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Autor: Oliver Hepp

Alles ist …

resonare

Wieso, fragt sich der Lateiner, lese ich ausgerechnet diesen Artikel? Aus purem Zufall oder steckt mehr dahinter? Bin ich ein schwingfähiges System, welches auf diese Worte widerhallt, stehe ich in Resonanz zu …? Führt mich mein Lebensweg geradewegs an genau den Ort und die Begebenheit, welche in meinem System ein Mitschwingen erzeugt oder kommt mir das Resonanzgesetz lateinisch vor?

Resonanz

Alles auf dem Lebensweg ist Resonanz. Was sonst ausser dieser? In der letzten Ausgabe kolumnisierte ich, «dass buchstäblich Alles, einschliesslich dem Ausschliesslichen (…) in Resonanz steht zueinander oder eben nicht». Dies scheint mir ein Hinweis zu sein, dass ich mich aller Wahrscheinlichkeit nach als Stimmgabel inkarniert habe. Voltaire sagte, kurz bevor er den Löffel abgab: «Ich glaube nicht an die Reinkarnation. Ich habe schon in meinem letzten Leben nicht daran geglaubt.» Mich spricht das an. Resonieren Sie auch damit? Dann scheinen Sie wie Voltaire ein aufgeklärter Geist zu sein. Doch wie ist es um den Geist selber bestellt? Was ist er und wer liess ihn aus der Wunderlampe?

Zeichen

Gibt es überhaupt einen Lebensweg? Ich lese die Zeichen, am liebsten die krummen! Ich stelle Fragen. Fragen hören mit einem Fragezeichen auf. Ganz im Gegenteil zu Aussagen, die mit einem Ausrufezeichen geradewegs von oben nach unten verlaufend in einem Punkt münden. Fragezeichen beginnen im Punkt, um sich dann in einer Spirale, die keinen Anfang und kein Ende hat, aufwärts durch die Unendlichkeit zu winden. Ist das zielführend?

Die Bibel belehrt uns. «Wer sucht, der findet.» Ist nicht vielmehr das Gegenteil der Fall? Wenn ich auf meinen Lebensweg zurückblicke, sehe ich eine Bibel im Kopfstand und lese: «Wer findet, der sucht nicht.» Dies scheint mir, was mich angeht, veritabel. Doch wie ist es um den Geist bestellt und gibt es überhaupt einen Lebensweg?

Geist und Erleuchtung

Die Lehre – manche sagen auch – die Leere vom Geist besagt: Der Geist ist unantastbar. Er ist unbewegt und immerwährend. Er hat keinen Anfang und kein Ende. Der reine Geist ist da, weil er niemals weg war. Wenn das so ist, gibt es dann Erleuchtung? Oder ist das nur ein weiterer Traum im Traum? Waren wir jemals wach? Ist Erleuchtung eine Illusion und der Tanz dieser Illusion schenkt uns die Illusion der Erleuchtung?

Theorie und Praxis

Es gibt eine Menge an Theorien. Unsere Welt ist voll davon. Eine Theorie beruft sich auf eine Theorie, die sich wiederum auf Theorien beruft. Illusion baut sich so zusammen. Jede Theorie ist ein Schlag ins Gesicht.

Ich streife den kuscheligen Pyjama des Traums, in dem ich meine Illusionen träumte, ab, sage allen Theorien und deren Experten und Priestern Adieu, wache auf und untersuche den Geist selbst. Was sagt der Geist dazu? Er sagt, dass man sich dabei vor Allem eins, nämlich nicht verbessern kann, denn man ist schon gut.

Spricht Sie das an? Oder nicht? In beiden Fällen hat das nichts mit dem Inhalt zu tun. Auch nichts mit der Form. Es ist … wahrscheinlich Resonanz. ♦

von Oliver Hepp


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Dings und Bumms

Das Ende im Anfang

Eines steht mal fest: Es gibt nichts Lustigeres, als die Erfindung des Materialismus. Nichts in aller Welt wies darauf hin, dass sich dieser Gedanke zäh wie Granit in unserem Bewusstsein verankern konnte. Und doch – gemäss dem Motto Die Gedanken sind frei – ist es passiert. Irgendwann mal auf den Irrwegen des uns selbst auferlegten Labyrinths haben wir felsenfest beschlossen, uns bis zum Ende aller Zeiten sinnlos zu verlaufen. Diese Zeit ist nun da und frohe Botschaft folgt ihr auf dem Fusse. Der leibhaftige Materialismus befindet sich in rasantester Selbstauflösung. Wenn Rabenschwärze dunkle Schatten wirft, kanns nur noch heller werden. Ist so ein Naturgesetz.

Materialismus for Dummies

Einst tanzte der Mensch zusammen mit den Göttern auf der Erde. Was waren das für Zeiten! Dann kam Dichte in die Geschichte. Der wilde Tanz verstummte. Raum und Zeit traten hervor, reichten sich die Hand, verbündelten und verbändelten sich und begannen ihren behäbig schweren Reigen. Getrennt von den Göttern, gehorsam nur sich selbst, latschte der Mensch auf ausgetretenen Pfaden und tappte in alle Schlingen, Fallen und Fettnäpfchen, die er sich vor die Füsse gelegt hatte. Linear und unendlich langsam wie das Licht, aber stetig Schritt um Schritt. Die Zeit verging, vergang, vergongte. Schicht um Schicht, Bogen auf Bogen stapelte sich der Mensch seine Geschichte aufeinander. Dann aber wurde es wahrwirklich lustig.

