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Autor: Rafael Lutz

«Es lebe die Mensch:in»

Nena Brockhaus und Franca Lehfeldt sprachen mit zehn alten weissen Herren, die es nach ganz oben geschafft haben. Diese sind sich alle einig: Erfolgreich geworden sind sie dank Leistung. Heute zähle diese nicht mehr, so der Tenor der beiden Journalistinnen.

Einmal ganz oben anzukommen. Teil einer politischen, kulturellen oder ökonomischen Elite zu sein: Damit liebäugeln nicht wenige Söhne und Töchter aus dem Grossbürgertum. Sie wachsen in diesem Geiste auf. Der Gedanke daran mag für den einfachen Bürger, dem der Zugang in die höchsten Positionen verwehrt bleibt, reizvoll sein. Doch Sprösslinge, die aus reichen Politiker- und Unternehmerfamilien kommen, sehen sich schon von klein auf zur Elite zugehörig, als etwas «Besseres». Einmal in den höchsten gesellschaftlichen Sphären angelangt, sind sie davon überzeugt: Sie stehen deshalb dort, weil sie schlicht besser sind als die anderen. Mehr Talent haben. Mehr leisten können. Viele alte weisse Männer verkörperten diese Gesellschaftsschicht in den vergangenen Jahrzehnten wie kein anderer Typus. Und genau dieser Typus steht laut Nena Brockhaus und Franca Lehfeldt heute maximal unter Beschuss. Vor diesem Hintergrund widmeten sich die beiden Journalistinnen in ihrem gleichnamigen Buch den «alten weisen Männern», die in ihren Augen im Aussterben begriffen sind, und sprachen mit zehn gestandenen alten weissen Herren.

Eine Provokation sondergleichen in einer Zeit, wo Cancel-Culture und Identitätspolitik überhandnehmen? Mag sein. Gemein ist diesen Männern: Sie alle hatten im Beruf Erfolg, waren einmal Teil einer spezifischen Elite. Liebten ihre Arbeit. Lebten ihren «Traum». Und schauen nun mit «weisem» Blick auf ein erfolgreiches Leben zurück, während sie von weit oben die aktuellen politischen Entwicklungen analysieren. Zu Wort kommen unter anderem der Schauspieler Heiner Lauterbach, Ex-Spiegel-Chefredaktor Stefan Aust oder Wolfgang Reitzle, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von BMW. Auch Politiker dürfen nicht fehlen: Etwa der frühere CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber, Herbert Reul, der Innenminister von Nordrhein-Westfalen oder Peer Steinbrück, der ehemalige deutsche Bundesfinanzminister, der dem Schweizer Finanzplatz einst mit der «Kavallerie» drohte. …

von Rafael Lutz


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Das Scheitern ist selbstverschuldet

Aufrecht und Mass-Voll sind bei den nationalen Wahlen leer ausgegangen. Die Blamage hat viele Gesichter: Selbstherrlichkeit, Zank und ein wenig kohärentes Wahlprogramm führten dazu, dass die beiden Organisationen ihre Anschlussfähigkeit verloren haben.

Der 22. Oktober war ein Tag des Protestvotums mit einer klaren Ansage an die Politik: Die Luftschlösser-Politik von Linksgrün der letzten vier Jahre ist gescheitert. Dafür haben die Grünen und Grünliberalen nun ihre Quittung erhalten. Der deutliche Wahlsieger bleibt die SVP. Die Partei verliert zwar im Ständerat einen Sitz, hat aber im Nationalrat 9 der 12 Sitze zurückgewonnen, die sie 2019 verloren hatte.

Innerhalb der etablierten Parteien ist die SVP meist die einzige, die immer wieder einmal Gegensteuer leistet – wenn auch oft nur sehr zurückhaltend. Für oppositionelle Politik gab es zuletzt Grund genug: Man denke nur an die Corona- oder die Energie-Politik, die die Bürger mehr und mehr entmündigt und auf das Portemonnaie abzielt.

Das darf, so denke ich, einmal nüchtern festgehalten werden. Und das ist kein Loblied auf die SVP – zu deren Wirtschafts- oder Migrationspolitik man geteilter Meinung sein kann. Nun hat sich der kritische Kurs der SVP, so scheint es, ausgezahlt.

Ganz anders Mass-Voll und Aufrecht. Beiden Organisationen hat es nicht einmal für einen einzigen Sitz gereicht. Was ist da geschehen?

Schafften es Organisationen wie die Freunde der Verfassung und Co. doch während der Hochzeiten der Pandemie, mehr als ein Drittel der Stimmbürger hinter sich zu scharen. Man fragt sich: Wie war eine solch krachende Niederlage möglich? Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Doch der Reihe nach.

Egoprobleme und Kritikunfähigkeit

«Wir haben relativ gut abgeschnitten. Das kann man sagen. … Das ist ein beachtliches Resultat», kommentierte Patrick Jetzer, Chef von Aufrecht Schweiz, das Ergebnis nach den Wahlen auf Hoch2. Seine Organisation blieb zwar in allen Kantonen unter einem Wähleranteil von zwei Prozent, trotzdem gab sich Jetzer zufrieden. Er sprach von einer guten Ausgangslage für die kommenden kommunalen Wahlen.

Frei von jeder Selbstkritik äusserte sich auch Mass-Voll- Chef Nicolas Rimoldi: «Mass-Voll ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte.» Dabei ging auch seine Organisation leer aus. Auch die ständige mediale Aufmerksamkeit, die Rimoldi in den Monaten vor den Wahlen wie nur wenige Politiker genossen hatte, half nicht. Rimoldi zeigte sich stolz, weil er in Zürich mit 10´398 Stimmen besser als Erich Vontobel (9390 Stimmen) abgeschnitten hatte, der für die EDU nun in den Nationalrat gezogen ist.

Hier tritt bereits ein erstes zentrales Problem deutlich zutage. Rimoldi und Co. waren zuweilen mit einer Selbstherrlichkeit unterwegs, die Berset und Co. in nichts nachsteht. Sie versuchten zu Recht, aus der Pandemie politisches Kapital zu schlagen, scheiterten aber gerade auch deshalb, weil in ihren Organisationen ein autoritärer Geist vorherrschte – den sie in der Öffentlichkeit pausenlos anprangerten. Kritiker und basisdemokratische Stimmen hatten einen schweren Stand. Ähnliches beobachtete man in der Vergangenheit schon bei den Freunden der Verfassung (FdV).

