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Autor: Prisca Würgler

Das Schöne, das Hässliche und die Schweiz

Corona war für mich ein Abschiednehmen von vielem: Staatsvertrauen, Freunde und Vorbilder. Als sich Bardill mit mutigen Zwischenrufen in seiner Kolumne in der Zeitung Südostschweiz kritisch zum Regierungsnarrativ äusserte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Wer heute dem Text seines Liedes «Revolution» lauscht, denkt, es muss brandaktuell und aus den Erfahrungen der letzten Jahre gewonnen worden sein. Doch produziert wurde es bereits 2014. Bardill stellt darin die Frage:

«Meinsch es kämi no so wiit, dass d´Lüt Überwachigskameras usde Halterige rissed und am Bode verschlönd …, wils langsam gnueg händ, plötzlich verwacht, wo langsam Muet hat und nüme mitmacht, wo langsam ufstoht usser Rand und Band, sin Käfig umlohnt wie en wilde Elefant!»

Wiederum stimmt das Lied «Dis Land mis Land» ganz andere, versöhnliche Töne an:

«Jo das isch d´Schwyz, gib mer dini Hand, jo das isch d´Schwyz, dis Land, mis Land. Es isch es Land mit Bäch und Seen, Berge, Täler, Dörfer, Städt, so viel Mensche, so viel Sprooche und e Gschicht, wo Gschichte hätt, s isch e Gschicht vo tuusig Johre, s isch e Gschicht vo einem Tag, s isch e Gschicht, dass nüd verloore isch, solang mes liebe mag.

Wer ist er, dieser Schweizer Künstler, der einerseits die Heimat besingt, andererseits die Mächtigen anprangert? Wir haben den Künstler in Scharans im Kanton Graubünden persönlich zum Gespräch getroffen. Bereits über sein Atelier, in dem er uns empfing, gibt es viel zu erzählen. Es wurde durch den Architekten Valerio Olgiati entworfen und gilt als sogenanntes Antihaus. Es besteht aus rotem Beton, ist übersät mit Rosetten, Fenster sucht man vergebens, ein Dach hat es auch keines. Dafür gibt es einen Innenhof und einen freien Blick in den Himmel, Schiebewände zum Aufziehen und freie Sicht auf den Beverin.

«DIE FREIEN»Linard Bardill, was bedeutet dir Heimat?

Linard Bardill: Als Kind war für mich Heimat Landschaft. Das Tal. Später dann waren Heimat andere Menschen, Kollegen. Irgendwann beginnst du, dein Ich zu entwickeln. Dann hast du das Gefühl, die Heimat muss bei dir sein. Du selbst bist die Heimat. Dann kriegst du mit einer Frau zusammen Kinder und merkst, die haben auch Bedürfnisse; jetzt musst du dein Ego zurückstecken. Dann gibt es eine Mischung aus den drei Heimaten: Boden, Menschen, Ich. Ich glaube, man erwacht an anderen Menschen. Wenn du diese Bewusstwerdung weiterentwickelst, kannst du auch am Berg erwachen. Darin kriegst du eine Ahnung, was das Leben sein könnte, was dein Schicksal sein könnte. Was die Welt ist.

~

In diesem Moment erklingen die Glocken der Scharanser Kirche. Bardill öffnet die Tür seines Ateliers, der Klang der Glocken dringt ins Innere, erfüllt den Raum.

~

LB: In Scharans wird noch verkündet, wenn jemand gestorben ist. Die Bewohner werden durch den Klang daran erinnert, dass sie irgendwann auch sterben werden. Es ist eine spirituelle Schwingung. Wenn alles schwingt, wie Tesla und andere sagen, dann sind diese Glocken Magie. Und das ist für mich auch eine Anbindung an die Welt, auch eine Art von Heimat.

Du hast auch viele Lieder für Kinder komponiert und Geschichten geschrieben. Was sagst du einem Kind, das in der Schweiz geboren ist?

LB: Ich habe mir überlegt, ob es möglich ist, mit allem Schönen und Hässlichen, das die Schweiz hat, eine zeitgenössische Hymne für Kinder zu schreiben. Ich wollte dabei bewusst nicht auf das gemeinsame Erbe eingehen, sondern auf das, was man gerne hat, was man liebt. Für das, was man liebt, investiert man seine Energie, das ist dann auch nicht verloren. Dabei geht es um beständige Werte wie das Erhalten der Freiheit. Um den Erhalt von Freiraum, den die Leute eigentlich zugute haben in dieser Welt, um ihre Erfahrungen machen zu können, und dabei den Staat möglichst klein zu halten. Ja, das klingt jetzt wie eine SVP- oder FDP-Parole. Aber ich finde schon, je mehr der Staat das Gefühl hat, er müsse die Probleme der Leute lösen, desto mehr geht es in die Hose. Es wird nicht gehen.

von Prisca Würgler

***

Die Fortsetzung des Interviews erscheint in der nächsten Ausgabe von «DIE FREIEN». Im zweiten Teil verrät uns Linard Bardill, wieso die Corona-Krise für ihn sowohl Trauma als auch Augenöffner war und wie er seinen weiteren Weg als Pazifist und Brückenbauer sieht.


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Im Spinnennetz der Beziehung

Gemeinsam die Zukunft gestalten. Eine Familie gründen. Füreinander da sein. Miteinander durchs Leben gehen. Bis dass der Tod uns scheidet. Was mit Schmetterlingen im Bauch beginnt und sich vielversprechend entwickelt, kann trotzdem zu chronischen Bauchschmerzen führen und in einer grossen Enttäuschung enden.

Warum finden sich Paare anziehend, die danach eine destruktive, toxische Beziehung leben und weder miteinander noch ohne einander glücklich leben können? In welchem Spinnennetz der Beziehung sind diese Paare gefangen? Mit diesen Fragen lade ich Sie ein, sich mit mir auf die Reise an den Ursprung des Geschehens zu begeben. An den Anfang, als alles begann.

Hilflos, aber ruhig liegt das Neugeborene im Arm der Mutter. Noch weiss es nicht, was aus ihm werden wird, welche Abenteuer es erwarten. Es fühlt sich sicher und geborgen. Vor einer halben Stunde ist es aus der Einheit mit der Mutter gefallen. Es wurde geboren. Ab jetzt muss es als eigenes Wesen beginnen, Beziehungen aufzubauen.

Die erste Beziehung geht es mit der Mutter ein. Sie wird es versorgen. Hoffentlich kann sie seine Bedürfnisse erkennen und befriedigend erfüllen. Das Kind möchte sich an die Mutter binden, damit es überleben kann. Es hat von Natur aus sowohl ein Bindungsbedürfnis als auch die Bindungsfähigkeit. Eine sichere Bindung gibt ihm den tragenden Boden für seine Entwicklung. Damit diese gelingt, muss es mit der Mutter vier Aufgaben erfolgreich meistern: Erst muss es sein Bedürfnis erkennen, dann dies ausdrücken lernen, so dass es verstanden wird, und dann muss dies befriedigend erfüllt werden. Gelingt dies zusammen mit der primären Bindungsperson ein paar Mal vollständig, kann sich das Kind an diese sicher binden. Gelingt dies nicht, weil die Mutter das Kind nicht richtig lesen kann oder selber Defizite hat, wird das Kind immer wieder Existenzängste durchleben. Es kann sich nur unsicher binden. Je nach Verhalten und Erfahrung entsteht ein unsicher-ambivalenter, unsicher-vermeidender oder ein desorganisierter-desorientierter Bindungsstil. Aufgrund der Erfahrung verhält sich das Kind nun in der Beziehung zur Mutter unsicher. Dies kommt vor allem in Stresssituationen zur Geltung, wenn das Bindungssystem hoch aktiviert ist – in Alarm steht.

Das Kind muss die Welt kennenlernen. So baut es schon früh innere Arbeitsmodelle der Welt auf, vor allem von sich und der Mutter. Eine Bindungsstörung und das damit verbundene Verhalten wird als inneres Arbeitsmodell und Blaupause für die Gestaltung von Beziehungen gespeichert. Ab jetzt wirkt das Modell in allen nahen Beziehungen. Diese werden vom Bindungstrauma geprägt sein und sich je nach Blaupause ambivalent, vermeidend, desorientiert-desorganisiert im Beziehungsverhalten zeigen. Die Unsicherheit, die Erfahrung und das angelegte Arbeitsmodell werden aber auch Teil der Persönlichkeit werden und den Selbstwert betreffen. Dies kann zu Persönlichkeitsdefiziten bis hin zu Persönlichkeitsstörungen, aber auch zu Angst, Zwang, fehlender Impulskontrolle, niedriger Frustrationstoleranz und zu Problemen in der Nähe- und Distanz-Regulation führen.