Der Mensch begann, an die Materie zu glauben. Der Mensch war da schon voll des Grams und tief in seine Schwerkraft gebeugt, starrte Löcher in den Boden und folgte behaart, aber beharrlich seinen eigenen Fussstapfen. Um sich in seinem neuen Glauben zu stärken, schuf sich der Mensch, den Ruf der Götter missachtend, eine Wissenschaft, ein Bekenntnis, welches ihn fortan in seinem neuen Glauben bestärkte. Er durchforschte die Materie nach Strich und Faden und kam zum Entschluss, dass MATERIA ein Tanz aus allerlei Neu- und Elektronischem, aus Pro- und Contratonischem sei, welches um ein Atom zu kreisen schien. Das Atom – den Kern der Materie – aber definierte er als kleinstes untrennbares Teilchen. Was ihm dabei entging war, dass «Das Kleinste» in Tat und Wahrheit Das Nichts ist. Was ihm ausserdem entging war, dass «Ein Teilchen» in Wahrheit und Tat Das gewisse Etwas von Etwas ist, weshalb es auch ein Teilchen genannt wird.

Nichts duldet der Mensch weniger als einen Widerspruch im Glauben. Und so begann er den Kern seines Dilemmas nach allen Regeln der Kunst zu spalten. Die strahlende Zukunft schien ihm nun gesichert. Dann öffnete der Mensch ein Fass ohne Boden, setzte sich die Krone auf das Haupt, brach sich daraus einen
Zacken und baute für ein Schweinegeld den Teilchenbeschleuniger – ja ich meine das CERN –, um durch die Zertrümmerung von kleinsten und allerkleinsten Teilchen die chaotische Verkehrslage durch einen herbeigeführten Totalcrash zu beruhigen. Plötzlich sah der Mensch alles unscharf, relativierte Raum und Zeit. Dann krümmte er die Banane. Wer meint, dass es nun aber mal genug ist mit dem Affentheater, vergisst, dass sich der Mensch obendrauf noch den Zufall als Prinzip der Evolution erglaubte und zu guter Letzt … den Urknall vor den Anfang setzte.

So kam es, wie es kommen musste: Wir sind angekommen. Zufällig zwar, aber dennoch genau, da wo wir hingehören: in völlig durchgeknallten Zeiten.

Am Ende gut ist alles gut

Lässt sich so ein Schlamassel auflösen? Aber sicher doch. Durch Bewusstsein. So einfach? So einfach. Viel schneller noch als zähes Licht. Natürlich müssten wir uns erstmal neidlos eingestehen, dass man sich nichts Lustigeres ausdenken kann als den Materialismus, an dessen Ende die totalitäre Technokratie steht. Hat man dieses Eingeständnis erstmal erklommen und den Gipfel unverfroren hinter sich, gehts von da an nur noch unangestrengt talabwärts. Bis jetzt war unser Leben ein gespielter Witz. Wir waren die Komiker des Universums. Schnell, aber sicher kommen wir nun auf den Trichter, dass Alles, buchstäblich Alles, einschliesslich dem Ausschliesslichen, ein Tanz aus Lichtem und Leichtem ist, ein Swing aus Schwingungen, in Auen und in Feldern in allen Dimensionen. Dass alles samt und sonders in Resonanz steht zueinander oder eben nicht.

Es ist an der Zeit, die Spassbremse zu ziehen, den Harmonien des Klanges zu lauschen, sich von allen liebgewonnenen Illusionen zu verabschieden und die lange Reise in das Unbewusste anzutreten. Das Unbewusste, welches bewusst wird, wenn es ins Bewusstsein tritt. Wir haben keine Wahl. Entweder enden wir als Treppenwitz unserer Geschichte oder wir anerkennen, dass da Nichts und abermals Wiedernichts ist, welches uns hindern könnte, wieder – wie in den guten alten Zeiten – frei mit den Göttern zu tanzen. ♦

von Oliver Hepp


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Das Jüngste Gericht

ein Waterloo

Das Raum-Zeit-Kontinuum gerät aus allen Fugen. Wir sind – der Krümmung sei´s geschuldet – auf dem Bundesplatz. Gott allein weiss warum. Himmlisches wird heute mit Irdischem vertauscht. Heute, an diesem Tag des Jüngsten Gerichts. Dieser Tag ist nun da. Der Tag, an dem Recht gesprochen wird, in Tagen wie diesen, da Recht längstens zum Privileg der Privilegierten verkommen ist.

Wie immer an solch einem Anlass herrscht kurz davor grosses Brimborium. Posaunen werden geölt, himmlische Reiter satteln ihre Rösser und schleifen die Sporen. Siegelwachs wird über Feuer, Pech und Schwefel geschmolzen, die Sonne und der Mond verfinstern. Erste Sterne fallen vom Himmel. Das Tier – der fürchterliche Drache – fläzt noch in der Maniküre, um sich die Kralle schärfen zu lassen, derweil man in der Küche Skorpione, Heuschrecken und alle sonstigen Plagen in siedendem Öl frittiert, um dem zu erwartenden Ansturm der Massen kulinarisch gerecht zu werden.

