn wir ein selbstbestimmtes Leben in einer freien Gesellschaft führen wollen, dann müssen wir das Heft selber in die Hand nehmen, um den Kurs unserer Reise mitzugestalten», sagt Pius Christ.

Eine glückliche Fügung wollte es, dass sich Pius Christs und Patrick Annicchiaricos Wege kreuzten. Patrick Annicchiarico fing schnell Feuer für die Idee, die passenden Investoren mit nachhaltigen Projekten zusammenzuführen. Deshalb gründeten sie nach anderthalb Jahren Vorbereitungsphase im Juli 2022 die Fondation Goldapfel unter dem Dach der Stiftung Freie Gemeinschaftsbank in Basel, was den aufwendigen Gründungsprozess stark vereinfachte.

Ein Geschenk des Himmels waren die Leitsätze, die ihnen zugeflogen kamen. Etwa, dass sie mit Freude, Begeisterung und Liebe ein System bauen, das Herzen berührt und über Generationen wirkt. Dass sie grenzenlos und über den Gartenzaun hinaus zu denken wagen. Und dass ihr Tun die Spiritualität mit einschliesst. «Leben hat auch eine sakrale Ebene», sagt Patrick Annicchiarico und fügt hinzu, dass diese spirituelle Komponente nun auch vermehrt in den Geschäftsverbindungen eine Rolle spielen solle, zumal sie mit den Projekten, die sie anstossen, auch ein neues Bewusstsein fördern wollen.

Dass schönen Worten auch Taten folgen, konnten sie bereits beweisen. Mit dem Gründungskapital fördern sie mit Saat und Korn im Raum Biel-Solothurn ein erstes Projekt im Bereich neuer Ernährungsformen. «Angesichts der steigenden Rohstoff- und Lebensmittelpreise wollen wir die Ernährungsfrage wieder in die Hände der Konsumentinnen und Konsumenten legen», so Pius Christ. Mit seiner Erfahrung im Engagement gegen Foodwaste und einem grossen Netzwerk in der Bioproduzentenszene bietet sich hier eine einzigartige Chance, etwas Sinnvolles zu realisieren. Die Vision einer solidarischen Kooperative, die naturwertschätzende Produkte aus der Region zu fairen Preisen für Konsumenten und Produzenten anbietet, treibt ihn an. «Doch es geht um viel mehr als nur um eine Kooperative», meint Pius Christ: «Mit einer regionalen und regenerativen Lebensmittelproduktion entsteht eine neue Kultur mit einer lokalen Wertschöpfung.» Das könnte sogar so weit gehen, dass ein Ausgleich mit alternativen Zahlungsmöglichkeiten entsteht.

Zurzeit beschäftigen sie sich auch mit der Entwicklung eines co-working space für temporäre und feste Arbeitsplätze sowie der Realisation von Ideen und Vorhaben, die sich am Kooperationsprinzip der Natur orientieren. Dabei werfen sie unter anderem ein Auge auf die Forschungsarbeiten von Patrik Mürner, dem Pioniermykologen der Schweiz. Mit dem Projekt Mycosuisse erforscht und entwickelt er verschiedene Anwendungsbereiche für Pilzmyzelien. Mittels Pilzen sollen Böden und andere Altlasten saniert werden. Durch den Einsatz von Pilzmyzelien entstehen aber auch unzählige weitere interessante Möglichkeiten, etwa für die Textilbranche, das Bauwesen, für die Renaturierung von Bioanbauflächen, das Verpackungswesen, die Gastronomie sowie die Medizin. «Der Pilz wird uns auf dem Weg in eine bessere Zukunft begleiten», ist Pius Christ überzeugt. «Was der Pilzforscher Patrik Mürner noch alles herausfinden wird, darauf dürfen wir gespannt sein. Es ist jedoch jetzt schon absehbar, dass Pilze unzählige Anwendungsmöglichkeiten zum ressourcenschonenden Bauen und Produzieren bieten.»

