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Monat: Dezember 2023

Das Jüngste Gericht

ein Waterloo

Das Raum-Zeit-Kontinuum gerät aus allen Fugen. Wir sind – der Krümmung sei´s geschuldet – auf dem Bundesplatz. Gott allein weiss warum. Himmlisches wird heute mit Irdischem vertauscht. Heute, an diesem Tag des Jüngsten Gerichts. Dieser Tag ist nun da. Der Tag, an dem Recht gesprochen wird, in Tagen wie diesen, da Recht längstens zum Privileg der Privilegierten verkommen ist.

Wie immer an solch einem Anlass herrscht kurz davor grosses Brimborium. Posaunen werden geölt, himmlische Reiter satteln ihre Rösser und schleifen die Sporen. Siegelwachs wird über Feuer, Pech und Schwefel geschmolzen, die Sonne und der Mond verfinstern. Erste Sterne fallen vom Himmel. Das Tier – der fürchterliche Drache – fläzt noch in der Maniküre, um sich die Kralle schärfen zu lassen, derweil man in der Küche Skorpione, Heuschrecken und alle sonstigen Plagen in siedendem Öl frittiert, um dem zu erwartenden Ansturm der Massen kulinarisch gerecht zu werden.

Raum und Zeit kommen nun endgültig zu ihrem Ende. Altehrwürdige Gerichtsbarkeit und mit ihr die geblendete Justitia verabschieden sich endgültig in den wohlverdienten Ruhestand, als urplötzlich ein markerschütternder Schrei – die Maniköse hat dem Tier ins Nagelfleisch geschnitten – aus den Eingeweiden des Universums dringt und den Gepeinigten im Zwischenreich das Blut in ihren Adern gefrieren lässt. Eine Promenadenmischung, schwarz wie der Tod, huscht über den Platz, hebt noch schnell ein Bein und erleichtert sich an einer der sieben Säulen. Dann entschwindet es in den Winkel der Nacht, derweil im Grauen des Morgens Gottes Thron hereingewuchtet wird.

Auf Gottes Thron thront – heute leicht anglophil angehaucht – Gottvater höchstpersönlich.

Zu seiner Rechten aber sitzet Jesu, Gottes Sohn.

Gott: Hello everybody!

Jesus: Noch nicht, Vater.

Ach so. Wo sind wir?

– In Bern.

Wo?

– Bäärn!

Ach, in Bern! Nun denn.

Posaunen erschallen. Apokalyptische Reiter formieren sich. Siegel werden gebrochen. Siegel erbrechen sich. Sämtliche Sphären, Sonne und Mond erzittern. Gott spricht.

Von Anbeginn zu Anbeginne … always the same Procedure as every Time.

Gott teilt die Himmel.

Niccolò Machiavelli betritt den Plan.

Machiavelli: «Divide et Impera.»

Wer ist das?

Ein alter Schreiberling.

Was schrub er?

Den Fürsten.

… der Finsternis?

Nein Vater. Doch er schrieb Diesem die Betriebsanleitung, um Böses zu ermöglichen.

Eine unermessliche Heerschar an Mitläufern betritt den Plan.

Hans wie Heiri, Hinz und Kunz im drangvollen Seelenbeieinander.

Schulter an Schulter, gegliedert zu Reihen. Reihe um Reihe

gestaffelt bis weit hinter den Horizont.

Wer sind diese?

– Die ganze Bande, Herr. Vollzählig angetreten zum jüngsten Gericht.

Nun denn. Ich höre.

Nach einer unendlich langen Weile tritt – stellvertretend für die Mehrheit – das Schweigen hervor und wird sofort, bevor es sich brechen kann, von der Angst gefressen.

Was soll der Zauber?

– The same Procedure as every Time, Vater Unser.

So sei es. Wahrlich, ich sage euch: Helft euch selbst, so hilft euch Gott.

Amen.

Die Sonne verfinstert sich abermals und sinkt in unergründliche Tiefen.

Weitere Sterne fallen vom Firmament und werden vom Schlund der Unterwelt verschlungen.

Das Zentrum, angeführt von den üblichen Verdächtigen, stösst nach vorne.

Die Lakaien der Macht formieren sich. Experten und deren Experten stützen die Flanken.

Wer ist nun das schon wieder?

Die Elite, Herr.

Die alte Garde?

Die Selbige, oh Herr.

Was riecht hier so angebrannt?

Diese sind es, Vater. Sie kommen frisch aus der Hölle.

Das ist nicht zu ertragen. Schafft mir die Pestilenz aus meiner Nase.

Dein Wille geschehe. Doch wohin mit diesen, Vater?

Sollen sie sich meinetwegen zum Teufel scheren. Nur, schafft sie fort von hier.

Sie erwarten Gerechtigkeit.

Soll sie der richtet, welchen sie anbeten.

Dein Wille geschehe.

Ihr habt es gehört. Hinweg! Schert Euch dorthin, wo ihr hergekommen seid. Schert euch zum Teufel.

Die Bande schert sich zurück zu ihren Firmensitzen in Genf. Manche scheren sich direkt zur respiratorischen Rekonvaleszenz in ihre alpinen Naherholungsgebiete rings um den Zauberberg.

Nahendes Donnergrollen.

Was ist das für ein Lärm?

Die Pforten des Bundeshauses öffnen sich. Heraus strömen die frisch gebackenen Delegierten des Volkes. Ein leicht rechtshängender Mob, dicht umhüllt vom beissenden Pulverdampf der Schlacht. Schwadernde Schwaden der Selbstbeweihräucherung erfüllen plappernd und wie die Vöglein zwitschernd den Platz des Bundes.

Was soll das und Wer ist das?

Die Auserwählten.

Wer erwählte diese?

Das Volk, Vater.

Und das ist die Auswahl?

Ja Herr. Sie erwarten Deinen Richtspruch.

Was hätt´ ich mit diesen zu schaffen?

Diese sind es, welche Jenen Obdach und Refugium gewähren, die Du – oh Herr – zum Teufel schicktest. Diese sind es, welche Jenen Schutz und Schirm und immerwährende Immunität gewähren, von Ewigkeit zu Ewigkeit …

… Amen. Unter welcher Flagge?

Unter der Flagge des weissen Kreuzes auf blutrotem Grund, oh Herr.

Teufel auch. Kuschelt hier eigentlich Jeder mit jedem?

Viele sind es, die kuscheln und viele, die kuschen.

Unter imposanten Gedönse öffnen sich abermals die Pforten des Bundeshauses.

Heraus tritt eine handverlesene Auswahl der Auserwählten. Sieben sind es an der Zahl.

Sieben erwählt aus einer Schar der Sieben mal Sieben mal Sieben.

Den Sieben Säulen gleich formieren sich die Sieben um den Thron Gottes.

Was soll das und Wer ist das?

Die Zwerge. Sieben sind es an der Zahl. Sie wollen Dir Tribut zollen, oh Herr!

Zwerge? Aus dem Zauberberg?

Sie gehen ein und aus in diesem und bei denen, welchen sie Obdach gewähren, suchen sie Rat.

Is that so?

Ja. Sie streifen manchmal durch die schwefligen Urgründe der Hölle, wo auf Teufelkommraus Ränke geschmiedet, Tränke gebraut und wundersame Zauberformeln erfunden werden.

Dacht ich´s mir doch. Es riecht es schon wieder so kokelig. Wo ist eigentlich Schneewittchen?

Schläft noch ihren Schönheitsschlaf.

So? Blaaset mer doch alli i d Schue.

Gleichwohl, ob National-, Stände- oder Bundesrat, ziehen sich – gehorsam wie die Lämmer – je einen Schuh aus, um in diesen zu blasen. Um nur ja nicht die Balance – manche sagen den Konsens – zu verlieren, hüpft ein Jeder von ihnen auf dem jeweils anderen Bein.

Ein Mancher, wenn nicht gar Jeder, singt dazu das Lied «Ein Männlein steht im Walde …»

Was soll das Gehüpfe?

Sie halbieren ihren ökologischen Fussabdruck.

So? Mir reichts! Soll richten, wer da will. Von mir aus kann auch jeder von jetzt ab die Luft anhalten, um seine CO₂-Bilanz zu schönen. Macht, was ihr wollt. Das Jüngste Gericht ist bis auf weiteres verschoben. Ich geh jetzt meine Radieschen von unten giessen.

Unter grossem Brimborium wird das apokalyptische Szenario abgebaut. Das Tier grunzt und schert sich dahin zurück, wo es hergekommen: in sein altes, stickig-stinkendes Drachennest.

