Debattenkultur im Hochsommer

– Sie lehnen also Politiker per se ab?

– Ja.

– Warum?

– Die Erfahrung lehrt uns: Wenn wir sie nicht brauchen, sind sie da, und wenn wir sie brauchen, sind sie weg oder aber sie sind da, aber zu nichts nütze. Also heisst es zukünftig: Wehret den Anfängen.

– Was sagen Sie dazu?

Ein Politiker sagt was dazu. (Das inhaltliche, welches der Politiker dazu hier und im Folgenden sagt, ist irrelevant. Darum beschränken wir uns darauf, zu erwähnen, dass der Politiker das tut, was er am besten kann: Luftmoleküle bewegen.)

– Und was entgegnen jetzt Sie darauf?

– Nichts.

– Nichts?

– Meine Entgegnung würde einen Politiker nur dazu ermutigen, etwas zu entgegnen. Da ich Politiker aber bezahle, kann und darf ich mir das ersparen.

– Sie sind angesprochen. Was sagen Sie dazu?

Der Politiker bewegt heisse Luft.

– Würde es Ihnen was ausmachen, das Studio zu lüften?

– Wieso?

– Es ist so stickig hier drin.

Das Studio wird gelüftet.

– Besser?

– Wenn er aufhören würde zu reden, wäre es besser.

Der Politiker schweigt widerwillig.

– Nun denn. Wie sähe denn ein Staat ohne Politiker für Sie aus?

– Besser.

– Besser als was?

– Als jede nur denkbare Regierungsform.

– Aber regiert werden muss doch?

– Ja. Aber ohne Politiker.

– Was sagen Sie dazu?

Der Politiker sagt viel. Die Luft im Studio wird trotz geöffnetem Fenster stickig.

– Könnten wir vielleicht das Studio abreissen. Dann wäre mir wohler.

Das Studio wird abgerissen.

– Und?

– Jetzt ist mir wohler. Senden wir noch?

– Nein.

– Gottseidank.

– Wieso Gottseidank?

– Es kann nichts mehr verbreitet werden.

– Aber das Volk muss doch informiert werden.

Ja. Aber nicht durch die Verbreitung.

Der Politiker sagt etwas sehr Emotionales.

– Jetzt haben wir den Salat.

Ich bin sehr froh, dass wir nicht mehr auf Sendung sind.

– Wieso?

– Niemand kann es hören.

Der Politiker sagt etwas zu seinem Arbeitsplatz und überhaupt.

– Was sagen Sie dazu?

– Könnten wir nicht auch gleich in einem Aufwasch den Regierungssitz abreissen?

– Wieso das?

– Dann wäre dort die Luft auch viel besser und niemand würde erfahren, dass es zum Beispiel einen Regierungssitz gibt.

– Das ist absurd. Das Volk hat ein Recht …

… auf frische Luft. Gerade jetzt im Sommerloch.

– Ich würde sagen, diese Saure-Gurken-Debatte führt zu nichts.

– Das hoffe ich auch.

Der Politiker sagt noch was. Gewohnheitsmässig. Er redet und redet, bis die Sonne untergeht.

– Lassen wir ihn reden, bis er ins Sommerloch fällt. Dann hört man ihn eventuell nie wieder.

– Ich mach jetzt auch Feierabend.

Die Protagonisten verlassen den Ort. Der Politiker redet. Niemand hört ihn. ♦

von Oliver Hepp


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