Solchen nachhaltigen Projekten widmet sich die Fondation Goldapfel weiterhin mit viel Engagement, denn die Initianten sind davon überzeugt, dass die Natur jenes Wissen in sich trägt, das den Menschen eine gesunde und erfüllende Zukunft ermöglicht. ♦

von Redaktion

***

Pius Christ sorgte 2018 für Schlagzeilen: Als ein Zürcher Grossbetrieb 30 Tonnen Biotomaten nicht an den Handel liefern konnte, lancierte Christ gemeinsam mit einer Zürcher Partnerorganisation eine einzigartige Verkaufsaktion. Das Einstehen für Sinnvolles, Nützliches und dem Menschen Dienliches treibt den weitsichtigen Unternehmer und Kommunikationsprofi an, der Führungserfahrung in unterschiedlichen KMUs und Start-ups mitbringt. «Mit der Stiftung Goldapfel setzen wir eine Vision um: Wir unterstützen Netzwerke und neue Ideen, in denen Werte der Verbundenheit gelebt werden und wo Kreativität, Kooperation und Vertrauen alltägliche Realitäten sind.» naturmachtschule.ch

Patrick Annicchiarico erforscht seit bald 25 Jahren, was Himmel und Erde verbindet. Am Anfang seiner Reise stand Clemens Kubys «Unterwegs in die nächste Dimension», in dem dieser spektakuläre Heilungsphänomene dokumentiert, die der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Dieser Film weckte Patrick Annicchiaricos Spürsinn schon früh. Beruflich hatte er eine Laufbahn im Uhrensektor eingeschlagen und in verschiedenen Positionen erfolgreich Schweizer Markenuhren verkauft. Als passioniertem Alpinisten ist ihm bewusst, wie schnell alles enden kann und wie kostbar das Leben auf unserer Erde ist. «Die Zeit ist nun reif, all diesen Erkenntnissen entsprechende Aufmerksamkeit zu widmen.» welcome-to-elysion.com

Die Fondation Goldapfel

Das Leben neu und sinnstiftend gestalten: Liegt das auch dir am Herzen und du möchtest einen Beitrag leisten und deine Qualität einbringen? Oder hast du eine Projektidee im Bereich Bildung, Natur oder Kultur, die den Kriterien der Fondation Goldapfel entspricht? Dann freuen sich die Initianten auf deine Kontaktaufnahme. fondation-goldapfel.ch


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Grüne Politik und rote Linien

Interview mit Laura Grazioli

Bereits zum zweiten Mal bewegt Laura Grazioli die Gemüter. Die Baselbieter Landrätin der Grünen hat wenig Berührungsängste, vertritt Meinungen, die im Mainstream unpopulär sind und erntet dafür Lob und Kritik. Welche Ziele verfolgt die 38-jährige Biobäuerin, was ist ihr Antrieb und woraus schöpft sie Kraft und Gelassenheit?

Wir trafen Laura Grazioli in Sissach zum Interview. Obwohl die Landwirtin und Politikerin eine mutige Kämpferin für Debattenräume ist, konnten wir auch mit ihr nicht über alle Themen sprechen, die uns interessiert hätten. Aber wir lernten eine differenzierte, intelligente und spirituell interessierte Frau kennen, die den Kampf für die Grundrechte auch in Zukunft in den Institutionen führen möchte.

«DIE FREIEN»: Laura, wie geht es dir?

Laura Grazioli: Ich habe gerade ein wenig ein Tief hinter mir, aber jetzt geht es mir wieder recht gut. Wenn so ein grosser Sturm über mich hinwegzieht, wie es gerade wieder der Fall war, dann fühle ich mich wie getragen und auch beschützt und habe grosses Vertrauen. Es ist schwer zu beschreiben, ich bin dann einfach so präsent in diesem Moment, auch wenn er einige Wochen dauert und kann viel Energie aufbringen. Diese Intensität kann ich aber nicht dauerhaft aufrechterhalten, so dass mich nach dem Sturm jeweils ein Tief erfasst. Ich brauche dann etwas Rückzug und Normalität.

Man bezahlt einen Preis für die hohe Intensität?

LG: Ja und Nein. Es ist ein bisschen wie beim Sport. Man braucht nach der Anstrengung Erholung, wird dadurch aber stärker.

Die erste solche intensive Zeit begann für dich mit der Einführung des Zertifikats. Vorher bist du öffentlich nicht als massnahmenkritisch aufgefallen. Beim Zertifikat war dann deine rote Linie überschritten und du hast begonnen, dich deutlich kritisch zu äussern. Dadurch bist du parteiintern und bei politisch Verbündeten in starken Gegenwind geraten.

