Die «Guru-Falle»

Spiritueller Materialismus als Antwort auf verzerrte Zeiten

Der Reiz von «Spiritualität» verfliegt, sobald uns niemand mehr zuhört, wenn wir von ihr sprechen. So zumindest das Bild, das die moderne Wohlfühl- und Wellness-Spiritualität vermittelt: Sie dient nicht mehr der Erkenntnis, der Annäherung an eine tiefere Wahr-heit, sondern unserem Ego. – Dem, was sie eigentlich auflösen sollte.

Das Geschäft mit der Hoffnung

Vom Motivationscoaching zum Selbstliebe-Workshop: Der Markt für Persönlichkeitsentwicklung boomt. Doch war es früher noch die Reise in den indischen Ashram, bucht der «Suchende» heute Seminare für sein «Soulupdate». Unter dem Motto «Alles ist möglich, wenn du nur daran glaubst» entsteht die Vorstellung, es hänge allein vom «richtigen Mindset», also unserer Bereitschaft, in uns zu investieren, ab, ob wir unsere Ziele erreichen oder nicht. Der dabei entstehende Strudel finanzieller Verschuldung samt seinen fast zwanghaften Reinungsritualen als eine Art moderner Ablasshandel wird dabei meist ebenso vernachlässigt, wie die Frage danach, inwieweit uns all dies letztendlich dorthin führt, wo wir eigentlich hinwoll(t)en – zu uns selbst.

Und das ist auch das Problem: Dem Einzelnen zu wahrer Erkenntnis zu verhelfen, rechnet sich nicht. Insofern ein Coach als moderner «Guru» von der Sehnsucht und Unzufriedenheit seiner Kunden profitiert, ist dieser auch nicht daran interessiert, diese zu erfüllen bzw. aufzulösen, sondern erzeugt stattdessen fortwährend neue. Mit dem Versprechen von Freiheit, innerer Ruhe und spiritueller Erfüllung erweckt er nicht nur Gefühle des Mangels, sondern präsentiert sich obendrein als «Schlüssel», diese zu beheben. Er generiert Abhängigkeiten, in denen jedes «Scheitern» dem Betroffenen selbst angelastet wird: Gefangen in der vermeintlichen Endlosschleife seines Unterbewussten, in der immer wieder neue «Widerstände» auftauchen,
die es mittels Abschluss eines weiteren Seminars zu überwinden gilt, findet sich der – zum Kunden verkommene – «Schüler» in einer Art Schuldumkehr wieder. …

von Lilly Gebert


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