Streitereien schadeten enorm

So schmiss etwa Christian Besmer, der die Co-Leitung für Aufrecht im Bezirk Horgen innehatte, aus Frust noch in der ersten Hälfte des Jahres das Handtuch. Joyce Küng, die lange mit Rimoldi zusammengespannt hatte, verliess die Organisation, weil Rimoldi alles selbst bestimmen wollte. Es könnten nach Belieben weitere Beispiele genannt werden.

Die beiden Protagonisten verfolgten knallhart ihre eigenen Interessen. Die Spitznamen «Rimoldiva» und «Napoleon», welche in der Szene häufig zu hören sind, kommen nicht von ungefähr. Wer es wagte, Rimoldi und Jetzer zu widersprechen, bekam Probleme. Kritik aus den eigenen Reihen prallte immer wieder an ihnen ab. Die «Stars» wussten alles besser.

Gleichzeitig konnten sich Jetzer und Rimoldi auch gegenseitig nicht riechen. Jeder war überzeugt von seiner Strategie: Auf ging keine. Wer scheinbar alles besser weiss, ist zum Scheitern verurteilt.

Es schien fast so, als würde Rimoldi keine Gelegenheit auslassen, um Angriffsflächen zu bieten. Dass er vor allem Stimmen am äussersten rechten Rand fischte, war ihm offenbar auch recht so. Stichwort «Braunau» oder «Remigration». Während Donald Trump in der Vergangenheit erfolgreich nach dem Motto «Any news ist good news» politisierte, ging diese Strategie bei Rimoldi nicht auf. Der Bewegung schadete er damit. Sogar Aufrecht – nicht gerade bekannt dafür, von anderen zu «distanzieren» – tat dies während der Wahlkampagne. Aber wer sich öffentlich fetzt, weckt nicht gerade Vertrauen.

Mit Mühe und Not einigten sich Mass-Voll und Aufrecht im Kanton Zürich auf eine Listenverbindung. Und wie so oft in solchen Situationen, in denen sich zwei streiten, freut sich am Schluss der Dritte. In diesem Fall Erich Vontobel. Er profitierte von der Listenverbindung von Mass- Voll, Aufrecht und den Schweizer Demokraten und holte für die EDU einen zweiten Nationalratssitz.

Kaum anschlussfähig

Der Streit in den eigenen Reihen ist das eine, die fehlende Anschlussfähigkeit in der Mitte der Gesellschaft das andere. Diese war 2021 noch gegeben, wie Organisationen wie die FdV bewiesen hatten. Rimoldi setzte ein libertäres Parteiprogramm auf, mit dem man in der Schweiz bloss an den Rändern Stimmen holt. Zwar versuchte er, sich breiter aufzustellen als Aufrecht und das Corona-Damoklesschwert loszuwerden, das den Organisationen anhaftet, die in der Pandemie entstanden sind. Doch das gelang ihm nur bedingt. Für die meisten blieb Rimoldi einfach der Corona-Kritiker. Bei Aufrecht wiederum wusste man nicht so recht, für was sie eigentlich stehen. Wer unaufhörlich von Eigenverantwortung spricht und gegen einen aufgeblasenen Staat wettert, hat noch lange nicht die Herzen und Stimmen des Volkes auf seiner Seite. Kommt hinzu: In beiden Organisationen sind ehemalige Links- und Rechtsaussen- Politiker tätig. Diese mögen sich zwar in ihrer Kritik an der Corona-Politik einig gewesen sein – bei anderen Themen könnten ihre Positionen jedoch kaum unterschiedlicher sein. So lässt sich kein anschlussfähiges Parteiprogramm schreiben.

Schwander und Ender mit beachtlichem Erfolg

Dass man sehr wohl Massnahmenkritiker und anschlussfähig sein kann, illustriert der Erfolg von Pirmin Schwander. Dem bisherigen SVP-Nationalrat ist mit einem Glanzresultat der Einzug in den Ständerat gelungen. Schwander gehörte zu denjenigen Politikern, die in den Corona-Jahren den Kompass nie aus den Augen verloren haben. Er ging sowohl gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) sowie auch gegen das Covid-19-Gesetz auf die Barrikaden. Der Unternehmer traute sich auch, an Demonstrationen Gesicht zu zeigen – damit war er eine absolute Ausnahme. Nun ist sein Engagement belohnt worden.

Ausgezeichnet schlug sich auch Josef Ender vom Aktionsbündnis Urkantone. Ender erreichte mit seiner Freien Liste als Parteiloser kantonsweit das fünftbeste Resultat – eigentlich eine kleine Sensation. Damit lag er vor sämtlichen Vertretern der Mitte-Partei. Selbst die ehemalige FDP-Präsidentin Petra Gössi (16´398 Stimmen), die in den Ständerat eingezogen ist, konnte den Newcomer Ender (14´963) nur relativ knapp abhängen. Das heisst: Wäre Ender nicht parteilos, wäre er jetzt in Bern. Ender machte das, was alle erfolgreichen Politiker tun: Er bewegte sich nahe bei den Bürgern, tourte durch den ganzen Kanton. Mit Erfolg. Ender ist ein Anpacker, hemdsärmelig und auf dem Boden geblieben. Das kommt gut an. An Schwander, Ender und Co. können sich die Politiker aus dem Umfeld der Bürgerrechtsbewegung ein Beispiel nehmen.

Selbstverständlich gab es in den genannten Organisationen zahlreiche basisdemokratische Kämpfer, die hinter den Kulissen viel Knochenarbeit geleistet haben. Das gilt genauso für viele Kandidaten, die stets die Sache in den Vordergrund gestellt haben. Zu ihnen zählt etwa der ehemalige Grüne-Kantonsrat und Aufrecht-Zürich-Kandidat Urs Hans, dem wenige Tausend Stimmen fehlten. Hans, der nach den Wahlen eine selbstkritische Analyse der Niederlage vornahm, schloss diese mit den Worten: «Wir von Aufrecht Zürich machen weiter. Am Sonntag haben wir an die Türe des Bundeshauses geklopft und in vier Jahren gehen wir hinein.» Wir sind gespannt. ♦

von Rafael Lutz


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Revolution – Fluch oder Segen?