LG: Für mich war das echt spannend. Ich stand den Corona-Massnahmen von Anfang an kritisch gegenüber, doch dann wurde ich zum zweiten Mal schwanger. Mir war während der ganzen Schwangerschaft schlecht und das hat mich so viel Energie gekostet, dass ich mich überhaupt nicht mit der Aussenwelt beschäftigen konnte. Erst als meine zweite Tochter zur Welt kam, lief der Corona-Film bei mir ab und die ganze Tragweite der Massnahmenpolitik kam bei mir an. Wie viele andere musste ich eine richtige Trauerphase durchmachen und Abschied nehmen von der Welt, wie ich sie kannte. Als ich mich kritisch zu äussern begann, war der Gegenwind tatsächlich gross. Das war nicht immer lustig, aber mittlerweile kann ich gut damit umgehen, weil ich auch gelernt habe, die ganzen links-rechts-Kategorisierungen besser einzuordnen. Diese sind heute für mich komplett irrelevant geworden. Ich habe mittlerweile gute Freunde und enge Verbündete in den verschiedensten Parteien.

Ist das die berüchtigte Querfront?

LG: Ja, vielleicht ist das so.

Du schienst angesichts des riesigen Drucks, den Medien und Parteifreunde auf dich ausübten, immer gelassen zu bleiben. Täuscht dieser Eindruck?

LG: Nein, diese Gelassenheit hatte ich wirklich. Ich war mit den möglichen negativen Konsequenzen jederzeit im Frieden, sie waren und sind für mich fast irrelevant. Was ist denn das Schlimmste, das mir passieren kann? Dass ich aus der Partei geworfen werde oder dass ich in der Öffentlichkeit komplett diskreditiert wäre. Natürlich hätte das Einfluss auf mein Leben, aber ich könnte auch mit diesem schlimmstmöglichen Szenario umgehen.

Du wurdest auch schon als künftige Regierungsrätin gehandelt. Würde dich das reizen?

LG: Ja, schon. Aber es wäre überhaupt nicht vereinbar mit dem Betrieb auf dem Hof, und fast gar nicht vereinbar mit meinen Aufgaben als Mutter zweier kleiner Kinder. Daher ist es nichts, was ich jetzt unmittelbar suche. Und jetzt wird mir ja ohnehin gesagt, dass dieser Zug abgefahren sei. Daher lohnt es sich gar nicht, Energie für solche Ambitionen zu verschwenden.

Was würde dich daran interessieren, zu regieren?

LG: Lösungen finden, Ausgleich schaffen, moderieren. Die Arbeit im Hintergrund mache ich derzeit als Kantonsparlamentarierin am liebsten, vor allem im Finanzkommissionspräsidium kann ich konstruktiv arbeiten. Die Aufgaben als Regierungsrätin gingen noch weit darüber hinaus und eröffnen natürlich auch viel mehr Gestaltungsspielraum.

Wie würdest du diesen Spielraum nutzen? Was sind ganz allgemein deine Ziele als Politikerin?

LG: Ich habe nie zu dem harten linken Flügel der Partei gehört. Aber …

von Michael Bubendorf

***

Laura Grazioli ist Grünen-Landrätin im Kanton Basel-Landschaft. Sie hat Internationale Beziehungen
studiert und arbeitete anschliessend als Exportberaterin. Nach einer landwirtschaftlichen Zusatzausbildung arbeitet sie seit 2021 Teilzeit als Biobäuerin. Die zweifache Mutter lebt in Sissach.


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Freiheit säen durch Erddemokratie

Vandana Shiva gilt als eine der weltweit führenden Aktivistinnen für eine ökologische Landwirtschaft. Im Interview mit «DIE FREIEN» erläutert die indische Teilchenphysikerin, wie wir das machtgierige «eine Prozent» auf seinem Vernichtungsfeldzug gegen die Natur aufhalten und das Heilige in der Landwirtschaft wiederentdecken.

In einem ihrer neusten Bücher, «Eine Erde für alle! Einssein versus das 1%», zeigt die promovierte Teilchenphysikerin und Aktivistin auf, wie das reichste eine Prozent der knapp acht Milliarden Menschen den Planeten und seine Bewohner in den sozialen und ökologischen Abgrund treibt. Sie nimmt darin den Milliardärsclub und die globalistischen Imperien aufs Korn, deren Blindheit gegenüber den Rechten der Menschen und der Natur eine Spur der Zerstörung auf dem ganzen Planeten hinter sich lässt. Und sie zeigt auf, wie wir uns dem Krieg der Milliardäre gegen das Leben widersetzen können. Sie geht mit Gandhi einig, wenn sie sagt: «Die Erde bietet genug für die Bedürfnisse aller, aber nicht für genug für die Gier einiger weniger Menschen.»