Derweil halten die armen Seelen die Luft an. Raum und Zeit entspannen sich, um noch – nur für dieses eine Mal noch – ihr Kontinuum fortzusetzen. ♦

von Oliver Hepp


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Irgendwann, irgendwo, irgendwie – halleluja!

Doc´s Schnauze

Ich kann´s nicht mehr hören: Wir müssen uns endlich verzeihen und die Ereignisse der letzten drei Jahre aufarbeiten, die Spaltung überwinden.

So viele Krokodilstränen werden da vergossen, mit denen man die Sahelzone bewässern könnte. Und zack, die nächste Impfempfehlung, als wäre nichts geschehen!

Christian «die Locke» Drosten sagte zu Beginn des Jahres: «Die Pandemie ist vorbei, biiiib!» Die Pandemie endet, wie sie begonnen hat. Mit einer Pressemitteilung des epidemiologisch-virologischen Sultans von der Charité-Scharia. Im September dieses Jahres hat der Impfmuezzin Abu Drosten, der über Jahre allerdings die Immungläubigen nicht zum Gebet, sondern zum Pieksen rief, noch einen drauf gesetzt: Er lasse sich nicht boostern diesen Herbst, er gehöre nicht zu einer Risikogruppe und fühle sich gesund! Die Maske wolle er diesen Winter nicht anrühren und er sei auch gegen Testpflicht. Hoppla! Allahu akbar kann man dazu nur sagen.

Michael Müller, der Ex-Bürgermeister von arm aber sexy Berlin sagte im Winter ´22 bei «Hart aber fair»: «Jeder Kontakt mit Ungeimpften ist gefährlich. Es geht dabei, den Kontakt von grösseren Gruppen, zehn, fünfzehn Menschen mit Ungeimpften zu verhindern, weil eben bei einem Kontakt zwischen fünfzehn Menschen mit einem Ungeimpften es für fünfzehn Menschen riskant wird.» Der Mann, damals amtierender Bürgermeister Berlins, unterscheidet also zwischen Ungeimpften und Menschen, für ihn sind das zwei Spezies. Das bedarf nicht primär der Aufarbeitung, aber der Klärung:

1. Müssen wir weiterhin zwischen Ungeimpften und Menschen unterscheiden oder dürfen sich Ungeimpfte Ende 2023 wieder als Menschen fühlen, natürlich und selbstverständlich mit Auflagen und Vorbehalten, wir wollen ja nichts riskieren?

2. Sind bei zukünftigen Grippewellen, wie permanent angedroht, Geimpfte gefährdet, während Ungeimpfte nicht gefährdet sind, und falls ja:

3. Ist Michael Müllers Worten zu entnehmen, dass die neuen Werbekampagnen vom RKI, in der Schweiz BAG, und den entsprechenden Regierungen mit dem Motto «Schütze dich» einen Aufruf darstellen, schnellstmöglich beim Homöopathen einen Impfausleitungstermin zu vereinbaren?

Lieber Herr Müller, lassen Sie sich´s gesagt haben: Wir sind alles Lebewesen, von mir aus Personen, noch lieber Menschen, mit und ohne Pieks. Daran können auch Sie als immunologischer Rassist und ehemaliger Impfgauleiter Berlins nichts ändern. Also, man sieht sich, wahrscheinlich dann vor dem Jüngsten Gericht. Dort arbeiten die Anwälte kostenlos.

Jens Spahn, Vorgänger vom Lauterbach Kari, sagte bereits im August 2020: «Wir werden uns einst viel zu verzeihen haben!» War das weise Voraussicht? Wie hat er das gemeint? Und wann irgendwann ist denn wann irgendwann?

Ich erlaube mir dazu etwas zu sagen, das mir auf der Leber liegt, als jemand, der wegen des Äusserns seiner Meinung, was man ja in der Schweiz angeblich problemlos tun könne, viele gut bezahlte Mandate verloren hat, den die Medien in die immunologische Nazihölle geschrieben und an den Rand der Gesellschaft befördert haben (dabei brav Jean-Paul Sartre folgend, der einst sagte: «Die Hölle sind immer die anderen») und der, spaltungsbedingt, Freundschaften verloren hat:

Keine Vergebung ohne Beichte. Also bitte, die Sakristeien und Beichtstühle sind geöffnet, jetzt, denn irgendwann irgendwo irgendwie ist irgendwann irgendwo irgendwie zu spät!

Halleluja, Halleluja, Halleluja! ♦

von Marco Caimi


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Sei mal nicht dabei

Die meisten Menschen haben Angst vor sozialer Verbannung. Dabei braucht es mehr denn je Menschen, die sich der Masse entgegenstellen. Ein Plädoyer für das Aussenseitertum.

Lautes Lachen. Jonathan Meese rennt mit einem Plastik-Laserschwert durch sein Berliner Atelier. Im nächsten Moment klettert er auf eine Leiter und spannt einen transparenten Mädchenschirm über sich aus. Ausgelassen fuchtelt er damit herum – und verletzt sich schliesslich an der Stirn. Blut tropft. Wieder lautes Lachen. Jonathan Meese schaut mich übermütig an, während er mit einem Taschentuch über seine Stirn tupft und sagt: «Wir können beginnen.» Das ist nun gut vier Jahre her. Ich traf den bekannten Maler, um ihn für das Magazin Galore zu interviewen.

Jonathan Meese gilt als Enfant terrible. Er selbst bezeichnet sich als «Spielkind». Oder als «Seewolf». Manchmal auch als «Robinson Crusoe». Auf einer Insel alleine sein Ding durchzuziehen, das sei genau das Richtige. Überhaupt möge er, wie er mir erzählte, alle Einzelgänger, «die hart am Sturm segeln». Er kenne das, er sei immer isoliert gewesen, von Kindheit an. Kann man sich also daran gewöhnen? Und sich sogar damit wohlfühlen? Sind die anderen nicht ohnehin die Hölle, wie es bei Jean-Paul Sartre heisst? «Ich habe die Riesenschwäche, dass ich mich in Menschenmassen sauunwohl fühle.» Lieber alleine sein und nicht bei den anderen? «Es ist überhaupt nicht schlimm, nicht dazuzugehören», versicherte mir Jonathan Meese. Und: «Man muss den Kindern heutzutage sagen, dass es eine Stärke ist, ein Aussenseiter zu sein.»

Das mag sich wie eine Provokation anhören. Wer will schon am Rande stehen? …

von Sylvie-Sophie Schindler


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«Heilig, heilig, heilig»

Eine Predigt

Erhitze dich nicht über die Übeltäter, ereifere dich nicht über die, die Unrecht tun. Denn schnell wie das Gras verwelken sie, und wie grünes Kraut verdorren sie. Vertraue dem Herrn und tue das Gute, bleibe im Land und bewahre die Treue.

Freue dich des Herrn, und er wird dir geben, was dein Herz begehrt. Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn, er wird es vollbringen. …

Die Rettung der Gerechten kommt vom Herrn, er ist ihre Zuflucht in der Zeit der Not. Der Herr steht ihnen bei und rettet sie, vor den Frevlern rettet er sie und hilft ihnen, denn sie suchen Zuflucht bei ihm.

So lauten die Anfangs- und die Schlussverse von Psalm 37. Die Rettung kommt vom Herrn, vom Gott mit Namen Jahwe, von Adonai, wie man auf Hebräisch auch sagen kann. Die Rettung also kommt von Gott, der viele Namen hat. An einer anderen Stelle im Alten Testament, beim Propheten Jesaja, rufen die Engel gar: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen! (Jes 6,3). Hier hat Gott, als Anführer der Heerscharen, sogar eine allmächtige militärische Aufgabe. Ich will heute aber weniger über die vielen Namen und Aufgaben von Gott reden, sondern vor allem über das Heilige.

Was ist heilig? Das Wort tönt fast wie aus einer anderen Welt. Und das ist es irgendwie auch. Das Heilige ist immer etwas, das auf spezielle Art losgelöst ist von dem, was direkt vor uns in der Welt ist, direkt und unmittelbar und greifbar und fassbar und berechenbar und kontrollierbar. Heiliges ist immer auch ein wenig gefährlich.

Diesen Sommer machte ich eine Studienreise ins Heilige Land. Also nach Israel-Palästina. Auch in dieser Zeit gab es dort einige Eskalationen und viele Proteste. Aber ich fühlte mich keine Sekunde lang unsicher. Das Gefährliche an Israel, so dünkte es mich, ist nicht die situative Lebens-Gefahr für das Individuum – sondern das Gefährliche ist das Heilige selber gewesen. Diese Heiligkeit, die drei Weltreligionen mit diesem Land und mit der Stadt Jerusalem verbindet. In Jerusalem steht die Klagemauer, der wichtigste religiöse Ort des heutigen Judentums. In Jerusalem steht auf Golgota die Grabkirche, ein wichtiger Ort der Christentumgeschichte. Und in Jerusalem steht auf dem Tempelberg der muslimische Felsendom mit seiner berühmten Goldkuppel. In allen drei Religionen wird an den genau gleichen Gott geglaubt. Aber die drei Religionen haben es bis heute nicht fertiggebracht, in Frieden miteinander zu leben. Warum nicht?