Raum und Zeit kommen nun endgültig zu ihrem Ende. Altehrwürdige Gerichtsbarkeit und mit ihr die geblendete Justitia verabschieden sich endgültig in den wohlverdienten Ruhestand, als urplötzlich ein markerschütternder Schrei – die Maniköse hat dem Tier ins Nagelfleisch geschnitten – aus den Eingeweiden des Universums dringt und den Gepeinigten im Zwischenreich das Blut in ihren Adern gefrieren lässt. Eine Promenadenmischung, schwarz wie der Tod, huscht über den Platz, hebt noch schnell ein Bein und erleichtert sich an einer der sieben Säulen. Dann entschwindet es in den Winkel der Nacht, derweil im Grauen des Morgens Gottes Thron hereingewuchtet wird.

Auf Gottes Thron thront – heute leicht anglophil angehaucht – Gottvater höchstpersönlich.

Zu seiner Rechten aber sitzet Jesu, Gottes Sohn.

Gott: Hello everybody!

Jesus: Noch nicht, Vater.

Ach so. Wo sind wir?

– In Bern.

Wo?

– Bäärn!

Ach, in Bern! Nun denn.

Posaunen erschallen. Apokalyptische Reiter formieren sich. Siegel werden gebrochen. Siegel erbrechen sich. Sämtliche Sphären, Sonne und Mond erzittern. Gott spricht.

Von Anbeginn zu Anbeginne … always the same Procedure as every Time.

Gott teilt die Himmel.

Niccolò Machiavelli betritt den Plan.

Machiavelli: «Divide et Impera.»

Wer ist das?

Ein alter Schreiberling.

Was schrub er?

Den Fürsten.

… der Finsternis?

Nein Vater. Doch er schrieb Diesem die Betriebsanleitung, um Böses zu ermöglichen.

Eine unermessliche Heerschar an Mitläufern betritt den Plan.

Hans wie Heiri, Hinz und Kunz im drangvollen Seelenbeieinander.

Schulter an Schulter, gegliedert zu Reihen. Reihe um Reihe

gestaffelt bis weit hinter den Horizont.

Wer sind diese?

– Die ganze Bande, Herr. Vollzählig angetreten zum jüngsten Gericht.

Nun denn. Ich höre.

Nach einer unendlich langen Weile tritt – stellvertretend für die Mehrheit – das Schweigen hervor und wird sofort, bevor es sich brechen kann, von der Angst gefressen.

Was soll der Zauber?

– The same Procedure as every Time, Vater Unser.

So sei es. Wahrlich, ich sage euch: Helft euch selbst, so hilft euch Gott.

Amen.

Die Sonne verfinstert sich abermals und sinkt in unergründliche Tiefen.

Weitere Sterne fallen vom Firmament und werden vom Schlund der Unterwelt verschlungen.

Das Zentrum, angeführt von den üblichen Verdächtigen, stösst nach vorne.

Die Lakaien der Macht formieren sich. Experten und deren Experten stützen die Flanken.

Wer ist nun das schon wieder?

Die Elite, Herr.

Die alte Garde?

Die Selbige, oh Herr.

Was riecht hier so angebrannt?

Diese sind es, Vater. Sie kommen frisch aus der Hölle.

Das ist nicht zu ertragen. Schafft mir die Pestilenz aus meiner Nase.

Dein Wille geschehe. Doch wohin mit diesen, Vater?

Sollen sie sich meinetwegen zum Teufel scheren. Nur, schafft sie fort von hier.

Sie erwarten Gerechtigkeit.

Soll sie der richtet, welchen sie anbeten.

Dein Wille geschehe.

Ihr habt es gehört. Hinweg! Schert Euch dorthin, wo ihr hergekommen seid. Schert euch zum Teufel.

Die Bande schert sich zurück zu ihren Firmensitzen in Genf. Manche scheren sich direkt zur respiratorischen Rekonvaleszenz in ihre alpinen Naherholungsgebiete rings um den Zauberberg.

Nahendes Donnergrollen.

Was ist das für ein Lärm?

Die Pforten des Bundeshauses öffnen sich. Heraus strömen die frisch gebackenen Delegierten des Volkes. Ein leicht rechtshängender Mob, dicht umhüllt vom beissenden Pulverdampf der Schlacht. Schwadernde Schwaden der Selbstbeweihräucherung erfüllen plappernd und wie die Vöglein zwitschernd den Platz des Bundes.

Was soll das und Wer ist das?

Die Auserwählten.

Wer erwählte diese?

Das Volk, Vater.

Und das ist die Auswahl?

Ja Herr. Sie erwarten Deinen Richtspruch.

Was hätt´ ich mit diesen zu schaffen?

Diese sind es, welche Jenen Obdach und Refugium gewähren, die Du – oh Herr – zum Teufel schicktest. Diese sind es, welche Jenen Schutz und Schirm und immerwährende Immunität gewähren, von Ewigkeit zu Ewigkeit …

… Amen. Unter welcher Flagge?

Unter der Flagge des weissen Kreuzes auf blutrotem Grund, oh Herr.

Teufel auch. Kuschelt hier eigentlich Jeder mit jedem?

Viele sind es, die kuscheln und viele, die kuschen.

Unter imposanten Gedönse öffnen sich abermals die Pforten des Bundeshauses.

Heraus tritt eine handverlesene Auswahl der Auserwählten. Sieben sind es an der Zahl.

Sieben erwählt aus einer Schar der Sieben mal Sieben mal Sieben.

Den Sieben Säulen gleich formieren sich die Sieben um den Thron Gottes.

Was soll das und Wer ist das?

Die Zwerge. Sieben sind es an der Zahl. Sie wollen Dir Tribut zollen, oh Herr!