Revolutionäre Zeiten sind segensreich und Augenöffner zugleich. Sie führen dazu, dass Bürger aus dem Tiefschlaf erwachen und damit beginnen, sich zu engagieren, zu vernetzen und selbstständig zu urteilen.

Umwälzungen. Kämpfe. Proteste: Die Menschheitsgeschichte ist voll davon. Die Französische Revolution ersetzte den Feudalismus durch die repräsentative Demokratie. Die bolschewistische Revolution stürzte das Zarenreich. Später im 20. Jahrhundert folgten kommunistische Machthaber auf kapitalistische und umgekehrt – ein Fidel Castro ersetzte Fulgencio Batista in Kuba. Und auf Salvador Allende folgte Augusto Pinochet in Chile – die Liste ist lang.

Im letzten Jahrhundert wimmelte es nur so von Revolutionen: von Südamerika bis Afrika, von Europa bis nach Asien. Exemplarisch für «die Revolution der Revolutionen» steht Kuba: «Viva la Revolución», rief Fidel Castro den Massen in Havanna zu Beginn der 1960er-Jahre zu. Für eine ganze Generation von Linken bildete Kuba einen Anknüpfungspunkt. Da schaffte es ein kleines Land, sich gegen den übermächtigen Aggressor aus dem Norden zu befreien. Castro, Che Guevara und Konsorten inspirierten. Kuba galt lange als Vorbild für eine echte Revolution. Wenig später folgte die grosse Ernüchterung. Die Revolution, die den US-Vasallen und Diktator Batista stürzte, mutierte selbst zur Diktatur. Aus Unterdrückten werden Unterdrücker. Ein ewiger Kreislauf der Conditio humana?

Pessimismus ist angebracht

Bei der Frage, ob Revolutionen etwas Gutes sind, scheiden sich bis heute die Geister. Das Wort Revolution kommt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie «Umdrehung». Daher ist es wenig überraschend, dass der Begriff zunächst kein politischer war. In den Studien von Nikolaus Kopernikus war mit «Revolution» der gleichbleibende Lauf der Gestirne und somit auch der Wiederholungscharakter gemeint. Eine zunehmende Politisierung erfährt das Wort «Revolution» seit dem 17. Jahrhundert, schreibt der Philosoph Florian Gasser in seinem Buch «Theorien der Revolution».

Ab dem 17. und 18. Jahrhundert erhält der Begriff neben der politischen auch eine moralische Aufladung. Verantwortlich dafür waren die Revolutionen in England, den USA und Frankreich. Beginnend mit der «Glorious Revolution» von 1688, die die Grundlage des heutigen parlamentarischen Regierungssystems bildet, bis hin zur Französischen Revolution mit ihrer Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Vermehrt positiv konnotiert wird der Begriff ab dem 18. Jahrhundert. …

von Rafael Lutz


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Briefwechsel mit C.J. Hopkins

Betreff: Wenn der Wahnsinn regiert …

Geschätzter C.J. Hopkins

Seit Jahrzehnten schreiben Sie als preisgekrönter Satiriker, Dramatiker und Gesellschaftskritiker gegen totalitäre und autokratische Tendenzen an. Dissens und kritische Gedanken zeichnen Sie aus. Sie stehen für die USA der Rebellen. Die US-Politik setzte Ihnen in den letzten Jahrzehnten zu. Sie fanden in Berlin eine neue Heimat; dem Berlin, das John F. Kennedy einst als Hort der Freiheit bezeichnete. In dieser Stadt macht die Justiz Ihnen nun das Leben zur Hölle, weil sie Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf die Schippe genommen haben. Lauterbach hatte in einem Tweet geschrieben: «Die Masken senden immer ein Signal.» Dem fügten Sie das Cover zu ihrem Buch «The Rise of the New Normal Reich» hinzu, auf dem eine Gesichtsmaske mit einem kleinen Hakenkreuz abgebildet ist. Sie hatten schon früher festgehalten, dass Masken «ideologische Konformitätssymbole» seien. Zu viel des Guten für die Regierenden in Berlin, die offenbar keine Kunst und erst recht keinen Widerspruch mehr dulden. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungen gegen Sie aufgenommen – weil Sie über das kafkaeske Verfahren berichtet haben. In Berlin regiert offenbar der Wahnsinn. Zuletzt haben Sie sich deshalb sogar nach Italien zurückgezogen – bleiben Sie noch länger im Süden Europas?

Man scheint Sie einschüchtern zu wollen. Und diese Wahnsinnigen definieren heutzutage die «Realität», das «neue Normal», wie Sie es nennen. Diese Leute verlangen, dass wir nach ihren Spielregeln spielen, ihre Befehle befolgen. Ein grosser Fehler in Ihren Augen. Was sagen Sie den Menschen, die zwar mit den Regeln auch nicht unbedingt einverstanden sind, sie aber noch immer befolgen?

Für mich sind Sie der Beweis dafür, dass es den Verfechtern der Cancel-Culture und des neuen Totalitarismus niemals gelingen wird, Dissens erfolgreich zu unterdrücken. Sie und viele andere inspirierende Menschen verdeutlichen durch ihr Wirken: Je härter die Oberbefehlshaber der Deutungshoheit gegen Kritiker vorgehen, desto rascher dreht sich der Bumerang und wird auf sie selbst zurückfallen. Sie geben nicht sehr gerne Ratschläge. Trotzdem frage ich Sie: Was raten Sie, als subversiver Zeitgenosse, heute den Kritikern? Und wie können unsere Leser Sie unterstützen oder mehr über Ihre aktuelle Arbeit und den Stand des Verfahrens erfahren?

Herzliche Grüsse, Rafael Lutz …


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«Wir können die Welt besser verlassen, als wir sie vorgefunden haben»

Interview mit Kai Stuht.