Ich kam in den letzten Wochen zum Schluss, dass es damit zu tun hat, dass Dinge als heilig betrachtet werden, die eigentlich nur menschlich sind. Es geht um Besitzansprüche, Wahrheitsansprüche und Herrschaftsansprüche. Es sind Menschen, die Besitz, Wahrheit und Herrschaft für sich beanspruchen, und sie legen diesen Ansprüchen dann mit viel Brimborium respektive Propaganda ein göttliches Mänteli an. Dabei ist es doch so, dass Besitz, Wahrheit und Herrschaft eigentlich nur einem gehören, nämlich Gott, dem Allmächtigen.

Gott, der Allmächtige. So steht es in unserer Bundesverfassung. In der Verfassung, die in den letzten Jahren auch quasi den Status einer Heiligen Schrift erhielt, die viele echte und falsche Freunde fand. «Heilig, heilig, heilig» riefen die Engel bei Jesaja. «Heilig, heilig, heilig» riefen Politikerinnen und Wissenschaftler in den letzten drei Jahren, und meinten immer wieder etwas anderes damit. Aber in meiner Wahrnehmung immer nur Menschliches: Unsere Mission ist heilig, unsere Interpretation ist heilig, unsere Massnahmen sind heilig – aber eure Fragen sind unheilig, also gefährlich und hetzerisch und ketzerisch. In einem kriegsähnlichen Zustand wurde mit Wortkanonen aufeinander geschossen. Ich verwende das Wort «Krieg» absichtlich. Die eingesetzte Rhetorik war nichts anderes als Kriegsrhetorik. Es ist bekanntlich ein Prinzip der Kriegspropaganda, dass man die eigenen Interessen als heilig darstellt und die Interessen der anderen als unheilig, als verwerflich, unmoralisch, unethisch, unmenschlich, verantwortungslos, radikal und so weiter.

Kommen uns solche Worte nicht bekannt vor? Ich habe bewusst nur die harmlosen Beispiele aufgezählt. Aber das reicht, um feststellen zu können: Sobald das Wort «heilig» auf menschliche Dinge angewendet wird, ist der Krieg, ist die Gewalt nicht mehr weit entfernt. Wer etwas als heilig erklärt, ist häufig zur äussersten Eskalation bereit, zu Gewalt und zu Terror.

Das sogenannt Heilige Land und die sogenannt Heilige Stadt geben Tausende von Beispielen. Wie viele Menschen haben sich nicht schon die Zähne ausgebissen an der Lösung der Israel-Palästina-Fragen. Es erinnert an die verfahrene Situation der Russland-Ukraine-Fragen. Auch hier ist die Antwort ja meistens: Heilig! Heilige Werte! Heiliger Krieg! Aber wer als Antwort «friedlich», «sachlich», «gewaltfrei» vorschlägt, wird verleumdet und medial weggebombt. – Auch das ist wieder ein heftiges Wortbild. Aber es ist leider Propaganda-Realität. Wer sich momentan mit der schweizerischen Sicherheitspolitik beschäftigt, hört eher Rufe nach Panzern, Aufrüstung und NATO statt nach Neutralität, Vermittlung und Deeskalation.

Und damit bin ich endlich beim Kern meiner Predigt angekommen. Bei der Friedensbotschaft, die in der Bibel steckt, beim Evangelium von Jesus Christus. Jesus ist der allergrösste Friedensmensch aller Zeiten. Er hat in der Bergpredigt gesagt: Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen (Mt 5,43 f.). Kurz darauf, als er die Jünger das Beten lehrte, sagte er: Dein Name werde geheiligt.

Ich verstehe Jesus so, dass nur der Name des Vaters heilig sein soll, also nur Gott. Es gibt keine gesellschaftliche Mission, die so heilig ist, dass sie Gewalt oder Hass oder Verurteilung rechtfertigen würde. Heilig ist Gott. Nur im Sinn eines Abbildes oder einer Partizipation kommt diese Heiligkeit dem Menschen zu. Im Alten Testament, im 3. Buch Moses, steht: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott (Lev 19,1). Im Neuen Testament wird diese Heiligkeit dann, sehr vereinfacht gesagt, vom Volk auf das Individuum übertragen. Jesus erkannte nämlich, dass der einzelne Mensch als Individuum im Zentrum steht, und nicht seine Ethnie oder sein Beruf oder sein Geschlecht. Das Individuum ist Empfänger von Heiligkeit. Nicht ein Buch, nicht ein Tempel, nicht die Kirche, nicht eine Verfassung. Nur Gott und der einzelne Mensch und die Beziehung zwischen ihnen können streng genommen als heilig gelten.

«Wir hören auf die Stimme des Herzens», heisst es so schön bei den Graswurzle-Werten. Das kann man biblisch so übersetzen: «Wir hören auf die heilige Stimme von Gott in unserem Herzen.» Es ist dann aber nicht mehr wichtig, ob man christlich ist, ob jüdisch, muslimisch oder sonst irgendein Etikettli trägt. Nach dem Evangelium müssen alle diese Etiketten überwunden werden, wenn wir eine friedliche Gemeinschaft werden wollen. Der Apostel Paulus schreibt im Brief an die Gemeinde der Galater: Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus (Gal 3,28).

Es ist eine solche Gemeinschaft, die wir über Gräben hinweg anstreben. Wenn es die Religionen bis heute nicht geschafft haben, in Jerusalem friedlich miteinander zu leben, dann auch deswegen, weil man Dinge für heilig hält, die eigentlich gar nicht heilig sind. Anders gesagt: Weil man nicht erkennt, woher alles Heil und woher alle Heiligkeit kommt.

Nur wer sich als Abbild des Heiligen sieht und so seine Beziehung zu Gott erkennt, findet die Zuflucht beim Herrn und die Rettung vor den Frevlern und die Heilung von allen Übeltaten auf Erden. Amen. ♦

von Philippe Schultheiss


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Die Bedeutung des Lichts im heidnischen Brauchtum

Dort wo Licht ist, gibt es viel zu sehen. Die Dinge sind ausgeleuchtet und unser Fokus ist nach aussen auf das Sichtbare gerichtet. Verschwindet das Licht, richtet sich der Blick nach innen. Dort erkennen wir Dinge, die im Aussen verborgen bleiben.

Die Bäume haben ihre Blätter fallen gelassen, nackt ragen ihre Äste stoisch in den Himmel, das Sonnenlicht zeigt sich uns nur noch wenige Stunden am Tag. Die daraus resultierende Kälte weist darauf hin, dass sich die Kräfte der Natur gänzlich nach Innen zurückgezogen haben. Zurück an einen geschützten und unsichtbaren Ort unter der Erde.

Die Tiere begeben sich in die Winterruhe oder halten Winterschlaf in ihren Höhlen, die Natur hat ihr farbenfrohes und üppiges Kleid abgestreift und auf die Grundstrukturen reduziert.

Je dunkler es um uns herum wird, desto mehr wird der Spiegel der Seele beleuchtet. Dies war unseren Vorfahren wohlbekannt. Sie machten sich das Wissen darüber in der dunklen Jahreszeit zunutze. Überall, wo die Menschen dem Rhythmus der Jahreszeiten ausgesetzt sind, ist die dunkle Jahreszeit Anlass für Feiern und Zeremonien. Heute kennen wir Advent, Weihnacht und Neujahr. Wo liegt ihr Ursprung? …

von Prisca Würgler


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Das Scheitern ist selbstverschuldet

Aufrecht und Mass-Voll sind bei den nationalen Wahlen leer ausgegangen. Die Blamage hat viele Gesichter: Selbstherrlichkeit, Zank und ein wenig kohärentes Wahlprogramm führten dazu, dass die beiden Organisationen ihre Anschlussfähigkeit verloren haben.

Der 22. Oktober war ein Tag des Protestvotums mit einer klaren Ansage an die Politik: Die Luftschlösser-Politik von Linksgrün der letzten vier Jahre ist gescheitert. Dafür haben die Grünen und Grünliberalen nun ihre Quittung erhalten. Der deutliche Wahlsieger bleibt die SVP. Die Partei verliert zwar im Ständerat einen Sitz, hat aber im Nationalrat 9 der 12 Sitze zurückgewonnen, die sie 2019 verloren hatte.

