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Monat: Februar 2024

Die Welt ist aus Zahlen gebaut

Zahlen und damit Formen und Relationen erschaffen die Matrix, in welcher wir leben. Diese Ansicht vertrat schon Pythagoras vor 2500 Jahren. Aus Zahlen sind die Urbestandteile alles Materiellen, unsere Atome geschaffen.

Warum benützen wir das Dezimalsystem? Weil wir Menschen zehn Finger besitzen und deshalb das Zählen entsprechend einfach ist. Warum aber haben wir zehn Finger? Die Natur hat uns so geschaffen, liegt also das Dezimale nicht in der Natur selbst begründet? Zehn Monde dauert eine Schwangerschaft, zehn Sprossen besitzt eine Umdrehung der DNS-Spirale, zehn Elektronen und Protonen besitzt das Wassermolekül, zehn Himmelskörper umfasst unser Sonnensystem. Zufall?

Die drei Grundprinzipien der Natur sind Geist (das kreierende Prinzip), Körper (das speichernde Prinzip) und Seele (das erfahrende Prinzip). Wenn wir jedes mit jedem und sich selbst kombinieren, erhalten wir neun fundamentale Naturprinzipien. Dazu gesellt sich die Null. Geboren ist das Dezimalsystem. Ich möchte diese zehn Entitäten kurz vorstellen und zeigen, wie sie unsere Welt erschaffen.

Die zehn Entitäten

Die 0 stellt das Potenzial zur Verfügung. Sie steht für die Leere, das Vakuum des Universums, den Nachthimmel, in dem noch keine Sterne leuchten, den schwarzen Bildschirm, auf welchem noch nichts erschienen ist, die Theaterbühne, auf der noch nichts gespielt wird, die Wandtafel, auf der noch nichts geschrieben steht, das leere Glas, welches mit allem Möglichen gefüllt werden kann. Die 0 verhilft jeder Zahl zu einer höheren Potenz, wenn sie hintenangestellt wird: 1 – 10 – 100 usw.

Die 1 steht für die Existenz. Sie ist der Anfang, der Ursprung, der Samen, der erste Punkt, der gesetzt wird, das Ich, das Innere, der Kern, die Singularität, die Sonne und das reine weisse Licht. …

von Linus Maeder


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Meine Reise nach Putins Russland

Als ich im Jahre 1991 das erste Mal in Russland war, geschah gerade der Putsch gegen Gorbatschow, der das Ende der Sowjetunion einläutete. Die Stimmung in Moskau damals war eindrücklich. Es war mir, als ob da eine Gesellschaft aus einem tiefen Winterschlaf aufwachen würde.

Die letzten Jahrzehnte des realen Kommunismus waren geprägt durch Stillstand und Perspektivlosigkeit. Gorbatschow hatte dem Land zwar die Pressefreiheit gegeben, aber auf die tieferliegenden Probleme der Sowjetunion hatte er keine Antworten gefunden.

So wurde der Moment, in welchem Jelzin auf den Panzer stieg, zum Signal für den Ausbruch aus einem System, das dem Land zwar Stabilität und einen gewissen Wohlstand gebracht hatte, aber insgesamt die Erwartungen der Leute nicht erfüllen konnte. Die Sowjetunion hatte den Kalten Krieg verloren. Es war Zeit für eine Wende. Die Kolonne der Wartenden vor dem Lenin-Mausoleum war zwar immer noch lang, aber diejenige vor dem ersten McDonalds in Moskau wurde jeden Tag länger. Die Tochter meiner Gastfamilie hatte Geburtstag, und wir verbrachten über zwei Stunden im Regen, um Zugang zu den geheiligten Hallen des Fast Foods zu bekommen. Für mich war das unglaublich und schlicht nicht nachvollziehbar, denn ich hatte keine hohe Meinung von dieser Einrichtung. Ich fragte meine russischen Freunde, was sie denn so schätzten daran. Die Antwort war verblüffend einfach: «Wir möchten einmal im Leben freundlich bedient werden und eine saubere Toilette benutzen können.»