Zwerge? Aus dem Zauberberg?

Sie gehen ein und aus in diesem und bei denen, welchen sie Obdach gewähren, suchen sie Rat.

Is that so?

Ja. Sie streifen manchmal durch die schwefligen Urgründe der Hölle, wo auf Teufelkommraus Ränke geschmiedet, Tränke gebraut und wundersame Zauberformeln erfunden werden.

Dacht ich´s mir doch. Es riecht es schon wieder so kokelig. Wo ist eigentlich Schneewittchen?

Schläft noch ihren Schönheitsschlaf.

So? Blaaset mer doch alli i d Schue.

Gleichwohl, ob National-, Stände- oder Bundesrat, ziehen sich – gehorsam wie die Lämmer – je einen Schuh aus, um in diesen zu blasen. Um nur ja nicht die Balance – manche sagen den Konsens – zu verlieren, hüpft ein Jeder von ihnen auf dem jeweils anderen Bein.

Ein Mancher, wenn nicht gar Jeder, singt dazu das Lied «Ein Männlein steht im Walde …»

Was soll das Gehüpfe?

Sie halbieren ihren ökologischen Fussabdruck.

So? Mir reichts! Soll richten, wer da will. Von mir aus kann auch jeder von jetzt ab die Luft anhalten, um seine CO₂-Bilanz zu schönen. Macht, was ihr wollt. Das Jüngste Gericht ist bis auf weiteres verschoben. Ich geh jetzt meine Radieschen von unten giessen.

Unter grossem Brimborium wird das apokalyptische Szenario abgebaut. Das Tier grunzt und schert sich dahin zurück, wo es hergekommen: in sein altes, stickig-stinkendes Drachennest.

Derweil halten die armen Seelen die Luft an. Raum und Zeit entspannen sich, um noch – nur für dieses eine Mal noch – ihr Kontinuum fortzusetzen. ♦

von Oliver Hepp


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JFK und die Faktenchecker

– Hallo.

– Hallo.

– Du bist die Faktencheckerin (im Folgenden FC) der Stunde. Du hast einen tollen Preis bekommen. Erstmal Glückwunsch dazu.

– Danke. Den Fuck & Check-Award.

– Fuck mit «U»?

– «U» steht für «unterirdisch».

– OK. Deine FCs gehen weg wie warme Semmeln.

– Ja. Alle 20 Minuten gehen sie raus. Da komm ich mit dem Checken gar nicht mehr nach.

– Auch im Fake-News checken bist du grosse Klasse.

– Da hab´ ich meinen Master drin gemacht.

– In Fake-News?

– Ja. Den graduierten «Fake Master» (FM).

– Wie alt bist du?

– Gerade volljährig geworden.

– Wow. Und schon den Master!

– Logo.

– Die Leute hören auf dich.

– Ja. Voll krass.

– Ich finde das toll, wenn Leute auf junge Leute wie dich hören und nicht auf so alte reaktionäre Säcke wie mich.

– Ja. Krass.

– Darf ich dich ein bisschen checken?

– Klar. Leg los.

– Okay. Los geht´s. Wer hat 9/11 die drei Zwillingstürme des WTC in Schutt und Asche gebombt?

– Osama bin Laden.

– Okay. War ´ne Fangfrage. Es waren nur zwei Zwillingstürme. Drum heissen sie ja Zwillingstürme. Und Osama war an diesem Tag gar nicht vor Ort.

– Cool.

– Der dritte Turm war gar kein Turm, sondern ein Gebäude Namens WTC 7. Aber der Name ist ja immerhin gefallen.

– Wer ist gefallen?

– Osama bin Laden.

– Aber das ist doch auch so ´ne Verschwörungstheorie, oder? (im Folgenden VT)

– Wow. Das weisst du?

– Klar. In VT hab´ ich meinen Bachelor gemacht.

– Cool. Darf ich dich in VT abchecken?

– Schiess los.

– Wer erschoss JFK?

– Wen?

– John Fitzgerald Kennedy, den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten?

– Lee Harvey Oswald.

– Das kam ja wie aus der Pistole geschossen.

– Darf ich dich auch mal was fragen?

– Klar.

– Du sagtest der 35. Präsident!

– Sagte ich.

– Gab´s da vor dem … JFK noch andere Präsidenten?

– Ne Menge.

– Wie viele?

– Vierunddreissig. Darum war dann John Fitzgerald der 35.

– Cool.

– Bin ich wieder dran?

– Klar. Du machst das Interview.

– OK. Also JFK …

– … der 35. Präsident der Vereinigen Staaten von Amerika.

– 1963. Dallas.

– Klar. Und?

– Und es war nicht die CIA, die ihn erschoss?

– Nö.

– Sicher?

– Ich hab ´nen Bachelor.

– Nächste Frage: Wer erfand das Wort Verschwörungstheorie?

– Keine Ahnung.

– Die CIA. 1963.

– Echt wahr jetzt?

– Kannst du checken.

– Krass. Das muss ich mir aufschreiben.

– Wenn du so weitermachst, bekommst du noch ´nen Master in VT.

– Cool. Dann krieg ich auch mal den Pulitzerpreis.

– Sicher. Zurück zum Attentat.

– Okay.

– Also, es war Lee Harvey Oswald?

– Eindeutig.

– Ein Einzeltäter.

– Klar.

– Also Lee & Harvey & Oswald?

– Logo.