Kai Stuht fotografierte früher Promis, Sportler und Models, heute setzt er sich für Wahrheit und Aufklärung ein. Sein neuster Dokumentarfilm «Können 100 Ärzte lügen?» handelt vom Missbrauch der Medizin in der Corona-Krise. Wir sprachen mit dem Filmemacher über sein politisches Engagement, persönliche Schicksalsschläge und die Schöpferkraft in jedem von uns.

«DIE FREIEN»: Herr Stuht, kommen Sie nicht etwas spät mit Ihrem Film? Corona bewegt doch mittlerweile niemanden mehr.

Kai Stuht: Das sagten mir viele: «Kai, das Thema interessiert keinen Menschen mehr.» Solche Sätze musste ich mir zur Genüge anhören. Fakt ist: Es handelt sich um den erfolgreichsten Film, den ich und mein Team bisher gedreht haben. Ich hatte während der Pandemie schon den Beitrag «Empty» zur Corona-Krise produziert, der sehr gut gelaufen und 2021 erschienen ist. Später folgte das «Project Fovea», ein autobiografischer Film, in dem ich meine Gedanken zur Krise äusserte. Für mich war aber klar: Es braucht einen dritten Film.

Warum?

KS: Weil ich und mein Team in den vergangenen Jahren so viele Ärzte interviewt hatten. Dass mein neuster Film nun dermassen einschlagen würde, hätte ich trotzdem nicht gedacht. «Können 100 Ärzte lügen» wird nun auch ins Englische übersetzt. Ich bin mir sicher: Der Film wird nicht nur in Deutschland für Furore sorgen.

Wie können Sie schon jetzt wissen, dass es sich um Ihren erfolgreichsten Film handelt?

KS: Viele Menschen schauten sich die Dokumentation auf unserer Website an. Wir hatten zwar keine Millionenklicks. Wir bewegen uns aber im hohen fünfstelligen Bereich. «Apolut» veröffentlichte den Film zudem im September. Dort war man total begeistert. Der Film ist auf ein riesiges Interesse gestossen. Das zeigt sich auch dadurch, dass ich viele Interviewanfragen und positive Feedbacks erhalten habe. Von Zuschauern habe ich auch die Rückmeldung, dass der Film nicht nur informativ, sondern auch unterhaltsam sei.

Was auffällt: Sie lassen nur Kritiker des Corona-Regimes zu Wort kommen. Warum haben Sie nicht auch mit der Gegenseite gesprochen?

KS: Wir haben versucht, mit der anderen Seite ins Gespräch zu kommen. Wir haben über 50 Mediziner angeschrieben, die auf der anderen Seite stehen und das Narrativ gestützt und die «Impfungen» propagiert hatten – darunter auch Christian Drosten. Wir haben aber nie eine Antwort erhalten. Genau gleich erging es auch Professor Sucharit Bhakdi mit seinem Brief an Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Auch er wartete vergeblich auf eine Antwort der Regierung.

Kein einziger Arzt, der regierungskonform war, wollte mit Ihnen sprechen? Das ist doch nicht möglich.

KS: Wir haben mit einem Arzt aus New York gesprochen, der die Massnahmen unterstützte. Ihn haben wir aber bewusst nicht in den Film eingebettet. Wir können nicht einen einzigen konformen Arzt hundert kritischen Ärzten gegenüberstellen. Die Auswahl sollte ausgeglichen sein. Das Schlimme ist: Keiner dieser angeschriebenen Ärzte wollte mit Bhakdi in Verbindung gesetzt werden. Keiner will in einem regierungskritischen Film zu Wort kommen. Wir haben zudem mehrere Ärzte interviewt, die ihre Patienten impften. Die merkten aber auch: Die Patienten sind vielfach nicht aus freien Stücken zu ihnen gekommen, sondern aufgrund des Impfdrucks. Diese Tatsache wiederum stimmte sie kritisch und führte dazu, dass sie ihre Meinung später änderten. Die Ärzte wussten gar nicht, was sie spritzten. Die konnten sich oftmals kein eigenes Bild machen. Sie glaubten lediglich das, was die Pharmaindustrie sagte. Deswegen sind noch immer viele Ärzte im Blindflug. Sie wissen nicht einmal, was sie ihren Patienten gespritzt haben.

Anfangs planten Sie, einen versöhnlichen Beitrag zu drehen, in dem Gegner wie auch Kritiker der Regierung zu Wort kommen sollten. Das gelang Ihnen nicht.

KS: Die ursprüngliche Idee lautete: Einen vermittelnden Film über die Dramatik der Lockdowns zu produzieren. Mein Team und ich interviewten viele Menschen aus der linksextremistischen Szene. Doch diese Leute fanden keinen Gefallen daran, dass wir auch mit Kritikern sprachen. Sie wollten nicht gemeinsam mit Bhakdi oder Ken Jebsen in einem Film vorkommen.

Stichwort Ken Jebsen, heute auch bekannt unter seinem bürgerlichen Namen Kayvan Soufi-Siavash. Er veröffentlichte am 19. April 2020 ein Interview mit Bhakdi, das auf ein riesiges Interesse stiess – besonders innerhalb der massnahmenkritischen Bewegung. Rückblickend kann man sagen: Sie waren mitunter der Erste, der Bhakdi eine Bühne gab. Jebsen und Sie machten Bhakdi regelrecht bekannt.

KS: Ich sagte Ken, den ich damals schon seit mehr als 10 Jahren kannte: «Den musst du unbedingt interviewen.» Dadurch erlangte Bhakdi dann auch einen unheimlichen Bekanntheitsgrad. Ich hatte das erste Interview mit Bhakdi in Kiel bereits Ende März 2020 geführt – also noch einige Tage vor Ken Jebsen. Unser Video ging damals richtig viral. Anlass dafür war Bhakdis Brief an Merkel. Darin äusserte er sachliche Kritik an den Corona-Massnahmen. Mein Team und ich wussten zu diesem Zeitpunkt bereits: Diese Inhalte sind filmreif. Uns war klar: Mediziner werden in dieser Krise eine wichtige Rolle spielen. Das war der Start für den Film «Können 100 Ärzte lügen?», nur war mir das damals noch nicht bewusst.

Sie sind ursprünglich eher ein Linker. Warum haben gerade die Linken in der Pandemie so versagt?