Innerhalb der etablierten Parteien ist die SVP meist die einzige, die immer wieder einmal Gegensteuer leistet – wenn auch oft nur sehr zurückhaltend. Für oppositionelle Politik gab es zuletzt Grund genug: Man denke nur an die Corona- oder die Energie-Politik, die die Bürger mehr und mehr entmündigt und auf das Portemonnaie abzielt.

Das darf, so denke ich, einmal nüchtern festgehalten werden. Und das ist kein Loblied auf die SVP – zu deren Wirtschafts- oder Migrationspolitik man geteilter Meinung sein kann. Nun hat sich der kritische Kurs der SVP, so scheint es, ausgezahlt.

Ganz anders Mass-Voll und Aufrecht. Beiden Organisationen hat es nicht einmal für einen einzigen Sitz gereicht. Was ist da geschehen?

Schafften es Organisationen wie die Freunde der Verfassung und Co. doch während der Hochzeiten der Pandemie, mehr als ein Drittel der Stimmbürger hinter sich zu scharen. Man fragt sich: Wie war eine solch krachende Niederlage möglich? Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Doch der Reihe nach.

Egoprobleme und Kritikunfähigkeit

«Wir haben relativ gut abgeschnitten. Das kann man sagen. … Das ist ein beachtliches Resultat», kommentierte Patrick Jetzer, Chef von Aufrecht Schweiz, das Ergebnis nach den Wahlen auf Hoch2. Seine Organisation blieb zwar in allen Kantonen unter einem Wähleranteil von zwei Prozent, trotzdem gab sich Jetzer zufrieden. Er sprach von einer guten Ausgangslage für die kommenden kommunalen Wahlen.

Frei von jeder Selbstkritik äusserte sich auch Mass-Voll- Chef Nicolas Rimoldi: «Mass-Voll ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte.» Dabei ging auch seine Organisation leer aus. Auch die ständige mediale Aufmerksamkeit, die Rimoldi in den Monaten vor den Wahlen wie nur wenige Politiker genossen hatte, half nicht. Rimoldi zeigte sich stolz, weil er in Zürich mit 10´398 Stimmen besser als Erich Vontobel (9390 Stimmen) abgeschnitten hatte, der für die EDU nun in den Nationalrat gezogen ist.

Hier tritt bereits ein erstes zentrales Problem deutlich zutage. Rimoldi und Co. waren zuweilen mit einer Selbstherrlichkeit unterwegs, die Berset und Co. in nichts nachsteht. Sie versuchten zu Recht, aus der Pandemie politisches Kapital zu schlagen, scheiterten aber gerade auch deshalb, weil in ihren Organisationen ein autoritärer Geist vorherrschte – den sie in der Öffentlichkeit pausenlos anprangerten. Kritiker und basisdemokratische Stimmen hatten einen schweren Stand. Ähnliches beobachtete man in der Vergangenheit schon bei den Freunden der Verfassung (FdV).

Streitereien schadeten enorm

So schmiss etwa Christian Besmer, der die Co-Leitung für Aufrecht im Bezirk Horgen innehatte, aus Frust noch in der ersten Hälfte des Jahres das Handtuch. Joyce Küng, die lange mit Rimoldi zusammengespannt hatte, verliess die Organisation, weil Rimoldi alles selbst bestimmen wollte. Es könnten nach Belieben weitere Beispiele genannt werden.

Die beiden Protagonisten verfolgten knallhart ihre eigenen Interessen. Die Spitznamen «Rimoldiva» und «Napoleon», welche in der Szene häufig zu hören sind, kommen nicht von ungefähr. Wer es wagte, Rimoldi und Jetzer zu widersprechen, bekam Probleme. Kritik aus den eigenen Reihen prallte immer wieder an ihnen ab. Die «Stars» wussten alles besser.

Gleichzeitig konnten sich Jetzer und Rimoldi auch gegenseitig nicht riechen. Jeder war überzeugt von seiner Strategie: Auf ging keine. Wer scheinbar alles besser weiss, ist zum Scheitern verurteilt.

Es schien fast so, als würde Rimoldi keine Gelegenheit auslassen, um Angriffsflächen zu bieten. Dass er vor allem Stimmen am äussersten rechten Rand fischte, war ihm offenbar auch recht so. Stichwort «Braunau» oder «Remigration». Während Donald Trump in der Vergangenheit erfolgreich nach dem Motto «Any news ist good news» politisierte, ging diese Strategie bei Rimoldi nicht auf. Der Bewegung schadete er damit. Sogar Aufrecht – nicht gerade bekannt dafür, von anderen zu «distanzieren» – tat dies während der Wahlkampagne. Aber wer sich öffentlich fetzt, weckt nicht gerade Vertrauen.

Mit Mühe und Not einigten sich Mass-Voll und Aufrecht im Kanton Zürich auf eine Listenverbindung. Und wie so oft in solchen Situationen, in denen sich zwei streiten, freut sich am Schluss der Dritte. In diesem Fall Erich Vontobel. Er profitierte von der Listenverbindung von Mass- Voll, Aufrecht und den Schweizer Demokraten und holte für die EDU einen zweiten Nationalratssitz.

Kaum anschlussfähig

Der Streit in den eigenen Reihen ist das eine, die fehlende Anschlussfähigkeit in der Mitte der Gesellschaft das andere. Diese war 2021 noch gegeben, wie Organisationen wie die FdV bewiesen hatten. Rimoldi setzte ein libertäres Parteiprogramm auf, mit dem man in der Schweiz bloss an den Rändern Stimmen holt. Zwar versuchte er, sich breiter aufzustellen als Aufrecht und das Corona-Damoklesschwert loszuwerden, das den Organisationen anhaftet, die in der Pandemie entstanden sind. Doch das gelang ihm nur bedingt. Für die meisten blieb Rimoldi einfach der Corona-Kritiker. Bei Aufrecht wiederum wusste man nicht so recht, für was sie eigentlich stehen. Wer unaufhörlich von Eigenverantwortung spricht und gegen einen aufgeblasenen Staat wettert, hat noch lange nicht die Herzen und Stimmen des Volkes auf seiner Seite. Kommt hinzu: In beiden Organisationen sind ehemalige Links- und Rechtsaussen- Politiker tätig. Diese mögen sich zwar in ihrer Kritik an der Corona-Politik einig gewesen sein – bei anderen Themen könnten ihre Positionen jedoch kaum unterschiedlicher sein. So lässt sich kein anschlussfähiges Parteiprogramm schreiben.

Schwander und Ender mit beachtlichem Erfolg

Dass man sehr wohl Massnahmenkritiker und anschlussfähig sein kann, illustriert der Erfolg von Pirmin Schwander. Dem bisherigen SVP-Nationalrat ist mit einem Glanzresultat der Einzug in den Ständerat gelungen. Schwander gehörte zu denjenigen Politikern, die in den Corona-Jahren den Kompass nie aus den Augen verloren haben. Er ging sowohl gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) sowie auch gegen das Covid-19-Gesetz auf die Barrikaden. Der Unternehmer traute sich auch, an Demonstrationen Gesicht zu zeigen – damit war er eine absolute Ausnahme. Nun ist sein Engagement belohnt worden.

Ausgezeichnet schlug sich auch Josef Ender vom Aktionsbündnis Urkantone. Ender erreichte mit seiner Freien Liste als Parteiloser kantonsweit das fünftbeste Resultat – eigentlich eine kleine Sensation. Damit lag er vor sämtlichen Vertretern der Mitte-Partei. Selbst die ehemalige FDP-Präsidentin Petra Gössi (16´398 Stimmen), die in den Ständerat eingezogen ist, konnte den Newcomer Ender (14´963) nur relativ knapp abhängen. Das heisst: Wäre Ender nicht parteilos, wäre er jetzt in Bern. Ender machte das, was alle erfolgreichen Politiker tun: Er bewegte sich nahe bei den Bürgern, tourte durch den ganzen Kanton. Mit Erfolg. Ender ist ein Anpacker, hemdsärmelig und auf dem Boden geblieben. Das kommt gut an. An Schwander, Ender und Co. können sich die Politiker aus dem Umfeld der Bürgerrechtsbewegung ein Beispiel nehmen.

Selbstverständlich gab es in den genannten Organisationen zahlreiche basisdemokratische Kämpfer, die hinter den Kulissen viel Knochenarbeit geleistet haben. Das gilt genauso für viele Kandidaten, die stets die Sache in den Vordergrund gestellt haben. Zu ihnen zählt etwa der ehemalige Grüne-Kantonsrat und Aufrecht-Zürich-Kandidat Urs Hans, dem wenige Tausend Stimmen fehlten. Hans, der nach den Wahlen eine selbstkritische Analyse der Niederlage vornahm, schloss diese mit den Worten: «Wir von Aufrecht Zürich machen weiter. Am Sonntag haben wir an die Türe des Bundeshauses geklopft und in vier Jahren gehen wir hinein.» Wir sind gespannt. ♦

von Rafael Lutz


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Das atomare Paradox

Die Kernspaltung ermöglichte das schlimmste menschgemachte Massaker aller Zeiten. Sie könnte auch die Rettung der Menschheit bedeuten. Notizen einer Reise nach Nagasaki und Fukushima.

