Skip to main content

Monat: Mai 2024

Die Welt als Klangkosmos

Interview mit Jochen Kirchhoff

Klassische Musik ist ein Weg der Bewusstseinsentwicklung, sagt der Berliner Philosoph Jochen Kirchhoff. Indem sie das Höhere und Tiefere anklinge, führe sie uns in unsere eigenen kosmischen Tiefen oder Höhen.

«DIE FREIEN»: Lieber Jochen, die Welt scheint aus dem «Takt» geraten. Wie erklärst du dir diese Verschiebung zwischen uns und dem Klangkörper dieser Erde?

Jochen Kirchhoff: Das ist natürlich eine grundsätzliche Frage. Was ist dieser Klangkörper der Erde? Ich gehe ja davon aus, dass es eine kosmische Harmonie gibt und dass die Erde in dieser eingebaut ist; im Grunde genommen als Klangkörper, der eine hohe Ausrichtung ins Kosmische hat. Wie die Diskrepanz zu erklären ist, das liegt daran, dass die Menschheitsentwicklung in den letzten Jahrhunderten sich dramatisch verändert hat. Diese Menschheit scheint in einen Katastrophenkurs verliebt zu sein, den man nicht letztgültig erklären kann. Es gibt da eine gefährliche Entwicklung, die sich seit Jahrhunderten zuspitzt. Und das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass irgendetwas fundamental schiefgelaufen ist. Da müssten wir mal darüber reden, was könnte schiefgelaufen sein? Erklärungsversuche gibt es, aber dafür müsste man in die Geschichte und ihre Grundfragen überhaupt einsteigen: Gibt es das Böse? Gibt es irgendwelche Widersachermächte, die eingreifen und das Ganze verunmöglichen? Und was hat das Ganze wiederum mit der Musik zu tun?

Wenn wir jetzt schon von diabolischen Kräften sprechen: In deinem Buch «Klang und Verwandlung» unterscheidest du zwischen «hypnotischer» Musik, die uns «knechtet», und «meditativer» Musik, die uns «erweckt». Woran machst du dieses «Doppelgesicht der Verwandlung» fest?

JK: Das geht letzten Endes zurück auf meine jahrzehntelange Musikerfahrung. Ursprünglich kam ich ja vom Jazz, bin dann aber zur sogenannten Klassik übergewechselt, habe auch eine Gesangsausbildung gemacht, und habe dann einfach verstanden, oder gefühlt, oder gewusst – durch mein Hören –, dass das eine wirkliche Öffnung bedeutet, wenn man «richtig» hört. Und als ich dann auch andere Musik gründlich studiert habe, musste ich feststellen, dass es Musik gibt, die das Bewusstsein nicht erweitert, sondern verkleistert. Hierzu gehört beispielsweise technische Musik, die im Grunde genommen den Menschen ruiniert. Da öffnet sich gar nichts. …

von Lilly Gebert

***

Jochen Kirchhoff (*1944) studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik, war viele Jahre Dozent für Philosophie an der Humboldt-Universität und der Lessing-Hochschule in Berlin. Sein Hauptinteresse galt stets dem Mensch-Kosmos-Verhältnis in erkenntnistheoretischer, naturphilosophischer und spiritueller Hinsicht.


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 12. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Können wir wissen, wie es wirklich war?

Eine Replik auf Christoph Pfister

In unserer letzten Ausgabe vertrat der Chronologiekritiker und Burgenforscher Christoph Pfister die These, dass die offizielle Geschichtsschreibung grösstenteils verfälscht sei und über unsere Vergangenheit kaum verlässliche Aussagen möglich seien. Der studierte Historiker Friedrich Hilgenstock widerspricht.

«DIE FREIEN»: Friedrich, was hältst du von der Chronologiekritik?

Friedrich Hilgenstock: Christoph Pfister stellt wuchtige Thesen in den Raum, mit denen wir uns befassen sollten. Eine wichtige Differenzierung möchte ich aber gleich zu Beginn einführen: Unterscheiden wir klar zwischen der herrschenden Meinung in der Geschichte – also dem Narrativ, das effektiv allzu oft die Sieger diktieren – und der Basis der Quellen, also der Grundlage, auf der jegliche historische Forschung basiert. Ich möchte mich auf den zweiten Part konzentrieren.

Wie weit können wir also in der Geschichte zurückblicken?

FH: Die Frage ist, ab wann eine Quellendichte vorhanden war, die uns einen Blick auf den gleichen historischen Gegenstand aus mehreren Perspektiven ermöglicht. Diese Zäsur liegt für mich nicht auf dem Beginn der Moderne – der Französischen Revolution und dem napoleonischen Zeitalter, das Christoph Pfister anführt – sondern begann mit der Professionalisierung des Buchdrucks in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ohne die massenhafte, schnelle und kostengünstige Vervielfältigung von Schriften hätte die Renaissance nicht ihren europaweiten Siegeszug angetreten und die Reformation nicht ihre regionale Durchschlagskraft erreicht. …

***

Friedrich Hilgenstock hat Geschichte an der Universität Bonn, am Institut d´Études Politiques in Paris und dem Oriel College in Oxford studiert. Hilgenstock ist sein Pseudonym, der richtige Name ist der Redaktion bekannt.


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 12. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Wer ist der hundertste Mensch?

Braucht es eine Mehrheit, um die Gesellschaft tiefgreifend zu verändern? Nein, Experimente zeigen, dass bereits eine kleine Gruppe die kritische Masse bilden kann. Sie muss dazu nicht einmal in direktem physischen Kontakt zu allen anderen stehen, denn wir beeinflussen uns gegenseitig auch über die morphogenetischen Felder.

Studien zeigen, dass der soziale Kipppunkt, um die öffentliche Meinung zu ändern, bei 3,5 Prozent liegt. In einem Verhaltensexperiment mussten sich 25 Prozent neu positionieren, um das Gesamtverhalten zu ändern. Im Finanzmarkt reichen neun Prozent, um die Meinung der Investoren zu kippen. Was viele nicht wissen: Bewusstseinsinformationen verbreiten sich auch ohne direkten Austausch, denn sie sind nicht starr an Raum und Zeit gebunden.

Interessante Erkenntnisse dazu brachte ein verhaltensbiologisches Experiment in den 1950er-Jahren auf der japanischen Insel Koshima hervor. Das Wissenschaftlerteam studierte das Verhalten einer Makaken-Affenkolonie. Die Affen wurden mit Süsskartoffeln gefüttert, die man am Strand der Insel in den Sand hatte fallen lassen. Die Affen liebten die Süsskartoffeln, aber nicht den Schmutz und den Sand, der an ihnen haftete. Eines Tages erkannte ein weibliches Jungtier, dass es die Süsskartoffeln im Meer waschen konnte. Es brachte diese Methode seiner Mutter bei und auch seine Spielkameraden begannen kurz darauf, die Süsskartoffeln im Wasser zu waschen. Unter den Jungtieren verbreitete sich diese Methode schnell. Von den ausgewachsenen Affen lernten aber nur diejenigen diese Methode, die Kinder hatten. Es ist bereits bemerkenswert, dass die Jungtiere den Älteren etwas beibringen.