KS: Linkes Gedankengut ist strategisch zerstört worden. Ein Pazifist gilt mittlerweile als Feigling, als Kriegsverweigerer. Pazifismus versteht man heute bloss noch als eine naive Illusion, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Die Grundwerte haben sich komplett verändert. Viele haben sich mit den bestehenden Ungerechtigkeiten arrangiert. Man akzeptiert sie, wie ein Naturgesetz. Die Grünen stehen exemplarisch dafür. Auf ihren Plakaten vertraten sie bis vor kurzem noch pazifistische Positionen. Sie warben dafür, keine schweren Waffen in Kriegsgebiete zu senden. Inzwischen stellt sich ein Anton Hofreiter hin und sagt, dass Deutschland schwere Waffen in die Ukraine schicken müsse. Das ist ein Skandal.

Die Welt ist aus den Fugen geraten. In Deutschland wirbt der grüne Politiker Anton Hofreiter für Waffen, und die Massenmedien klatschen. Umgekehrt kämpft Bhakdi mit den Mühlen der Justiz, weil er die Impfpolitik Israels kritisierte und das Land als «lebende Hölle» bezeichnete. Er wurde darauf als Volksverhetzer und Antisemit abgestempelt, der den Holocaust verharmlose.

KS: Gegen Professor Bhakdi läuft noch immer ein Verfahren wegen Antisemitismus. Die Aussage war ungünstig. Ich weiss, dass er das nicht böse gemeint hatte. Er war wütend. Er versteht die deutsche Geschichte womöglich nicht so gut wie viele Deutsche. Wir Deutsche sind mit der Geschichte der Nazi-Verbrechen sicherlich vertrauter. Wir haben sie über Jahrzehnte immer und immer wieder vorgesetzt bekommen. Respekt zu haben vor Menschen, die wegen der Nazis kurz vor der Ausrottung standen, ist richtig. Hier ist Demut angebracht. Was wir aber auch nicht vergessen dürfen: Deutschland hat auch gegenüber Russland ähnliche Verbrechen zu verantworten. Rund 27 Millionen Russen sind während des Zweiten Weltkriegs umgebracht worden. Und jetzt stellt sich ein deutscher Politiker hin und sagt: «Wir brauchen schwere Waffen.» Was löst das im russischen Volk aus? Einem Volk, das wohlgemerkt Deutschland auch die Wiedervereinigung ermöglicht hat; einem Volk, das in Frieden auf uns zugegangen ist. Als ehemaliger Linker sage ich: Wir haben verdammt nochmal die Fresse zu halten und neutral zu bleiben. Wir müssen uns bewusst sein: Hofreiters Aussagen lösen in Russland eine enorme Wut aus. Das führt wiederum nur zu Hass. In den Worten des Grünen Politikers steckt so viel Ignoranz und Frechheit. Wenn Amerikaner oder Skandinavier solche Aussagen tätigen, ist das was anderes. Aber gerade wir Deutschen sollten gegenüber Völkern wie Russland oder Israel mehr Demut an den Tag legen. Und das gilt besonders für Politiker. Wenn sie jetzt mit dem Finger auf Menschen wie Bhakdi zeigen und ein Schauprozess vorantreiben, dann messen sie mit zweierlei Mass. Daran sieht man schon die Korruption. Das allein wäre schon ein Film wert.

Verstehen Sie sich heute noch als Linker?

KS: In meinen Augen geht es nicht um links oder rechts. Es geht darum, dass sich die Leute engagieren. Es geht darum, aufzuklären. Auch wenn man dann als rechter Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt wird. Damit muss man leben. Es ist wichtig, Menschen auf die Strasse zu bringen. Sie zu überzeugen. Meine tiefste Überzeugung lautet: Wir können die Welt besser verlassen, als wir sie vorgefunden haben. Das ist in meinen Augen auch der Sinn des Lebens. Man kann sich nicht davor drücken, bestimmte Probleme anzupacken. Ich stehe für friedliche Anarchie und ich bin überzeugt: Wir müssen uns spirituell weiterentwickeln. Die gegenwärtige Krise hilft uns diesbezüglich. Wir, die 99 Prozent, sind immer stärker. Albert Einstein sagte sinngemäss: Nicht die Eliten sind für Machtmissbrauch verantwortlich, sondern die Gesellschaft, die diesen erst zulässt. Das ist auch der Grund, weshalb ich kürzlich in Bonn war. Dort fanden die Bundesvorstandswahlen der Partei «Die Basis» statt, wo ich zum Kommunikationsverantwortlichen gewählt worden bin. Für mich als ehemaliges Mitglied der Piratenpartei ist «Die Basis» zur neuen Heimat geworden. Ich bin mir sicher: Wir, die 99 Prozent, können alles verändern, was wir verändern wollen. Wir sind in der Lage, sozialen Frieden zu schaffen. Wir sind fähig, eine vernünftigere Aussen- und Wirtschaftspolitik voranzutreiben.

Wie soll das gehen? Ihre Partei ist machtlos. Sie ist nicht einmal im Bundestag.

KS: Die Partei zählt rund 27´000 Mitglieder. Wenn jedes Mitglied in seinem Umfeld wiederum zehn neue Mitglieder in die Partei bringt, dann sind wir schon bei 270´000 Menschen. Mit einer weiteren Kampagne erreichen wir rasch einmal über eine Million Menschen. Dann können die grossen Medien die Partei nicht mehr ignorieren. Das sollte uns klar sein. Wenn wir etwas verändern wollen, braucht es Mut. Es geht darum, die Macht des Souveräns zu zeigen.

Den Parteien ist doch nicht mehr zu trauen. Sobald eine Partei wie «Die Basis» zu einem Machtfaktor wird, wird sie gekapert …

KS: Ich glaube auch nicht an das bisherige Parteiensystem. Ich glaube aber an das Grundgesetz, das gut ist – auch wenn es teilweise überarbeitet werden muss. Genauso glaube ich an die Demokratie. Ich glaube an ein Bürgerparlament. Bürger müssen sich politisch viel mehr engagieren und mitarbeiten können. Ums kurz zu machen: Eine ausserparlamentarische Opposition kann man viel schneller zerstören. Deshalb ist es wichtig, ins System hineinzugehen und dieses mit den eigenen Waffen zu schlagen. Man stelle sich vor: Eine Million Menschen organisieren sich bei der Partei «Die Basis». Für die etablierten Parteien wäre das ein K.O.-Schlag. Ich will ein chaotisches System, erst dann kann wieder etwas Neues entstehen.