Shunichi Yamashita empfängt mich in seinem Haus, auf den Hügeln über Nagasaki. Ground Zero, das Epizentrum der Atombombe, die am 9. August 1945 gegen 70´000 Menschen getötet und die Stadt in ein Trümmerfeld verwandelt hatte, liegt zu unseren Füssen. Als Yamashita 1952 hier geboren wurde, waren noch nicht alle Trümmer weggeräumt. In den Ruinen der Urakami-Kathedrale, keine 500 Meter vom Ground Zero entfernt, wurde er getauft.

Auch die Universitätsklinik von Nagasaki, wo Professor Yamashita einst seine Studien begann und wo er heute lehrt, lag in der Todeszone. Sein Leben lang forschte er um die Folgen der Strahlung. Als leitendes Mitglied der Tschernobyl-Kommission verbrachte er viele Jahre in der Ukraine. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima koordinierte er den Strahlenschutz vor Ort.

Mit am Tisch sitzt Haru, die 88-jährige Mutter von Yamashita. Sie war knapp drei Kilometer von Ground Zero entfernt, als die Bombe explodierte. Die Strahlung zeitigte auch für sie verheerende Folgen, allerdings anders, als man es sich vorstellt. Hibakusha nannten sie die Überlebenden der Bombe. Im Sommer 2017, anlässlich meines Besuches, lebten in Japan noch 164´621 von ihnen.

Jahrelang wurde Haru wie eine Aussätzige behandelt. Es hiess, die Verstrahlten würden Krüppel gebären, vorzeitig an Krebs sterben, ja sie könnten gar ansteckend sein. Nichts davon ist wahr. Die Diskriminierung basierte auf einem irren Hoax. Die statistische Lebenserwartung der Hibakusha liegt sogar über jener der japanischen Gesamtbevölkerung.

Professor Shunichi Yamashita vermutet, dass eine bevorzugte medizinische Betreuung und grosszügige Renten für Hibakusha einen positiven Effekt auf ihre Lebenserwartung gezeitigt haben. Beweisen lässt sich das nicht. Was sich jedoch statistisch belegen lässt: Weder in der Gegend von Nagasaki noch von Hiroshima noch von Tschernobyl liess sich gemäss Langzeitstudien je eine Häufung von Krebsfällen nachweisen. Anderslautende Zahlen beruhen ausschliesslich auf Hochrechnungen, die auf längst überholten Modellen basieren.

Aber all die Bilder von Fehlgeburten und schrecklichen Missbildungen bei Neugeborenen? Auch das ist gemäss Yamashita ein Hoax: «Es gab diese Missbildungen vor den atomaren Katastrophen, es gab sie nachher. Eine Zunahme lässt sich statistisch nicht erkennen.»

Und die auf Jahrhunderte verseuchten und verstrahlten Landschaften? Yamashita lächelte etwas mitleidig: «Ground Zero war nie gesperrt, weder in Nagasaki noch in Hiroshima, der Wiederaufbau begann nach wenigen Wochen. In den ersten vier Monaten war es sicher nicht empfehlenswert, sich dort aufzuhalten. Vor allem sollte man in der ersten Zeit nichts essen, was dort gewachsen ist. In der Not haben die Menschen trotzdem sofort wieder gepflanzt. Aus pragmatischer Sicht war das nicht einmal falsch. Fehlende Hygiene und die Unterernährung waren eine grössere Bedrohung als Strahlung und Kontamination.»

Halb betäubt fahre ich gegen Abend zurück zu meinem Hotel, vorbei an Ground Zero. In der Schule hatte ich gelernt, dass eine nukleare Katastrophe ganze Landstriche auf Jahrzehnte unbewohnbar macht. Ich ging nicht irgendwo in Afrika zur Schule, sondern in der Schweiz, die auf ihre Volksschulen so stolz ist. Und jetzt das – alles Lug und Trug?

Die Hölle ist lukrativ

Professor Shunichi Yamashita ist kein Verschwörungstheoretiker. Er ist angesehen und integriert in der internationalen Forschungsgemeinschaft. Seine wissenschaftlichen Erhebungen in Nagasaki, Tschernobyl und Fukushima wurden nie bestritten. Das erschütternde Fazit der Tschernobyl-Kommission – dass sich höchstens 56 Todesfälle unmittelbar der Strahlung zuordnen lassen, dass unnötige Evakuation und unbegründete Ängste mehr Leid angerichtet haben, als die nukleare Verseuchung – steht auf solidem Fundament.

Das Problem sind Grenzwerte, die nicht wissenschaftlicher, sondern politischer Natur sind. Als diese in den 1950er-Jahren festgelegt wurden, wusste man so gut wie nichts über die Langzeitwirkung von Strahlung und Kontamination. Man ging von einer linearen Zunahme der Gefahr bei erhöhter Strahlung aus. Heute weiss man, dass die Gefahr exponentiell steigt. Das heisst: Lange passiert nichts, doch dann wird es sehr schnell sehr gefährlich.

Es ist ähnlich wie beim Covid-19-Hype: Wenn die Panik ihre Dynamik entwickelt hat, ist sie kaum noch zu bremsen. Wer radikale Massnahmen fordert, kann nie verlieren. Stellt sich die Warnung später als falsch heraus, schreit kein Hahn mehr danach. Mit Angst lassen sich die Menschen manipulieren, lenken und unterwerfen. Die Hölle ist die lukrativste Erfindung aller Zeiten.

Nicht hinter jeder Fake-News steckt böser Wille. Oft ist es eine Mischung von Vorurteilen, Ignoranz, Konformitätsdruck und Bequemlichkeit. Ich versuchte daher stets, mir vor Ort ein Bild zu machen. Als es 2011 in Japan zur Kernschmelze kam, reiste ich nach Fukushima. Zwei Jahre später gelang es mir, als einem der weltweit ganz wenigen Journalisten, einen Tag in den Reaktor-Ruinen zu verbringen.

Vorweg: Während des Fluges von Zürich nach Tokyo empfing ich eine höhere Strahlendosis als während der acht Stunden im havarierten AKW. Wer täglich fliegt, setzt sich einer Strahlung aus, die in einem AKW niemals zulässig wäre. Vielflieger haben trotzdem nichts zu befürchten.

Die Kernschmelze in den drei uralten Reaktoren von Fukushima Dai Ichi richtete eine gewaltige Sauerei an, doch sie hat keinen Menschen ernsthaft verletzt, geschweige denn getötet. Die Anwohner gingen rational mit der Gefahr um. Die Angst stieg mit der Distanz, am grössten war sie am anderen Ende der Welt, in Deutschland. Die 18´000 realen Toten, die in den Fluten des Tsunamis ertranken, gingen schnell vergessen. Und wie Professor Dr. Sucharit Bhakdi während der Corona-Krise, wurde damals auch Professor Sunichi Yamashita vom medialen Mob schnell zum Schweigen gebracht.

Alle moderneren Kernreaktoren Japans haben sowohl eines der heftigsten Erdbeben aller Zeiten wie den Tsunami problemlos überstanden. Wenn man eine Lehre aus Fukushima ziehen wollte, würde man die alten Meiler durch neue ersetzen. Doch die Schweiz tat das Gegenteil: Sie verbot neue AKW – und weil es ohne nicht geht, lässt man die alten auf Ewigkeit weiterlaufen. Angst macht Idioten.

2000 Windräder gegen einen Kubikmeter Uran

Die Kombination von Wasser und Atom ist meines Erachtens die umweltfreundlichste, sicherste und günstigste Alternative. Allein die Schweizer Erfahrung zeigt dies. Der Stromverbrauch wird von der Nachfrage bestimmt. Wir müssen immer so viel produzieren, wie verlangt wird, sonst bricht das Netz zusammen. Und dafür ist der Schweizer Strommix – AKW für die Grundversorgung, hoch flexible Wasserkraft für die Regulierung – geradezu genial. Mit Wind und Sonne ist das schlicht unmöglich. Es liegt nicht an der fehlenden Technologie, sondern an den Gesetzen der Natur. Die Speicherung grosser Strommengen funktioniert bestenfalls auf dem Papier und verschlingt Unmengen an Ressourcen.