Doch im Herbst 1958 ereignete sich etwas wirklich Sonderbares: Alle Affen begannen, ihre Süsskartoffeln zu waschen. Dies geschah aber nicht nur auf der Insel Koshima, sondern gleichzeitig auch auf den Nachbarinseln und sogar dem japanischen Festland. Ein Schwellenwert oder Kipppunkt war überschritten worden: Die Wissenschaftler bezeichneten es als den hundertsten Affen, der das Verhalten nachahmte und bewirkte, dass plötzlich alle Affen der Insel Koshima das Verhalten übernahmen. Dies bestätigt die oben genannte Studie, dass circa 25 Prozent für eine Verhaltensänderung reichen. Wie aber lässt sich erklären, dass andere Populationen ihr Verhalten zeitgleich änderten, ohne in physischem Kontakt zueinander gewesen zu sein?

Gibt es eine Art Bewusstseinsnetz, welches alle Affen verbindet, und wenn ja, ist so etwas auch beim Menschen möglich? Diesem Mysterium ging ein Team von Forschern in Australien und England nach. Für ihr Experiment erstellten sie ein Bild, das aus Hunderten Einzelbildern mit Gesichtern von Menschen bestand. Das Bild wurde einer repräsentativen Versuchsgruppe in Australien gezeigt. In der Zeit, in der die Versuchspersonen das Bild betrachten konnten, konnten sie im Durchschnitt zwischen sechs und zehn Gesichter erkennen. Dieser Versuch wurde mehrmals an verschiedenen Orten in Australien wiederholt; er brachte immer dasselbe Ergebnis.

Danach wurde dieses Experiment in einer TV-Sendung, die nur in England ausgestrahlt wurde, erklärt. Dabei wurden alle einzelnen Gesichter gezeigt. Kurze Zeit später wurde das Bild in Australien einer weiteren Kontrollgruppe gezeigt und plötzlich erkannten die Testpersonen ohne Schwierigkeiten die meisten der Gesichter. Zur Zeit der Studie gab es noch kein Internet.

Die Psychologie spricht von bewussten und unbewussten Ebenen, die uns beeinflussen. Neben dem personalen Unbewussten sprach C.G. Jung auch vom kollektiven Unbewussten, dem un- oder überpersonalen Teil unseres Unbewussten. Der Teil also, der nicht durch eigene oder ererbte Erfahrungen gebildet wird, sondern aus einer Art kollektivem Feld heraus gespiesen wird. Jung verwendete hierfür gerne das Beispiel vom Schiffsarzt Robert Meyer, der wohl eine der grössten Entdeckungen des 19. Jahrhunderts machte: Dass Energie nicht verloren geht, sondern nur die Form ändern kann – der Energieerhaltungssatz. Meyer war Arzt und kein Physiker. Er erklärte, dass seine Erkenntnis nicht im eigentlichen Sinne von ihm stammte. Er sprach von Gedankenblitzen, die er erhielt und weiterverfolgte. Woher aber kamen diese?

Gemäss Jung ist die Idee der Energie und ihrer Erhaltung ein urtümliches Bild, das im kollektiven Unbewussten schlummerte. Viele Religionen und Mythologien gründen auf dieser Vorstellung eines allumfassenden Geistes, einer universellen, nie endenden Kraft.

Etwas, das viele Menschen in der Vergangenheit erlernt haben, erlernen die Menschen in der heutigen Zeit leichter. Rupert Sheldrake nennt dies das kollektive Menschheitsgedächtnis. Über die morphische Resonanz verbinden wir uns damit, schöpfen daraus und geben unsere Erfahrungen weiter. Sheldrake machte dazu folgenden Versuch: Er liess eine Testgruppe in England und den USA drei japanische Kinderreime auswendig lernen. Alle Reime hatten denselben Aufbau. Zwei davon waren erfunden, während einer ein in Japan bekannter Kinderreim ist. Die Ergebnisse waren eindeutig: Den echten Kinderreim konnten sich die Probanden signifikant besser merken. Gemäss Sheldrake sind es morphogenetische Felder, über die wir uns mit dem kollektiven Menschheitsgedächtnis verbinden.

Eine mögliche Erklärung, wie das funktionieren könnte, liefert uns die Quantenphysik mit der Funktion der Verschränkung: Dabei werden zwei oder mehrere Quantenteilchen durch Einwirkung von Energie in einen gleichschwingenden, synchronen Zustand versetzt oder besser gesagt: in Resonanz zueinander gebracht. Wenn man bei einem der verschränkten Quanten eine Veränderung herbeiführt, tritt die Veränderung unmittelbar auch beim Zwillingsteilchen ein, und zwar unabhängig davon, an welchem Ort im Universum es sich befindet. Einstein gefiel diese Theorie nicht. Er nannte sie «spukhafte Fernwirkung» und versuchte, sie im Gedankenexperiment, das heute als Einstein-Podolski-Rosen-Paradoxon bekannt ist, zu widerlegen. Heute wissen wir, dass ihm das nicht gelang.

Dieser schwer vorstellbare und mysteriöse Effekt wurde inzwischen oft reproduziert und dient auch als Schlüssel zur Teleportation. Dem Physiker Anton Zeilinger gelang es, über die Verschränkung mehr als 3000 Atome zeitgleich zu teleportieren. Im Modell wird beschrieben, dass die verschränkten Teilchen über das Quantenfeld in Verbindung stehen – der Physiker Ulrich Warnke nennt es das «Meer aller Möglichkeiten». Wenn eine Veränderung beim einen Teilchen erfolgt, geht das andere augenblicklich mit ihm in Resonanz.

Das Wissenschaftlerehepaar Huping Hu und Maoxin Wu verschränkte Wasserstoffmoleküle. Sie teilten das verschränkte Wasser in zwei Portionen und gaben die Portion A einer Versuchsperson zum Trinken. Die Versuchsperson reiste danach von San Francisco nach Peking. Als sie in Peking angekommen war, fügten die Wissenschaftler der Portion B in San Francisco ein Anästhetikum bei. Die Wirkung der Droge wurde unmittelbar, ohne Zeitverzögerung, von der Versuchsperson in Peking wahrgenommen. Das zeigt: Die Verschränkung ist unabhängig von Raum und Zeit.