– Also dann waren es insgesamt drei Täter, die den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika am 22. November 1963 um 12 Uhr 30 in Dallas erschossen? Nicht nur einer?

– Es waren drei Einzeltäter.

– Danke für dieses Gespräch. ♦

von Oliver Hepp


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Im stillen Gedenken an den 13.09.2021

Zwei Jahre ist’s schon wieder her, was heutzutage eine Ewigkeit ist.

Was war da noch gleich? Sind irgendwo Flugzeuge reingeflogen? Oder irgendwas, an das man sich sonst wie erinnern sollte? Da war doch was. Aber was? Ach ja: Die Einführung der Zertifikatspflicht. Das war’s! Da hätten wir doch beinahe in turbulenten Zeiten unseren Jahrestag vergessen.

Und aufgehoben wurde sie ja auch schon wieder, die Zertifikatspflicht. Heimlich, still und leise. Man soll – so wird gemunkelt – jetzt wieder überall reisen können. So einfach von A nach B. Ohne Zertifikat. Potztausend! Glauben mag ich es so nicht wirklich, aber zu hoffen trau ich mich immerhin. Offiziell aufgehoben wurde die Pflicht zum Zertifikat ja kurz bevor der sogenannte Krieg losging. Kurz vor dem Krieg oder dem Konflikt oder wie man das nennen will, was sich jetzt schon seit geraumer Zeit vor sich hin legitimiert. Der Krieg mit allen Mitteln und ohne Sinn. Wie halt Kriege so sind, wenn sie ausbrechen. Man führt sie bis zum Erbrechen. Und wer noch übrig bleibt, darf ins Kotztütchen sitzen.

Jedenfalls: Vor der Aushebung zum Krieg, da war die Aufhebung des Zertifikats. «Aus» und «Auf» – so merk’ ich mir’s immer. Wir sollten lieber Eselsbrücken bauen, statt mit Panzern deutsche Regallücken im Armeebestand zu füllen. Aber ich schweife ab. Immer neutral bleiben. Das habe ich mir auf meine Flagge geschrieben, die alle Farben ziert, ausser die vom Regenbogen. Aber ich schweife ab.

Schade eigentlich, dass die Zertifikatspflicht nicht erst später, zum Beispiel am 01. April 2022 aufgehoben wurde. Weil dann hätt’ ich’s wenigstens für einen Schnapszahlenscherz halten können, die Aufhebung der Erhebung. Weil: Irgendwer hat ja schliesslich den Schalter umgelegt. Von auf Hott. Für alle, die sich mit trojanischen Pferden nicht auskennen: Was am 16. Februar 2022 noch war, war am 17. Februar 2022 plötzlich Hott. Hühott – ein guter Scherz, hätte ich gedacht, wenn es erst am 1. April gewesen wäre.

Ich erinnere mich noch genau, wie ich am Tag nach der Aufhebung mit der Maske in einen Laden ging und plötzlich von genau den gleichen Leuten schräg angeschaut wurde, die mich am Vortag noch hinter ihrer Maske hervor schräg angeschaut hatten, weil ich keine Maske getragen hatte. In diesem Moment begriff ich schlagartig, dass es immer dann lustig wird, wenn keinem zum Scherzen zumute ist.

Am 13.09.2021 aber, dem Tag, an dem die offizielle Schweiz die offizielle Apartheid einführte, da hatte der Scherz eine Vorlaufzeit. Pointen mit Ankündigungen sind bestenfalls öde. So war mir auch zumute. Vielen um mich herum schien gar nicht aufzufallen, was mir auffiel. Ich dachte, dass wir solche Scherze seit der Freilassung Mandelas überwunden hätten. Aber natürlich: Es ging ja um was ganz anderes und für was ganz anderes kann man auch getrost die Apartheid wieder einführen.

Der vorletzte oder der hinterletzte Herbst?

Plötzlich hiess es: Es gibt solche und solche! Zu welchen willst nun du gehören?

So war das damals. Vor zwei Jahren, die eine halbe Ewigkeit zurückliegen. Heerscharen an Dienstleistern (Hotel- und Gastrobesitzer, Ladenpersonal, Fast-Food-Mitarbeiterinnen usw.) wurden in die Exekutive rekrutiert, um die Spaltung der Gesellschaft auch ordnungsgemäss zu kontrollieren. Den meisten war’s peinlich, andere taten ihren freiwilligen Dienst – ich will mal sagen – beflissen. Es geschah im Dienst einer … höheren Sache. Volksgesundheit ist so eine Sache. Eine ernste obendrein. Gerade jetzt, im Herbst 2023, da uns die neue Virusvariante Eris schmackhaft gemacht werden soll. «Eris» – die altgriechische Göttin der Zwietracht und des Streits. Aber ich schweife ab.

Irgendwie schien sich niemand sonderlich an der Apartheid zu stören im Herbst 2021. Es gab dann irgendwann im vorletzten Herbst – oder war es gar der hinterletzte? – auch so eine Abstimmung, wo man schwarz auf weiss sehen konnte, dass sich gefühlte 62 Prozent der Bevölkerung mit dem neuen Schwarz-Weiss-Schema angefreundet hatten. Und wenn man nachfragte, was genau denn das solle, gelangte man zu der finalen Aussage, dass es ja schliesslich die anderen um einen herum so oder ähnlich machten und es bei uns doch gar nicht so schlimm sei. Dem war nichts entgegenzusetzen, ausser dass es bei den anderen wohl so oder ähnlich wie bei uns ist, vielleicht nur ein bisschen schlimmer, bevor es dann auch mal bei uns so richtig schlimm wird – was aber nicht mehr als knappe 30 Prozent zu glauben bereit sind.