«DIE FREIEN»: Vandana Shiva, die Gentechnologie nannten Sie einst die «Totengräberin» für die Biodiversität und die Landwirtschaft. Genveränderte Organismen stünden für «god move over» – Gott, mach Platz!

Vandana Shiva: Nun, das ist die Sichtweise der Industrie. 1987 war ich an einem internationalen Kongress, an welchem die Chemieindustrie ganz klar deklarierte: Jetzt müssen wir gentechnisch veränderte Organismen herstellen, um Patente zu erhalten. Ein Patent wird für eine Erfindung erteilt, deren Schöpfer der Patentinhaber ist. Wenn die Bosse der Agrarindustrie also sagen, dass genmodifizierte Organismen Patente bedeuten, dann sagen sie in Wirklichkeit: Gott, mach Platz! Wir sind die Schöpfer! Wir kassieren ab und setzen die neuen Trends.

In der Schweiz garantiert ein Gentechmoratorium seit 2005 für eine gentechfreie Landwirtschaft und Lebensmittel. Doch durch die Hintertür soll diese Regelung nun umgangen werden: Organismen, die mittels der neuen CRISPR/Cas-Methode, auch «Genschere» genannt, verändert werden, sollen gemäss Bundesratsbericht vom 1. Februar 2023 nicht per se als genveränderte Organismen (genmodified organism, GMO) gelten.  Ist CRISPR/Cas-verändertes Saatgut denn kein GMO?

VS: Es ist ein GMO, denn die Definition von Gentechnik hat nie gelautet, dass es sich bei der Manipulation um Transgene handeln muss, also um Gene aus einem anderen Organismus, die man einführt. Die Wissenschaftler sind sich im Klaren darüber, dass man bei der Veränderung eines Organismus auf genetischer Ebene, sei es durch Hinzufügen eines Gens (transgener Organismus) oder durch Bearbeiten eines Gens (CRISPR/Cas-modifizierter Organismus), immer noch in den selbstorganisierten Teil des lebenden Organismus eingreift. Es handelt sich also bei beiden Eingriffen um eine Genmanipulation im Sinne der technischen Definition.

Wie könnten wir die gentechnische Veränderung der Lebensmittel weltweit stoppen?

VS: Wenn nur drei, vier Länder weltweit GMOs grundsätzlich verbieten würden, würde das System zusammenbrechen. Und das Spannende ist ja, dass die Forschung an der CRISPR/Cas-Genschere durch Bill Gates finanziert wurde. Das zeige ich in meinem Buch «Eine Erde für alle! Einssein versus das 1%» auch auf.

Will dieses eine Prozent die ganze Schöpfung neu erfinden?

VS: Nun, sie können nicht Schöpfer sein. Sie geben nur vor, Schöpfer zu sein. Denn Schöpfung ist ein Prozess, durch den die Natur Leben erschafft, Menschen erschafft, Tiere erschafft, Pflanzen erschafft. Es ist ein lebendiger Prozess. Eine Agrarindustrie, die über Fachwissen verfügt, stellt hingegen Chemikalien her, um zu töten. Sie stellen Herbizide her, um Pflanzen zu töten, Insektizide, um Insekten zu töten, Fungizide, um Pilze zu töten. Es ist eine Tötungsindustrie, keine kreative Industrie. Hingegen ist der Anspruch auf Patentierung ein Anspruch auf Schöpfung. Sie wollen die Welt besitzen. Sie wollen das letzte Saatgut besitzen und Technologie- sowie Lizenzgebühren einkassieren.

In Ihrem Heimatland Indien hat das Geschäft mit dem patentierten Saatgut Hunderttausende von Bauern in den Tod getrieben.