Der Bindungswunsch dieser Menschen ist gross. Gleichzeitig haben sie Angst, sich einzulassen. So sehnen sie sich sehr nach einer erfüllten Beziehung und träumen von dem Menschen, der (endlich) ihre Bedürfnisse erkennt und erfüllt. Aufgrund der Erfahrung trauen sie sich vielleicht nicht, diese zu äussern. Sie haben Angst vor Ablehnung und Enttäuschung und sind bereit, viel zu geben. Ihre Attraktivität drücken sie durch eine betont verständnisvolle, rücksichtsvolle und fürsorgliche Art aus. Je nach Blaupause können sie aber auch leidenschaftlich fordernd sein und so mit einem «passenden» Gegenüber in Resonanz gehen. Mit einem Gegenüber, das sie bewundert für das, was es nicht ist, oder jemandem, der sich im Spiegel selber erkennt. Wenn nun der Partner in ihr Leben tritt, der sie beachtet, sie sieht, erkennt und bereit ist, mit ihnen die Sehnsucht zu teilen, dann haben sich zwei gefunden, die gerne die ganze Palette an unerfüllten Wünschen plötzlich im Gegenüber entdecken. Aus dem Frosch wurde ein Prinz und aus Aschenputtel eine Prinzessin. «So wie mit dir war es noch nie», hören sie sich sagen. «Wir sind füreinander geschaffen.» «Bis dass der Tod uns scheidet», schwören sie sich am glitzernden Hochzeitsfest. Doch irgendwann bekommt der Spiegel einen Kratzer. Spätestens dann, wenn der andauernde Bestätigungsbedarf anstrengend wird, die Autonomie anklopft und sagt: «Mich gibt es auch noch.» In deren Schlepptau wird nun die Eifersucht zum Dauergast.

Auch merkt man nun, dass der ursprüngliche Glanz doch etwas fleckig war. Hier war mehr der Wunsch der Vater des Gedankens. Das grosszügige Kleinreden von Fehlern oder Defiziten ist vorbei. Sie nisten sich in die Realität des Alltags ein. Plötzlich kehrt die Stimmung. Von ganz toll kippt es auf ganz furchtbar. Was sich vorher angehimmelt hat, macht sich nun nieder und kontrolliert. «Siehst du!» «Da schau her!» Beide erhöhen sich, indem sie den anderen erniedrigen. Eine Opfer-Täter-Dynamik bestimmt nun die Beziehung im Alltag. Sie halten sich ihre Fehler gegenseitig vor, konkurrenzieren und triumphieren. Das Bindungssystem ist in Alarm. Nach dem Streit kommt die klammernde Versöhnung. Nun wird alles wieder gut. Doch schon baut sich die nächste düstere Wolke, getrieben von Misstrauen und Angst, auf. Sie würden sich trennen, doch die Verlustangst schlägt zu. Das Schuldenkonto ist noch nicht getilgt. Jeder meint, der andere müsste ihm noch etwas geben von dem, was er einst versprochen hat und für die Aufopferung in der Beziehung. Dies hält sie gefangen im toxischen Spinnennetz. Sie können nicht mit- und nicht ohneeinander. Gemeinsam ins Verderben. Immer tiefer, bis das Netz reisst. Sie erschöpft zu Boden fallen. Und der Richter sie scheidet.

Ihre Kinder werden ihr traumatisches Erbe weiterleben – oder endlich den toxischen Bindungsfaden lösen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Aufbau des Selbstwerts. Eine sichere Bindungserfahrung im therapeutischen Rahmen könnte das Fundament dafür legen, diese engen Kleider der Minderwertigkeit und Verlustangst abzustreifen. Die passenden liegen schon lange bereit. ♦

von Sieglinde Kliemen

***

Sieglinde Kliemen ist Systemische Beraterin und Therapeutin mit eigener Praxis in Bern. Sie ist spezialisiert auf Traumatherapie, Paartherapie und Opfer-Täter-Dynamiken. Als Leiterin eines Männerhauses unterstützte sie jahrelang von häuslicher Gewalt betroffene Männer und Väter mit ihren Kindern. Sie ist Co-Präsidentin des Vereins ZwüscheHalt, welcher die Männerhäuser in Bern, Luzern und Zürich betreibt.


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Sex ist Heilung

Interview mit Diana Richardson

Die Körpertherapeutin und Tantra-Lehrerin Diana Richardson ist eine der führenden Stimmen im Bereich bewusste Sexualität. Zusammen mit ihrem Partner veranstaltet sie «Making Love»-Seminare für Paare, die weltweit auf Resonanz stossen. Wir sprachen mit der Bestseller- Autorin über die Verbindungen zwischen Sex, Liebe und Spiritualität, und wie wir sexuelle Energie lenken können, um bewusster und lebendiger zu werden.

«DIE FREIEN»: Liebe Diana, wie hast du selber diese andere Art, Sex zu haben, entdeckt?

Diana Richardson: Ich habe das nirgends gelernt oder studiert; ich habe es selber ausprobiert, durch meinen eigenen Körper erfahren und es mit anderen Menschen geteilt. Als ich Anfang dreissig war, begann ich, mich für eine tiefere Erfahrung in der Sexualität zu interessieren und machte mich auf die Suche.

Wer hat dich inspiriert?

DR: Ich war vom spirituellen Lehrer Osho inspiriert. Er sprach über Tantra und ich dachte: Wow – das tönt fantastisch, aber wie mache ich das nun konkret? Wie erreiche ich diesen Zustand? Dann kam ich mit der Arbeit von Barry Long in Kontakt. Er sprach nicht in erweiterten Begriffen wie Osho, sondern explizit über Sex, den Penis und die Vagina. Und das führte mich auf einen anwendbaren Weg. Ich habe mit meinem Partner zusammen angefangen zu experimentieren, zu fühlen und zu erfahren. Wir haben Tausende Male Liebe gemacht – über Jahre hinweg. Irgendwann beginnt man zu erkennen, welches die Zutaten sind, die zu einer neuen Erfahrung führen. Erst dann begann ich zu verstehen, was Osho tatsächlich beschrieb.

Was sind diese Zutaten?

DR: Bewusstsein. Alles ändert sich, wenn du bewusst bist. Wie ich eine Tasse aufhebe: Ich kann das mechanisch tun, ich kann es aber auch mit Bewusstsein tun. Ich kann ihr Gewicht spüren, wie sie in meiner Hand liegt, wie viel Energie ich brauche, um sie zu halten, statt mich nur anzustrengen. Es geht darum, vom Verstand wegzukommen und zum Körper zurückzukehren und sich von all unseren Erwartungen und Prägungen in Bezug auf Sex zu lösen. Wir sind uns dessen selten bewusst, aber unsere Vorstellungen, wie wir Sex haben sollten, werden stark von der Gesellschaft geprägt. Diese Vorstellungen kommen aus dem Kopf, nicht aus dem Körper. Es ist der Verstand, der den Körper zwingt. Und wir haben verlernt, darauf zu hören, was der Körper braucht. Sobald du Bewusstsein und Präsenz in etwas bringst, verändert es sich. Alles, was du tun musst, ist, mehr im Hier zu sein, präsent zu sein. …

von Prisca Würgler

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Diana Richardson ist ausgebildete Körpertherapeutin und Tantra-Lehrerin. Aufgewachsen in Südafrika, lebt die 70-Jährige heute mit ihrem Partner im Emmental in der Schweiz. Sie ist Autorin zahlreicher Bücher, darunter «Zeit für Liebe», «Zeit für Weiblichkeit», «Slow Sex» (Buch und Film), «Zeit für Männlichkeit» und «Zeit für Gefühle».


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Wenn die Heilkraft am Werk ist

In meinem Kopf winden sich die Gedanken wie die Strasse über den Brünig an den Thunersee. Ich bin auf dem Weg zu Priscilla und Jonas, die ich bisher nur aus ihren «chronisch ehrlich»-Videos kenne. Sie haben mich zu einem Kurs in Atemtechnik eingeladen. Was mich wohl erwartet – Arbeit oder Entspannung? Langeweile oder Inspiration? Beklemmung oder Befreiung?