Das «Neue» kann von den üblichen Verdächtigen sofort unterwandert werden …

KS: Klar. Streitereien und Unterwanderung sind nie zu vermeiden. Aber: Allein das bringt schon neue Strukturen. Plötzlich entdecken die Leute ihre Kraft. Es geht darum, ein Zeichen der Macht zu setzen. Ich bin davon überzeugt: Das wird alles verändern. So kann ein Zeichen für ganz Europa gesetzt werden.

Zurück zu Ihrem Film: Die Reichen und Mächtigen kommen in Ihrer Dokumentation schlecht weg. Gibt es auch Dinge, die wir von ihnen lernen können?

KS: Menschen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Macht erfolgreich sind, haben ihre Gott-ähnliche Energie entdeckt. Nehmen wir Elon Musk. Er hat mit Autos und Raketen die Welt verändert und will jetzt zum Mars fliegen. Das Entscheidende ist: Diese Schöpferkraft steckt in uns allen drin. Für die Tycoons besteht die Gefahr darin, dass die Bürger diese Kraft bei sich selbst zu entdecken beginnen. Das versuchten sie schon immer zu verhindern. Auch während der Pandemie, die man den Bürgern auf eine dilettantische Art und Weise verkaufte. Die Mächtigen sagten sich: «Schaut euch diese Idioten an. Wir verbreiten etwas Angst und die lassen sich sofort alle impfen. Dafür stellen sich die Massen auch noch in Schlangen an, obwohl wir alle Grundregeln der Medizin brechen. Wir spritzen sie wie Vieh.»

Das Problem ist, dass die Masse ihren «Führern» blind folgt …

KS: Klar. Die grosse Mehrheit fügt sich. Nur deshalb können die Tycoons dieses Spiel mit uns spielen. Wir müssen uns deshalb auch an unserer eigenen Nase packen. Wir sind selbst schuld, dass wir in dieser Misere stecken. Wir sollten Menschen niemals so viel Macht geben, dass sie eine Gesellschaft dermassen manipulieren können.

Sie haben sich in der Corona-Krise weit aus dem Fenster gelehnt. Hatten Sie nie Angst?

KS: Das würde ich so nicht sagen. Mir ist klar: Wir haben es mit Kräften zu tun, die keine Rücksicht auf Verluste nehmen. Nehmen wir die Ukraine: Laut einem Bericht des israelischen Geheimdienstes sind ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffs rund 18´000 Russen und etwa 160´000 Ukrainer gefallen. Als friedliche Krieger müssen wir die Auseinandersetzung, den Widerspruch suchen. Wenn wir diesen Mut nicht aufbringen, werden wir nichts verändern. Aber verglichen mit dem, was die Menschen in der Ukraine durchmachen, ist es für uns hier nicht annähernd so gefährlich. Trotzdem ist mir die Gefahr bewusst. Mein Engagement ist nicht ungefährlich und kann Konsequenzen haben. Ich kenne – als Kämpfer, der ich bin – auch meine Energie. Was mir Sicherheit gibt: Ich fühle eine spirituelle Energie, dass ich das Richtige tue. Und dieses Gefühl gibt mir eine unglaubliche Kraft, mit Ängsten, Zweifeln und Schwierigkeiten zu leben. Diese Kraft möchte ich anderen Menschen vermitteln.

Kritiker können heute schnell diskreditiert werden …

KS: Über Künstliche Intelligenz (KI) kann man den Menschen alles Mögliche in den Mund legen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass viele Menschen aufstehen. Je mehr wir sind, desto besser kann man die Gefahr auf mehr Menschen verteilen. Und desto schwieriger wird es für die Mächtigen, die Leute zu diskreditieren.

Stichwort KI: Sie sind ein grosser Gegner des Transhumanismus und der KI. Daraus machen Sie in Ihrem Film keinen Hehl. Warum eigentlich?

KS: KI ist nichts anderes als Wissen, dass man uns in den letzten 20 Jahren gestohlen hat. Die Transhumanisten haben daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Das nennt man dann KI. Der Name ist schon falsch. Es ist künstliches, geklautes Wissen. Der Transhumanismus ist eine entartete, rationale Dummheit. Wir denken, dass die KI mehr kann als wir. Das ist Unsinn. Man muss sich das am besten so vorstellen: KI ist nichts weiter als Wissen, das in einen «Mixer» gepackt und dann willkürlich wieder ausgespuckt wird – sei das zum Beispiel ein Gedicht, ein Text von Konfuzius oder sonst was.

KI wird also überschätzt?

KS: Wir Menschen sind fähig, über den «Mixer» hinaus Sachen zu interpretieren – zum Beispiel Gedichte. Wir sind schaffende, schöpferische Wesen. Und wir sind nicht dieser «Plastikmixer», bei dem einfach nur Müll rauskommt. Wir Menschen sind unglaublich vielfältig und facettenreich. Die KI bewegt sich nur im rationalen Bereich. Deshalb wird es für eine KI auch niemals möglich sein, das Menschsein als Ganzes zu erfassen, geschweige zu leben. Echtheit, Verbundenheit, Schaffenskraft, Kreativität: All das kennt die KI nicht. Wir Menschen haben die Fähigkeit, eine unheimliche Kraft in uns selbst zu entdecken. Das Gleiche gilt für das Intuitive, das Spirituelle. Das sind grosse Gaben, die der Mensch hat. Gleichzeitig sind es Ebenen, welche der KI immer verborgen bleiben werden. Das Rationale und Intuitive muss wieder ins Gleichgewicht gebracht werden.

Die Intuition passt den Transhumanisten nicht in Kram. Auch um das Gleichgewicht zwischen Vernunft und Intuition scheren sie sich wenig.