9/13 oder 9/11 …

Ich erinnere mich an einen Kollegen, der in geselliger Runde bei einem Apéro im März 2022 auf die Frage, was Satire alles darf, mit dem berühmten Tucholsky-Zitat «Satire darf alles» prahlte und leicht zeitverzögert hinzufügte: «… natürlich das Corona-Thema ausgeschlossen», wobei er vor sich mit den Händen eine limitierende Geste machte, die ungefähr der Abmessung einer Bierharasse entsprach. Daraufhin betrank ich mich frank und frei. Der Apéro war gesponsert. Den Sommer 2022 hindurch nüchterte ich mich wieder aus, wohl wie wir alle. 2023 wurde für mich dann das Jahr der Ernüchterung, in dem ich alle meine Schäflein ins Trockene brachte, bevor ich wieder mit dem Trinken begann.

Wenn ich jetzt so rumfrage bei dem kleinen Rest Menschen, die man überhaupt noch irgendwas fragen darf, höre ich vor allem eines: So etwas kommt bestimmt nicht wieder. Und dass wir wahrscheinlich genau das sicher überwunden hätten, was sowieso niemandem besonders aufgefallen sei.

Wenn ich heute recht bedenke, sollte ich beherzigen, was ich schon vor dreieinhalb Jahren sinngemäss dergestalt formuliert hatte: Es gibt in diesen Zeiten keinen Grund, wirklich keinen, sich nicht restlos zu betrinken. In diesem Sinne: Einen Toast auf den zweiten Jahrestag im stillen Gedenken an den 13.09.2021. ♦

von Oliver Hepp


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Debattenkultur im Hochsommer

– Sie lehnen also Politiker per se ab?

– Ja.

– Warum?

– Die Erfahrung lehrt uns: Wenn wir sie nicht brauchen, sind sie da, und wenn wir sie brauchen, sind sie weg oder aber sie sind da, aber zu nichts nütze. Also heisst es zukünftig: Wehret den Anfängen.

– Was sagen Sie dazu?

Ein Politiker sagt was dazu. (Das inhaltliche, welches der Politiker dazu hier und im Folgenden sagt, ist irrelevant. Darum beschränken wir uns darauf, zu erwähnen, dass der Politiker das tut, was er am besten kann: Luftmoleküle bewegen.)

– Und was entgegnen jetzt Sie darauf?

– Nichts.

– Nichts?

– Meine Entgegnung würde einen Politiker nur dazu ermutigen, etwas zu entgegnen. Da ich Politiker aber bezahle, kann und darf ich mir das ersparen.

– Sie sind angesprochen. Was sagen Sie dazu?

Der Politiker bewegt heisse Luft.

– Würde es Ihnen was ausmachen, das Studio zu lüften?

– Wieso?

– Es ist so stickig hier drin.

Das Studio wird gelüftet.

– Besser?

– Wenn er aufhören würde zu reden, wäre es besser.

Der Politiker schweigt widerwillig.

– Nun denn. Wie sähe denn ein Staat ohne Politiker für Sie aus?

– Besser.

– Besser als was?

– Als jede nur denkbare Regierungsform.

– Aber regiert werden muss doch?

– Ja. Aber ohne Politiker.

– Was sagen Sie dazu?

Der Politiker sagt viel. Die Luft im Studio wird trotz geöffnetem Fenster stickig.

– Könnten wir vielleicht das Studio abreissen. Dann wäre mir wohler.

Das Studio wird abgerissen.

– Und?

– Jetzt ist mir wohler. Senden wir noch?

– Nein.

– Gottseidank.

– Wieso Gottseidank?

– Es kann nichts mehr verbreitet werden.

– Aber das Volk muss doch informiert werden.

Ja. Aber nicht durch die Verbreitung.

Der Politiker sagt etwas sehr Emotionales.

– Jetzt haben wir den Salat.

Ich bin sehr froh, dass wir nicht mehr auf Sendung sind.

– Wieso?

– Niemand kann es hören.

Der Politiker sagt etwas zu seinem Arbeitsplatz und überhaupt.

– Was sagen Sie dazu?

– Könnten wir nicht auch gleich in einem Aufwasch den Regierungssitz abreissen?

– Wieso das?

– Dann wäre dort die Luft auch viel besser und niemand würde erfahren, dass es zum Beispiel einen Regierungssitz gibt.

– Das ist absurd. Das Volk hat ein Recht …

… auf frische Luft. Gerade jetzt im Sommerloch.

– Ich würde sagen, diese Saure-Gurken-Debatte führt zu nichts.

– Das hoffe ich auch.

Der Politiker sagt noch was. Gewohnheitsmässig. Er redet und redet, bis die Sonne untergeht.

– Lassen wir ihn reden, bis er ins Sommerloch fällt. Dann hört man ihn eventuell nie wieder.

– Ich mach jetzt auch Feierabend.

Die Protagonisten verlassen den Ort. Der Politiker redet. Niemand hört ihn. ♦

von Oliver Hepp


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Der freie Wille

175 Jahre Bundesverfassung. Eine Revision in drei Paragraphen.

Die Bundesverfassung ist in schlechter Verfassung. Sie muss neu verfasst werden. Ausserdem ist sie viel zu kompliziert. Höchste Zeit, sie auf das Wesentliche zu vereinfachen.