Bei Priscilla und Jonas versammelt sich eine Gruppe von 15 Menschen zum Breathwork. Ich bin Teil davon, ohne zu wissen, worauf ich mich beim gemeinsamen Atmen einlasse. Im anschliessenden Gespräch erfahre ich, dass für Priscilla, als ehemalige chronisch kranke Schmerzpatientin, der Atem eine sehr grosse Bedeutung hat: Tiefes Atmen macht den Körper stärker und dem Schmerz gegenüber resilienter. Der Atem ist der Anfang des Lebens. Er ist essenziell; in ihm steckt eine enorme Kraft und ein riesiges Potenzial. Mit der richtigen Atemtechnik können wir mit unserer innersten Intelligenz in Kontakt kommen und Informationen aus unserem Unterbewusstsein erhalten. Unseren Atem haben wir immer bei uns – eines der wenigen Wundermittel, das nicht verboten werden kann.

Priscilla und Jonas haben ihren inneren Heiler mit Hilfe des Atems schon mehrfach aktivieren können; dieses Wissen und diese Erfahrung teilen sie heute auf ihrem YouTube-Kanal chronisch ehrlich, auf dem sie ihre eigene Heldengeschichte erzählen und eine Plattform bieten, auf der auch andere Menschen ihre Selbstheilungserfahrung teilen können. Das Ganze begann inmitten einer Leidensgeschichte. Priscilla war über zehn Jahre chronisch krank. Jonas und Priscilla sprachen auf ihrem YouTube-Kanal über ihren Heilungsweg, und zwar schon lange, bevor sie Erfolg hatten. Sie waren mitten im Prozess und erzählten «chronisch ehrlich», wie es ihnen dabei erging.

Und nun liege ich also inmitten vieler unbekannter Menschen rücklings auf dem Boden und lausche den Worten von Priscilla und Jonas, die diese Session anleiten:

«Den Atem durch den Mund ziehen, in den Bauch atmen und wieder loslassen. Dieses Atmen ohne Pause wiederholen. Eine volle Stunde durchhalten, die Augen bleiben geschlossen …»

Das klingt nach Arbeit! Doch bereits nach kurzer Zeit merke ich, wie meine Arme anfangen zu kribbeln. Neben mir höre ich das Atmen und Stöhnen der anderen Teilnehmer, das ich anfangs als störend und ablenkend empfinde. Doch bald verschluckt die Musik alles um mich herum und nimmt mich mit auf eine Reise durch mein Bewusstsein. Vor dem inneren Auge tauchen Bilder von ungeahnter Schönheit auf und meine Glieder beginnen sich wie von selbst zu bewegen. Hie und da löst sich durch ein Knacksen eine Spannung in meinem Körper …

Gelöst hat sich auch im Leben von Priscilla und Jonas vieles: Ihre Familie litt unter Fibromyalgie, Reizdarmsyndrom, Alkoholsucht, Autismus und Depression. Heute sind sie überzeugt, dass Heilung erst beginnen konnte, als Priscilla von der Schulmedizin austherapiert worden war. Damals fing sie an zu erkennen, dass Krankheit etwas ist, was sein darf, weil sie der Botschafter der Seele ist, der uns mitteilt: «Hey, schau da mal hin!» Denn dort, wo sich Krankheit manifestiert, steckt auch der Lösungsansatz für Heilung. Ihre Krankengeschichte erachtet Priscilla als Aufgabe, in der eine enorme Transformationskraft steckt. Das durften sie als ganze Familie erfahren. Wer bereit ist hinzuschauen, begibt sich auf eine Reise zu seiner wahren Existenz.

Wer seine Selbstheilungskräfte kennenlernt, erfährt auch, dass er nicht abhängig von therapeutischer Hilfe von aussen ist. Mit dieser Erfahrung möchten Priscilla und Jonas andere ermutigen und an die Selbstermächtigung appellieren. «Alles was du brauchst, um heil zu werden, ist in dir.»

Priscilla und Jonas sind seit bald 20 Jahren verheiratet. Sie haben zwei Kinder, zwei Hunde und zwei Firmen. Für eine Paarbeziehung ist eine chronische Erkrankung eine grosse Herausforderung und birgt die Gefahr, alles zu zerstören. Sie hat aber eben auch das Potenzial, letztlich die ganze Familie zu heilen. Das bedingt aber, ehrlich zu werden über den Istzustand, sich selber oder anderen nichts vorzuspielen. Priscilla und Jonas half Meditation, um in die Tiefe zu gehen. In der Auseinandersetzung mit den eigenen Glaubenssätzen lernten sie, zu sich selbst zu stehen und einzugestehen: «Ja, ich bin krank.» Doch der nächste wichtige Schritt war, sich nicht mit dem Kranksein zu identifizieren. Das Ego musste einpacken, das Selbstbild aufgegeben werden. Denn auch die Opferrolle ist ein Identifikationsmuster und nicht das wahre Ich. Nachdem sie auf der grobstofflichen Ebene vieles verändert hatten – unter anderem die Ernährung angepasst, auf gesundes Wasser geachtet, mit dem Atem gearbeitet – kam die Auseinandersetzung auf der feinstofflichen Ebene dazu: Emotionsarbeit, Traumabewältigung, das Auflösen seelischer Blockaden.

Vision für die Zukunft

Für Priscilla und Jonas hat sich alles erfüllt. Als Familie haben sie gefunden, wonach sie gesucht haben. Doch das Leben scheint ihnen beiden eine grössere Aufgabe zugedacht zu haben: Ihr YouTube-Kanal chronisch ehrlich zählt bereits rund 60´000 Abonnenten und die Nachfrage nach den Angeboten ihres Unternehmens Heilkraftwerk steigt. Ihr Tun erfüllt sie mit Freude – Freude am Tanz mit Menschen, die in die Selbstheilung gehen wollen. «Wir möchten den Menschen Freude und Stolz am Heilungsprozess vermitteln!» Dabei raten sie immer wieder, jeden Menschen individuell zu betrachten. Diagnosen seien keine Prognosen und ungeachtet dessen, welche Krankheit jemand habe, solle darauf geachtet werden, womit er oder sie in Resonanz geht. Aber was bedeutet Heilung für die beiden eigentlich?

«Heilung ist Vergebung und Demut», antworten sie. «In Demut können wir erkennen, dass wir Teil von etwas Grossem sind. Das schafft die Basis dafür, zu vergeben; seinen Vorfahren, aber auch sich selber. In dieser Demut kann Heilung stattfinden, denn Demut ist Beweglichkeit. Stolz urteilt und verurteilt. Er unterscheidet, wer die Täter und wer die Opfer sind. Aber Demut ist Verständnis und Vergebung!» Und sie fügen hinzu: «Auch Fülle ist ein Thema der Heilung. Der Glaube an Fülle war wohl die grösste Erkenntnis! Das kann der entscheidende Gamechanger sein. Gerade zeigt uns das der Frühling: Das Leben ist im Anzug – es wächst! Alles ist da!»

Fülle – das durfte auch ich aus der Begegnung mit Jonas und Priscilla mitnehmen. Ich habe wundervolle Menschen kennengelernt und durch sie erfahren dürfen, welche Kraft in uns schlummert und wie wir sie durch unseren Atem aktivieren können. ♦

von Prisca Würgler

***

Priscilla und Jonas Bucher leben in Hünibach am Thunersee. Ihre Website: heilkraftwerk.ch. Ihr Telegram-Kanal: @heilkraftwerk

Bist du interessiert, Breathwork kennenzulernen? Weil es uns so sehr gefallen hat, bieten wir am Freitag, 17. Mai, von 18 bis 21 Uhr eine Breathwork-Session mit Priscilla und Jonas in Altdorf an. Anmeldung: redaktion@diefreien.ch. Weitere Infos findest du hier.


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Maunawai

Publireportage

Wasser ist Leben. Pflanzen und Tiere brauchen Wasser, um zu überleben, und Wasser ist an allen Prozessen in unserem Körper beteiligt. Es hat die Fähigkeit, Schadstoffe aus dem Organismus zu transportieren. Es hat eine Struktur und eine Frequenz, es reagiert auf Stimmungen und Worte und scheint so etwas wie ein Gedächtnis zu haben. Wasser ist die beseelte Energie der Erde.