KS: Mit der Globalisierung sind in jedem Winkel dieser Erde die gleichen Bedürfnisse geschaffen worden. Dafür haben digitale Geräte wie das Handy gesorgt. Das haben die Eliten kapiert. Sie wissen über die zerstörerischen Einflüsse Bescheid, die ihre Politik verursacht hat. Künftig werden sie uns einfach in einer digitalen Welt verschwinden lassen. Man wird Menschen in 15-Minuten-Städten in Angst und Schrecken versetzen. Im digitalen «Leben» können Menschen schliesslich das Gleiche erleben. Zum Beispiel Urlaub, Abenteuer und Sex. Gleichzeitig sind sie dabei nicht den Gefahren des realen Lebens ausgesetzt. Wenn man die Leute benebelt, verstehen sie überhaupt nicht mehr, was mit ihnen geschieht. Sie sehen dann nicht mehr, dass sie in eine Falle gelaufen sind. Wir sind gerade auf dem besten Wege, in eine solche Falle zu treten.

In Ihren Augen ist die mangelnde Intuition ein Grund dafür, dass Menschen sich manipulieren oder korrumpieren lassen. Das ist auch Thema ihres Films: «Die Wissenschaft ist eine Hure der Politik geworden», sagt Ronald Weikl.

KS: Im übertragenen Sinne kann man sagen: Der Fisch stinkt. Das wissen viele Menschen in Spitzenpositionen auch ganz genau. Sie wissen, dass er nicht gesund ist. Aber: Viele schützen gleichzeitig weiterhin ihren Lebensstil, weil sie nichts anderes kennen. Sie haben Angst, dass noch etwas viel Schlimmeres kommen könnte – zum Beispiel Krieg oder Chaos. Deshalb trauen sie lieber dem Hegemon, dem Status quo, anstatt sich selber zu ermächtigen. Dem Polizisten wird gesagt: «Demonstranten sind böse.» Ähnlich läuft es in der Wissenschaft. Da kommt ein Bill Gates, finanziert dich. Und plötzlich denkst du als aufstrebender Wissenschaftler: «Das ist ja eine riesige Chance.» Entsprechend will man auch etwas «liefern». Und zwar am besten ein Resultat, das wiederum dem Geldgeber gefällt. Geld manipuliert extrem.

Wir lassen uns von Geld und Macht beeinflussen. Wir stellen Menschen rasch auf einen Thron. Und machen und selbst klein. Ein Teufelskreis.

KS: In der Tat. Wir schenken erfolgreichen Menschen oftmals unglaublich viel Aufmerksamkeit und Energie. Das habe ich früher selbst miterlebt als Fotograf von Promis. Das beobachtete ich bei Prinz Charles, Sathya Sai Baba, Chester Bennington von Linkin Park, Paris Hilton und vielen weiteren. Ich traf sie alle. Diese Menschen haben eine enorme Energie. Nehmen wir das Beispiel Chester Bennington. Ihn begleitete ich einmal während eines Auftritts.

Was beobachteten Sie?

KS: Alles begann mit einem «Meet and Greet». Da kamen Tausende von Fans. Sie überreichten Bennington Geschenke. Sie zeigten stolz ihre Tattoos, schenkten ihm Aufmerksamkeit, umarmten ihn und machten sich dann mit Tränen in den Augen wieder davon. Chester war danach voller Euphorie. Jetzt ging es richtig los. Er ging auf die Bühne, da standen 100´000 Menschen. Sie jubelten ihm zu. Es folgte ein Musikgewitter. Eine Stimmgewalt, die man sich gar nicht vorstellen kann. Doch nach dem Konzert änderte sich alles. Als wir wieder ins Hotel zurückgekehrt waren, war dieser Mann komplett am Ende. Ich machte damals ein Foto von ihm im Fahrstuhl. Auf diesem Bild sah man, wie die gesamte Energie verpulvert war. Der Mann war wie entkernt. Auf einmal war der ganze Glamour weg. All die Energie, die einem geschenkt wurde. Nun musste er sich wieder mit sich selbst auseinandersetzen. Bennington ist bloss eine Metapher. Sie zeigt: Schenken wir unsere Energie einer erfolgreichen Person, so erhält diese immer mehr Energie. Dabei sollten wir sie für uns selbst verwenden. Uns muss klar sein: Wir sind schöpferische Wesen, die Energie verteilen können.

Wie sind Sie eigentlich zum Massnahmenkritiker geworden. Wie kam Ihr Engagement zustande?

KS: Zu Beginn des ersten Lockdowns machte ich zahlreiche Interviews: Über leere Kiez, das Stillstehen der Subkultur der linken Szene und so weiter. Dann fuhr ich zur ersten Demo am Rosa-Luxemburg-Platz. Was ich sah, schockierte mich: Polizisten prügelten auf wehrlose Menschen ein, die das Grundgesetz hochhielten. Ich sagte damals zu Ken Jebsen: «Wenn das so weitergeht, gibt es hier bald Tote. Lass uns ein pazifistisches Zeichen setzen.» In einem Video rief ich die Demonstranten dazu auf, friedlich zu meditieren. Ken und ich setzten uns dann auf mein Wohnmobil und legten los. In den folgenden Tagen und Wochen begannen Tausende von Menschen auf Demonstrationen in Deutschland zu meditieren.

Die Polizei machte es den Demonstranten nicht einfach. Provokationen waren an der Tagesordnung. Die grosse Kundgebung am 1. August 2020 wurde gar aufgelöst.

KS: Umso beeindruckender war es, dass die Zigtausenden Menschen friedlich blieben nach der Auflösung. Kurz zuvor hatten die Teilnehmer alle noch eine Minute lang meditiert und ein Herz gemacht. Es war so still und friedlich, man hätte eine Nadel fallen hören können. Diese friedliche Kraft ist bei den grossen Demos immer erhalten geblieben. Ich sehe darin auch eine spirituelle Ebene.

Wie meinen Sie das?

KS: Diese Krise ist vor allem auch eine Erkenntnisreise. Sie verdeutlicht uns: Wir müssen als Gesellschaft endlich ins Handeln kommen. Wir dürfen auch nicht denken, dass die Zeit vor Corona eine gute war. Sie war vielleicht angenehm und bequem. Sie war aber auch unsozial. Wenn man den ganzen Tag immer nur herumsitzt, Chips isst und nichts macht, kommt irgendwann einmal die Watsche. Das gilt auch für die Gesellschaft: Vor Corona lebten zu viele Menschen in der Ignoranz – das versuchte ich auch mit meiner Kampagne «Ignorance Pulls The Trigger» aufzuzeigen. Nun sind wir als Gesellschaft gefordert, spirituell zu wachsen.