VS: Ja, obschon sie dazu von der zulassungspflichtigen Behörde keine Bewilligung erhalten hatten, importierte Monsanto 1995 illegal sogenannte Bt-Baumwolle und begann 1998 mit ersten Feldversuchen. Die Bauern stiegen auf die genveränderte Baumwolle um und verloren durch das sterile Saatgut ihre Saatgutsouveränität. Kürzlich nun hat Monsanto den Preis pro Kilo Saatgut von 4 auf 4000 Rupien erhöht. Deshalb begehen immer mehr Bauern Selbstmord. 400`000 Bauern sind bisher gestorben. Die Todesstatistik ist nach Bundesstaaten aufgeschlüsselt, sodass man erkennen kann, welche Bundesstaaten die höchsten Selbstmordraten haben. Und 85 Prozent der Selbstmorde werden im «Baumwollgürtel» begangen. Das sind offizielle Regierungszahlen.

Also sollte man nur Biobaumwolle kaufen?

VS: Exakt. Denn Biobaumwolle bedeutet, dass sie nicht gentechnisch verändert wurde.

Versuchen diese Leute, besser zu sein als Gott?

VS: Sie können nicht besser sein als Gott oder die Natur. Denn Zerstörung ist keine Schöpfung, Töten ist kein Leben.

Wird mit den Patenten und Chemikalien Krieg gegen die Natur geführt?

VS: Ja! Und zwar, indem die Natur zum Feind erklärt wird, der zerstört werden muss. Das ist die Welt des mechanistischen Reduktionismus. Die Idee, dass der Mensch die Herrschaft über die Natur erlangen soll.

Sie sprechen auch von neuen Formen des Kolonialismus?

VS: Ja, denn es wird auch ein Krieg gegen die Menschlichkeit geführt, indem die Fähigkeit der Menschen zerstört wird, sich um ihre Bedürfnisse zu kümmern. Zuerst nehmen sie ihnen die Ressourcen weg, und dann nehmen sie ihnen die Lebensgrundlage und die Arbeitsplätze weg. Das ist es, was während des Covid-Lockdowns passiert ist. Die Volkswirtschaften wurden zerstört, also ist dieser Raubritterkapitalismus eine neue Form des Kolonialismus.

Mit dem Ziel der einen Weltregierung?

VS: Das Ziel ist, dass dieses eine Prozent die Welt regiert. Und es ist nicht eine Ein-Welt-Regierung. Es ist eine Handvoll Leute, die versuchen, jeden Aspekt des Lebens weltweit jederzeit zu kontrollieren.

Was können wir dagegen tun?

VS: Regiert euch selbst! Seid euer eigener Souverän! Zieht Euch von den Agenden zurück! Wenn das eine Prozent GMOs durchsetzen will, baut keine GMOs an. Wenn sie Fake-Lebensmittel vorantreiben wollen, esst keine Fake-Lebensmittel. Esst echte Lebensmittel, baut echte Lebensmittel an, gründet eine Lebensmittelgemeinschaft. Wenn das eine Prozent euch mit Überwachungssystemen kontrollieren will, tappt nicht in diese Falle, kauft keine Smartwatch, die ständig Daten über die Entwicklung eures Blutdrucks und eures Blutzuckerspiegels generiert, die dann zu Big Data werden.

Sind Daten das neue Öl?

VS: Ja, deshalb wollen sie nun unsere Daten nutzen. Lasst euch also nicht auf Systeme ein, in denen sie eure Daten auslesen können. Seid souverän!

Ein weiteres perfides Instrument zur Ausbeutung des Menschen ist das Patent 060606, das Microsoft im Jahr 2020 erhalten hat. Demnach soll das Mining, also das Schöpfen von Kryptowährungen, mit dem menschlichen Körper verknüpft werden, indem seine Körperdaten ausgewertet werden. Würde der Mensch damit zur Maschine degradiert?

