Skip to main content

Monat: Mai 2023

Ich bitte zum Tanz

«Können Sie uns wenigstens Ihren Namen nennen?» Die Frage kam vom Polizisten, der den bad cop machte. Untersetzt, etwas ungepflegt, dauergenervt. Für einen kurzen Moment rang ich mit mir selbst. Irgendwann möchte ich den Weg bis zum Ende gehen. Herausfinden, was passiert, wenn man sich komplett verweigert. Schauen, was sie auffahren können, wenn man wirklich nicht mehr mitspielt; Leibesvisitation, Isolation, eingesperrt in einer kleinen Zelle, ohne zu wissen, wann es enden wird. Eines Tages werde ich die ganzen Demütigungen ertragen, weil es – seien wir doch ehrlich – der einzige Weg ist, seine Würde in der Auseinandersetzung mit dem Staat zu bewahren. Aber jetzt war ich auf dem Weg zu einem Anlass vom Liberalen Institut und draussen wartete ein Freund von mir. Der Tag war noch nicht gekommen. Ich nannte meinen Namen. Und beantwortete auch die nächste Frage nach meinem Geburtsdatum.

«Adresse?», maulte mich der bad cop an. Ruhig blickte ich ihm ins Gesicht und lächelte. «Jetzt haben Sie so einen schlauen Computer und da fragen Sie mich nach meiner Adresse? Finden Sie das gefälligst selbst heraus.»

Neben ihm stand ein zweiter Polizist, lange lockige Haare, könnte auch bei einer Reggae-Band mitspielen. Er fand die Szene eher unterhaltsam, lächelte. Der good cop. Die machen das tatsächlich. Psychospiele des Staates. Dazu gehören wohl auch die blauen Handschuhe, die der Polizist anzog, als ich von den zwei Bahnpolizisten in den Raum geführt wurde.

Mein Fehler an diesem Tag war, dass ich auf der Website der SBB ein E-Ticket gelöst hatte. Das hatte ich schon oft getan und beim Feld «Name» hatte ich stets etwas Kreativität walten lassen; ans Konzert von Roger Waters vor einigen Wochen reiste ich unter dem Namen des ehemaligen Pink Floyd-Frontmanns. Ich war aber auch schon als Donald Duck oder Johnny Cash unterwegs. Möglicherweise hatte ich damit heute zum ersten Mal Probleme, weil ich auf einen besonders eifrigen Kontrolleur stiess. Oder lag es daran, dass ich sonst immer in der ersten Klasse reise? Vielleicht werden die Menschen in der zweiten Klasse, mit denen ich und mein Freund heute nach Zürich fuhren, vom Zugpersonal anders behandelt, so quasi als Menschen zweiter Klasse?

Keine Lachfalte zierte das teigige Gesicht des Kontrolleurs, der verdriesslich mein Billett studierte. An der Stelle des Namens hatte ich heute korrekt und zutreffend «Anonymer Fahrgast» eingetragen. «Darf ich bitte einen Ausweis sehen?», fragte mich der Kontrolleur. Meine Antwort war kurz: «Nein.» Ich liebe dieses Wort.

Warum will die SBB den Namen des Reisenden wissen? Tickets aus dem Automaten sind ja auch anonym. Statt meine Fragen zu beantworten, hat mich die Pressestelle der SBB an die Branchenorganisation Alliance SwissPass weitergeleitet. Diese hält fest, dass Billetts aus dem Automaten auf fälschungssicherem Wertpapier gedruckt werden und E-Tickets personalisiert sind, um sicherzustellen, dass nur die Person, die das E-Ticket gekauft hat, es benutzt.

Das macht keinen Sinn. Auf E-Tickets ist ein QR-Code aufgedruckt. Das System der SBB würde eine Mehrfachbenutzung sofort erkennen. So verhindern andere Dienstleister Betrug; vom Konzertveranstalter im Hallenstadion bis zum Dorftheater Hinterguggisberg. Funktioniert tadellos. Meine diesbezügliche Rückfrage liess Alliance SwissPass unbeantwortet. Es geht der SBB offensichtlich um etwas anderes: Um Daten. Bereits heute werden Passagiere von der SBB mit über 700 Kameras in den Bahnhöfen gefilmt. Dazu kommen die Kameras in den Zügen. Und künftig will die SBB «das Pendlerverhalten» noch genauer erfassen: Mit Gesichtserkennungskameras.