Obwohl viele Menschen in der Schweiz immer noch glauben, die Qualität des hiesigen Leitungswassers sei tadellos, werden sich immer mehr darüber bewusst, dass unser Wasser bereits stark mit Pestiziden, Schwermetallen und anderen schädlichen Substanzen belastet ist. Rückstände von Hormonen stellen für Mensch und Tier ebenso ein grosses Problem dar. Durch den langen Transport in Leitungen und den benötigten Druck verliert das Wasser ausserdem seine Lebendigkeit und Struktur.

Entsprechend gibt es bereits etliche Unternehmen, die sich auf die Filterung und Reinigung von Wasser spezialisiert haben; andere konzentrieren sich auf die Belebung und Energetisierung. Maunawai ist eines der wenigen Unternehmen, das beide Aspekte berücksichtigt. Basierend auf der Pi-Technologie, die auf 20-jähriger Grundlagenforschung in Japan beruht, filtern die Maunawai-Systeme das Wasser mehrfach und energetisieren es anschliessend. Der gesamte Prozess ist der Natur abgeschaut und funktioniert gänzlich ohne Strom oder Chemie. «Das gefilterte Wasser findet zu seiner ursprünglichen Struktur, Reinheit und Lebendigkeit zurück. Es bleibt monatelang stabil», sagt Daniel Knoch, CEO der Maunawai International AG.

Als Familienunternehmen achtet Maunawai streng darauf, alle Produktionsschritte kontrollieren und die Qualität aller Komponenten überprüfen zu können. Die meisten Teile werden in Europa hergestellt. Seit Kurzem werden die Filter in einer eigenen Fabrik in Ungarn produziert. So ist nicht nur die Qualität, sondern auch die Lieferbarkeit jederzeit sichergestellt. Weiterhin arbeitet das Unternehmen an einem Recyclingsystem, damit die gebrauchten Filter in Zukunft nicht mehr entsorgt werden müssen, sondern an Maunawai zurückgeschickt werden können. Dort werden einzelne Bestandteile aufbereitet und finden eine weitere Nutzungsmöglichkeit, z.B. in der Landwirtschaft.

Maunawai bietet eine Palette von Produkten für jedes Budget an, von der Wasserkanne über den Gravitationsfilter bis zum kompletten Hausfiltersystem. Eine Reiseflasche für den Outdoor-Einsatz, ein Waschball sowie eine Duschbrause gehören ebenfalls zum Sortiment. Allen Produkten ist gemeinsam, dass sie dank der Pi-Technologie schadstofffreies, belebtes Trinkwasser in Quellwasserqualität liefern. Einzigartig ist, dass nicht einfach alles herausgefiltert wird, sondern die für den Körper nützlichen Mineralien erhalten bleiben. Eine sorgfältig zusammengestellte Mischung aus Schungit, Halbedelsteinen und Keramiken sorgt am Ende für die Verwirbelung und Energetisierung des Wassers.

«Wenn wir hochwertiges Wasser trinken, kann der Körper sich besser regenerieren und entgiften, und uns steht mehr Energie zur Verfügung. Auf die Gesundheit hat dies einen positiven Einfluss», erläutert Daniel Knoch. «Für uns ist es sehr motivierend, dass wir mit dem Wasser aus unseren Filtersystemen das Wohlbefinden der Menschen steigern können.» ♦

Wassertropfen vorher…

…und nachher

Mehr Informationen finden Sie unter:
maunawai.ch/dunkelfeld


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Jetzt gehts ans Eingemachte

Wenn die Grosszügigkeit der Natur nachlässt, sie ihre Kräfte zurückzieht und keine frischen Lebensmittel mehr in den Gärten und auf den Feldern wachsen, greifen wir zu den Vorräten. So zumindest war es bei unseren Vorfahren. Dann wurde es ernst: Es zeigte sich, ob man vorgesorgt und sich gut auf den Winter vorbereitet hatte.

Bis in die 1960er-Jahre wurden in den meisten Haushalten Obst, Gemüse oder andere
Lebensmittel eingekocht. Heute wird diese Kulturtechnik mit einem neuen Bewusstsein wiederentdeckt und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Mit Einwecken, Einkochen, Fermentieren, dem Haltbarmachen von gesunden Lebensmitteln, kann man sich viel Unabhängigkeit, Gesundheit und Freude schenken.

Wir machen uns auf den Weg zu Claudia in Andermatt, die uns viel Auskunft über die Kunst des Einmachens geben kann. Die Reise zu ihr führt uns durch eine der eindrücklichsten Gegenden Mitteleuropas: Die sagenumwobene Schöllenenschlucht. Die Route nach Andermatt im Herzen der Schweiz war einst eine der am schwersten passierbaren Strecken. Heute fahren wir die Haarnadelkurven im Auto mit Sitzheizung und GPS-gesteuertem Navi. Was hält Menschen an diesem abgelegenen Ort im Kanton Uri, wo die Bauindustrie in den letzten Jahren monumentale Hotels errichtet hat, die den Einheimischen die Aussicht versperren? Und wie steht es um deren Freiheit?

Auch bei Claudia ging es immer wieder ans Eingemachte: Sei es der Wolf, die invasive Tourismusindustrie oder Corona – ihr Vorrat an Mut und Zuversicht war in den letzten Jahren wichtiger denn je. So schenkt uns Claudia einen Einblick in ihr bewegtes Leben:

«Wir halten rund 40 Schafe, die fast ausschliesslich draussen sind. Im Sommer bei uns in und um Andermatt, im Winter auf Weiden im Unterland. Unsere Schafe waren zuvor über den Sommer auf einer Alp in einem abgelegenen Alptal. Wir besuchten sie alle paar Tage. Die Tour, um die Tiere zu sichten, dauerte den ganzen Tag.

Im Sommer 2014 hatten wir einen Wolfsangriff, 21 Schafe wurden uns gerissen. Ich mag mich genau daran erinnern: Es war für mich ein schlimmer Schock, schon die Stimmung, als wir hochkamen, war ganz komisch. Wir hatten noch Hirtenbuben dabei, diese waren ganz verstört. Da kamen verletzte Schafe auf uns zu, die eine Seite offen hatten. Viele lagen tot herum. Ich schlief viele Nächte schlecht und es hat einiges an Überwindung gebraucht, um mit den Schafen weiterzumachen. Für uns war von da an klar: Ungeschützt sind die Schafe nicht mehr unterwegs. Weil die Runde zu den Schafen sechs bis acht Stunden dauert, gehen sie auch nicht mehr auf die Alp, denn unter diesen Umständen hätten wir sie höchstens alle zwei Tage besuchen können, und das war für uns zu wenig. Darum sind sie jetzt rund um Andermatt, wo wir sie täglich besuchen können. Als Schutz vor dem Wolf sind heute Lamas und Esel bei der Herde. Das funktioniert gut. Die Lamas sind neugierige Tiere und ängstigen sich nicht vor dem Wolf. Das verunsichert den Wolf und er traut sich nicht anzugreifen.

Andermatt, wo ich seit 25 Jahren lebe, hat sich in den letzten Jahren stark verändert: die grossen Bauten, der internationale Tourismus. Stehe ich während der Hochsaison auf dem Bahnhof, sehe ich Menschen aus aller Welt mit Skiern … Wenn ich in den Rummel will, kann ich ihn haben. Wenn nicht, gibt es trotz allem noch genug Plätze, die ruhig sind. Man merkt dort kaum, was in Andermatt los ist während der Hochsaison. Ich schätze es, etwas abseits meine eigenen Wege zu gehen und das gelingt mir auch gut!

Wir leben hier einerseits sehr abgelegen, andererseits sind wir aber auch sehr frei in unserer Lebensgestaltung. So erging es mir während Corona: Wegen der Massnahmen blieb ich meinem geliebten Jodelchor fern. Ich hätte schon gehen können, wollte aber nicht, denn alle wollten die Massnahmen einhalten. Ich nicht. Ich fuhr dann ins Unterland, traf mich mit ein paar Gleichgesinnten und jodelte mit ihnen zusammen. Da war ich dann plötzlich in der Rolle der «Chorleiterin». (lacht) Mittlerweile bin ich wieder zurück im Chor, vor allem, weil mir das Singen in meinem Chor fehlte. Das Thema Corona bleibt unausgesprochen. Trotzdem können wir uns alle irgendwie akzeptieren. Ich hatte lange Mühe mit der Versöhnung, aber ich habe gemerkt, dass sie mich brauchen, und ich habe das Singen sehr vermisst.