VS: Nein, der Mensch würde nicht zur Maschine degradiert – sondern die Maschine, der Computer, besitzt den Menschen. Der Mensch ist nur ein «Bergwerk», das die Rohware, die Daten, liefert. Genauso wie der Berg, der nur interessant ist, weil er Bauxit enthält, den Rohstoff, aus dem Aluminium hergestellt wird oder Eisenerz für die Produktion von Stahl. Der menschliche Organismus soll zum neuen Lieferanten von Daten werden, die extrahiert werden können. Die Daten sind das Rohmaterial, das verarbeitet werden muss. Und das Verarbeiten übernehmen die Algorithmen im Computer. Das Patent 060606 macht deutlich, dass die Programmierung einer Maschine künftig darüber entscheidet, wie viel du wert bist. Du bist fünf Prozent wert, er ist zehn Prozent wert, und ich null, weil ich das alles so kritisch sehe. Der Algorithmus wird auf der Basis des Nutzerverhaltens, welches der Rohstoff ist, entscheiden, wie hoch der Wert des Nutzers ist. Darauf basierend werden dem Nutzer Kryptowährungen zugeteilt, womit auch dieser ganze neue Unsinn der digitalen Währung offenbar wird. Man darf dann noch so und so viel Anteil haben – darüber hinaus ist man ein Gefangener des Systems.

Und dein Wert bestimmt deinen Freiheitsgrad?

VS: Ja, sie sagen dir dann, wie weit du reisen kannst und was du essen darfst. Oh, tut uns leid, du kannst nur Insekten essen, weil du letztes Mal zu viel richtige Lebensmittel gegessen hast. Es ist also alles Teil von ein und derselben Struktur, einer Struktur des Faschismus, der Zerstörung und des Todes.

Also exakt das Gegenteil davon, die Heiligkeit des Lebens zu ehren?

VS: Absolut. Das Heilige bedeutet das Unverletzliche, das Heilige bedeutet das, was einen eigenen Stand, eine eigene Souveränität hat. Das ist alles Selbstorganisation. Demgegenüber stehen diese Systeme des Faschismus, die im Grunde sagen, du bist ein Objekt und du bist eine Mine, ein Bergwerk. Du bist nur eine Quelle von Rohmaterial. Und du bist eine Quelle für unsere Profite. Deshalb bist du nicht souverän. Und es gibt nichts, was uns heilig ist, ausser der Maschine. Raymond Kurzweil, im Silicon Valley eine zentrale Figur in Sachen Transhumanismus, hat ein Buch geschrieben mit dem Titel «Das Zeitalter der spirituellen Maschinen: Wenn Computer die menschliche Intelligenz übertreffen».Es ist verrückt! Die verrückte Machtelite!

Wie können wir das Heilige in der Landwirtschaft wiederentdecken?

VS: Dazu muss man zunächst einmal aufmerksam sein und seine Sinne schärfen. Denn wenn man feststellt, dass die Bodenorganismen zurückkommen, wenn man den Boden nicht mehr mit Giften malträtiert, dann wird einem klar, dass man nicht den Boden erschafft – der Boden erschafft einen. Der Boden ist lebendig, du bist ein Kind des Bodens. Alle Kulturen haben den Boden als heilig angesehen, das Land als heilig, die Erde als heilig. Und eine achtsame Landwirtschaft ist eine Kultur, die sich um den Boden kümmert. Auch die Integrität des Samens und seine Fähigkeit, sich mit seiner eigenen Intelligenz zu entwickeln, lehrt uns, das Heilige zu sehen. Der Samen und der Boden sind in ihrer Beziehung die Grundlage der Nahrung. Also ist Nahrung heilig und das Heilige der Landwirtschaft entsteht durch eine sehr sorgfältige Co-Kreation mit der Schöpfung der Natur.

Würde eine solche Co-Kreation auch bedeuten, dass wieder mehr Menschen in der Landwirtschaft arbeiten?

VS: Wir brauchen vor allem mehr Landwirte, die sich um den Boden kümmern, um gute Lebensmittel zu produzieren, um gute Gesundheit zu produzieren. Denn ein guter Landwirt ist auch ein Arzt, ein Naturschützer und ein Regenerator. Und all das kann man tun, wenn man mit Bewusstsein wirtschaftet.

Sie kämpfen seit über vier Jahrzehnten für Nachhaltigkeit. Beobachten Sie eine Entwicklung in diese Richtung?

VS: Nun, als Physikerin bin ich fasziniert von der Quantentheorie. Ein Grundprinzip der Quantentheorie ist die Ungewissheit. Ungewissheit bedeutet, dass nicht vorhersehbar ist, in welche Richtung sich die Dinge entwickeln werden, und was die Trends sind. Die Trends, die wir beobachten können, sind, dass die Menschen bewusster werden. Sie beschäftigen sich mehr mit ihrer eigenen Freiheit. Dieser Trend explodiert, und Covid hat den Menschen beigebracht, was sie nicht aufgeben sollten. Wie die Zukunft aussehen wird, hängt also davon ab, dass mehr und mehr Menschen ihr Bewusstsein schärfen. Und weil diese ganze Überwachungs- und Kontrollmaschine auf einer Ebene ein Kartenhaus ist, erkennt man in dem Moment, in dem man sie durchschaut, dass sie für ihren Erfolg unsere Zustimmung brauchen. Also gebt eure Zustimmung nicht!