Ich hatte mich getäuscht, als ich dachte, dass das verdriessliche Kontrolleurgesicht nicht noch verdriesslicher werden könnte. Wenn ich keine ID zeige, werde er jetzt die Bahnpolizei rufen, drohte der Kontrolleur. «Dann machen Sie das doch. Von mir erhalten Sie keinen Ausweis. Ich habe ein Billett bezahlt und sehe keinen Grund, mich auszuweisen.»

Am Hauptbahnhof in Zürich standen die beiden Bahnpolizisten bereit. Beim Aussteigen begrüssten sie mich mit einem energischen «Guten Tag», das mich offensichtlich hätte einschüchtern sollen. Zu ihrer Überraschung ging ich an ihnen vorbei meines Weges, ohne Eile und gänzlich unbeeindruckt von den tätowierten Armen in der schicken Uniform.

«Halt! Halt!», riefen sie mir überrascht nach, «können Sie bitte mal stehen bleiben?». Konnte ich nicht, ich ging gemütlich weiter meines Wegs. Stehen blieb ich erst, als mich der Polizist physisch daran hinderte, weiterzugehen. Dazu musste er sich vor mich stellen und seine Hand gegen meine Brust drücken. Da war es also wieder: Das Gewaltmonopol, das es erlaubt, mit physischer Gewalt gegen friedliche Menschen vorzugehen.

«Was fällt Ihnen ein, mich aufzuhalten?», fragte ich den Bahnpolizisten. «Ihren Ausweis, bitte», antwortete der Polizist. Da er die Hand senken liess, setzte ich wortlos und gemütlich meinen Weg fort. «Halt, bleiben Sie stehen!», riefen mir die beiden erneut nach, holten mich schnell ein und hielten mich an den Armen fest.

Um es kurz zu machen: Auch die beiden Bahnpolizisten sahen keinen Ausweis von mir und führten mich deshalb auf den Polizeiposten, wo auch die Kantonspolizisten vergeblich einen Ausweis von mir forderten. Mir hat das ganze Spektakel ziemlich Spass gemacht und ich darf mir zugutehalten, dass ich mit der Aktion Steuergelder verschwendet habe. So kann der Staat mit dem Geld nichts Dümmeres tun, was mich ein bisschen vom schlechten Gewissen entlastet, das ich aufgrund meiner feigen Steuerzahlung immer mit mir herumtrage.

Es geht aber um eine ernste Sache. Die Schlinge, die der Staat um unseren Hals legt, zieht sich immer enger zu. Anonymität erschwert die Durchsetzung staatlicher Regeln, weshalb sie komplett abgeschafft werden soll. Die Zukunft liegt klar und deutlich vor uns: Nur wer über die gerade erforderlichen Gesundheitszertifikate verfügt und einen ausreichenden Kontostand in seinem CO₂-Budget hat, kann sich bewegen, mit seinem digitalen Zentralbankgeld kaufen, was der Staat zulässt und verkaufen, was die Behörden bewilligt haben. Oder anders ausgedrückt: «Denn es wird niemand kaufen oder verkaufen können, es sei denn, er habe das Malzeichen, den Namen des Tiers oder die Zahl seines Namens.»

Eine Chance, uns all dem zu entziehen, besteht darin, uns ganz einfach zu widersetzen. Dazu braucht es gar nicht so viel, wie meine Reise nach Zürich zeigt. Ich erhalte womöglich eine Busse; ob ich die bezahlen werde, mache ich davon abhängig, ob ich dann noch gute Energie und Freude an der Auseinandersetzung habe. Es ist gar nicht nötig, verbissen zu werden. David Icke propagiert den «Non-Comply Dance». Also den Ungehorsamstanz; der lässt sich mit Lebensfreude tanzen, mit Freude und Spass an der Sache. Und selbstverständlich sollten wir immer die sein, die keine Gewalt anwenden, denn das ist genau der Punkt, in dem wir uns vom Staat und seinen Vasallen unterscheiden – ob es nun Bahnkontrolleure, Bahnpolizisten oder Kantonspolizisten sind. Ich bitte also zum Tanz.