Der grosse Vorteil der Kernenergie ist der gemessen am Ertrag geringe Verschleiss an Ressourcen. Längst erprobte Brutreaktoren der Generation IV hinterlassen keine lange strahlenden Abfälle mehr. Sie können sogar Atombomben und Atomabfälle in Energie verwandeln.

Um Leibstadt ein Jahr lang zu betreiben, braucht es gut einen Kubikmeter Uran. Der Treibstoff für zehn Jahre hätte in einer Garage Platz. Wollte man die Produktion von Leibstadt durch Windräder ersetzen, müsste man 2000 Türme mit 95 Meter Nabenhöhe in die Landschaft stellen. Damit wären gerade mal 10 Prozent des Schweizer Strombedarfs gedeckt, allerdings nicht bei Flaute. Der Ertrag aller Schweizer Wälder würde im Übrigen nicht ausreichen, um Leibstadt durch ein Holzkraftwerk zu ersetzen. Ich habe das alles in meinem Buch «Der Fluch des Guten» nachgerechnet.

Was stimmt: Die Geschichte der Kernenergie ist untrennbar mit jener der Atombombe verknüpft. Präsident Harry S. Truman rechtfertigte die 150´000 getöteten Zivilisten von Hiroshima und Nagasaki mit über einer Million Kriegstoten, welche die Kapitulation Japans voraussichtlich verhinderte. Ich weiss nicht, ob solche Rechnungen zulässig sind, sie übersteigen meinen Horizont. Aber es ist eine Tatsache, dass es seither zwischen den Atommächten zu keinem offenen Krieg mehr gekommen ist. Weil keiner einen solchen Krieg gewinnen kann.

Es gibt kein Zurück

Es liegt mir fern, die Atombombe als Segen zu bezeichnen. Gemäss Murphy´s Law trifft jedes Unglück, das theoretisch möglich ist, irgendwann mal ein. Doch wir haben diese Wahl gar nicht. Ist die Erfindung einmal gemacht, lässt sie sich nicht mehr rückgängig machen, wie Friedrich Dürrenmatt in seinem genialen Drama «Die Physiker» plastisch darlegte. Selbst wenn man alle Pläne zu vernichten versuchte, eine Kopie bliebe immer erhalten. Und wehe, wenn sie in die falschen Hände gelangt. Wir sind zum Leben mit der Bombe verdammt.

Präsident Dwight D. Eisenhower unterbreitete der Weltgemeinschaft 1958 einen Deal: Die USA würden ihr bis dahin streng geheimgehaltenes Wissen um die Kernspaltung für all jene Länder freigeben, die sich verpflichteten, die Technologie nur für friedliche Zwecke zu nutzen. Daraus entstand eine Art Weltbank, welche die Herstellung, die Lagerung und den Handel von spaltbarem Uran-235 und Plutonium überwacht. Die Stoffe sind gleichsam der Schlüssel zur Bombe wie zur Kernenergie.

Bislang hat das System funktioniert. Eine Alternative ist nicht in Sicht. Und wenn alle Demokratien dieser Welt auf Kernenergie verzichten würden, die Diktatoren würden erst recht darauf setzen. Allein China hat seinen AKW-Park seit Fukushima vervierfacht, eine weitere Verdoppelung bis 2030 ist geplant. Die Chinesen rechnen heute dank Serienproduktion mit vier Jahren Bauzeit für ein AKW, das viermal weniger kostet als das analoge europäische 1000-Megawatt-Modell.

Unter Zivilisationsmüden mag Energiesparen angesagt sein. In Entwicklungsländern, wo die meisten Menschen leben, ist das schlicht kein Thema. Mit gutem Grund. Ernährung, Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung, Industrialisierung, Forschung, Produktion – ohne eine günstige und sichere Stromversorgung läuft rein gar nichts. Und falls wir ernsthaft von den fossilen Brennstoffen wegkommen wollen, brauchen wir in Zukunft nicht weniger, sondern viel mehr Strom. Ich sehe nicht, wie wir das ohne Kernenergie schaffen wollen.♦

von Alex Baur


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MOMO

«Momo» ist eine Weihnachtsgeschichte für Kinder und gleichzeitig eine erleuchtende Geschichte für Erwachsene zum besseren Verständnis des ungerechten Geldsystems. «Momos» Potenzial in Bezug auf das friedliche Zusammenleben der Menschheitsfamilie kann nicht überschätzt werden.

Die Geschichte handelt vom ungeheuerlichen Privileg, das sich einige wenige Menschen bereits vor Jahrhunderten einfach genommen haben: Die unbegrenzte und dafür Zinsen verlangende Schuldgeld-Schöpfung aus dem Nichts durch Zentralbanken und Geschäftsbanken, auf Kosten unser aller Arbeit und Lebenszeit. Dabei handelt es sich um nichts weniger als das Monopol zum unendlichen Drucken von Geld zum eigenen Vorteil und mittlerweile zur Beherrschung der Welt und über 90 Prozent aller Menschen.

Der Autor von «Momo», Michael Ende, erkannte bereits in den 1970er-Jahren, dass das kapitalistische Fiat- oder Fake-Money-System durch Inflation bzw. Geldentwertung und Verarmung der Mehrheit immer wieder grosse Krisen und Kriege provoziert, und dass wir dies nur verhindern können, indem wir die menschengemachten Spielregeln des Geldsystems verändern. Michael Ende wünschte sich ganz offensichtlich eine öffentliche Diskussion über ein demokratisches Geldsystem, mit dem Ziel, die Zukunft unserer Kinder entscheidend zu verbessern. Denn was das Geldsystem zerstört, kann kein Sozialsystem jemals reparieren. Noch kurz vor seinem Tod bedauerte Michael Ende, dass man seine Botschaft nicht ernstgenommen hatte, wie ein sehenswerter Dokumentarfilm aus dem Jahr 1996 festhält.

Die MOMO Friedensbewegung

Die MOMOs, die Mitglieder der MOMO Friedensbewegung, sehen in der humanen Marktwirtschaft von Peter Haisenko die bisher beste Umsetzung eines fliessenden und nicht inflationären Geldsystems. Die humane Marktwirtschaft könnte die bereits viel zu lange andauernde Herrschaft des Fake-Money beenden. Insofern ist das tiefere Verständnis der Geschichte von «Momo» absolut essenziell für die friedliche Entwicklung unserer Gesellschaft, denn das Geldsystem ist das Hauptproblem.

Weil «Momo» aber auf eine für jedermann verständliche Art die Ungerechtigkeit des Schuldgelds offenlegt, sind diese schöne Geschichte und die gleichnamige Friedensbewegung nun ins Fadenkreuz des gewissenlosen Systems geraten. Der juristische Angriff auf uns zeigt ganz klar, dass sich die Konstrukteure und Vertreter des Weltfinanzsystems vor «Momo» fürchten.

Das ist ein sehr guter Grund, euch allen das Buch und den Film sowie die MOMO Friedensbewegung wärmstens zu empfehlen – speziell zu Weihnachten, dem Fest des Lichts und der Erleuchtung. «Momo» ist nicht nur ein Plädoyer für ein gerechteres Geldsystem, seine Botschaften zielen auf Empathie, die Tugend des Zuhörens und mehr Frieden in dieser Welt. Dies umzusetzen könnte uns, vereint als Menschheitsfamilie, dank MOMO gelingen. ♦

von einem Momo


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Mit dem Kovic spricht man nicht!

Wir wussten von Anfang an, dass es wohl nicht nur für Friede, Freude und Eierkuchen sorgen würde: Das Zwiegespräch zwischen dem linken «Experten für Verschwörungstheorien» Marko Kovic und dem libertären Unternehmer Titus Gebel in unserer 9. Ausgabe.

Unsere Redaktion war jedoch erstaunt über die Gegensätzlichkeit und Heftigkeit der Reaktionen auf diesen Beitrag. So hiess es auf der einen Seite: «Ein Highlight», «Endlich lasst ihr auch mal eine linke Stimme in eurer Zeitschrift zu Wort kommen». Auf der anderen Seite: «Was fällt euch ein, mit so einem zu reden?», «Wieso bietet ihr dem eine Plattform?», «Ich bin schwer enttäuscht von euch», «Das Gespräch ist missglückt». Wir wurden daran erinnert, dass Kovic mit seinen öffentlichen Aussagen der Gesellschaft und insbesondere den Menschen in der Bürgerrechtsbewegung schwer geschadet hat, dass er ein schändlicher «Systemling» sei und schlimmeres, womöglich sogar ein «Agent» des deep state.