In «Eine Erde für alle» beschreiben Sie die «Erddemokratie» als Weg in die Zukunft?

VS: Ja, denn wir sind alle Teil einer lebendigen Erde, wir sind Erdenbürger, wir sind Teil einer Erdenfamilie. Ich wünsche mir deshalb eine Erddemokratie, die Ökologie, Biodiversität, Nachhaltigkeit und Gemeinschaft ehrt – was der einzige Weg ist für eine Zukunft, die uns allen dient. ♦

***

Vandana Shiva ist eine indische Physikerin, Umweltaktivistin und Buchautorin. Die Globalisierungskritikerin setzt sich ein für Umweltschutz, Biodiversität, Nahrungssouveränität, Nachhaltigkeit und Frauenrechte und wurde für ihr Engagement mehrfach ausgezeichnet.


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«Selbstversorgung ist pure Freiheit!»

Maria Rösingers Permakulturgarten in Degersheim ist eine Zauberwelt! In ihrem 1200 Quadratmeter grossen Gartenparadies wachsen Mais, Kartoffeln, Hirse, Reis, Roggen, Linsen, Süsskartoffeln und zahlreiche Gemüsesorten, die es ihr und ihrem Mann ermöglichen, sich ganzjährig selbst zu versorgen. In gutbesuchten Kursen gibt Maria ihr Wissen weiter.

Eigentlich wollten sie und ihr Mann Lorenz damals ja mit dem Velo von Schönengrund im Kanton Appenzell Ausserrhoden nach China radeln, doch dann landeten sie nur eine knappe Velostunde Fahrt entfernt in Degersheim, Sankt Gallen, wo sie ihre Zelte aufschlugen – oder genau genommen ein altes Holzhaus inmitten von viel Grün erwarben und liebevoll renovierten. Während des Umbaus deponierten sie alle Möbel im Stall und wohnten derweil in Zelt und Wohnwagen. Die ersten Hochbeete kultivierte Maria schon während des Umbaus. Und eineinhalb Jahre nach dem Einzug, als sie die Umgebung mit den Windrichtungen, den Wasserläufen und den Sonnengang kannten, pflanzten sie die ersten Bäume und verwandelten ihren Landsitz Stück um Stück in ein bezauberndes Paradies. Von dessen Früchten und Erträgen konnten sie sich fortan selbst versorgen – auch durch den Winter. Einzig Salz, Mehl und Öl kauft Maria noch ein. Mit der Zeit gesellten sich noch Schafe und Hühner hinzu, so dass der Speiseplan unterdessen mit Lammfleisch, Schafskäse und frischen Eiern ergänzt wird. «Meine Hühner können tagsüber draussen frei rumlaufen», erzählt sie, «Freiheit ist für mich etwas so Wichtiges!»

Maria ist Naturpädagogin und Permakultur-Designerin. Zuvor arbeitete sie zehn Jahre lang als Primar- und Oberstufenlehrerin. Nach dem Schulalltag wurden die Wunder der Natur zu ihrer Schulungs- und Wirkstätte. Im Selbststudium und im Diplomlehrgang «Permakultur Designer» vertiefte sie sich in die Geheimnisse der Permakultur. Diesen reichen Wissensschatz gibt sie nun an ihren Kursen mit viel Liebe und Begeisterung weiter.

Besucher des kleinen Idylls sind von ihrem Gartenparadies meist ebenso begeistert wie von ihr selber. Fast wie eine Elfe führt die hellfühlende Maria durch ihren Zaubergarten und zeigt auf, wie Mensch, Fauna, Flora miteinander verwoben sind, wie die Natur und die Naturwesen zusammenwirken und wie alles miteinander im Einklang steht. Die Rückmeldungen der Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer sprechen Bände: «An diesem Selbstversorgerkurs von Maria sollte jeder im Leben einmal teilgenommen haben. Wir wurden reichhaltig beschenkt, danke!» «Der Permakulturkurs von Maria hat mich vom ersten Kursabend an verändert. Eigentlich wollte ich einfach mein Wissen etwas auffrischen, erweitern und etwas dazulernen. Doch wie Maria ihre Wörter wählt … wie viel Liebe und Wachstum sie überall und in allem spürt und wahrnimmt, ist herzberührend.» «Zu erfahren, wie Permakultur gelebt wird, macht es für mich fassbar und motiviert zum Nachahmen.»