§ 1: NIEMAND DARF GEGEN SEINEN FREIEN WILLEN ZU ETWAS GEZWUNGEN WERDEN.

Kommentar: Der Satz spricht für sich selbst. Niemand ist Niemand. Niemand ist nicht Jeder. Jeder ist Niemand. Etwas ist Etwas. Etwas ist Allesund nicht etwa Nichts, mit dem es heutzutage gerne verwechselt wird. Damit ist schon alles gesagt, was darüber zu sagen ist. Punkt.

Kommentar zum Kommentar: Leider zeigt uns die Erfahrung der letzten dreieinhalb Jahre, dass der unumstössliche Satz Punkt um Punkt ohne äussere Not umgestossen wurde. Verfassungsrechtlich kann man nur noch von einem darniederliegenden Grundsatz sprechen. Der verfassungsrechtliche Grundsatz aller Sätze wurde so unumstösslich zum Erliegen gebracht, dass er es nach Meinung der Verfassungsrechtler bereits aufgegeben hat, jemals wieder aufzustehen.

Kommentar zum kommentierten Kommentar: Man muss schon den gesamten Volkswillen aufbringen, um nicht auf das zu schauen, was offensichtlich ist: Die Aushebelung der Verfassung.

§ 2: NIEMAND DARF GEGEN SEINEN FREIEN WILLEN ZU ETWAS GEZWUNGEN WERDEN.

Kommentar: Gegenüber § 2 könnte man einen Zwang oder eine besondere Zwangslage zu Geltung bringen. Zwang wird durch Kontrolle verfügt und ausgeübt. Alles und alle Mittel sind recht, den Zwang auszuüben und Kontrolle zu verfügen. Der Zweck ist nur einer: Alle Mittel zu heiligen. Es ist egal für was, gegen wen oder wofür und wogegen. Es ist egal in welchen Bereichen, da es alle Bereiche betrifft.

§ 3: NIEMAND DARF GEGEN SEINEN FREIEN WILLEN ZU ETWAS GEZWUNGEN WERDEN.

Kommentar: Das wichtige Mittel, um § 3 auszuhebeln, ist die Spaltung. Spaltung in allen Bereichen, sei sie öffentlicher oder privater Natur. Da Spaltung das einzige Mittel einer Minderheit ist, über die Mehrheit Macht auszuüben und den freien Willen zu unterdrücken, ist sie ab sofort verboten. Sei es bei Menschen, Atomen oder Tabletten.

Daher: Spaltung gehört in den Kübel der Geschichte.

Kommentar zum Kommentar: Die Macht geht vom Volke aus. Abspaltprodukte wie Volksvertreter – oder schlimmer noch Politiker –, die in irgendeiner Weise Macht ausüben und/oder diese direkt oder indirekt vertreten, sind mit sofortiger Wirkung vom Volke auszuschliessen und nicht mehr wählbar, da sie ausserhalb des Volkskörpers agieren. Politikerlöhne und Gehälter sind auf netto Null zu kürzen. Wiederholungspolitiker sind in die Zwangsimmunität zu überführen, wo sie bis auf weiteres verwahrt werden.

Abschliessende Bemerkung zur revidierten Verfassung

Der ärgste und einzige Feind, welcher die Macht hat, um die revidierte Verfassung ausser Kraft zu setzen, ist die Angst. Gegen die Angst ist kein Kraut gewachsen. Die Angst reisst mühsam Stein um Stein errichtete Verfassungsmonumente in einem Augenaufschlag nieder. Die Angst vernichtet Vernunft, Verstand und Gefühl. Wie uns ist es der Angst freigestellt, zu befallen und zu besetzen, wen und wie es ihr beliebt.

Darum gilt: Ausnahmslos alles und jeder, der Angst erzeugt oder dazu angetan ist, Angst zu erzeugen, ist ein Verfassungsfeind.

Stelle dich auf Seite der Verfassung und habe keine Angst, denn nur die Verfassung und nicht die Angst wird dich schützen. Solltest du auf etwas anderes als die Verfassung vertrauen, weil du z.B. Angst hast und gerne jemand anderem als der Verfassung z.B. Verfassungshütern vertrauen möchtest, wird die Verfassung ausser Kraft gesetzt und du bist wem und was auch immer auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Fazit

Dies ist die Neue Bundesverfassung, welche nach ihrer Revision eigentlich genau der alten Bundesverfassung entspricht, die wie gesagt so kompliziert verfasst war, dass sie in allen zur Verfügung stehenden Punkten ausser Kraft gesetzt werden konnte. Dies darf nicht noch einmal passieren. Denn: «Niemand darf gegen seinen freien Willen zu etwas gezwungen werden.»

Niemand. ♦

von Oliver Hepp


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Meine Mutter, die Wutbürgerin

München 2020/2021: Coronazeit. Markus-Söder-Land. Massnahmenwahnsinn. Kein Spass das. Eine Frau im fortgeschrittenen Alter betritt das Tram, die Maske einen Spaltbreit unter der Nasenspitze. Sie erntet böse Blicke. Das reicht ihr schon, um loszulegen. Sie reisst sich die Maske vom Gesicht und schleudert Jung und Alt die Wahrheit ins vermummte Angesicht. Schonungslos, ungeschminkt. Impfung, Test, Propaganda: alles Lug und Trug! Das ganze Programm. Sie argumentiert scharf, brillant. Das kann sie. Niemand reagiert. Die Frau ist meine Mutter. Sie ist Wutbürgerin der ersten Stunde. War sie immer schon.