Der «Wind of Change» erfasst das Land

Der Kommunismus war zwar getrieben von hohen Idealen, grundlegende Bedürfnisse der Menschen waren aber im Zuge seiner Verwirklichung auf der Strecke geblieben. Für die jungen Russen war klar, dass der Kapitalismus die Zukunft bedeutete. Und sie warfen sich in dieses Abenteuer mit einer unglaublichen Begeisterung. «Wind of Change» von den Scorpions dröhnte aus allen Lautsprechern, und die Fernsehsendungen wurden immer öfters von putzigen Werbeblöcken unterbrochen. Eine junge Garde von Wirtschaftswissenschaftlern entwickelte einen Plan für den Übergang zur Marktwirtschaft in 500 Tagen. Es war ein Aufbruch, so plötzlich und schnell wie der russische Frühling, den ich später noch oft erlebte: Ende März sitzen noch immer die Eisfischer auf dem See, und Anfang Mai weht bereits ein heisser Sommerwind aus der russischen Steppe. …

von Hanspeter Rikli


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Die Wirklichkeit, die wir meinen

Gemäss Arthur Schopenhauer sehen wir die Dinge nicht so, wie sie tatsächlich sind, sondern wie sie für uns sind. Das bedeutet, dass für acht Milliarden Menschen acht Milliarden Wirklichkeiten existieren.

Leben ist Leiden. Heisst es im Buddhismus. Manchmal könnte man sicher weniger leiden. Zum Beispiel, indem man sich nicht angegriffen fühlt oder sich entscheidet, sich über den, über den man sich gerade ärgert, nicht mehr zu ärgern. Da auch derjenige leidet, der sich Illusionen über sich selbst macht, auch wenn ihm das nicht unbedingt bewusst ist, empfiehlt sich überdies, diese Illusionen fallenzulassen. Fraglich ist etwa, ob unser Wille tatsächlich so frei ist wie wir es gerne hätten. Er scheint in seiner Absolutheit eine Illusion, da nicht von der Hand zu weisen ist, dass unsere Entscheidungen von zig Faktoren abhängen.

Auch wäre einzugestehen, dass wir beständig Einflüsterern ausgesetzt sind, die uns gemäss ihrer Vorstellungen manipulieren wollen. Niemand ist davon ausgenommen, es sei denn, er lebt als Eremit in einer Höhle wie einst Nietzsches Zarathustra. Man hüte sich also vor der Täuschung, man wäre gegen Fremdsteuerung immun. Ist der nächste Gedanke, den wir denken, tatsächlich ein originär eigener Gedanke? Woher kommt er wirklich? Wer könnte wollen, dass wir ihn denken? Vielleicht sind wir gar unser eigener Einflüsterer?

Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) würde antworten, dass wir das ganz sicher sind. Und zwar konstant. Weil wir uns in unserer Wahrnehmung selbst manipulieren, indem wir sie subjektiv färben – nicht weil wir es wollen, sondern weil wir nicht anders können. Eine nächste Illusion wäre also, dass wir jemals in eine Position kommen könnten, die uns zur Objektivität befähigt. «Die Welt ist meine Vorstellung: – dies ist die Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt», schreibt der deutsche Philosoph in seinem erstmals 1819 erschienenen und 1844 und 1859 erweiterten Hauptwerk «Die Welt als Wille und Vorstellung».

Rechthaberei ist völlig sinnlos

Wie wir die Welt sehen, hat also gemäss Schopenhauer nur mit uns zu tun. Pippi Langstrumpf würde salopp sagen, dass wir uns die Welt machen, wie sie uns gefällt. Max Frisch würde beisteuern, dass jeder sich eine Geschichte erfindet und sie für sein Leben hält. Die Aussagen zielen zwar nicht auf genau dasselbe, aber im Kern verweisen sie darauf, dass wir der Urheber dessen sind, was wir Realität nennen. Es gibt also keine andere Wirklichkeit als die, die wir meinen. Und das bedeutet bei rund acht Milliarden Menschen weltweit, dass rund acht Milliarden Wirklichkeiten existieren. Würden wir das im Miteinander berücksichtigen, ginge es wohl ziemlich friedlich unter den Menschen zu. Vor allem die Rechthaberei hätte ausgedient und würde endlich erkannt als das, was sie ist: völlig sinnlos.