Ich kann diese Reaktionen gut nachvollziehen, schliesslich ist der Corona-Faschismus auch an mir nicht spurlos vorbeigegangen. Es ist mir keineswegs entgangen, wie gegen die Massnahmenkritiker gehetzt wurde und immer noch wird.

Und trotzdem sehe ich gute Gründe, einen Marko Kovic zum Gespräch einzuladen. Hier sind zehn davon:

1. Es findet sich praktisch nie jemand von den «Zeugen Coronas», der mit uns «Covidioten» sprechen will. Diskursverweigerung und soziales Ausschliessen ist bekanntlich deren Regel. Wieso eigentlich nicht? Ich nehme an, weil sie insgeheim wissen, dass sie keinerlei solide Argumente haben. Dass sie sich nicht wirklich mit der Materie beschäftigt haben und seit Jahren einfach die vorgesetzte Meinung nachplappern. Sie wissen genau, dass sie zu faul oder zu feige waren, selbstständig über das Problem nachzudenken und nachzuforschen. Und einige von ihnen wissen natürlich, dass sie ganz einfach korrupt sind. Aber wir sind nicht die. Wir waren in all dieser Zeit bereit, uns mit der Gegenseite an einen Tisch zu setzen, Argumente auszutauschen und uns über Fakten zu unterhalten. Wir sind immer noch dazu bereit und werden auch weiterhin dazu bereit sein. Das letzte Wörtchen in der «Pandemie»-Geschichte ist noch lange nicht gesprochen. Kovic ist einer der ganz wenigen, die zumindest den Mut haben, zu einem solchen Gespräch aufzukreuzen. Seit es «DIE FREIEN» gibt, haben wir Dutzende bekannte Verteter der Mainstreammeinung zu solchen Zwiegesprächen eingeladen. Obwohl diese Personen normalerweise sehr gern in der Öffentlichkeit stehen, erhalten wir in der Regel eine Absage, wenn überhaupt eine Antwort kommt.

2. Und dann sitzt man eines Tages dem Kovic gegenüber – da hätten natürlich viele Leser erwartet, dass man die Gelegenheit nutzt, um ihn «auseinanderzunehmen». Darauf war aber unser Zwiegespräch nicht ausgerichtet. Weder habe ich das gewollt, noch hätte ich das gekonnt: Man kann einen Kovic nicht argumentativ «widerlegen». Man kann ihm haufenweise Fakten vor die Füsse werfen – er wird einem immer entgegnen, dass es eine «bessere Studie» gäbe, die etwas anderes behaupte. Und wie wir alle wissen, gibt es natürlich diese Studie, so wie es zu allem irgendeine Studie gibt, darunter auch eine Studie, die «belegt», dass eben diese Studie wirklich besser sei als jene. Dass ein Austausch auf dieser Ebene kaum fruchtbar werden würde, war mir schon 2021 klar, nachdem Daniel Stricker in seinem Interview sein Glück versucht hatte.

Marko Kovic hat eine Mission: Die besteht darin, uns «Verschwörungstheoretikern» zu erklären, dass wir auf dem Holzweg sind, und wieso wir auf dem Holzweg sind. Nebenbei demonstriert er die wissenschaftliche Autorität, die brillant genug ist, sich uns zu stellen und es locker mit uns aufnimmt. Ob er dafür bezahlt wird, weiss ich nicht, aber dass da zumindest eine klitzekleine Dosis narzisstische Motivation mitspielt, würde ich schon behaupten. Kovic ist geradezu empört, wenn man ihn auf der wissenschaftlichen Ebene kontert. Die Reaktion fühlt sich dann jeweils an wie: «Was fällt dir ein, dich auf die Wissenschaft zu beziehen, wenn ich doch der Wissenschaftler bin, der alle Studien gelesen hat und die Wissenschaft repräsentiert, und nicht du? How dare you?!» Obwohl zwischenmenschlich ganz umgänglich, war Kovic im Gespräch relativ dünnhäutig und reagierte ziemlich empfindlich, wenn ich ihn herausforderte – was mich umso mehr irritierte, als er beim Urteilen über Andersdenkende bekanntlich alles andere als zimperlich ist. Das Resultat war, dass wir eher einen Fechtkampf mit Sticheleien hatten als einen schwungvollen Tanz der Argumente. Die emotionalen Implikationen verrate ich unter Punkt 10.

Ich sah einmal einen psychologischen Ratgeber mit dem Titel «Willst du Recht haben oder glücklich sein?». Diese Frage fällt mir immer wieder ein, wenn ich mit komplett Andersdenkenden zu tun habe. Was bringt mehr: Kämpfen, um «Recht» zu bekommen, koste es was es wolle – oder beweisen, dass man überhaupt fähig und willens ist, ein gesittetes Gespräch zu führen, auch wenn man weiterhin nicht gleicher Meinung ist? Für mich ist der Fall klar, und das sollen die Gesprächsverweigerer nur erfahren. Die interessieren sich nämlich durchaus für uns, mehr als viele glauben möchten – sie dürfen es halt nicht eingestehen.

3. Jeder, der besser spät als nie doch noch «aufwacht» und unsere Zeitschrift aufschlägt, wird feststellen müssen, dass wir jederzeit für die Gesprächskultur eingestanden sind und akzeptieren, dass jeder Mensch auf einem anderen Wissens- und Erkenntnisstand ist – sei es medizinisch, politisch, philosophisch, psychologisch oder spirituell. Ich kenne persönlich eine Ärztin, die übelst über uns Ungeimpfte hergezogen war – heute spricht sie auf Augenhöhe mit uns, weil sie doch ins Grübeln gekommen und neugierig geworden ist, wie wir so ticken, und gemerkt hat, dass wir doch nicht nur Unmenschen sind, die ausschliesslich Unsinn erzählen.

Gesellschaftlich ist noch längst nicht alles entschieden, und es kann sich noch viel verändern, wenn immer mehr Impfgeschädigten ein Lichtlein aufgeht und die korrupten Eliten sich mit ihrer immer grösseren Dreistigkeit immer schneller demaskieren. Wenn es soweit ist, dann sollen die Betrogenen wissen, dass sie bei uns willkommen sind, die Fakten und das Wissen abzuholen, das nützlich ist und hilft, um sich selbst zu helfen, die Zivilisation wieder aufzubauen und echte Souveränität zu erlangen. Es sind andere, die unsere zivilisatorischen Werte verraten haben.

4. Das Hauptmotiv dieses Zwiegesprächs war, einen Libertären und einen Sozialisten gegenüberzustellen. Ein Gegensatz, wie er spannender nicht sein könnte – und hoch relevant, denn die Diskussion, welche Gesellschaft wir in Zukunft wollen, fängt doch eigentlich erst jetzt richtig an. Kovic ist nur ein Repräsentant der salonfähigen Linksextremen, und er war bereit, sich mit einem Kontrahenten auszutauschen. Unsere Leserschaft ist mündig genug, um selbst zu beurteilen, ob seine Positionen sinnvoll sind oder nicht. Wieder: Wir bilden ab, wie ein kultiviertes Gespräch zwischen Andersdenkenden ablaufen kann. Andere zelebrieren, wie man sich gegenseitig an die Gurgel geht – sollen sie doch. Wir können auf Augenhöhe mit der anderen Seite sprechen. Es ist an der Gegenseite, zu beweisen, dass sie es auch kann.

5. Das politische Pendel kann irgendwann auch wieder zurückschwingen. Spätestens dann, wenn die Betrogenen sich zu hinterfragen beginnen, sind wir dank solcher Zwiegespräche argumentativ bestens gerüstet. Politik ist ja nichts anderes als Aushandeln, und das will gelernt sein. Was wäre denn die Alternative? Auge um Auge, Zahn um Zahn? Bürgerkrieg? Wer will das denn?

6. Wieso macht es ausserdem noch Sinn, Andersdenkenden trotz allem mit einem gewissen Grundrespekt zu begegnen? Ich lese derzeit ein spannendes Buch über den Widerstand in der NS-Zeit. Da finden sich viele bemerkenswerte Berichte über KZ-Wärter oder Spitzenfunktionäre, die sich doch nicht nur als Unmenschen erwiesen, sondern im Rahmen des Möglichen dem einen oder anderen Häftling halfen oder das System von innen her zu sabotieren versuchten. Klar waren diese Leute alles Mittäter, Zahnräder im Maschinenwerk der Nazidiktatur, und wenn sie alle «einfach nicht mitgemacht» hätten, dann wäre alles anders herausgekommen. Aber es werden eben nie alle gleichzeitig dasselbe tun, weil nie alle gleich denken, wahrnehmen und erkennen. Auch im Dritten Reich waren die meisten Menschen offenbar Frösche im Kochtopf und merkten erst, dass sie eigentlich gar keine Freunde der Diktatur sind, als die Diktatur plötzlich da war. Damit will ich keineswegs sagen, dass ich mich heute verbiegen würde vor den Vertretern der Mehrheitsmeinung, damit sie mich morgen im Impf-KZ eventuell milder behandeln … nein – ich glaube einfach generell, dass es für jeden Menschen insgesamt besser ausgeht, wenn wir den Nächsten trotz allem versuchen, als Mensch zu behandeln, auch wenn wir als verurteilungswürdig erachten, was er tut. Vielleicht ist er ja noch lernfähig.