Baut die Quantenphysik eine Brücke zwischen Wissenschaft und Spiritualität? Der Physiker Jack Sarfatti meinte, dass mit jedem Gedanken, jeder Handlung nicht nur unsere eigene kleine Festplatte beschrieben wird, sondern dass alles auch im Quantenuniversum abgespeichert wird und unser irdisches Leben überdauert.

In der Physik, der Psychologie, der Biologie wie auch in Religionen und Mythologien weltweit wird von einem Netz, Feld oder einer Chronik gesprochen, von der wir Informationen beziehen oder in die wir Informationen laden können. Dieses «Meer aller Möglichkeiten» bietet uns die Chance, einen sozialen Kipppunkt zu erreichen. Wenn wir dieses Feld mit einer gemeinsamen Vision von Freiheit und Liebe speisen, kann vielleicht jeder von uns der hundertste Mensch sein. ♦

von Roman Westermann


Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Synchronizitäten

Die Wiederentdeckung des grossen Zusammenhangs

Entweder man erlebt sie oder nicht – und tut sie dann als «lustige Zufälle» ab oder nicht. Diese seltsamen wunderlichen Gleichzeitigkeiten zwischen Innen- und Aussenwelt, die zusammenpassen, als wären sie choreographiert. Unser logisch-kausales Denken ist damit überfordert, aber das ist womöglich «nur» ein kulturelles Problem.

Was ist der Unterschied zwischen Zufall und Synchronizität? Charakteristisch für Letzteres ist die Sinnhaftigkeit des Zusammenhangs, die sich in einer deutlichen Ähnlichkeit zwischen innerem und äusserem Ereignis ausdrückt: Wenn Sie sich die Nase putzen in dem Moment, wo irgendjemand irgendwo vom Fahrrad stürzt, ist da kein gemeinsamer Sinn ersichtlich. Hingegen wenn Sie von einem Freund träumen, den Sie seit Langem nicht mehr gesehen haben, und dieser am nächsten Tag unerwartet vor Ihrer Tür steht, schon. Auch, wenn Sie gerade in ein leidenschaftliches Gespräch über das Jagdverhalten von Jaguaren vertieft sind und plötzlich neben Ihnen ein Auto der gleichnamigen Marke hupt, ist das einer dieser seltsamen Momente, bei denen eine blosse «Zufälligkeit» schon wahrscheinlichkeitsrechnerisch nicht zu überzeugen vermag.

Als «bedeutsame Koinzidenz psychischer und äusserer Ereignisse», bei der es sich nicht um Ursache und Effekt handeln kann, «sondern um ein Zusammenfallen in der Zeit» – so definierte der Schweizer Tiefenpsychologe C. G. Jung das faszinierende Phänomen, das er als «Synchronizität», Gleichzeitigkeit, bezeichnete.

Wer hat´s entdeckt? Die Schweizer?

Jung war ein Pionier in der Erforschung der Synchronizität, obwohl natürlich schon vor ihm geistreiche Gelehrte wie Schopenhauer die seltsamen «sinnhaften Koinzidenzen» ernstnahmen. Die Herausforderung bestand darin, ein so schwer fassbares und nicht reproduzierbares Phänomen wissenschaftlich überhaupt zu thematisieren. Jung hatte diesbezüglich grosse Vorbehalte, obwohl er überzeugt war, dass Synchronizitäten eine Tatsache und kein Hirngespinst sind. Gut überliefert ist Jungs Sitzung mit einer Patientin, die ihm einen Traum mit einem Skarabäus schilderte – kurz bevor ein aufdringlicher Käfer derselben Gattung gegen das Fenster seines Behandlungszimmers flog und lautstark Einlass begehrte. Jung war sich sicher: Solche Zeichen sind Hinweise der «tiefen, verborgenen Ordnung und Einheit aller Dinge, die existieren», die es erlaubten, «in die Welt der Magie, der unerklärlichen Phänomene des kollektiven Unbewussten vorzudringen». Aber Jung wollte nicht als Spinner dastehen. Er hatte immer strenge Ansprüche an seine Forschung, Empirik wurde von ihm grossgeschrieben. So beschrieb er seine Gedanken zur Synchronizität und zum «unus mundus» (geeinter Kosmos) relativ spät und zögerte jahrelang, mit der Thematik an die Öffentlichkeit zu gehen. Jung-Experte Murray Stein resümiert:

«1952 veröffentlichte er gemeinsam mit dem Nobelpreisträger und Physiker Wolfgang Pauli die Schrift ‹Naturerklärung und Psyche›, die den Versuch darstellt, die möglichen Beziehungen zwischen Natur und Psyche zu erhellen. Es ist bezeichnend, dass Jung das Werk gerade mit einem Naturwissenschaftler herausgab und nicht mit einem Philosophen oder Theologen … Jung wollte auf keinen Fall als Mystiker oder Metaphysiker gelten, sein Ehrgeiz war, Naturwissenschaft zu betreiben.»

von Christian Schmid Rodriguez


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 12. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Stromgesetz

Salamitaktik zur Abschaffung der Gemeindeautonomie

«Die Mitspracherechte der Gemeinden werden nicht angetastet», wiederholt Bundesrat Rösti immer wieder. Der Bund spricht von der «Wahrung von Mitsprache- und Beschwerdemöglichkeiten», das Stromgesetz ändere «nichts an den demokratischen Mitsprachemöglichkeiten der Bevölkerung. Abstimmungen zu konkreten Projekten bleiben auch bei einer Annahme der Vorlage weiterhin möglich (Faktenblatt UVEK).

Diese Aussagen sind falsch. Das revidierte Energiegesetz enthält eine vom Bund und den grossen Medien bislang eisern verschwiegene Bestimmung (Art. 13 Abs. 3):

Erkennt der Bundesrat einer Anlage ein nationales Interesse (…) zu, so kann der Bundesrat zudem beschliessen, dass die notwendigen Bewilligungen in einem konzentrierten und abgekürzten Verfahren erteilt werden.

Konzentriert und abgekürzt heisst: Planungsverfahren auf kantonaler Ebene unter Ausschaltung der Gemeinden und möglicher Einschränkung der Rechtsmittel. Die Ermächtigung bezieht sich auf Anlagen, welche die erforderliche Grösse und Bedeutung für das nationale Interesse nicht erreichen – weniger als 20 Gigawattstunden pro Jahr, das sind Windparks mit in der Regel bis zu drei oder vier Windturbinen – und denen der Bundesrat trotzdem das nationale Interesse zusprechen kann. Bisher war das eine Ausnahmeregelung, neu wurde diese Einschränkung gestrichen. Allein in Zürich gibt es Stand heute 18 Eignungsgebiete für solche kleinere Windindustriegebiete, und es könnten noch mehr werden, wenn sich bei anderen Eignungsgebieten im Zuge der fortschreitenden Planung Einschränkungen ergeben.