Erübrigt sich demnach auch, um das zu ringen, was man allgemeinhin Wahrheit nennt? Ist es falsch, diesbezüglich einen faustschen Eifer zu entwickeln? Darf jemandem zugestanden werden, eine für alle gültige Wahrheit erkannt zu haben? Oder verfangen wir uns auch hier im Illusionären? Wahrheit und Wirklichkeit müssen unbedingt unterschieden und präzise definiert werden, zugleich aber verweist ihre häufige Gleichsetzung auf eine anthropologisch konstante Sehnsucht: Wir wollen, dass unsere Wirklichkeit auch für alle anderen ihre Gültigkeit hat und also als Wahrheit anerkannt wird. Doch was verlangen wir da eigentlich?

Selbst wenn wir denselben Berg sehen, ist er doch nicht derselbe. Mehr noch, und hier zu Schopenhauer zurück, unsere individuellen Vorstellungen verhindern, ihn so zu sehen, wie er tatsächlich ist. Und das heisst, dass wir über das wahre Wesen der Dinge nichts erfahren, dass wir niemals dahin vordringen können. Insofern existiert eine Art Parallelwelt, die unerreichbar bleibt, auch wenn wir das in der Regel ignorieren, weil es uns gar nicht bewusst ist beziehungsweise es uns schwerfällt, das anzuerkennen.

Unsere Wahrnehmung färbt die Dinge individuell

Schopenhauer stützte sich in seinen Aussagen über die Erkenntnisfähigkeit des Menschen an die philosophischen Untersuchungen Immanuel Kants, der in seinem erkenntnistheoretischen, im Jahr 1781 erstveröffentlichten Hauptwerk «Kritik der reinen Vernunft» ausführte, «dass wir nämlich von den Dingen nur das a priori erkennen, was wir selbst in sie legen». «A priori» meint Erkenntnisse, die ohne die Einwirkung unserer Wahrnehmung Gültigkeit haben. Diese Erkenntnisse bleiben uns versperrt, da wir unsere Wahrnehmung als Instrument brauchen und die Wahrnehmung wiederum eine individuelle Färbung auf die Dinge legt. Auch Kant kommt also zu der Schlussfolgerung, dass wir die Wirklichkeit, wie sie ist, nie erkennen können, sondern nur die Wirklichkeit, wie wir sie konstruieren. Wir erfassen die Dinge also nicht «an sich», sondern «für uns». Schopenhauer merkte diesbezüglich übrigens kritisch an, dass darin der menschliche Egoismus begründet sei.

Zu unseren Vorstellungen kommen wir durch unsere Sinne. Wir müssen also den Weg durch den Körper nehmen, er ist sozusagen unser Hilfsmittel, oder spirituell ausgedrückt, unser Medium. Zugleich aber sind unsere Sinne, wie Schopenhauer deutlich macht, genau das Hindernis, das eine unmittelbare Wahrnehmung verunmöglicht. Auch wenn wir gewohnheitsmässig sagen würden, dass der Berg grau sei, entspricht das nicht dem, was wir tatsächlich aussagen können. Wollten wir den Vorgang so präzise wie möglich beschreiben, so müssten wir uns wie folgt äussern: «Meine Augen vermitteln mir, dass mir dieser Berg grau erscheint.» Man mag das für spitzfindig halten. Genauer betrachtet konstituiert dieser Unterschied allerdings ein fundamental anderes Dasein in der Welt. Wer sich im Gewahrsein hält, dass er nicht zu dem Eigentlichen der Dinge dringen kann, mag bisweilen vielleicht verzweifeln, wird sich aber gewiss eine wohltuende Demut bewahren.