Künftig jedenfalls werde ich meine Tickets am Automaten erstehen. Das ist ja eine praktische Lösung, und so kann ich weiterhin anonym reisen. Und zwar genau bis ins Jahr 2035. Dann werden die Billettautomaten an Bahnhöfen und Bushaltestellen abgeschafft; sie sind angeblich zu teuer. Die Schlinge wird sich dann nochmals zuziehen, wie die Alliance SwissPass bestätigt: «Wer dann Zug oder Bus fahren will, muss sein Ticket digital kaufen.» ♦

von Michael Bubendorf


Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

We(h)r will denn eine solche Pflicht?

Seit ich politisch interessiert und aktiv bin, hat mich eine Position der liberal-konservativen Parteien immer sehr irritiert, habe ich doch insbesondere diese eine Position stets als ein grobes Missverständnis betrachtet. Ein Missverständnis darüber nämlich, was die Rolle des Einzelnen, des Individuums im Verhältnis zur Gesellschaft, zum Staat, ist. Bürgerliche Parteien, auch jene, die sonst konsequent und stringent freiheitlich-staatskritisch argumentieren und dabei stets den Einzelnen und dessen Rechte ins Zentrum ihrer Überlegungen stellen, vor allem und insbesondere gegen die Anforderungen und Angriffe von links, sind in dieser Frage stets quergestanden, stets falsch gestanden, fast so wie ein Stürmer, weit im Abseits.

Ich rede nämlich von der Wehrpflicht. Sie ist mit einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung nicht in Einklang zu bringen. Sie ist aus liberaler Sicht grundfalsch. Und sie ist es wohl auch aus ethischer Sicht. Aus christlicher Sicht. Denn die Wehrpflicht greift nachhaltig und sehr massiv in die persönliche Freiheit und auch ins Gewissen eines jeden Einzelnen ein und verpflichtet ihn, sich für eine lange Zeit in den Dienst der Gemeinschaft, der Gesellschaft, des Vaterlands zu stellen. Und dies nicht selten gegen seinen Willen.

Gerade für liberale und konservative Parteien, die immer und überall die Freiheit des Einzelnen propagieren, und dies zu Recht propagieren, ist dies eine verwunderliche Position, eigentlich eine unmögliche Position.

Denn: Wie kann man gegen eine Serafe-Gebühr sein, gegen eine zu hohe Steuerpflicht, gegen eine Hundehalter-Grundkurs-Pflicht, gegen all diese und alle möglichen anderen Pflichten, aber nicht gegen die Pflicht, die sehr weit, wohl am allerweitesten ins Privatleben hineinreicht?

Wie kann eine freiheitliche Partei dem Staat das Recht in die Hand geben, aus freien und mündigen Bürgern Vasallen des Staates zu machen? Eines Staates notabene, der immer übergriffiger, immer unverschämter handelt? Weshalb um alles in der Welt soll also ein Staat ein solches Recht auf den Zugriff auf seine Bürger (nicht Bürgerinnen!) haben? Ein Recht darauf, sie für Monate in einer Rekruten-«Schule» herumzukommandieren und dann, die nächsten Jahre, dazu zu verknurren, sich – oft langweilend – in irgendeiner Kaserne zu verdingen?

Doch ganz egal, ob man sich langweilt oder etwas Sinnvolleres macht: Die zentrale Frage ist nicht die nach dem Inhalt, sondern jene nach der Legitimation. Deshalb dient auch der Zivildienst als Ausrede nicht. Denn: Was gibt dem Staat das Recht, mich einzuziehen – und sei es nur für eine Woche oder einen Tag oder auch nur eine einzelne Stunde –, um im besten Fall mich in einem Bunker zu langweilen, im schlechteren Fall an einem Schwingfest die Besoffenen zu betreuen, und im allerschlimmsten Fall mitzuhelfen, die Bevölkerung gegen Corona zu «immunisieren», in vielen Fällen gegen deren expliziten Willen?