Auch Sie scheinen fasziniert zu seinen von den Reichen und Mächtigen. Ihre frühere künstlerische Arbeit war nur möglich, weil sie zumindest auch eine gewisse Faszination für diese Leute hegten. Als Fotograf konnten Sie lange auf gute Sponsoren aus der Industrie zählen. Sie verdienten unter anderem auch deshalb gutes Geld, weil Sie Promis fotografierten. Trotzdem sind Sie schon lange sehr kritisch. Wie kommt das?

KS: Bei mir hat die Manipulation schlecht funktioniert. Vermutlich hat das auch mit meiner frühen Krebskrankheit zu tun, mit der ich zwischen dem dritten und zehnten Lebensjahr zu kämpfen hatte. Schön früh in meinem Leben wurde ich mit essenziellen Dingen konfrontiert.

Sie sprechen viel darüber, wie wichtig die Intuition ist. Sie sagen, dass Sie diese auch dank Ihrer schwierigen Kindheit bewahren konnten. Hat man der Intuition heute den Kampf angesagt?

KS: Wenn wir Kinder füttern wie eine Stopfgans, dann triggern wir immer nur das rationale Gehirn. Oder anders gesagt: Wenn Kinder bloss mit fremdem Wissen gefüttert werden, ist das nicht ihr Wissen. Das führt später dazu, dass sie zu rationalen Ich-Wesen werden. Wir sollten für Kinder die Möglichkeiten schaffen, dass sie autodidaktisch lernen und sich selbst entwickeln können. Dann bleibt auch das Intuitive automatisch im Gleichgewicht. So bleiben sie diese Genies, die wir als Kind alle sind. Aber so funktioniert der Trick, der schon über viele Generationen weitergegebenen Manipulation.

Nicht nur in der frühen Kindheit, auch im Erwachsenenalter ereilte Sie ein weiteres Schicksalereignis.

KS: In der Tat. Mit 32 Jahren wurde ich schwer durch einen Blitz getroffen. Damals dachte ich mir: Wenn ich das schon überlebe, denn sollte ich doch künftig zumindest auf ein fotografisches Gedächtnis zurückgreifen und in grossen Shows auftreten können. Doch all das habe ich leider nicht in mir entdeckt.

Dafür kamen Sie zu anderen Erkenntnissen …

KS: In mir geschah etwas. Ich begann die Strukturen der Probleme zu verstehen. Auf einmal wurde mir vieles klar, was mir zuvor nicht bewusst respektive für mich nicht sichtbar war. Vieles von dem konnte ich später auch in meiner Arbeit aufnehmen. Beispielsweise in meiner «Ignorance Pulls The Trigger»-Kampagne oder auch im «Projekt Fovea». Eine zentrale, intuitive Erkenntnis für mich lautete: Wir sind Menschen, die alles in uns haben, aber wir sind uns dessen oft nicht bewusst.

Diese Erkenntnis liess Sie das Fliegen lernen im übertragenen Sinn. Sie sind unheimlich aktiv, immer unterwegs. Drehten allein in der Coronazeit mehrere Filme. Um nochmals auf Ihre schwierige Kindheit zurückzukommen: Hat Ihr Aktivismus auch damit zu tun? Haben Sie erst durch die Tiefen, die Sie schon früh durchgemacht haben, das Leben zu lieben gelernt?

KS: Für mich ist das Leben eine Hass-Liebe. Ich lebe in einer Welt, in der ich mich schon als Kind nicht immer zurechtfinden konnte. Schon als Kind ist mir die Welt sehr schizophren vorgekommen. Ich muss mich hier beweisen, so kommt es mir oft vor, weil es nicht meine Welt ist. Gleichzeitig liebe ich diese Welt mit all ihren Farben, Möglichkeiten und allen spannenden Erfahrungen. Unabhängig davon, ob sie gut oder schlecht sind. Doch zurück zur Frage: Ist mein heutiges Engagement auf meine Kindheit zurückzuführen? Ja, sicherlich. Das war mir aber viele Jahre nicht bewusst. Dass ich schon als Kind ums Leben kämpfen musste, half mir, die Essenz des Seins zu bewahren. Ich habe den Blick des Überlebens und der Essenz des Lebens immer in mir getragen. Um meine Krankheit zu überstehen, die laut den Ärzten nicht zu überleben war, musste ich eine immense Energie aufbringen. Diese Energie spürte ich immer. Und diese Energie ist immer in mir. Das war mir nur lange nicht klar.

Kommen wir zum Schluss nochmals auf das Thema Manipulation. Was können wir Bürger tun, um uns gegen die Flut der Propaganda von Seiten der Regierungen und Medien möglichst zu immunisieren?

KS: Wir müssen endlich die Kraft in uns selbst entdecken. Wir müssen unserer Intuition freien Lauf lassen. Nur deshalb konnte auch mein Film entstehen. Und so ist es auch mit anderen Dingen. Das Corona-Experiment der letzten Jahre hat nur funktioniert, weil ein Grossteil der Menschen immer zu den Gewinnern zählen will. Deshalb erwähne ich die eine «Million-Geschichte» gerne. Ich bin mir sicher: Wir stehen an einem Kipppunkt. Mittlerweile sind wir so weit, dass immer mehr Menschen das Risiko eingehen, sich kritisch zu äussern – ohne dabei gleich ihre Familie oder ihren Job zu gefährden. Da sind Kräfte auf der Strasse, die die Veränderung vorantreiben, und denen man sich anschliessen kann.

von Rafael Lutz

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Kai Stuht ist Fotograf, Filmemacher und Künstler. Er hat seit den 1990er-Jahren unzählige Kampagnen grosser Konzerne fotografiert, war als Sport- und Fashion-Fotograf tätig und hat zahlreiche Stars porträtiert. Die Doku «Können 100 Ärzte lügen?» finden Sie auf 100aerzte.com.


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