Alles trägt einen Willen in sich

Wer sich damit nicht abfinden will, dem bietet Schopenhauer dennoch ein Verständniswerkzeug an, um das Wesen der Dinge zu erfassen. Das klingt erstmal wie ein Widerspruch, zielt aber auf eine Ebene, die nicht über die Vorstellung steuerbar ist – Schopenhauer bezeichnet sie als «Wille». Damit aber meint er etwas grundlegend anderes als wir allgemeinhin darunter verstehen. Ihm zufolge handelt es sich um eine von der Natur gegebene, universale Kraft, die in jedem Lebewesen steckt, und also das Prinzip des Lebendigen schlechthin ist. Der Wille umfasst demnach auch alle Naturphänomene wie das Wetter und die Gravitation. Ihn zu kontrollieren ist nicht möglich, wir sind ihm quasi ausgeliefert. Daher ist er beim Menschen auch mit dessen Trieben gleichzusetzen, wenn auch nicht ausschliesslich.

Weiterhin bleibt zwar, dass wir das «Ding an sich» nicht wahrnehmen können, aber da es ebenso den Willen in sich trägt, wie wir den Willen in uns tragen, kennen wir es quasi aus unserer eigenen Erfahrung und dringen auf diese Weise zu ihm vor. Das freilich kann man glauben oder nicht. Zuallererst ist es eine nächste Möglichkeit, sich mit einer vielleicht fremden Perspektive vertraut zu machen, um es sich nicht in den eigenen – vermeintlichen – Gewissheiten allzu bequem einzurichten. ♦

von Sylvie-Sophie Schindler


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Weltversöhnung

Vom inneren Frieden in Zeiten des Nichtzuhauseseins

Was bringt uns zum Denken? Die Antwort Hegels: Versöhnung. Versöhnung womit? Mit den Dingen, wie sie sind. Was aber, wenn einem der einmalige Schrecken des Totalitarismus jegliche «Instrumente für das Verstehen» genommen hat? Dann steht man vor denselben Fragen, die sich bereits Hannah Arendt gestellt hat.

Als Hannah Arendt 1943 zum ersten Mal von Auschwitz erfuhr, erwiderte sie: «Das hätte nicht geschehen dürfen.» Und doch war es geschehen. Und sie wusste, es hätte wieder geschehen können. Also verschrieb sie sich einer Welt, die offensichtlich nicht in Ordnung war. Über die innere Zerreissprobe, den Totalitarismus verstehen zu wollen, suchte sie Versöhnung. Nicht mit den totalitären Verbrechen, aber mit der Welt, in der sie geschahen. Mit einer Welt, die von menschlichen Wesen errichtet wurde und die nur menschliche Wesen ändern können. Einer Welt, in der man sich oft alleine fühlt, in der man aber nicht alleine ist. …

von Lilly Gebert


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Wenn die Sonne nicht wiederkäme

Das Buch ist nur noch antiquarisch erhältlich, obwohl es ein ewig gültiges Buch ist, eines, das nie vergriffen sein dürfte. «Wenn die Sonne nicht wiederkäme» heisst die Geschichte darin, geschrieben hat sie der Westschweizer Dichter Charles Ferdinand Ramuz 1937. Zwei Jahre später begann der Zweite Weltkrieg.

Der Schauplatz: Ein winziges Bergdorf im Wallis, weit über dem Tal, von Auge kaum sichtbar, halb verdeckt durch eine vorgeschobene Bergkuppe, umringt von hoch aufragenden Felszinken – derart, dass das Dörfchen den ganzen Winter ohne Sonne auskommen muss.

Am 25. Oktober jeweils, um die Mittagsstunde, war über dem Gebirge im Süden noch ein feuriger Streifen zu sehen, eine Funkengarbe, wie sie entsteht, wenn man mit einem Stecken in der Glut schürt; danach war für sechs Monate alles zu Ende. Erst am 13. April erschien die Sonne wieder.

Als sie am 25. Oktober des Jahres 1936 verschwindet, wird auch das Wetter schlecht. Und es bleibt schlecht. Eine trübe Stimmung legt sich über das kleine, sonnenlose Dorf, eine Stimmung, die nicht mehr weggehen will. In anderen Wintern, bei schönem Wetter, war wenigstens der blaue Himmel zu sehen. Aber diesmal bleibt alles grau und verdüstert. Immer nur Nebel. Und dazwischen heftiger Schneefall, der alles zudeckt. …

von Nicolas Lindt


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Radikale Vergebung und ich

Über Vergebung wurde viel geschrieben, als der Gipfel des Corona-Betrugs überwunden war. Ich fand damals, dass es ohne Einsicht der Täter keine Vergebung geben kann. Dass diese Einsicht nicht erfolgen wird, liegt auf der Hand. Die Schlussfolgerung aber ist schwerwiegend: Wer auf Einsicht beharrt, hat keine Aussicht auf Vergebung. Wie traurig.