Für mich persönlich war der Tag, als die Massnahmen aufgehoben wurden, einer der schlimmsten Momente in der ganzen Krise. Da machen die Machthaber schnipp! – Alle setzen die Masken auf, dann schnapp! – und alle ziehen die Maske wieder ab. Dieser blinde Gehorsam, der hat mich so abgestossen. Mich nervt es, dass die gehorsamen Menschen immer mit Schafen verglichen wurden. Die Schafe sind viel intelligenter. Jedes Tier ist intelligenter als der Mensch. Die würden das nie tun!

Für uns sind die harten Winter die schönen Winter! Da ist alles zu, es ist ruhig, die Menschen werden gesprächiger, man fühlt sich hier oben viel mehr als Gemeinschaft. Da spürt man den Zusammenhalt. Das trägt zum Bedürfnis, eigene Vorräte zu haben, bei. Damit bist du unabhängig von nicht mehr funktionierenden Lieferketten. Wir kennen das: Wenn die Schöllenen zu ist, sind halt auch mal die Gestelle im Laden leer. An einem Ort, wo die Natur sich sehr deutlich in ihrem Rhythmus zeigt, hat man einen stärkeren Bezug zu ihr und lebt mehr in ihrem Rhythmus. Wenn die Ernte draussen nachlässt, die Natur still wird und Schnee über den Matten liegt, macht man sich an die Vorräte, ans Eingemachte.

Ich bin so gross geworden, dass man nichts wegwirft. Meine Mutter und meine Grossmutter achteten schon darauf, dass man nichts vergeudet. Ich habe das so mitbekommen, aber es ist mir auch persönlich wichtig. In erster Linie geht es mir um die Wertschätzung gegenüber den Geschenken der Natur. Es ist schön, wenn man den ganzen Winter die Ernte vom Sommer essen kann. Ich sehe es um mich herum: Die Menschen haben grosse Gärten, können aber gar nicht alles Gemüse frisch verwerten. Dann bin ich eine dankbare Abnehmerin, und mache es in Gläser ein.

Damit begonnen habe ich auf den SAC-Hütten, wo ich während acht Jahren Hüttenwartin war. Im Herbst kochte ich überschüssiges Gemüse, Obst und Früchte ein, so hatte ich immer frische Sachen, auch wenn mal unerwartete Gäste kamen. Beim Haltbarmachen wende ich vor allem das «Einwecken» an. Dazu braucht es Gläser, Gummiringe und Klammern. Einwecken kann man fast alles, da sind kaum Grenzen gesetzt: Von Gemüse, Ratatouille, Suppen, Apfelmus, Fleisch, Kuchen, Brot über Relishes, Süss-Saures und ganze Menüs. Ich habe schon vieles ausprobiert, beispielsweise auch Einmachen ohne Zucker, was wirklich problemlos funktioniert. Inspiration hole ich mir aus Büchern oder im Internet.

Als ich anfing, dachte ich mir: Einkochen ist etwas Altes und das kann nicht so schwierig sein, da es etwas Natürliches ist. Hygienisches Arbeiten ist schon wichtig, aber ich habe den Eindruck, da wird heute ein grosses Brimborium darum gemacht. Früher hatten die Leute nie solche Möglichkeiten wie wir. Ich schaue einfach, dass ich sauber arbeite. Das ist wirklich einfach und es braucht viel weniger, als viele meinen. Es braucht Zeit, macht dafür auch sehr viel Freude: Wenn man dann die vielen Gläser mit den leckeren, gesunden Vorräten sieht, weiss man, dass sich der Aufwand lohnt. Auch für meinen Mann, der manchmal gern zu Fast Food greifen würde – er wählt lieber die gesunde Variante aus dem Keller. Und: Beim Selbstgemachten weiss ich, was drin ist.

Lernen kann man das Einmachen, indem man Vertrauen und Mut hat und einfach ausprobiert. Ich selber habe nur ganz wenig Garten. Ich schaue, ob es irgendwo eine Schwemme an Gemüse gibt und ob ich diese nutzen kann. Oft sind die Leute, die Überschuss haben, froh, wenn man es ihnen abnimmt, weil es ihnen selber weh tut, wenn es aus Überforderung auf dem Kompost landet.

Eingemachtes ist sehr lange haltbar. Ich lasse manchmal einzelne Gläser extra lange stehen, um herauszufinden, ob irgendwann ein Glas schlecht wird. Aber solange ein Glas zubleibt und es gut riecht beim Öffnen, erachte ich es als gut. Das Lagern ist auch unkompliziert. Man kann die Gläser in der Wohnung oder im Keller lagern.

Meine Freizeit ist mir sehr wichtig, ich fülle sie mit dem Sammeln in der Natur, mit Einkochen und Haltbarmachen. Das macht mir Freude und gibt mir Sinn. Meine Nachbarin hat sehr viele Ringelblumen im Garten, und sie «wuchern» ihr zu stark. So darf ich die immer holen für Salben, Tinkturen oder Tee. Ich gebe ihr dann das, was ich daraus herstellte zum Probieren.

Ich schätze die Jahreszeiten und schätze, dass ich mir die Freiheit nehmen kann, das zu machen, was ich gerne tue. Wenn du das machst, was du gerne tust, brauchst du keine Zeit mehr für dich – denn das ist ja dann Zeit für dich. Für viele ist das der Knopf: Die gehen arbeiten und haben jeden Morgen einen Widerstand. Wenn du eine Arbeit machst, die du gerne machst, empfindest du das nicht mehr als Arbeit. So war ich immer: Wenn mir etwas nicht mehr Freude gemacht hat, bin ich gegangen und habe mir wieder etwas Neues gesucht.» ♦

von Prisca Würgler


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Die Bedeutung des Lichts im heidnischen Brauchtum

Dort wo Licht ist, gibt es viel zu sehen. Die Dinge sind ausgeleuchtet und unser Fokus ist nach aussen auf das Sichtbare gerichtet. Verschwindet das Licht, richtet sich der Blick nach innen. Dort erkennen wir Dinge, die im Aussen verborgen bleiben.

Die Bäume haben ihre Blätter fallen gelassen, nackt ragen ihre Äste stoisch in den Himmel, das Sonnenlicht zeigt sich uns nur noch wenige Stunden am Tag. Die daraus resultierende Kälte weist darauf hin, dass sich die Kräfte der Natur gänzlich nach Innen zurückgezogen haben. Zurück an einen geschützten und unsichtbaren Ort unter der Erde.

Die Tiere begeben sich in die Winterruhe oder halten Winterschlaf in ihren Höhlen, die Natur hat ihr farbenfrohes und üppiges Kleid abgestreift und auf die Grundstrukturen reduziert.

Je dunkler es um uns herum wird, desto mehr wird der Spiegel der Seele beleuchtet. Dies war unseren Vorfahren wohlbekannt. Sie machten sich das Wissen darüber in der dunklen Jahreszeit zunutze. Überall, wo die Menschen dem Rhythmus der Jahreszeiten ausgesetzt sind, ist die dunkle Jahreszeit Anlass für Feiern und Zeremonien. Heute kennen wir Advent, Weihnacht und Neujahr. Wo liegt ihr Ursprung? …

von Prisca Würgler


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Acker der Erkenntnis

Empört über die Corona-Politik der Schweizer Regierung, beschloss der Unternehmer Peter Meyer, nicht mehr länger tatenlos zuzuschauen. Er erwarb ein grosses Anwesen im Zürcher Oberland, um freiheitsliebenden Menschen einen Ort für Gemeinschaftsgärten und Begegnung zu bieten. Eigenverantwortung wird hier grossgeschrieben.

Peter Meyer, erfolgreicher Gründer und Geschäftsführer von Swiss Advance, war einst stolzer Schweizer Bürger und stand mit seiner Firma für die Vorzüge und Werte dieses Landes ein.