7. Umgekehrt betrachtet: Ich habe noch nie erlebt, dass jemand seine Meinung geändert hat, weil man ihn beschimpft, beleidigt, ausstösst, unterdrückt, ihn seine Ablehnung zu verstehen geben liess. Genau das ist doch die autoritäre schwarze Pädagogik unserer Unterdrücker. Mich jedenfalls hat das nicht überzeugt.

8. Aus vielen enttäuschten Reaktionen auf unser Zwiegespräch spürte ich so etwas wie eine Opfermentalität heraus. Ja, die Corona-Hetzer haben Verbrechen gegen uns begangen, einige davon halte ich für unentschuldbar. Aber werden sie in ein paar Jahren noch in den Spiegel schauen können? Werden sie noch ruhig schlafen können? Werden sie an ihrem Lebensende zufrieden sein mit ihrem Leistungsausweis? Ich glaube: Sie sind die wahren Opfer, sie haben intellektuell und moralisch versagt und werden die Schuld, die sie auf sich geladen haben, auf irgendeine Weise zu spüren bekommen. Aber eben: Solange die falsch liegende Mehrheit nicht begreift, dass sie die ganze Zeit die Herrschaft des Psychopathismus unterstützt hat, während sie tragischer- und peinlicherweise geglaubt hat, sie würde das Richtige tun, indem sie tut, was die meisten tun – solange muss jeder Einzelne selbst zur Erkenntnis kommen, durch eigenes Nachdenken, im eigenen Tempo, und insbesondere: in Freiheit. Man kann niemanden zur Erkenntnis zwingen. Sollen die «Experten» doch spotten über uns «Verschwörungstheoretiker». Wir wissen doch genau, dass uns die Geschichte in neun von zehn Fällen recht gibt.

9. Wir von «DIE FREIEN» sehen uns nicht als Opfer. Wir standen von Anfang an auf der richtigen Seite, haben uns weit rausgelehnt, dafür viel eingesteckt, und sind im Reinen mit uns selbst. Wir stehen über den Attacken und Ungerechtigkeiten der Impffaschisten, und das sollen die wissen. Sie haben versucht, uns kleinzukriegen, aber das schaffen sie nicht, im Gegenteil, wir sind stärker geworden, wir sind daran gewachsen. Wir haben die Grösse, mit ihnen zu reden, trotz ihrer Aussagen und Taten. Und es ist uns sogar ein Vergnügen, ihnen unter die Nase zu reiben, dass wir diese Grösse haben. Denn die erwarten, dass wir sie genauso hassen wie sie uns – aber diesen Gefallen tun wir ihnen nicht.

10. Das heisst nicht, dass Grösse zu zeigen nicht auch anstrengend sein kann. Ja, ich hatte die Illusion, dass wir mit Kovic vielleicht noch den einen oder anderen gemeinsamen Nenner finden würden, und dass er im Jahre 2023 eine seiner irrigen Corona-Positionen hinterfragt oder revidiert hätte. Das war zu viel erwartet. Der Modus war Kampf, Abwehr, Abgrenzung und Selbstbehauptung. In dieser Hinsicht war das Gespräch für mich eine Enttäuschung. Kovic ist in der Diskussion eiskalt, verhält sich wie ein menschlicher Schachcomputer und wartet ab, bis der Gegenspieler irgendeine Aussage macht, die er nicht hundertprozentig belegen kann, oder die etwas zu pauschal oder übertrieben ist. Dann zack – stürzt er sich wie die Spinne im Netz auf genau diesen Punkt und «beweist» damit die Unglaubwürdigkeit des Gesprächspartners. Jeder, der solche Diskussionen kennt, weiss, dass ihnen eine gewisse Toxizität innewohnt, es ist jedenfalls nicht wirklich ein Vergnügen. Toxische Gespräche erkennt man daran, dass sie energieraubend sind, einen auszehren und desillusionieren, statt einen zu bereichern und zu erfüllen. Wie es um meinen Energiehaushalt am Tag nach diesem Gespräch bestellt war, lässt sich gut mit diesen Zeilen George Orwells zusammenfassen: «Die meiste Zeit geisterte ich herum, und wenn ich auch nicht wirklich stöhnte und mit Ketten rasselte, so war mir doch manchmal danach zumut. Auch trank ich mehr, als mir gut tat.» Kurzum: Gut, dass ich diese Erfahrung gemacht habe; noch besser, dass ich sie hinter mir habe.

11. Und zum Schluss noch eine Sondermitteilung an all unsere geschätzten Abonnenten, die sich geärgert haben, dass sie das Gespräch mit Kovic mitfinanziert haben: Nein, bitte denken Sie nicht so! Stellen Sie sich einfach vor, dass Sie mit Ihrem Beitrag die Artikel bezahlt haben, die Ihnen bisher gefallen haben. Das Zwiegespräch haben die anderen Abonnenten bezahlt – denen dafür etwas anderes vielleicht nicht gefallen hat …

Letztlich läuft doch alles darauf hinaus, ob es überhaupt noch Sinn macht, mit Andersdenkenden zu reden. Ja, was soll man denn sonst machen? Alle ausstossen, niederschreien oder zusammenklopfen, die in den eigenen Augen falsch liegen? Das ist das Rezept der Antifa und anderer Freunde des Totalitarismus. Ich möchte eigentlich nicht nach denselben Mustern agieren wie diejenigen, die ich kritisiere.

Und: «DIE FREIEN» nehmen sich selbstverständlich weiterhin die Freiheit, frei zu entscheiden, mit wem sie reden wollen und mit wem nicht. In der nächsten Ausgabe werden wir uns mit «krassesten Verschwörungstheoretikern» unterhalten, und das wird wiederum manchen Lesern nicht gefallen, die den Kovic-Austausch ganz sinnvoll fanden. Schauen Sie auf jeden Fall rein, wir sind gespannt, was Sie davon halten! ♦

von Christian Schmid Rodriguez


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Weihnachten auf dem Land

Eine warme Stube, Kaminfeuer knistert, Kerzen leuchten. Leise klingt Stubenmusik aus einem alten Radio und es riecht nach Keksen und Glühwein. Draussen fallen dicke Schneeflocken und decken langsam alles zu. Ich liege eingemummelt in eine dicke Kuscheldecke im weichen Sessel, eine heisse Tasse Tee in meinen Händen. Auf dem Adventskranz brennen die Kerzen und die Türen des Adventskalenders stehen offen.

Besorgen der Geschenke ohne Hektik, dafür mit Spass und Freude und Verpacken in buntem Geschenkpapier. Die Vorbereitungen für das Festtagsessen in der gemütlichen Küche sind im vollen Gange und es duftet bereits nach herrlichem Ganserlbraten und Rotkraut. Sobald es dunkel wird, kann man die Weihnachtsbeleuchtung geniessen und in einen sternenklaren Himmel schauen. Dick eingepackt stapfe ich durch den knirschenden Schnee und bewundere die weisse Pracht, in der ab und zu ein Reh oder ein Hase den Weg kreuzt.

Der alte Plattenspieler mit seinen knisternden Weihnachtsschallplatten lädt, nachdem das Christkind geläutet hat, in ein feudal geschmücktes Weihnachtswunderland ein. Im Zentrum ein liebevoll geschmückter Christbaum mit glitzernden Kugeln, unter dessen Zweigen unzählige bunte Geschenke liegen. Es riecht nach Wachs und Marzipan.

Im Wald haben die Tiere, die Rehe, Hasen, Füchse, Mäuse, Eichkatzerln usw. einen Weihnachtsmarkt gebaut und laden uns ein, ihre selbstgebastelten Geschenke aus Tannenzapfen, Kastanien und bunten Waldfrüchten zu bewundern.

Eine Auszeit von der irren Welt und der Satire. ♦

von Lisa Fitz

***

Lisa Fitz ist derzeit auf Tour mit ihrem Jubiläumsprogramm «Dauerbrenner». Ihre nächsten Auftritte in der Schweiz:

13.12.23: Häbse Theater, Basel

14.12.23: Casinotheater, Winterthur

15.12.23: Kulturkarussell Rössli, Stäfa

17.12.23: Industrie36, Rorschach


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