Ein Jahr später empfahl mir mein Gesangslehrer ein Buch mit dem Titel «Ich vergebe». Colin Tipping beschreibt darin sein Konzept der radikalen Vergebung. Das fand ich interessant, nicht nur wegen meiner unverarbeiteten Emotionen gegenüber meinen Mitmenschen, was den Corona-Betrug betrifft, sondern auch wegen manch anderem Groll, den ich unnötig mit mir herumtrage. Denn ganz ehrlich, wann hat herkömmliche Vergebung jemals funktioniert?

Schwamm drüber?

Herkömmliche Vergebung geht etwa so: «Du hast mir Unrecht getan, aber ich will dir jetzt nicht mehr böse sein und wir wollen jetzt vorwärtsschauen und was geschehen ist, kann nicht rückgängig gemacht werden und nobody’s perfect und deshalb vergebe ich dir jetzt.» Im Idealfall wird der Prozess sogar von der Einsicht des Missetäters unterstützt und man einigt sich, die Sache nun ruhen zu lassen – und doch, und doch …

Und doch bleibt da dieses Etwas. Kennen Sie es? Ein Gefühl, dass die Beziehung Schaden genommen hat, ein Mangel an Vertrauen auch, oder dieses moralische Ungleichgewicht, schlechterdings beidseitig als solches empfunden; der eine schmort in der Rolle des Missetäters, der andere darf die hehre Position des Vergebenden einnehmen. Kann sowas gut gehen? Kann man Groll vergessen oder gar Kraft seines Verstandes ausradieren? Ich gestehe: Ich kann es nicht. Ich kann es nicht gegenüber den Pandemisten. Verdammt, ich kann es nicht einmal, wenn ich auf der Autobahn vom Gas muss, weil jemand vor mir auf die linke Spur wechselt. Ich brauche etwas anderes. Etwas Besseres. Etwas Radikaleres?

Tippings Konzept der radikalen Vergebung lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Es gibt nichts zu vergeben. Um zu dieser Einsicht zu gelangen, bedarf es einiger Grundannahmen. Wer glaubt, dass wir nur eine Ansammlung von Atomen sind, die sich aus einer Reihe kurioser Zufälle zu den hochkomplexen Organismen formte, die wir «Menschen» nennen, dem wird sich die radikale Vergebung nicht erschliessen. Wer hingegen annimmt, dass wir geistige Wesen sind, die Menschen wurden, um uns selbst zu erfahren, der erkennt, dass es auch die Schwierigkeiten sind, die uns voranbringen, die Unannehmlichkeiten, die Probleme, die Schmerzen, unsere Gegner, die Regierenden dieser Welt, die Klaus Schwabs und ihre Polizisten, die jede Agenda vorbehaltlos durchprügeln. Sie sind unsere Lehrer, indem sie uns unsere Schatten aufzeigen und uns einladen, unser Potenzial auszuschöpfen.

Lauterbach im Wald mit Pilzen

Möglicherweise sprechen wir uns als geistige Wesen über den Tanz ab, den wir nach unserer Menschwerdung auf Erden aufführen möchten. Vielleicht sagt das eine Wesen zum anderen: «Du, ich möchte wissen, wie es sich anfühlt, unterdrückt zu werden, wärst du so lieb und übernimmst die Rolle des Psychopathen, des Sadisten, des Tyrannen? Würdest du das tun für mich, damit ich diese Erfahrung machen kann?» Ein unerhörter Gedanke! Dann wäre Vergebung nur die Vorstufe und wir dürften erfahrenes Unrecht sogar zu Dankbarkeit transzendieren.