Warum sollen gerade Windparks mit drei bis vier Turbinen besonders schnell und undemokratisch realisiert werden dürfen? Aus den Protokollen zur Beratung erschliesst sich der Grund. Die Bestimmung geht zurück auf einen Minderheitenantrag des ehemaligen Ständerats Knecht, der davon ausging, dass für grössere Anlagen bereits die Beschleunigungsvorlage vorgesehen ist und der mit seinem Antrag diese «Beschleunigung» auch für kleinere Solar- und Windparks haben wollte. Es war ihm wichtig, mit seinem Antrag «einen ersten Entscheid zugunsten von schnelleren Verfahren zu fällen».

Dieser Eingriff in die Demokratie auf kommunaler Ebene bei kleineren Windparks steht nicht alleine da. Der schrittweise Abbau der Gemeindeautonomie im Sinne der Salamitaktik ist schon länger im Gange.

«Nationales Interesse» als Hebel zur Durchsetzung von Windindustriegebieten

Neben der direkten Einschränkung der Gemeindemitbestimmung gibt es auch die indirekte. Begonnen hat diese mit dem Energiegesetz 2016. Um Windparks gegen den Willen der Bevölkerung und Gemeinden durchsetzen zu können, wurde ihnen ein «nationales Interesse» zuerkannt. Die Schwelle liegt bei einer Stromproduktion von 20 GWh jährlich. Das ist sehr niedrig, ist vergleichbar mit einem Kleinwasserkraftwerk und entspricht dem Jahresstromverbrauch von circa 2900 Personen. Durch das nationale Interesse erhalten die Anlagen höchstes Gewicht bei der Interessensabwägung und sind gleichwertig insbesondere zum nationalen Natur- und Landschaftsschutz.

Doch nicht genug damit, jetzt setzt das Stromgesetz noch einen drauf:

1. Die bisherige Richtplanung verlangt eine Interessenabwägung unter Einbezug aller Interessen – der kantonalen, kommunalen und lokalen Interessen. Neu bestimmt das Energiegesetz (Art. 12 Abs. 3):

Das nationale Interesse geht entgegenstehenden Interessen von kantonaler, regionaler oder lokaler Bedeutung vor.

Kantonale und kommunale Naturschutzgebiete, Biotope, Landschaftsschutzgebiete, Naherholung und Tourismus sollen bei der Richtplanung künftig nichts mehr zählen. Gemeinden dürfen über Mindestabstände oder Schutzzonen für Windkraftanlagen nicht mehr abstimmen, und wenn sie das trotzdem machen, dann werden die demokratischen Beschlüsse für ungültig erklärt.

2. Anlagen im nationalen Interesse erhalten neu grundsätzlich Vorrang vor allen anderen Interessen. Das geänderte Stromversorgungsgesetzes bestimmt für Solar und Windkraftanlagen, dass (Art. 9a Abs. 4 Buchst. c) (…) das Interesse an ihrer Realisierung anderen nationalen Interessen grundsätzlich vorgeht.

Das bedeutet, das sie praktisch immer gebaut werden können, sobald der Kanton ein Eignungsgebiet ausgewiesen hat. Einsprachen von Anwohnern und Umweltorganisationen haben kaum mehr Aussichten auf Erfolg.

Massiver Windenergieausbau schon heute geplant

Schon heute haben die Kantone Vorgaben vom Bund zum Ausbau der Windenergie und müssen im kantonalen Richtplan sogenannte «Eignungsgebiete» ausweisen. Die Folge ist eine massive Steigerung der Windenergie-Ausbauplanung. Der Kanton Zürich hat 2022 einen Richtplanentwurf mit 120 Windturbinen vorgestellt, St. Gallen einen Richtplan mit 92 Turbinen aufgelegt und Graubünden einen mit circa 130 Anlagen. Richtpläne sind behördenverbindlich und müssen von den Gemeinden umgesetzt werden.

Und so ist die Lage schon heute: Die Gemeinde Hemishofen (Kt. Schaffhausen) wehrt sich gegen einen Windpark und hatte sich geweigert, die kommunale Nutzungsplanung anzupassen. Daraufhin hatte ihr der Kanton ein Ultimatum gestellt und mit Ersatzvornahme gedroht.

In Rickenbach (Kt. Luzern) plant die Nationalrätin Priska Wismer-Felder auf dem Stierenberg einen Windpark. Die Gemeindebevölkerung will keine Windturbinen auf ihrem Hausberg und hat bereits zweimal mit deutlicher Mehrheit für eine Schutzzone gestimmt. Trotzdem hat der Kanton angekündigt, dass er die Schutzzone nicht anerkennen werde.

Im Kanton Zürich wurden bereits in über 30 Gemeinden Initiativen für einen Mindestabstand eingereicht, in zehn Gemeinden hat die Gemeindeversammlung schon zugestimmt, meist mit überwältigender Mehrheit. Baudirektor Neukom hat angekündigt, dass der Kanton diese demokratischen Beschlüsse nicht anerkennen wird.

Kantone entziehen den Gemeinden die Planungskompetenz

Eine weitere Methode zur Abschaffung der Gemeindeautonomie liegt im Entzug der Zuständigkeit für das Planungsverfahren. In den meisten Kantonen können heute Gemeinden über Windparks auf ihrem Gemeindegebiet abstimmen. Das soll jetzt geändert werden:

  • Im Kanton Luzern wurde ein neues Gesetz in erster Lesung beschlossen, das das Planungsverfahren auf kantonaler Ebene konzentriert und die Gemeinden dadurch entmachtet.
  • Im Kanton Zürich hat die Baudirektion angekündigt, das Baugesetz so ändern zu wollen, dass den Gemeinden die Zuständigkeit für Windparks entzogen wird.
  • In St. Gallen hat der Regierungsrat beschlossen, dass für Windparks kantonale Sondernutzungspläne zum Einsatz kommen, bei denen die Gemeinden nicht mitentscheiden dürfen.

Beschleunigungsvorlage

Weitere Abstriche an der Gemeindeautonomie sind schon im Anmarsch. Mit der Beschleunigungsvorlage hat der Nationalrat im Dezember 2023 beschlossen, dass die Kantone künftig für die Planung von Wind- und Solarparks zuständig sind und auch gegen den Willen der Gemeinden entscheiden dürfen. In der Sommersession wird die Vorlage im Ständerat behandelt.