Die letzten Jahre haben diese meine Position noch stark akzentuiert: Während vor dieser «Pandemie» meine Position eine rein politische war, ist es jetzt auch eine emotionale. Und: eine mehr und mehr moralische.

Das Militär und auch der Zivilschutz haben eine wesentliche Rolle gespielt im Aufziehen dieses Unrechtsregimes, das wir in den vergangenen Jahren erlebt haben. Hier mitzuhelfen wäre Verrat. An meinen Mitmenschen. An meinem Gewissen. An meinem Gott, auch das.

Deshalb: Es ist höchste Zeit, die Wehrpflicht abzuschaffen. Subito. Tutti quanti. Und es ist insbesondere Zeit für den zivilen Ungehorsam, sich gewissen «Pflichten» zu verweigern. Mit Verweis aufs Gewissen. Mit Verweis auf die individuelle Freiheit. So wie es früher – als viele von ihnen noch an der persönlichen Freiheit interessiert waren – die Linken getan haben. Wobei sie für ihre mutigen Überzeugungen nicht selten im Bunker gelandet sind.

Natürlich kenne ich den berühmtesten Einwand gegen diese Position: Sicherheit geht uns alle an. Die Verteidigung der Schweiz ist Sache aller wehrhaften Schweizer (nicht Schweizerinnen!), und deshalb sollen sich auch alle in den Dienst des Landes stellen. Mit Verlaub: Dies ist Blödsinn. Denn: Wenn dem so wäre, könnte keine Polizei funktionieren und auch keine Feuerwehr, die sich grossmehrheitlich aus Freiwilligen rekrutieren und ganz ohne Zwang auskommen.

Eine freiwillige Armee schliesslich wäre einem Wettbewerb unterworfen. Man müsste um Menschen ringen, anstatt sie einfach einzuziehen und herumzukommandieren. Man müsste die Armee attraktiver gestalten, damit mehr Menschen dort ihre Zukunft sähen, sei es beruflich oder in einem Milizengagement. Und man muss diesen Menschen die Möglichkeit geben, davonlaufen zu können, wenn ihnen das, was befohlen, zu krude oder zu unsinnig wird. Denn: Was auf Freiwilligkeit basiert, ist immer und in jedem Fall besser, hat immer das solidere Fundament als Zwang und blinder Gehorsam.

Höchste Zeit also, dass wir die Wehrpflicht abschaffen. Höchste Zeit also, dass wir immer mehr staatliche Pflichten und Zwänge abschaffen und stattdessen eine Gesellschaft auf dem Fundament von Freiwilligkeit und Wohlwollen aufbauen. ♦

von Jérôme Schwyzer

***

Jérôme Schwyzer ist Lehrer und Präsident des Lehrernetzwerks Schweiz


Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Die Zivilisation am Leben erhalten

Viele von uns sind in dem Glauben aufgewachsen, dass die Demokratie die beste aller möglichen Welten biete, aber dieses angenehme Versprechen hat sich ganz offensichtlich als falsch erwiesen. Herrschaft taugt nicht als Quelle eines ehrlichen und menschengerechten Lebens; sie taugt nur dazu, immer noch mehr Herrschaft – also Zwang – hervorzubringen. Und da leider niemand ausser uns da ist, um die Zivilisation zu pflegen, müssen wir das tun.

Das heutige Herrschaftsmodell

Es gibt zwei Grundmodelle, wie eine zivilisierte, menschengerechte und vertrauensvolle Lebensweise hervorzubringen sei:

  1. die Zivilisation im Menschen pflegen
  2. den Menschen die Zivilisation aufzwingen

In der guten alten Zeit begnügten sich Regierungen mit der Abwehr äusserer Bedrohungen und überliessen es den Religionen und Philosophien, die Zivilisation in der Bevölkerung zu kultivieren.