Doch was ist Permakultur überhaupt? Die naturnahe Bewirtschaftungsweise ist sozusagen der konsequentere Bio-Landbau. Permakultur verschreibt sich dem achtsamen Umgang mit der Erde und den Menschen und berücksichtigt mit nachhaltigen Kreislaufsystemen auch die Begrenztheit der Ressourcen. Der Begriff Permakultur leitet sich ab von «permanent agriculture»; zu deutsch «dauerhafte Landwirtschaft». Ziel ist es, den Garten Eden wiederherzustellen – für alle, Mensch, Tiere und Pflanzen. Kurz: Permakulturisten arbeiten mit und nicht gegen die Natur, wie es ihr Gründervater, der mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnete Bill Mollison vor rund 50 Jahren formulierte. Der Australier entwickelte zusammen mit David Holmgren die nachhaltige Bewirtschaftungsform als Antwort auf die ökologisch verheerende Art der heutigen industriellen Landwirtschaft, in der Monokulturen mit schwerem landwirtschaftlichem Gerät und grossen Mengen fossiler Rohstoffe beackert werden, wo Pestizide, Fungizide und Herbizide zu einem grossen Verlust an Tier- und Pflanzenarten führen und Böden und Wasser verschmutzen – womit am Ast gesägt wird, auf dem der Mensch sitzt.

Maria Rösinger geht diesen anderen Weg konsequent. Schon als Kind verbrachte sie jede freie Minute in der Natur, zog als «Indianer» in die Abenteuer und spielte mit den «Unsichtbaren», wie sie die Naturwesen damals nannte. Als Erwachsene zog es ihr in Sachen Permakultur so richtig den Ärmel rein, «weil die Permakultur so viele Systeme kennt, die uns Gärtnern die Arbeit um so einiges erleichtern können. Wozu noch Pflanzen tränken oder ständiges Unkraut jäten, wenn es auch anders geht, dabei sogar noch grössere Ernten rausspringen und sich der Garten ganz nebenbei zu einem artenreichen Naturparadies entwickeln kann?» Und das Tüpfchen auf dem i: Dank dem Gärtnern nach den Prinzipien der Permakultur können sich Maria und Lorenz auch noch mit wenig Kraftaufwand das ganze Jahr über selbst versorgen. Was will man mehr?

Inzwischen hat das Gartenprojekt sogar noch grössere Kreise gezogen. Maria hatte sich mehr Gemeinschaft gewünscht und ihren Wunsch den Naturgeistern und Engeln zugeraunt. Kurze Zeit später eröffnete sich auf dem Nachbargrundstück die Möglichkeit, zusammen einen Landblätz zum Gemeinschaftsgarten umzugestalten. Seither baut sie gemeinsam mit Interessierten aus der Umgebung an, man hegt, pflegt und erntet auch miteinander. Und es hat genug für alle. Die Natur verschenkt sich in einer solchen Überfülle! ♦

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Selbstversorgung durch Permakultur

Möchtest du dich selber versorgen mit dem, was in deinem Garten wächst? Oder erste Schritte in diese Richtung wagen? An Kursen vor Ort sowie in Online-Kursen führt Maria Rösinger Interessierte in die Geheimnisse der Selbstversorgung mithilfe von Permakultur ein. Nebst den Permakulturprinzipien nach David Holmgren vermittelt sie Permakulturplanung für das eigene Gartensystem nach Teepur, Bodenkunde mit Terra Preta, Anzucht, Auspflanzung, Mischkulturen, Fruchtfolge, Mulchen und Kompostieren, Kräuterkunde, Wissenswertes über Hochbeete und die «drei Schwestern», Wintergärtnern, Herstellung von Pflanzenmilch, Selbstversorgerrezepte und vieles mehr. Die Kurse starten im Frühling 2023. Näheres erfährst du unter permaria.ch


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