Damit erweist sich zusammenfassend, dass das Stromgesetz ein wesentlicher Baustein in einer ganzen Reihe von Bestimmungen ist, mit denen die Gemeindemitbestimmung bei Anlagen für «erneuerbare» Energie komplett abgeschafft werden soll. Eine solche Änderung der bewährten Kompetenzaufteilung zu Ungunsten der Gemeinden verletzt das verfassungsmässige Prinzip der Subsidiarität und unterhöhlt das Fundament der Schweizer Demokratie. ♦

von Siegfried Hettegger

***

Siegfried Hettegger ist Präsident von Freie Landschaft Schwyz


Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

5G

Sie umgibt uns wie die Luft zum Atmen: Funkstrahlung. Anders jedoch als im Märchen von der vernetzten Welt, erweist sich die Mobilfunktechnologie als Elektrosmog-Dystopie. Warum die Zukunft, die uns 5G verspricht, alles andere als eine strahlende sein wird, erklären uns der Theologe Werner Thiede und Rebekka Meier vom «Verein Schutz vor Strahlung».

Welchen Einflüssen hat sich der Mensch nicht schon ausgesetzt? Radioaktivität, FCKW, Fluorid, Aluminium und jetzt auch noch Elektrosmog. Man hätte meinen können, die Vergangenheit habe uns gelehrt, jeder technologischen Neuerung gegenüber erst einmal kritisch eingestellt zu sein. Doch im Gegenteil: Wie selbstverständlich werden 5G-Masten selbst im noch so kleinsten Dorf errichtet und das eigene Zuhause in eine lückenlos vernetzte Datenautobahn verwandelt.

Um mehr über die Risiken von 5G auf unsere Gesundheit zu erfahren, sprach ich mit Rebekka Meier, der Präsidentin des Schweizer Vereins «Schutz vor Strahlung».

«DIE FREIEN»: Frau Meier, welchen Einfluss hat Elektrosmog auf unsere Gesundheit?

Rebekka Meier: Elektrosmog ist der umgangssprachliche Begriff für Strahlung, die von normalen Stromleitungen, WLAN-Sendern, Smartphones und weiteren technischen Geräten und Installationen ausgeht. Strom im Kabel schwingt niederfrequent mit 50 Hertz, also 50 Schwingungen pro Sekunde, und erzeugt Strahlung in der direkten Umgebung der Stromkabel. Im WLAN-Router und der Handyantenne wird der Strom auf Hochfrequenz bis zu 3800 Millionen Schwingungen pro Sekunde beschleunigt und über die Luft ausgebreitet.

Niederfrequenz kann zu Verhaltensveränderungen führen, Ängste auslösen oder das räumliche Gedächtnis beeinflussen. In der Nähe von Hochspannungsleitungen wurden vermehrt Leukämiefälle bei Kindern beobachtet.

Die hochfrequenten Felder dringen in den Kopf und den Körper ein und beeinflussen die Hirnströme, also unser Denken. So kann die Kommunikation zwischen Gehirn und Beinen oder Armen gestört werden. Durch hochfrequente Strahlung können Kalzium-Ionen unkontrolliert in die Zellen einströmen und die unterschiedlichsten Symptome auslösen. Durch den entstehenden oxidativen Stress sind bei einem Anteil der Menschen mit Vorerkrankungen wie Krebs, Parkinson, Alzheimer, wie auch bei ganz jungen Menschen negative Effekte zu erwarten – beispielsweise eine Beschleunigung der Krankheit oder Entwicklungsstörungen. Dauerhaft erhöhter oxidativer Stress durch Dauerstrahlung führt bei jedem Menschen zu einer schnelleren Alterung, Müdigkeit und Erschöpfung. …

von Lilly Gebert

***

Dr. theol. habil. Werner Thiede ist ausserplanmässiger Professor für Systematische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg, evangelischer Pfarrer im Ruhestand und Publizist. Sein neuestes Büchlein «Himmlisch wohnen. Auf-erweckt zu neuem Leben» ist 2023 erschienen.
werner-thiede.de

Rebekka Meier ist Präsidentin des Vereins Schutz vor Strahlung, der sich für die Interessen von besonders empfindlichen Bevölkerungsgruppen und Anwohnern von Mobilfunkanlagen einsetzt und Unterstützung beim Engagement gegen geplante Antennen bietet.
schutz-vor-strahlung.ch


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 12. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Die erhellende Nachtseite unserer Existenz

Über die Notwendigkeit, mit dem Dunklen in Resonanz zu gehen

Nicht jede Kindheit war eine glückliche Kindheit. Nicht jedes Kind war ein geliebtes Kind. Trotzdem bringen es manche Menschen ein ganzes Leben lang nicht fertig, zu denken, geschweige denn zu sagen: «Meine Mutter hat mich nicht geliebt», oder: «Mein Vater hat mich nicht geliebt.» Oder zusammengefasst: «Ich bin ungeliebt.» Dieser eine Satz «scheint so vernichtend zu sein, dass er nicht mal in der Stille innerer Zwiegespräche laut werden darf», schreibt der Schweizer Psychoanalytiker Peter Schellenbaum in seinem Buch «Die Wunde der Ungeliebten».

Was geschieht, wenn du es dir eingestehst? Also das, was du dir nicht so gerne eingestehst. Das können auch ganz andere Wunden oder welche auch immer gearteten Schattenanteile sein. Jeder Mensch hat sein Dunkles. In der Regel ist er allerdings bestrebt, es auch dort zu belassen, also dort, wohin kein Licht fällt. Daher vermeidet er auch, mit dem Dunklen des anderen in Resonanz zu gehen. Denn dadurch würde es offenbar. Ohnehin hat es sich etabliert, nur dann ein «damit gehe ich in Resonanz» zuzugestehen, wenn es sich um etwas handelt, was sympathischen Charakter hat.

Keine Frage: Das Dunkel fordert uns heraus. Auch ganz konkret. Man denke an die Nacht, die einerseits Stille bringt, Poesie, Traum und Mystisches, aber eben nicht nur das allein. Sie hat auch ihre Heimlichkeiten und Unheimlichkeiten, ihre Gefahren, die lauern könnten, ihr Monströses, auf das man nicht gefasst ist. Man begegnet also all dem, das sich vor der Helle des Tages verbirgt oder verborgen werden muss, das sich vor dem Licht scheut oder sich seiner entzieht. Umgekehrt lässt sich sagen, dass das Dunkel hervorbringt, was selbst im hellsten Schein nicht wahrnehmbar ist, egal wie sehr man die Sinne bemüht.