Doch seit den 1970er-Jahren haben wir eine feindliche Übernahme der Moral erlebt; die Durchsetzung moralischer Normen durch den Staat, indem alles reguliert und kriminalisiert wurde. Gemäss diesem Modell muss der Staat die korrekte Sprache und ordentliche Sexualpraktiken durchsetzen; er muss die Erbsünde des Rassismus bestrafen und unterdrücken; er muss grüne Politik erzwingen, um die Apokalypse abzuwenden … der Staat muss eine Bedrohung nach der anderen beseitigen, um uns zu guter Letzt ins gelobte Land zu führen.

Der Weg der Herrschenden ins Paradies besteht darin, immer mehr Zwang auszuüben. Und viele Menschen glauben gerne an solche Fantasien, da sie nicht erkennen, welchen hohen Preis sie dafür bezahlen. An diesem Punkt stehen wir heute.

Was also sollen wir tun?

Wir müssen nach eigenem Willen und aus eigener Initiative handeln. Die gute Nachricht ist, dass wir genau das bereits tun. Und es zeigt sich, dass wir wirklich gut darin sind …

von Paul Rosenberg

***

Paul Rosenberg beschäftigt sich seit der ersten Cypherpunk-Ära intensiv mit Kryptografie. Er ist Co-Autor eines Grundlagenpapiers über private digitale Volkswirtschaften und betreibt den anarchistischen Blog «Free-Man’s Perspective».

Am 20. Februar 2023 erschienen auf freemansperspective.com. Ins Deutsche übersetzt von Michael Bubendorf.


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 06. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Gesund ohne kranke Kasse

Stefan Häsler folgt lieber seinem gesunden Menschenverstand, als ein krankmachendes «Gesundheitswesen» zu unterstützen. Der 51-jährige Schreiner und Arbeitsagoge hat den Glauben an die Schulmedizin verloren und die obligatorische Krankenkasse aufgegeben.

«DIE FREIEN»: Stefan, du hast Ende 2022 deine obligatorische Krankenversicherung gekündigt, aus Gewissensgründen. Deiner Kündigung hast du ein «Glaubensbekenntnis» beigelegt, in dem du dich auf die verfassungsmässig garantierte Glaubensfreiheit berufst. Wie ist es dazu gekommen?

Stefan Häsler: Den ersten Versuch, aus der Krankenkasse auszutreten, startete ich schon 2021. Auf die Idee gebracht hatte mich der Künstler Daniel Ambühl, der argumentierte, dass man Ungeimpfte in den Spitälern nicht mehr gleich behandelte und somit das Obligatorium nicht mehr gerechtfertigt sei. Ich gab die Kündigung so ein, sie antworteten, das könne ich nicht tun, sie seien ja nicht verantwortlich für die Situation in den Spitälern. Also bezahlte ich die Jahresprämie nochmals, merkte aber, dass es für mich nicht stimmt. Beim zweiten Mal berief ich mich auf die Glaubensfreiheit und legte dem Schreiben mein Glaubensbekenntnis bei. Darauf erhielt ich keine Bestätigung, aber auch keine Rechnung. Vor einem Jahr war die Mahnung sehr rasch gekommen. Nun habe ich seit Dezember 2022 nichts mehr gehört. Allerdings haben sie mir auch für die Unfallversicherung keine Rechnung mehr geschickt – obwohl ich die eigentlich behalten wollte, weil ich fand, dass sie im Rahmen dessen ist, was sie ungefähr kosten darf. Aber ich bin nun lieber gleich aus dem Ganzen raus, statt jetzt noch nachzufragen, ob sie mir dafür eine Rechnung schicken. (lacht)

In deinem Glaubensbekenntnis argumentierst du, das Gesundheitswesen sei ein verbrecherisches System, das du nicht mehr unterstützen kannst.