Mirko Betz, der sich selbst als Lebenscoach und Grossstadtmönch bezeichnet, beschreibt in einem Video eine Erfahrung, die er mit psychedelischen Substanzen machte: Dabei ging er durch einen Wald und begegnete dort Karl Lauterbach. Wortlos standen sich die beiden gegenüber, bis sich der deutsche Gesundheitsminister ins Gesicht griff und seine Maske herunterriss. Betz folgte Lauterbachs Beispiel und riss sich seine Maske ebenfalls vom Gesicht. Bei beiden kam eine weitere Maske zum Vorschein und so rissen sie sich auch diese vom Gesicht. So ging das immer weiter, bis die letzte Maske fiel. Wortlos standen sich die beiden gegenüber und Betz stellte staunend fest, dass hinter den vielen Masken auf beiden Seiten dasselbe Wesen zum Vorschein kam.

Die Verabredung zum Tanz auf der Erde, hat sie womöglich ein Wesen mit sich selbst getroffen? Ist sie daraufhin als Karl Lauterbach und Mirko Betz inkarniert? Oder als Demonstrant und als Polizist? Wie weit sind wir bereit, dies anzunehmen? Ist Beda Stadler, der schon 2019 «Zwang und saftige Bussen» für Impfgegner forderte, derselben Absprache entsprungen wie die vielen Kinder, deren Gesundheit auf Lebenszeit durch diese Mittel ruiniert wurde? Hat ein einziges Bewusstsein, dem wir alle entspringen, entschieden, als Spross der Rockefeller-Dynastie materiellen Überfluss zu erfahren und gleichzeitig als verhungernde Dreijährige in Somalia an Mangel zugrunde zu gehen?

Hier wehrt sich etwas in mir, wohl auch deshalb, weil in diesem metaphysischen Erklärungsversuch der Solipsismus lauert, der in seiner ethischen Ausprägung einen unreifen Nihilismus befördert. Dabei brauchen wir in gefährlichem Gelände doch einen Kompass! Denn vergangenem Unrecht darf ich mit radikaler Vergebung begegnen, mich aber nicht aus der Verantwortung entlassen, Verbrechen zu verhindern, wenn ich dazu in der Lage bin, und jene Menschen, zu deren Schutz ich berufen bin, vor dem Bösen zu bewahren. Denn wir haben uns nicht zur Menschwerdung entschieden, um hier der Musik tatenlos zu lauschen. Wir sind aufgefordert zu tanzen. ♦

von Michael Bubendorf


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NaturSchule Uri

Vom Hochsitz aus schaue ich Schulkindern im Wald zu. Erst ist mir nicht klar, ob sie spielen oder lernen, bis ich merke, dass sie beides gleichzeitig tun. Es muss sich um die «NaturSchule Uri» während einer ganz normalen Schulstunde handeln.

Hier vermittelt die Schule das Wissen nicht getrennt von der Natur, sondern sie integriert es. Und zwar nicht nur an einem Tag pro Woche, sondern mehrheitlich. Noch ist es nicht soweit, aber es wird kommen. Hinten am Waldrand sehe ich eine Jurte und zwei Tipis. Ob die auch zur Naturschule gehören? Im Nebel fast verschwunden, sehe ich auch ein fahrbares Waldzimmer in einem Baustellenwagen.

Der Verein NaturSchule Uri stellte Ende 2021 dem Kanton ein Gesuch für eine solche Privatschule für Kindergarten bis und mit Oberstufe. Es wurde vom zuständigen Amt wohlwollend und befürwortend behandelt, dann aber vom Erziehungsrat abgelehnt. Wir hätten gerne alles angepasst oder ergänzt, so wie es andernorts üblich ist, aber stattdessen schickte man uns auf den teuren und zermürbenden Rechtsweg.

Unsere Einsprache wurde nach über zehn Monaten Wartezeit vom Regierungsrat abgelehnt. Dabei erhöhte er die Hürden nochmals. Die Anforderungen sind nun nahezu unerfüllbar. Es ist fraglich, ob es in der Schweiz überhaupt irgendwo eine Privatschule gäbe, wenn diese Bedingungen für alle gelten würden. Der Weg wird länger, aber wir geben nicht auf. Wir werden bereit sein, wenn die Zeit reif ist. Die Oberstufe werden wir im ersten Schritt nicht mehr anbieten. …

von Urs Thali


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Gaslighting

Im Jahr 1938 inszenierte Patrick Hamilton ein Theaterstück mit dem Titel «Gas Light». In diesem Psychothriller kehrt nach 20 Jahren ein Mörder in der Maske eines biederen Bürgers frisch verheiratet an den Ort seiner Untat zurück und sucht im flackernden Gaslicht nachts nach der Beute, für die er gemordet hatte.