Das Dunkel der Nacht hat sein Adäquat in der Nachtseite unserer Existenz. Sie erlaubt uns, dem nachzugehen, was wir sonst lieber verdrängen, etwa aus Angst vor unserem eigenen Urteil, vor allem aber weil wir die vernichtenden Blicke anderer fürchten. In Fantasien leben wir das eine oder andere Begehren aus, dem wir nicht zutrauen, es könnte in der Realität bestehen oder von dem wir nicht wagen würden, es auszuprobieren. Das können Tagträumereien sein, sexuelle Gelüste oder tabuisierte Impulse. Mitunter werden in Gedanken auch Morde begangen, die allerdings selten auf eine tatsächliche Umsetzung zustreben.

Dunkles gibt es nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch in jeder Familie – sogenannte Familiengeheimnisse. Scham- und angstbesetzte Themen wie unter anderem früh verstorbene Kinder, Vergewaltigungen, Inzest, Heimeinweisungen, Gewaltverbrechen und Selbsttötungen einzelner Familienmitglieder werden verschwiegen, meist über Generationen hinweg. Um nicht hinsehen zu müssen, werden Strategien der Verleugnung oder Verharmlosung entwickelt. Die Krux ist: Auch Ereignisse, über die man keine Kenntnis hat, können schaden.

Mitunter leiden die nachfolgenden Generationen unter den nicht oder nur unvollständig aufgearbeiteten Traumata ihrer Eltern, Gross- und Urgrosseltern.

Dass vieles, was sich im Seelischen zuträgt, im Dunklen liegt, sogar verdrängt ist und dem Menschen selbst nicht zugänglich, inspirierte Sigmund Freud dazu, sich ausführlicher damit zu befassen. Er begründete die Psychoanalyse, eine Methode, um an die Orte der Psyche zu gelangen, die einem kaum oder gar nicht bewusst sind. Wir könnten natürlich so tun, als existierten sie nicht. Trotzdem wirkt das Unbewusste in den Alltag hinein, und zwar gerade da, wo wir irrational oder besonders emotional reagieren, also so, dass es nur schwer nachvollziehbar ist für andere und uns daher in Konflikte bringt, auch mit uns selbst.

Alleine die aktuellen, oft rigoros geführten Debatten sind ein Ausdruck dessen, dass vieles abgewehrt wird. Selten bekennen sich Menschen zu eigenen Fehlern und gestehen ein, dass sie sich getäuscht oder Grenzen überschritten haben. Viel einfacher ist es, die Schuld beim anderen zu suchen. Man erkennt, mit einem Bibelzitat gesprochen, den Splitter in den Augen des anderen, aber nicht den eigenen Balken. «Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar», befand die österreichische Dichterin Ingeborg Bachmann. Anscheinend sehen das viele anders. Wegschauen ist eine Disziplin, in der die meisten brillieren. Die Gründe dafür sind vielfältig: Angst, Scham, Schuld.

Wohin die Abspaltung von dunklen Gefühlen führen kann, dazu hat auch der Psychoanalytiker Arno Gruen ausgiebig geforscht. Er nannte das Beispiel eines deutschen Skinheads, der einen Menschen «einfach so» zu Tode getrampelt hatte und später, während seines Aufenthalts in der Psychiatrie, über sich sagte: «Ärger, Frust, Schmerz, Trauer, die dringen nicht in mein Inneres vor … Einfach verdrängen, das ist am besten, oder in eisigen Hass umwandeln.» Ein Mechanismus, der sich laut Gruen im Grunde in der ganzen Menschheitsgeschichte findet: «In Wahrheit liefen die Feldherren vor ihrem eigenen Schmerz davon, um ihn ausserhalb ihrer selbst in vermeintlichen Feinden zu zerstören.» Ignorierten wir das, würden Pogrome, Holocaust, ethnische Säuberungen und verdeckter oder offener Fremdenhass weiter die Geschichte des Menschen bestimmen.

Wie also dem Dunkel begegnen? Denn es sollte klar geworden sein: Ihm muss begegnet werden. Das Dunkel ist da; es will nicht bekämpft, nicht verdrängt, sondern gesehen und akzeptiert werden. Sonst bläst es sich bis zum Monströsen auf. Das Dunkle muss also ans Licht gebracht, alles Unannehmbare annehmbar gemacht werden. Derart, dass man es ohne Angst anschauen kann. Niemand kann den ersten Stein werfen. Jeder hat seine Irrungen und Verfehlungen. Du und ich, wir sind Menschen. Würden wir vor unseren Dunkelheiten fliehen, würden wir vor dem Menschsein fliehen.

Daher ist es gut, wenn wir uns dafür entscheiden, ohne Scheu in Resonanz mit den dunklen Themen zu gehen. Lange müssen wir ohnehin nicht danach suchen. Denn ob wir wollen oder nicht, wir sind damit genauso beständig in Resonanz wie mit dem Hellen und Lichten. Und es tut not, sich das endlich einzugestehen. ♦

von Sylvie-Sophie Schindler


Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Im Spinnennetz der Beziehung

Gemeinsam die Zukunft gestalten. Eine Familie gründen. Füreinander da sein. Miteinander durchs Leben gehen. Bis dass der Tod uns scheidet. Was mit Schmetterlingen im Bauch beginnt und sich vielversprechend entwickelt, kann trotzdem zu chronischen Bauchschmerzen führen und in einer grossen Enttäuschung enden.

Warum finden sich Paare anziehend, die danach eine destruktive, toxische Beziehung leben und weder miteinander noch ohne einander glücklich leben können? In welchem Spinnennetz der Beziehung sind diese Paare gefangen? Mit diesen Fragen lade ich Sie ein, sich mit mir auf die Reise an den Ursprung des Geschehens zu begeben. An den Anfang, als alles begann.

Hilflos, aber ruhig liegt das Neugeborene im Arm der Mutter. Noch weiss es nicht, was aus ihm werden wird, welche Abenteuer es erwarten. Es fühlt sich sicher und geborgen. Vor einer halben Stunde ist es aus der Einheit mit der Mutter gefallen. Es wurde geboren. Ab jetzt muss es als eigenes Wesen beginnen, Beziehungen aufzubauen.