SH: Wenn man schaut, wie viele Nebenwirkungen von Medikamenten für Todesfälle verantwortlich sind, muss man zum Schluss kommen: Eigentlich kommt man besser weg ohne Schulmedizin. Das muss nicht heissen, dass sie nicht auch ihre Berechtigung und Stärken hat, beispielsweise bei einem Unfall. Aber im grossen Ganzen ist es ein Geschäftsmodell, bei dem Profit und nicht das Wohl des Menschen im Zentrum steht.

Hast du das schon vor Corona so kritisch gesehen?

SH: Corona hat mir einfach den Rest gegeben. Ich bin eigentlich schulmedizingläubig aufgewachsen, das war für mich das Normale und Gute. Aber es begann langsam zu bröckeln. Ich lernte immer mehr Menschen kennen, die alternative Behandlungen wählten, die besser waren und weniger teuer: bei Krebs, bei Arthrose, bei Kniegelenkbeschwerden. Das hat sich alles gehäuft, schon vor Corona. Ich begann mich mit Gesundheitsthemen auseinanderzusetzen und merkte: Alle Alternativmediziner sagen das Gleiche – dass ihre Methoden behindert, Behandlungen verboten werden und so weiter. Und das ist ja höchst unwissenschaftlich. Wenn man sieht, dass es so viel aus der Naturmedizin gibt, das über Jahrtausende entwickelt wurde und sich bewährt hat, und dann einfach rausgekippt wurde – da merkt man einfach, dass es ums Geld geht, nicht ums Helfen …

… und so ist dein Glaube ans Gesundheitssystem ins Wanken geraten?

SH: Ja. Lustigerweise, als die Krankenversicherung obligatorisch wurde 1996, hiess es, sie werde günstiger für alle. Schon damals hatte ich irgendwie ein ungutes Gefühl. Denn wenn etwas obligatorisch ist, kommt richtig viel Geld rein. Corona hat jetzt vieles gezeigt, das vorher schon schiefgelaufen ist: Die ganze Manipulation über die Medien, das Schlechtmachen von natürlichen Mitteln durch die Pharma … es wird seit mehr als Hundert Jahren vor Heilpflanzen gewarnt, obwohl sie wissen, dass die ganze Chemie viel mehr Nebenwirkungen hat.

Nun stehst du ohne Kranken-, aber auch ohne Unfallversicherung da. Das bedeutet, dass du auch bei einem Unfall völlig auf dich allein gestellt bist.

SH: Naja, allein gestellt stimmt nicht unbedingt – das Gesundheitswesen funktioniert ja auch ohne Kasse. Aber es ist klar, dass ich die Kosten der Dienstleistungen, die ich annehmen würde, übernehme. Ich sehe mich als Kunde, nicht als Patient. Ich befasse mich mit Gesundheit und den verschiedenen Möglichkeiten und kaufe von der Schulmedizin das ein, was ich will. Aber es gibt immer weniger, das ich dort einkaufen möchte. (lacht)

In einem Worst-Case-Szenario könnten die Kosten aber schnell mal horrend werden. Macht dir das Sorgen oder denkst du positiv, dass es gar nie dazu kommen wird?

SH: Klar, die Möglichkeit besteht, aber die Wahrscheinlichkeit ist relativ klein. Das ist jetzt einfach ein Risiko, das ich auf mich nehme. Es ist eher selten, dass man als Normalbürger etwas nicht tragen kann – bei einer Querschnittslähmung oder Ähnlichem. Da hätte ich jetzt auch keine Lösung. Aber ich habe eine Patientenverfügung geschrieben für meine Frau, damit sie wüsste, an wen sie sich im schlimmsten Fall wenden muss. Wir haben keine Kinder, es betrifft nur meine Frau. Sie selbst ist sicherheitsbedürftiger, akzeptiert aber meinen Weg.

Kämst du mit deinem Glaubensbekenntnis juristisch durch, wenn die Krankenkasse dich betreiben würde?