Die Firma stellte erstklassige Produkte für Outdooraktivitäten her, welche für Schweizer Qualität, Langlebigkeit und unübertroffene Funktionalität standen. Verwendet wurden hochwertige, recycelbare Materialien, produziert wurde in Behindertenwerkstätten und sozialen Institutionen in der Schweiz. Doch im Jahr 2022 stellte er seine Firma ein und verhängte höchstpersönlich einen weltweiten Lieferstopp. Er wollte ein Zeichen setzen – eine Regierung, die ihre soziale Verantwortung derart missachte, müsse boykottiert werden. Wie es dazu kam, beschreibt Peter Meyer folgendermassen:

«Ich habe einige Firmen gegründet, mitaufgebaut und verkauft, schon einige Millionen an Steuern bezahlt. Eines Tages, an einem sonnigen Tag im Lockdown, marschierten sehr unerwartet einige Tausend Menschen an meinem Büro in Zug vorbei – ohne Maske. Es handelte sich um eine Corona-Demonstration, mehrheitlich ältere Menschen im Birkenstock-Style, aus der Gesundheitsbranche … Wir gaben den Polizisten Blumen … Am nächsten Tag schrieben die Medien, dass ein kleiner Haufen von Nazis und Impfgegnern eine Demo veranstaltet habe. Ich war geschockt, dass die Medien dermassen dreist lügen und die Journalisten dabei einfach mitmachen … Als Unternehmer habe ich Verantwortung gegenüber der Natur, gegenüber den Mitmenschen, der Gesellschaft und unseren ursprünglichen Schweizer Werten. Wie soll eine tatsächliche Demokratie, die ihren Namen verdient, funktionieren, wenn Menschen mit divergenten Sichtweisen als Nazis oder Irre diffamiert und von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, nur weil sie keinen Impfausweis – eine moderne Armbinde – besitzen? … Die langen Schatten von Davos werden bis nach Nürnberg reichen, wo dieser Weltschmerz darauf wartet, endlich adäquat beleuchtet zu werden. Erst dann werde ich mit meiner Firma wieder Produkte herstellen.»

In der Zwischenzeit kaufte sich Peter Meyer ein Anwesen mit viel Land in der Nähe des Greifensees im Kanton Zürich. Es ist ein ehemaliger Gnadenhof für Tiere. An diesem neuen Lebensort schuf er eine Oase für Mensch, Tier und Pflanzen. Hier hat er seine Gärtnerei FuturePlanter untergebracht, die rund 100 einheimische Wildpflanzen für die Stiftung Green Advance zieht, damit bedrohten Wildbienen und Schmetterlingen wieder mehr Futter zur Verfügung steht. Meyer stellt jedem der will, Land zur Verfügung, um einen Gemeinschaftsgarten anzulegen. Auch für Anlässe öffnet er seine Tore. Auf dem grosszügigen Gelände steht eine Jurte zur Verfügung. Und an einem romantischen Platz gibt es eine Saunalandschaft mit Hotpot, den er einem Verein von Saunaliebhabern überlässt, die den öffentlichen «Zertifikat-Saunas» damals den Rücken gekehrt haben.

Die Erfahrung, dass man aufgrund eines fehlenden medizinischen Zertifikats, oder weil man für sich entscheidet, seine Atmungsorgane nicht zu behindern, ausgeschlossen wird und öffentliche Räume nicht mehr betreten darf, hat sich tief eingeprägt. Es sind Situationen, die man nicht mehr vergisst, weil man weiss, dass sie jederzeit wieder möglich sind. Das Vertrauen in die Gesellschaft wurde brüchig; man suchte nach Alternativen.

So fanden sich Menschen aus Gruppierungen wie Graswurzle, Urig und Maur Power zusammen, um hier, oberhalb des Greifensees an sonnigster Lage einen gemeinschaftlichen Permakulturgarten zu kultivieren. Das Ziel war, den eigenen Selbstversorgungsgrad zu erhöhen, unabhängiger zu werden und sich gesund und natürlich zu ernähren. Nicht nur die Angst vor einer bevorstehenden Lebensmittelknappheit war eine Antriebsfeder für dieses Gartenprojekt; es ging auch darum, einen Begegnungsort zu schaffen, neue Freunde zu finden, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, voneinander zu lernen und sich selbst als wirksam zu erleben. Eigenverantwortung wurde von Anfang an grossgeschrieben. Peter Meyer stellte als einzige Bedingung, dass das Land natürlich bewirtschaftet werden muss und nach den Spielregeln der Permakultur gearbeitet werden sollte – wobei das Kriterium Permakultur immer wieder Diskussionen auslöst, weil es verschiedene Vorstellungen davon gibt.

Im März 2022 begannen rund 40 Menschen, gemeinsam den Acker am Hang über dem Greifensee in Maur umzustechen. Dazu hatte man sich zuvor ein Mandalamuster ausgedacht, das mithilfe einer Drohne zu Boden gebracht wurde. Mit viel harter Handarbeit wurden ausserdem eine Feuerstelle für das gemütliche Beisammensein, ein gedeckter Raum für Planungssitzungen, ein Kompostklo, eine Kompostieranlage und eine solarbetriebene Wasserpumpe angelegt.

Die unterschiedlichen Gruppierungen teilten sich die Gartenflächen auf. Die Graswurzlerin Annegreth Künthi führt uns durch den Garten und erzählt, welche Erfahrungen sie in den letzten zwei Jahren gesammelt hat:

«Am Anfang waren wir alle hochmotiviert, ja enthusiastisch. Was da möglich war und gemeinsam geschaffen wurde! Jeder brachte sein Können ein. Doch mit dem Anlegen des Gartens ist es nicht getan, es bedarf ständiger Pflege. Die einen teilten ihre Parzellen so auf, dass jeder sein eigenes Gartenstück bewirtschaftet und allein auch dafür verantwortlich ist. Andere einigten sich auf das gemeinschaftliche Bewirtschaften einer Parzelle.» Laut Annegreth sehe es im Gemeinschaftsgarten jedoch aus wie im Kommunismus: «Er verwahrlost, weil sich niemand verantwortlich fühlt, aber jeder nimmt, wo es etwas zu nehmen gibt.» Ganz anders die individuell geführten Gartenbeete: «Sie beruhen auf klaren Besitzverhältnissen und sehen gepflegt und kultiviert aus. Der Gedanke des Gemeinschaftsgartens ist in der Theorie schön, aber in der Praxis oft untauglich und ruft Probleme, Diskussionen und Frust hervor. So schlecht der Ruf des Eigentums sein mag – der Mensch ist mehr Individualist, als sich manche eingestehen mögen.»

Es seien viele Menschen gekommen, aber auch wieder gegangen. Die Arbeit werde oft unterschätzt und seit Aufhebung der Massnahmen seien viele wieder im Hamsterrad des Alltags gefangen. Annegreths beste Erfahrung aus diesem Projekt? Zu wissen, dass Menschen Unglaubliches schaffen können, wenn sie es wollen. Die Grosszügigkeit und Hilfsbereitschaft aller Beteiligten sei eine stärkende Kraft in dieser schwierigen Zeit gewesen. Doch nun brauche es Menschen mit Durchhaltewillen, die den Garten in die Zukunft tragen.

***

Bist du motiviert oder interessiert, mehr darüber zu erfahren? Dann melde dich bei Peter Meyer (079 648 31 05) oder schreib eine E-Mail an a.kuenti@gmx.net oder m.gasser@hispeed.ch.

Die Scheune auf seinem Anwesen hat Peter zu einem multifunktionalen Veranstaltungsort umgebaut: Sie wurde isoliert und mit Tribüne, Beleuchtung und Inventar ausgestattet. Hier können Vorträge, Konzerte, Treffen oder andere Events stattfinden. Bei Interesse melde dich direkt bei Peter. ♦

von Prisca Würgler


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Samen der Unabhängigkeit – Der Sortengarten

Die Auswahl an Kulturpflanzen weltweit wird immer einfältiger. 94 Prozent des Saatgutes sind bereits verschwunden. Peter Ochsner gibt dieser Entwicklung mit seinem Sortengarten-Paradies Gegensteuer.

In einem Samen steckt die Erfahrung aus der Vergangenheit und gleichzeitig das Potenzial für die Zukunft. Hier verdichten sich Vergangenes und Zukünftiges. Doch wer heute im Grosshandel Samen kauft, muss davon ausgehen, dass er Pflanzen anbaut, die er selber nicht weiterziehen kann. Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind es Hybrid- oder sogenannte Inzuchtzüchtungen – oder eine der restlichen sechs Prozent Nutzpflanzensorten, die es überhaupt noch gibt.