Seine junge Frau kommt ihm auf die Spur und fortan redet er ihr ein, dass sie sich irren müsse und offensichtlich unter zunehmenden Wahnvorstellungen leide. Sein Plan geht auf und seine Frau beginnt, an ihrem Verstand zu zweifeln. Der neue Begriff Gaslighting, der als Anglizismus Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat, bedient sich dieses alten Theaterstückes. Der Begriff beinhaltet die Absicht, andere Menschen derart gezielt zu verunsichern, bis sie zwischen Wahrheit und Schein nicht mehr unterscheiden können und schliesslich zusammenbrechen. Die Wahrnehmung der Realität wird also beim Opfer durch Vortäuschung falscher Tatsachen infrage gestellt.

So gelang es Anfang 2020, durch Bilder unzähliger Särge in Bergamo die Menschen derart zu täuschen, dass sie sich noch drei Jahre später mit diesem Bild vor Augen eine völlig widersinnige Gentherapie gegen eine Atemwegserkrankung injizieren lassen, wohl wissend, dass diese Injektion keinen Nutzen hat, denn sie bekamen ja alle Corona. Die Bilder von Bergamo waren eine bewusste Täuschung, Gaslighting vom Feinsten: Das Licht wurde auf gefälschte Bilder gelenkt, denn in den Särgen lagen keine Corona-Toten, sondern – längst bewiesen – Leichen eines Schiffsunglücks. Aber selbst wenn man es den geblendeten Menschen erklärt und beweist, halten sie – da ihr Verstand nicht mitmacht – an diesen Bildern fest und leben das Trauma «Bergamo» unbeirrt weiter. Gaslighting ist daher mehr als Manipulation, es ist eine tiefenpsychologische Gehirnwäsche, die dazu führt, dass die Täuschung verinnerlicht wird, so dass gar kein Zweifel mehr aufkommt und es nahezu unmöglich wird, wieder zur Realität zurückzukehren. Wenn Gaslighting von Politikern und Medien bewusst angewendet wird, dann ist dies eine kriminelle Handlung gegen die Psyche der Menschen. Es ist mehr als eine Indoktrination, es ist eine vorsätzliche Veränderung der Wahrnehmung der Realität zur Erreichung niederer krimineller Ziele – im Theaterstück von 1938 dem Erlangen der Mörderbeute; heute mit dem Ziel, böse Macht über Menschen zu erhalten und sie in jede beliebige Richtung lenken zu können. In einem Dokument des deutschen Innenministeriums steht: «Wenn Kinder dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.» Darauf folgen absurde Empfehlungen, wie Kinder sich verhalten sollten. Solches Gaslighting an Kindern, ihnen potenzielle Schuldhaftigkeit am qualvollen Tod der nahen Verwandten durch ihr Tun oder Unterlassen zu suggerieren, ist wohl die abscheulichste Form von Gaslighting überhaupt. Die letzten drei Jahre haben dazu geführt, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrien völlig überlastet sind.

Dieses Gaslighting funktioniert, weil viele Menschen unlauteren Wissenschaftlern vertrauen, an die Lüge glauben und sich wünschen, das eigene irrationale Handeln zu rationalisieren. Sie verlieren dadurch den Zugang zum wahren Licht, zur wahren Erkenntnis. Denn Jesus spricht: «Ich bin das Licht der Welt» (Joh 8,12). ♦

von Prof. Dr. Stefan Hockertz und Sylvia Theis


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Umgeschlagen

«Hey, was soll das? Das Auto steht höchstens seit drei Minuten hier!» Der Polizist blickte von seinem Block hoch, sah mich über seine Lesebrille hinweg an und antwortete mit einer Gegenfrage: «Sehen Sie die gelbe Markierung?»