SH: Ich habe mir meine Gedanken dazu gemacht. Ich denke, dass es juristisch stimmt, weil die Bundesverfassung über dem Krankenversicherungsgesetz steht. Und für mich ist es offensichtlich, dass die Krankenkasse eine kriminelle Organisation ist, die man gar nicht finanziell unterstützen darf, das ist im Strafgesetzbuch geregelt. Aber wie wir wissen, wurde das Gesetz letztlich geschrieben, um die Grossen zu schützen, und die können am Ende machen, was sie wollen. Insofern ist mir auch klar, wenn die anfangen, mit Paragrafen auf mich loszugehen, dann … Ich mag mich auch gar nicht mit Paragrafen auseinandersetzen. Ich baue nicht darauf, sondern auf den gesunden Menschenverstand. Ich habe einfach gemerkt: Wenn ich da weiterhin mitmache, tue ich etwas, zu dem ich nicht stehen kann. Wir tun so vieles, nur weil man uns mit irgendwelchen Paragrafen dazu zwingt. Aber ich finde, wir müssen das tun, was wir aus unserem Innersten heraus verantworten können.

Hast du die Krankenversicherung rein aus moralischen und ethischen Gründen gekündigt, oder auch aus finanziellen Gründen?

SH: Es macht auch finanziell keinen Sinn für mich. Bei meiner Prämie und Franchise – bevor ich einen Franken sehen würde, sind 4000 Franken weg. Jetzt kann man rechnen, wie viel ich in zehn Jahren einzahle. Ich war auch noch nie so krank, dass ich die Krankenkasse gebraucht hätte.

Hinterfragst du auch die Steuern? Sind die für dich gerade noch akzeptabel? Oder das Nächste, was du aufgeben willst?

SH: Die Steuern zahlen meine Frau und ich zusammen und da muss ich einen Weg finden, der für uns beide gangbar ist. Aber das ist eine Herausforderung. Wenn ich sehe, dass wir immer noch im Notrecht regiert werden und wie viele Lügen verbreitet und Hetze betrieben wurde, wie viele Menschen gezwungen wurden, sich zu spritzen – die Lage ist eigentlich so kriminell, dass man sagen müsste: Laut Strafgesetzbuch dürfte man diesen Verein gar nicht mehr unterstützen, sonst macht man sich selbst strafbar. Das sieht meine Frau bis zu einem gewissen Grad auch ein, aber sie ist beim Kanton angestellt und würde dann ihrerseits in einen Gewissenskonflikt geraten. Da versuche ich einen Weg zu gehen, der für beide stimmt.

Empfindest du es als Befreiungsschlag, dich aus dem System herauszunehmen?

SH: Ja, ich habe allgemein Erfahrung damit, mich aus dem System herauszunehmen. Ich habe schon mal ein Jahr in einem Kloster verbracht. Als Kind war ich in einem Krisengebiet im Libanon. Dort sah ich, wie die Menschen ums tägliche Überleben kämpften. Und hier in der Schweiz machen wir uns Gedanken darüber, was in 30, 40 Jahren ist, bauen uns unsere Angstgebäude auf – dabei braucht es eigentlich so wenig zum Leben.

Fazit: Für eine gesunde Gesellschaft braucht es mutige Menschen, die sich nicht mit Drohkulissen erpressen lassen.

SH: Ja, es fängt bei jedem Einzelnen an. Wenn man das System reformieren will, muss es unten anfangen. Von oben geht es nicht. ♦

von Christian Schmid Rodriguez


Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Bariletti – durch Dur und Moll

Der Musiker und Tüftler Jürg Bariletti hat in seinem Leben alle möglichen Tonlagen durchgespielt und immer wieder von Neuem angefangen. Im Gespräch erzählt er uns über die vielen Stationen in seinem Leben, wie ihn seine Kindheit geprägt hat, und woher seine «Autoritätsparanoia» kommt.

Einige Stufen hinab, durch einen verwinkelten Gang. Es eröffnet sich dem Besucher ein kleiner Saal, der beinahe an eine Ausstellung erinnert; das Reich des freien Experimentalmusikers, Pianisten und Klavierrestaurators Jürg Bariletti. Herzlich ist sein Willkomm zwischen Klavieren, selbstgebauten Instrumenten, Kunstwerken eines Untermieters, einer kleinen Bar mit dahinterliegender Küche. Dann der Flügel, sein wichtiger Mittelpunkt im Raum.