Dem steuert Peter Ochsner mit seinem Sortengarten entgegen. Er baut alte Gemüse- und Getreidesorten an und züchtet deren Saatgut weiter. So erhält er eine Vielfalt an robusten und anpassungsfähigen Pflanzen, sichert die unabhängige Lebensmittelproduktion und deckt eine breite Palette an Geschmacks- und Genussrichtungen ab.

Wir haben Peter Ochsner in seinem Paradies oberhalb von Heiden im Kanton Appenzell Ausserrhoden besucht und uns gleich selbst überzeugt: Hier gibt es nichts, das das Auge beleidigt, nichts, das von den Klängen der Natur ablenkt. Ungehindert duften Rosen und blühende Pflanzen vor sich hin und betören unsere Sinne. Peter erklärt uns auf einem Rundgang, was seinen Sortengarten so besonders macht.

«DIE FREIEN»: Peter, wie kamst du dazu, hierherzuziehen und einen Sortengarten anzubauen?

Peter Ochsner: Meine Frau und ich haben lange nach einem Haus an einem ruhigen Platz gesucht und hatten immer den Traum, einen Garten mit vielen verschiedenen und raren Sorten zu haben. So entstand unser Sortengarten mit mittlerweile über 100 verschiedenen Gemüse- und Getreidesorten.

Was hat dich dazu bewogen, Saatgut zu gewinnen?

PO: Erst züchtete ich gängige Gemüsesorten. Weil ich die Vielfalt immer faszinierend fand, habe ich gesucht, was es sonst noch gibt. Damals kam ProSpecieRara auf. Ich erhielt drei Sorten, die ich bei mir anbaute. Nur, wenn ich Saatgut ablieferte, gab es wieder neues Saatgut. Das waren alte Sorten, von denen es nicht mehr viele Samen gab, und da war es schon sehr wichtig, dieses Saatgut wieder zu vermehren und weiterzuzüchten, sonst wäre es verschwunden.

Was muss man beachten, wenn man im eigenen Garten Sorten erhalten will?

PO: Es gibt ganz einfache Sorten wie Tomaten, die Selbstbefruchter sind, und von der man im Extremfall mit einer oder zwei Pflanzen Samen gewinnen kann. Mit Fremdbestäubern ist das etwas komplizierter: Bei Kohlarten zum Beispiel braucht man mindestens 60 Pflanzen einer Sorte, aber im Hausgarten kann man auch seine drei Kohlrabipflanzen miteinander verkreuzen lassen und wieder aussäen. Nach ein paar Jahren muss man sich dann halt wieder einmal frisches Saatgut besorgen. Schnittsalat bietet sich gut an für den Hausgarten, um selber Saatgut zu gewinnen: Nach der Aussaat kann man den ganzen Sommer über ernten und lässt einfach mindestens sechs Pflanzen aufschiessen und verblühen. Im Herbst erntet man die Samen und bewahrt sie trocken und kühl auf für den nächsten Frühling. Gut gelagert bleiben sie ohne Weiteres mehrere Jahre keimfähig. So muss man von seinem Salat auch nicht jedes Saatgut gewinnen.

Wie sorgst du dafür, dass deine Sorten rein bleiben?

PO: Bei mir im Garten achte ich natürlich darauf, dass ich Sorten einer Pflanze, die sich verkreuzen können, alternierend anbaue, damit sie sortenrein bleiben.

Warum ist es wichtig, selber Samen zu ziehen und Saatgut zu bewahren?

PO: Weil die Vielfalt an Pflanzen abnimmt. Einfalt bedeutet eigentlich immer Reduktion: Das Klima verändert sich, plötzlich gedeihen gewisse Sorten nicht mehr, oder es wird trockener, und man braucht anderes Gemüse. Mit der Vielfalt ist man abgesichert: Mal gedeiht die eine Sorte besser, mal die andere. Man ist flexibel und kann auf unterschiedliche Umstände reagieren. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass das Saatgut, das sie kaufen, von Hybridsorten stammt und gar nicht mehr weitergezüchtet werden kann. In den Drittweltländern gibt es eine tragische Entwicklung: Einerseits profitieren Grosskonzerne vom Saatgut, welches die Leute dort schon lange anbauen und züchten, und welches sehr gute Eigenschaften hat. Andererseits machen sie die Bauern damit abhängig: Sie verkaufen ihre Hybridsorten mit dem Versprechen, dass damit viel grössere Erträge erzielt werden können. Doch wenn die Bauern mal eingestiegen sind, können sie kein eigenes Saatgut mehr gewinnen. Zudem können Hybridsorten anfälliger für Schädlingsbefall und Witterung sein. Die Chemiekonzerne verkaufen dann natürlich auch gleich die Pestizide, um diese Probleme, die sie selber erzeugt haben, zu bekämpfen. Eine perfides Geschäftsmodell.

Wie können wir die Freiheit über unseren eigenen Lebensmittelanbau erhalten?

PO: Die Nahrungsmittelsicherheit und -unabhängigkeit kann nur gewährleistet werden, wenn wir uns eine Vielfalt an robusten Pflanzen erhalten. Ursprüngliche Sorten sind zudem gesünder, gehaltvoller und unvergleichlich im Geschmack. Das heisst, es braucht Menschen, die diese Jahr für Jahr anbauen und Samen gewinnen. Das können nur wir tun. Es liegt an uns.

Du arbeitest nach den Gesetzen der Natur. Wie sorgst du sonst noch für Nachhaltigkeit im Garten?

PO: Ich gärtnere biologisch, schon immer. Das war für mich immer klar, weil die Natur alles liefert, was man braucht. Wenn man viele Mittel braucht, auch biologische, dann stimmt was nicht, dann macht man etwas falsch. Ich setze mich auch mit biodynamischer Landwirtschaft auseinander, weil es mich fasziniert, dem Boden nur Impulse zu liefern, ohne viel Stoffe in ihn einzubringen. Seit rund fünf Jahren verwende ich auch Komposttee, das ist ein Teil der regenerativen Landwirtschaft. Zu kämpfen im Garten habe ich höchstens mal mit Blattläusen, Pilzen und Mäusen, aber sonst habe ich selten Probleme. Als weitere Freunde und Helfer im Garten habe ich meine beiden Laufenten, die halten die Schnecken im Zaun. Und helfen auch mal beim Schnittsalat essen. (lacht)

Was tust du, damit das Saatgut haltbar bleibt?

PO: Es ist wichtig, dass die Samen regelmässig angebaut werden, da sich das Klima und die Bedingungen stetig verändern. Wenn du die Samen jahrelang im Keller lagerst, kriegen sie einen Schock, wenn du sie nach dieser langen Zeit wieder anbaust. Für mich ist der Samen etwas Lebendiges, und es ist wichtig, dass er sich den Veränderungen und klimatischen Bedingungen anpassen kann. Für mich sind es Beziehungen zu den Samen, die ich pf legen will. Es interessiert mich, wie sich die Pflanze jedes Jahr wieder entwickelt.

Warum baust du einen Sortengarten auf 900 Metern über Meer an?

PO: Es ist hier sehr milde und wir fühlen uns einfach erst ab 900 Metern über Meer wohl. Zudem hat man in höheren Lagen weniger Schädlingsdruck als in tieferen, das ist noch ein Vorteil für den Anbau von Saatgut. Tomaten würde ich jetzt hier nicht im grossen Stil anbauen, aber ansonsten gelingt das meiste sehr gut. Die Pflanzen, die hier wachsen, sind zudem sehr robust.

Welches sind deine Pflanzenfavoriten?

PO: Spargellattich, er kommt aus China, man kann ihn wie Lattich essen oder aufstängeln lassen und als Spargel essen, er schmeckt auch danach. Und Speiseklette, das ist eine Pflanze mit grossen Blättern und einer langen braunen Wurzel, die man schälen und anbraten kann, sie schmeckt dann wie Chips. Die Wurzel ist sehr gut lagerbar und frosthart. Für Vegetarier gibt es sehr interessante Eiweisslieferanten und wunderbaren Fleischersatz: Die Ackerbohne, Soja, Lupine, Kichererbsen, Bohnen, die man ausreifen lässt und von denen man den Samen isst. Dann gibt es noch Kefen, die knollige Platterbse und die Erbsen-Wicke. Das sind alles Pflanzen, die geerntet sehr gut lagerfähig und somit das ganze Jahr zu geniessen sind. Einige sind sogar mehrjährig und sehr robust.