Natürlich sehe ich die Markierung, was soll die Frage?» «Diese Markierung bedeutet», antwortete der Polizist betont ruhig, «dass hier nur Warenumschlag stattfinden darf.» «Ja, und? Das waren höchstens drei Minuten!», antwortete ich barsch. «Die gelbe Markierung sagt nichts über die Dauer aus, sondern darüber, dass man das Parkfeld nur zum Warenumschlag benutzen darf. Haben Sie denn Waren umgeschlagen?» «Warum fragen Sie mich das?» «Wegen der gelben Markierung», antwortete der Polizist mit einem geduldigen Lächeln.

Ich hob ein klein wenig meine Stimme und erklärte dem Polizisten, dass ich da keinerlei Zusammenhang erkennen könne, ihm aber sagen könne, so es ihn denn interessiere, dass ich nur kurz am Kiosk war, um mir die neuste Ausgabe der Glückspost zu kaufen, was ich normalerweise nicht täte, aber die aktuelle Coverstory über Prinz William für eine Recherche über das Haus Windsor lesen wolle, die ja interessanterweise in Wirklichkeit alles Deutsche seien und gar nicht Windsor hiessen, sondern eigentlich auf den Namen «Sachsen-Coburg und Gotha» hörten und diesen Namen nur ablegten, damit die Engländer nicht merkten, dass sie von Deutschen regiert würden, was ja nun wirklich urkomisch sei …

von Michael Bubendorf


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«Es lebe die Mensch:in»

Nena Brockhaus und Franca Lehfeldt sprachen mit zehn alten weissen Herren, die es nach ganz oben geschafft haben. Diese sind sich alle einig: Erfolgreich geworden sind sie dank Leistung. Heute zähle diese nicht mehr, so der Tenor der beiden Journalistinnen.

Einmal ganz oben anzukommen. Teil einer politischen, kulturellen oder ökonomischen Elite zu sein: Damit liebäugeln nicht wenige Söhne und Töchter aus dem Grossbürgertum. Sie wachsen in diesem Geiste auf. Der Gedanke daran mag für den einfachen Bürger, dem der Zugang in die höchsten Positionen verwehrt bleibt, reizvoll sein. Doch Sprösslinge, die aus reichen Politiker- und Unternehmerfamilien kommen, sehen sich schon von klein auf zur Elite zugehörig, als etwas «Besseres». Einmal in den höchsten gesellschaftlichen Sphären angelangt, sind sie davon überzeugt: Sie stehen deshalb dort, weil sie schlicht besser sind als die anderen. Mehr Talent haben. Mehr leisten können. Viele alte weisse Männer verkörperten diese Gesellschaftsschicht in den vergangenen Jahrzehnten wie kein anderer Typus. Und genau dieser Typus steht laut Nena Brockhaus und Franca Lehfeldt heute maximal unter Beschuss. Vor diesem Hintergrund widmeten sich die beiden Journalistinnen in ihrem gleichnamigen Buch den «alten weisen Männern», die in ihren Augen im Aussterben begriffen sind, und sprachen mit zehn gestandenen alten weissen Herren.

Eine Provokation sondergleichen in einer Zeit, wo Cancel-Culture und Identitätspolitik überhandnehmen? Mag sein. Gemein ist diesen Männern: Sie alle hatten im Beruf Erfolg, waren einmal Teil einer spezifischen Elite. Liebten ihre Arbeit. Lebten ihren «Traum». Und schauen nun mit «weisem» Blick auf ein erfolgreiches Leben zurück, während sie von weit oben die aktuellen politischen Entwicklungen analysieren. Zu Wort kommen unter anderem der Schauspieler Heiner Lauterbach, Ex-Spiegel-Chefredaktor Stefan Aust oder Wolfgang Reitzle, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von BMW. Auch Politiker dürfen nicht fehlen: Etwa der frühere CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber, Herbert Reul, der Innenminister von Nordrhein-Westfalen oder Peer Steinbrück, der ehemalige deutsche Bundesfinanzminister, der dem Schweizer Finanzplatz einst mit der «Kavallerie» drohte. …

von Rafael Lutz


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