1943 in Berlin geboren. Ihr Wiegenlied ist der Bombenterror. In den letzten Tagen des Krieges, so wurde von den Verwandten berichtet, sang sie – ein knapp zweijähriges Kind – im Luftschutzbunker fröhliche Lieder, um den Menschen die Angst zu nehmen, lebendigen Leibes begraben zu werden. Meine Mutter sagt, dass sie keine Angst vor den Bomben hatte und in ihrer kindlichen Seele spürte, dass die Menschen Trost und Ablenkung brauchten. Dass sie heitere Kinderlieder sang, während die Bomben fielen, glaube ich ihr. Dass sie keine Angst vor den Bomben hatte, hingegen nicht.

Das Schlimmste, sagt sie, seien das betretene Schweigen und die gesenkten Blicke. Noch nie habe es jemand – jung oder altim Tram gewagt, aufzustehen und Widerrede zu halten. «So wie damals. So ist der Mensch. Willige Lämmer, die schweigend in ihr Verderben laufen. So wie damals unter Hitler. So ist es immer schon gewesen. Und jetzt wieder.»

Nach dem Krieg, zur Stunde null, schlich sich meine Mutter – jetzt ein junges Mädchen – gegen das ausdrückliche Verbot ihrer Pflegetanten regelmässig zum Bahnhof Zoo, wo die russischen Kriegsgefangenen heimkehrten. Sie kletterte auf einen Mast, damit man sie sehen könne und streckte das winzige Passfoto – das Einzige, was sie vom Vater besass – den aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrenden Soldaten entgegen. Der Vater war nicht dabei. Wenn sie heimkam, wurde sie verprügelt. Um der Prügel zu entgehen, flüchtete sie ins Badezimmer und schloss sich dort stundenlang ein, bis sich die Wogen gelegt hatten. Dort sass sie, ein verlassenes kleines Mädchen in seiner Einsamkeit und umarmte den Wasserboiler, das Einzige im kalten, traurigen Nachkriegsberlin, das ihr etwas Wärme zu schenken vermochte. Am nächsten Tag stahl sie sich wieder zum Bahnhof. Die zu erwartenden Prügel konnten sie nicht davon abhalten.

von Oliver Hepp


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Die Gedanken sind frei

Wie sagte Max Frisch nach dem Auffliegen des Fichen-Skandals in den ausklingenden 1980er-Jahren: «Ich bekenne, dass ich dieser Regierung kein Vertrauen mehr schenke.» Das ist Weltliteratur!

Wie sieht es heute aus? Ist Max Frisch nicht der, welcher hie und da so wie sein Kollege Dürrenmatt mit dem Wort «Neger» liebäugelte? Darf sich ein alter weisser Mann kurz vor seinem Dahinscheiden überhaupt das Wort «frisch» kulturell aneignen? Wir dürfen diese Giganten der Schweizer Weltliteratur also getrost vernachlässigen, nein, wir müssen sie sogar meiden oder uns gegen sie festkleben. Worum geht es überhaupt?

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) überwacht regelmässig, dafür aber unrechtmässig, den Verein MASS-VOLL! – So Nicolas A. Rimoldi, der Präsident ebendieses Wortgebildes, welcher etwas gegen Regelmässigkeit aber auch Unrechtmässigkeit hat. MASS-VOLL! Das Mass ist voll und Mässigung. Beides steckt darin. Ein Wurf, ein Kunstwerk in sich, eine wunderschöne Wortschöpfungskette. MASS-VOLL mit! Ausrufezeichen. Weltliteratur!

Rimoldi stellt im Juli 2022 ein Auskunftsbegehren an den NDB. Prompt reagiert der Nachrichtendienst am 9. Dezember 2022 mit einer Verfügung auf das Ersuchen der Bürgerrechtsbewegung MASS-VOLL! und erwidert, der Nachrichtendienst des Bundes verweigere in seiner Verfügung die Aussage im Interesse von, Zitat: «überwiegenden öffentlichen Geheimhaltungsinteressen.»

Hier ist nun der Literat gefragt. Oder der Philosoph? Oder der Staatsrechtler? Oder der Aluhutmacher? Oder gar alle miteinander! Es sei dahingestellt, was in einer Demokratie überwiegend bedeuten möge. Das entscheidet am Ende der Souverän. Doch öffentliche Geheimhaltungsinteressen? Wir müssen uns in dieser unserer Zeit entscheiden, was öffentlich und was geheim sei. Beides zusammen bedeutete die Quadratur des Kreises. Literarisch gesehen, soviel ist sicher, sind öffentliche Geheimhaltungsinteressen inakzeptabel oder wie es auf Neusprech heisst: ein No-Go. Ich möchte den Schergen der Staatssicherheit nicht vorhalten, dass sie per se wohl keine Anwärter auf den Literaturnobelpreis sind, doch lassen wir die Kirche im Dorf und fordern mit massvoller Vehemenz, dass wir zum Wohle der Staatsicherheit ein Mindestmass an Geheimhaltung vor der Öffentlichkeit einfordern müssen sowie die Öffentlichkeit vor der Geheimhaltung geschützt werden muss.

Wie sagt der Dichter: Wie wir’s auch drehen und wenden, der Arsch ist immer hinten. Oder wie sagte Max Frisch: «Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand.»

Weltliteratur! ♦

von Oliver Hepp


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