Wie finanzierst du dich?

PO: Früher habe ich noch Teilzeit gearbeitet. Heute investiere ich alle meine Zeit in den Garten und in die Pflanzen. Um den grossen Aufwand meiner Handarbeit zu finanzieren, habe ich die Möglichkeit der Pflanzenpatenschaften geschaffen. Mit so einer Patenschaft kauft man sich bei mir das Versprechen, dass ich diese Pflanze hier züchte und bewahre. ♦

von Prisca Würgler

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Peter Ochsners Sortengarten ist für den Weiterbestand auf Spenden angewiesen. Besichtigungen sind jederzeit möglich nach Voranmeldung bei: peterochsner4@gmail.com. Mehr Infos unter

sortengartenpeterochsner.com

Filmtipp: Wie kommt es, dass 94 Prozent unseres Nutzpflanzensaatguts verschwunden sind? Dies zeigt der Dokumentarfilm «Seed» (dt. Version «Unser Saatgut», 2019) eindrücklich auf. Ausleihbar oder erwerbbar auf vimeo.com.


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Ich habe immer frei gelernt

Florian Knaus wurde in seinem ganzen Leben nie klassisch unterrichtet. Sein Antrieb zum Lernen waren stets die Neugier und die Freude. Heute begleitet er mit dem Bildungsverein «time4» andere Jugendliche in die Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit. Der 26-jährige Lebenskünstler erzählt, wie sein Bildungsweg verlief.

Klassisch unterrichtet wurde ich noch nie in meinem Leben. Ich habe immer frei gelernt und bin meiner Begeisterung und meiner Freude gefolgt. Als es Zeit gewesen wäre, mich einzuschulen, fanden meine Eltern, es sei doch noch etwas unpassend. Sie hatten bei meinen drei Geschwistern und mir beobachtet, dass wir mit grosser Begeisterung jeden Tag Neues entdeckten, lernten und die Welt erkundeten. Dieses freie natürliche Lernen wollten sie nicht unterbrechen. Deshalb entschieden sie, dass ich nicht die öffentliche Schule besuchen sollte. Stattdessen gründeten sie selbst eine Schule. So durfte ich zu Hause und in der Schule zusammen mit Kindern anderer Familien frei in die Welt hineinwachsen. Und mein grösstes Glück ist, dass sie mir diesen Weg ermöglicht haben.

Meine Mutter ist ursprünglich Primarschullehrerin und mein Vater unterrichtet als Dozent an höheren Fachschulen ICT (Informations- und Kommunikationstechnologie). Auf ihrem Weg orientierten sie sich unter anderem an Maria Montessori, die die Überzeugung teilte, die Aufgabe der Umgebung sei es nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren: «Es verfügt über einen inneren Bauplan und über vorbestimmte Richtlinien für seine Entwicklung.» Und diese gilt es nur noch zu entfalten, indem man seinen eigenen Interessen, seinen Begabungen und seiner Begeisterung folgt. Auch Rebecca und Mauricio Wild und ihr alternatives Kindergarten- und Schulprojekt Pesta in Tumbaco, Ecuador, hatten meine Eltern stark geprägt. Deren Schulform legte ein Schwergewicht auf die Begleitung echter Lebensprozesse, entspannte Umgebung, Verzicht auf Benotung und einen Schulalltag ohne Klassenstruktur. Dazu banden sie die Eltern durch Elternarbeit intensiv ein und legten Wert auf horizontale Teamarbeit statt autoritäre Strukturen.

Für mich gab es nie einen Unterschied zwischen Schule und Freizeit. Schule hiess einfach, dass die «Gspänli» da sind, während ich in der Freizeit selber abmachen musste, wenn ich jemanden treffen wollte. Die Schule bestand aus mehreren Räumen mit verschiedenen Lernumgebungen, unterschiedlichen Materialien wie Rechen- und Geometriematerial, Schulbüchern, einfach allem, was man in normalen Schulzimmern auch vorfindet. Dazu gab es ein Zimmer mit einer Nähmaschine und ganz vielen Stoffen, ein Zimmer mit einem Hochsitz, Legos, Spiele, ein Zimmer mit «Verchäuferli»-Dingen, Puppensachen, Knobelspielen, eine Metall- und Holzwerkstatt, einen grossen Gartenbereich mit vielen Tieren wie Enten, Hühnern, Hasen, Truthähnen, Geissen, zwei Pferden und einen Fussballplatz … Zudem konnten wir eine Küche nutzen, wo wir oft kochten und ein «Restaurant» und eine «Bar» betrieben. Alles war möglich!

In der Schule stand das natürliche, freie Lernen im Mittelpunkt. Die Freude und die Neugier waren der Antrieb. Entsprechend dem afrikanischen Sprichwort «Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht» machte ich meine Lern- und Entwicklungsschritte, sobald ich bereit war. Und es funktioniert.

Da ich im Alter von 15 Jahren bei meinen beiden älteren Brüdern beobachtet hatte, dass ihnen durch ihre klassischen Ausbildungswege – sie haben beide eine Lehre absolviert – viel wertvolle Zeit und viel Kreativität abhanden kam, entschied ich mich, keine Lehre zu absolvieren und auch keine weiterführende Schule zu besuchen. So viele Dinge hätten damit in meinem Leben keinen Platz mehr gehabt: der Sport mit dem Fussballspielen, die Musik mit dem Klavier-, Gitarre-, Schlagzeugspielen und das Singen, die Zeit mit Freunden … Stattdessen folgte ich meiner damaligen Leidenschaft, dem Mofa-Reparieren. Bald hatte ich den ganzen Garten voller Mofas und Velos, die ich reparierte und verkaufte. Ich sammelte auch Berufserfahrung bei einem Motorgerätemechaniker. Gleichzeitig vertiefte ich mich unter anderem mit Manfred Spitzer, Gerald Hüther, André Stern, Gordon Neufeld, Jean Piaget und anderen in dem Bereich der Psychologie und des Lernens. Mich faszinierte die Frage, wie Lernen wirklich funktioniert. Zudem durfte ich auf mehreren Reisen verschiedene Länder, Völker und Sprachen kennenlernen.

Mittlerweile arbeite ich an der Schule meiner Eltern als kantonal bewilligter und anerkannter Lernbegleiter. Via Validierungsverfahren konnte ich mich – ohne eine Lehre zu absolvieren – zum Fachmann Betreuung EFZ durcharbeiten. Zusätzlich engagiere ich mich zusammen mit einem Team bei time4 für Jugendliche, denen ich nach der obligatorischen Schulzeit eine Alternative zur herkömmlichen Berufslehre oder Mittelschule anbiete. Unterdessen begleiten wir bei time4 rund 30 Jugendliche bei ihren individuellen Entwicklungs- und Lernprozessen. Sie lernen so, wie ich es in meinem ganzen bisherigen Leben getan habe und entscheiden individuell was, wann, wo und wie sie lernen möchten. Dabei entwickeln sie sich zu freien, motivierten, selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Jugendlichen. Das macht so viel Freude! Eine schönere Aufgabe hätte ich mir nicht erträumen können! Dafür bin ich unendlich dankbar!

Ich gebe in Vorträgen in der ganzen Deutschschweiz auch meine Erfahrungen und Erkenntnisse aus meinem Lebensweg weiter, der durch Begeisterung und intrinsische Motivation, also Motivation aus sich selbst heraus, geleitet ist. Ob in Chur, Winterthur, Luzern oder Bern – es freut mich, dass ich bei meinen Auftritten auf immer mehr Menschen treffe, die sich für ein freies, selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben begeistern, und dass ich sie durch meine Worte weiter inspirieren und ermutigen kann! ♦

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Bei time4 planen die Jugendlichen ihre Grundbildung selbst. Das Angebot kann von einem bis acht Semester, als komplette Grundbildung oder als 10. Schuljahr genutzt werden. Der Non-Profit-Verein ist in der ganzen Deutschschweiz aktiv.

time4.ch


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