Die erste Beziehung geht es mit der Mutter ein. Sie wird es versorgen. Hoffentlich kann sie seine Bedürfnisse erkennen und befriedigend erfüllen. Das Kind möchte sich an die Mutter binden, damit es überleben kann. Es hat von Natur aus sowohl ein Bindungsbedürfnis als auch die Bindungsfähigkeit. Eine sichere Bindung gibt ihm den tragenden Boden für seine Entwicklung. Damit diese gelingt, muss es mit der Mutter vier Aufgaben erfolgreich meistern: Erst muss es sein Bedürfnis erkennen, dann dies ausdrücken lernen, so dass es verstanden wird, und dann muss dies befriedigend erfüllt werden. Gelingt dies zusammen mit der primären Bindungsperson ein paar Mal vollständig, kann sich das Kind an diese sicher binden. Gelingt dies nicht, weil die Mutter das Kind nicht richtig lesen kann oder selber Defizite hat, wird das Kind immer wieder Existenzängste durchleben. Es kann sich nur unsicher binden. Je nach Verhalten und Erfahrung entsteht ein unsicher-ambivalenter, unsicher-vermeidender oder ein desorganisierter-desorientierter Bindungsstil. Aufgrund der Erfahrung verhält sich das Kind nun in der Beziehung zur Mutter unsicher. Dies kommt vor allem in Stresssituationen zur Geltung, wenn das Bindungssystem hoch aktiviert ist – in Alarm steht.

Das Kind muss die Welt kennenlernen. So baut es schon früh innere Arbeitsmodelle der Welt auf, vor allem von sich und der Mutter. Eine Bindungsstörung und das damit verbundene Verhalten wird als inneres Arbeitsmodell und Blaupause für die Gestaltung von Beziehungen gespeichert. Ab jetzt wirkt das Modell in allen nahen Beziehungen. Diese werden vom Bindungstrauma geprägt sein und sich je nach Blaupause ambivalent, vermeidend, desorientiert-desorganisiert im Beziehungsverhalten zeigen. Die Unsicherheit, die Erfahrung und das angelegte Arbeitsmodell werden aber auch Teil der Persönlichkeit werden und den Selbstwert betreffen. Dies kann zu Persönlichkeitsdefiziten bis hin zu Persönlichkeitsstörungen, aber auch zu Angst, Zwang, fehlender Impulskontrolle, niedriger Frustrationstoleranz und zu Problemen in der Nähe- und Distanz-Regulation führen.

Der Bindungswunsch dieser Menschen ist gross. Gleichzeitig haben sie Angst, sich einzulassen. So sehnen sie sich sehr nach einer erfüllten Beziehung und träumen von dem Menschen, der (endlich) ihre Bedürfnisse erkennt und erfüllt. Aufgrund der Erfahrung trauen sie sich vielleicht nicht, diese zu äussern. Sie haben Angst vor Ablehnung und Enttäuschung und sind bereit, viel zu geben. Ihre Attraktivität drücken sie durch eine betont verständnisvolle, rücksichtsvolle und fürsorgliche Art aus. Je nach Blaupause können sie aber auch leidenschaftlich fordernd sein und so mit einem «passenden» Gegenüber in Resonanz gehen. Mit einem Gegenüber, das sie bewundert für das, was es nicht ist, oder jemandem, der sich im Spiegel selber erkennt. Wenn nun der Partner in ihr Leben tritt, der sie beachtet, sie sieht, erkennt und bereit ist, mit ihnen die Sehnsucht zu teilen, dann haben sich zwei gefunden, die gerne die ganze Palette an unerfüllten Wünschen plötzlich im Gegenüber entdecken. Aus dem Frosch wurde ein Prinz und aus Aschenputtel eine Prinzessin. «So wie mit dir war es noch nie», hören sie sich sagen. «Wir sind füreinander geschaffen.» «Bis dass der Tod uns scheidet», schwören sie sich am glitzernden Hochzeitsfest. Doch irgendwann bekommt der Spiegel einen Kratzer. Spätestens dann, wenn der andauernde Bestätigungsbedarf anstrengend wird, die Autonomie anklopft und sagt: «Mich gibt es auch noch.» In deren Schlepptau wird nun die Eifersucht zum Dauergast.

Auch merkt man nun, dass der ursprüngliche Glanz doch etwas fleckig war. Hier war mehr der Wunsch der Vater des Gedankens. Das grosszügige Kleinreden von Fehlern oder Defiziten ist vorbei. Sie nisten sich in die Realität des Alltags ein. Plötzlich kehrt die Stimmung. Von ganz toll kippt es auf ganz furchtbar. Was sich vorher angehimmelt hat, macht sich nun nieder und kontrolliert. «Siehst du!» «Da schau her!» Beide erhöhen sich, indem sie den anderen erniedrigen. Eine Opfer-Täter-Dynamik bestimmt nun die Beziehung im Alltag. Sie halten sich ihre Fehler gegenseitig vor, konkurrenzieren und triumphieren. Das Bindungssystem ist in Alarm. Nach dem Streit kommt die klammernde Versöhnung. Nun wird alles wieder gut. Doch schon baut sich die nächste düstere Wolke, getrieben von Misstrauen und Angst, auf. Sie würden sich trennen, doch die Verlustangst schlägt zu. Das Schuldenkonto ist noch nicht getilgt. Jeder meint, der andere müsste ihm noch etwas geben von dem, was er einst versprochen hat und für die Aufopferung in der Beziehung. Dies hält sie gefangen im toxischen Spinnennetz. Sie können nicht mit- und nicht ohneeinander. Gemeinsam ins Verderben. Immer tiefer, bis das Netz reisst. Sie erschöpft zu Boden fallen. Und der Richter sie scheidet.

Ihre Kinder werden ihr traumatisches Erbe weiterleben – oder endlich den toxischen Bindungsfaden lösen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Aufbau des Selbstwerts. Eine sichere Bindungserfahrung im therapeutischen Rahmen könnte das Fundament dafür legen, diese engen Kleider der Minderwertigkeit und Verlustangst abzustreifen. Die passenden liegen schon lange bereit. ♦

von Sieglinde Kliemen

***

Sieglinde Kliemen ist Systemische Beraterin und Therapeutin mit eigener Praxis in Bern. Sie ist spezialisiert auf Traumatherapie, Paartherapie und Opfer-Täter-Dynamiken. Als Leiterin eines Männerhauses unterstützte sie jahrelang von häuslicher Gewalt betroffene Männer und Väter mit ihren Kindern. Sie ist Co-Präsidentin des Vereins ZwüscheHalt, welcher die Männerhäuser in Bern, Luzern und Zürich betreibt.


Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Stiller Krieg mit Strahlenwaffen

Seit Jahrzehnten wird ein unsichtbarer Krieg mit Energiewaffen ausgetragen. Was haben gefährliche Technologien wie HAARP mit Chemtrails, dem Ozonloch und Tschernobyl zu tun?

Nordöstlich von Gakona, gut getarnt in einem Waldgebiet in der Wildnis Alaskas, liegt die US-Mikrowellen-Sendeanlage HAARP (High Frequency Active Auroral Research Program). Offiziell ist der Zweck dieser Antennenanlage neben der Erforschung von Kommunikation, Navigation und Funkwellenausbreitung vor allem die Untersuchung der Atmosphäre mittels Radiowellen.

Doch es spricht vieles dafür, dass diese hochpotente Technologie für Umweltkriege eingesetzt wird; so ist es möglich, mit HAARP die Ionosphäre aufzuheizen, das Wetter zu verändern und Naturkatastrophen auszulösen. HAARP in Alaska ist die bekannteste, aber keineswegs die einzige dieser Sendeanlagen; ähnliche Projekte gibt es rund um die Welt. Einige von ihnen basieren auf Tesla-Technologie und können zur Erzeugung von Skalarwellen genutzt werden. Offenbar wird damit schon seit Jahrzehnten ein stiller Krieg ausgetragen.

Elektromagnetische Kriegsführung ist lange bekannt

Der ehemalige US-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski hielt 1970 in seinem Buch «Zwischen zwei Zeitaltern» fest: «Die Kontrolle des Weltraums und des Wetters haben als strategische Schlüsselemente Gibraltar und den Suez-Kanal ersetzt. Aufgrund neuer Technologien werden den Führern der bedeutenden Nationen Methoden der geheimen Kriegsführung zur Verfügung stehen.» Und weiter: «Verfahren zur Wetteränderung könnten eingesetzt werden, um längere Dürreperioden oder Stürme hervorzurufen und auf diese Weise eine Nation zu schwächen und sie zu veranlassen, die Forderungen ihres Widersachers zu erfüllen.»

1976/77 entwickelt die UNO die ENMOD-Konvention zur Ächtung und Begrenzung von Umweltkriegen. In deren Anhang 2 sind zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten von Umweltmanipulationstechniken benannt: «Erdbeben, Tsunamis, die Unterbrechung der ökologischen Balance einer Region, Änderung der Wettermuster (Wolken, Niederschlagsmenge, Zyklone und Tornados), Änderungen in Klima-Mustern und in Meeresströmungen, Änderungen des Zustands der Ozonschicht und der Ionosphäre.»

Und der ehemalige US-Verteidigungsminister William Cohen führte 1997 an einer Terrorismus-Konferenz aus: «Einige Staaten betreiben eine Art von Ökoterrorismus, wobei sie das Klima verändern, Erdbeben erregen und Vulkane zum Ausbruch bringen mithilfe elektromagnetischer Wellen.» …

von Werner Altnickel

***

Werner Altnickel ist Fernsehtechnikmeister und war von 1987 bis 2005 Greenpeace-Aktivist mit Schwerpunkt Atomenergie und alternative Energie. Er ist ein mehrfach preisgekrönter Pionier auf dem Gebiet der regenerativen Energien, der Photovoltaik und der Solar-Automobile seit 1988.


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 12. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Gendersternchen

Ganz ehrlich, vor ein paar Jahren hätte niemand etwas mit dem Begriff Gendersternchen anfangen können. Gut, das Wort «gender» kommt aus dem Englischen und bedeutet Geschlecht. Also die klassische biologische Zugehörigkeit zur weiblichen oder männlichen Spezies. Ein Sternchen ist ein kleiner Stern, vom Asteriskus auf der Tastatur bis hin zum Kosewort für verehrte Menschen, für nicht ganz so erfolgreiche Schauspieler und Schauspielerinnen.

Aber was nun ist ein Gendersternchen? Erst als eine kleine, selektiv unterschiedlich gebildete, aber zweifellos ideologisch sehr stark geprägte Gruppe im deutschsprachigen Raum – und ausschliesslich hier ist das weltweit möglich – auf die Idee kam, jegliche Benennungen von Personen unbedingt auch zu verweiblichen, also unsere in der deutschen Sprache so einzigartigen Artikel «der, die und das» völlig zu negieren, erlebte das Gendersternchen seine unnötige Geburt. Irgendwie musste es im Schriftdeutschen umgesetzt werden, was für wenige Menschen unumgänglich schien: die Vereinheitlichung der Geschlechter, das wilde Gendern auf allen Ebenen bis hin zur Absurdität. Umständlich, inkonsequent und ideologisch, so benannte es selbst die NZZ im Februar 2022. Manche betrachten es als fortschrittlich, die Sprache auf diese Weise zu sexualisieren – in Wirklichkeit spaltet es die Gesellschaft. Handelt es sich vielleicht gar um das Latein der neuen Eliten, wie der Sprachphilosoph Philipp Hübl sinnierte?

Egal was benannt wird, es muss ein Gendersternchen darin vorkommen. «Samenspenderinnen» ist so ein sinnentleertes Wort, welches aber ganz bezeichnend für diese Ideologie ist. Und wie wird das Gendersternchen nun gelesen und gesprochen? Versetzen Sie sich einmal in einen des Deutschen nicht mächtigen Ausländer. Bemüht, deutsch zu sprechen, sich in die Mentalität der deutschen Sprache einzufinden. Nun findet dieser arme Ausländerin plötzlich eine völlig zerhackte Orthografie vor, die beim besten Willen nicht einmal ein Mutter- (oder heisst es jetzt auch Vater-)sprachlerin aussprechen kann. Wenn das Lesen dieses sprachlichen Irrsinns schon schwierig ist, wie soll man es denn sprechen? Indem der/die/das nächste Neologismus*a (geht das auch im Lateinischen?) bemüht wird, der Gender-Gap. Der Linguist Steffen Herrmann erfand 2003 dieses sprachliche Ungetüm, welches über einen sprachlichen Freiraum die Entfaltung der Geschlechteridentitäten auch phonetisch möglich machen solle. Das SRF schreibt: Das Gendersternchen soll Frauen sprachlich sichtbar machen. Für den Tagesspiegel ist das Gendersternchen ein Menschenrecht, dessen Einhaltung von der selbst ernannten Sprach- und Sprechpolizei überwacht werden muss.

Was ist da schiefgelaufen? In der Krisenzeit der letzten drei Jahre, wo willkürlich mithilfe eines Infektionsschutzgesetzes tatsächlich massiv Grund- und Menschenrechte ausser Kraft gesetzt wurden, verirrt sich die Gesellschaft im Gendersternchenwahn. Begriffe wie «Respekt», «Solidarität» oder «Höflichkeit» müssen real gelebt werden. Ein pseudo-egalitäres Sprachwirrwarr trägt nicht dazu bei.

Haben wir nicht andere, viel schwerwiegendere gesellschaftspolitische Probleme zu lösen? Uns wäre es viel lieber und es wäre viel angebrachter, wirklich benachteiligten Menschen und Minderheiten eine Stimme zu geben – vielleicht mit einem «Ungeimpftsternchen», einem «Coronakritikersternchen» oder schlicht einem «Selbstdenkersternchen». ♦

von Prof. Dr. Stefan Hockertz und Sylvia Theis


Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.