Es ist nicht einfach, wenn nicht gar unmöglich, Bariletti einzuordnen. Musiker, Klavierrestaurator und Pianostimmer, Künstler; all dies zeigt nur einen kleinen Teil seiner grossen Vielseitigkeit und seiner Begabungen.

Wir sitzen nebeneinander auf einem alten Sofa an der Wand und plaudern über vergangene Zeiten, das Heute und über uns. Seine Geschichte und sein umfangreiches Wissen beeindrucken. Ein feinfühliges Wesen kommt an die Oberfläche. Sein Leben, von vielen Höhen und zahlreichen Tiefen gezeichnet, hat zahlreiche Tonlagen, wie es für einen von grandioser Musikalität durchfluteten Musiker offensichtlich zwingend ist.

Bariletti ist in Chur zusammen mit seiner Schwester bei Adoptiveltern aufgewachsen, nachdem die beiden in einem Waisenhaus gelebt hatten. Oft wird seine Geschichte von einem ansteckenden Lachen unterbrochen. Dies, obwohl seine Kindheit wenig Anlass dazu gegeben hat. Die beiden Geschwister gehörten zu den Hunderten von «Kindern der Landstrasse», die von Schweizer Behörden ihrer Mutter und Familie entrissen, geraubt und fremdplatziert wurden.

Er durchlebt diese Kindheit in einer patriarchalisch geprägten Adoptivfamilie, die keine Abweichungen von ihrem sehr engstirnigen Lebensbild zulässt. Seine Kontakte zu Gleichaltrigen sind hart eingeschränkt, aus Furcht, er könne ungeliebten Einflüssen ausgesetzt werden, wie Plastikspielzeug, Fernseher, Süssigkeiten, Comics und anderem mehr. Diese Erziehungsmethode würde heute als «schwarze Pädagogik» bezeichnet. Daraus resultierte, wie Bariletti festhält, «eine Autoritäts- und Beobachtungsparanoia, welche mich bis heute prägt» …

von Herbert Schweizer


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 06. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Faustdicke Überraschung für Bargeld-Initiative!

Die Medienmitteilung des Bundesrats vom 17.05.2023 ist eine faustdicke Überraschung: Statt die Anliegen der Volksinitiative «Bargeld ist Freiheit» komplett zu verwerfen, will der Bundesrat einen Gegenentwurf erarbeiten.

«Der Bundesrat anerkennt die wichtige Bedeutung von Bargeld für Wirtschaft und Gesellschaft (und) ist bereit, diese Anliegen von Gesetzes- auf Verfassungsstufe zu heben, um deren Bedeutung zu unterstreichen.»

Etablierte Politiker äusserten sich gegenüber dem Anliegen der Bargeld-Initiative bisher kritisch bis ablehnend. So liess die SP-Politikerin Sara Wyss verlauten: «Es gibt überhaupt keine Bestrebungen, das Bargeld abzuschaffen.» Und die Baselbieter FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger fand es nicht notwendig «hier parlamentarisch oder mit einer Initiative korrigierend einzugreifen».

Anders sieht das offenbar der Bundesrat. An der Initiative kritisiert er einzig eine zu wenig präzise Formulierung, weshalb der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement beauftragt, eine Vernehmlassungsvorlage für diesen direkten Gegenentwurf auszuarbeiten.

Mit der bundesrätlichen Schützenhilfe scheint die Aufwertung des Bargelds von Gesetzes- auf Verfassungsebene gesichert. Hingegen überrascht der Hinweis zur unpräzisen Formulierung, handelt es sich bei der Bargeld Initiative doch um eine vorbildlich kurze und klare Initiative. Die Initianten rund um die Freiheitliche Bewegung Schweiz und die Bürgerrechtsbewegung werden den Gegenvorschlag der Regierung sicherlich mit Argusaugen prüfen. ♦

von Michael Bubendorf


Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Den steilen Hang aufwärts

Im Gespräch mit Philipp Kruse

Rechtsanwalt Philipp Kruse unterstützt sechs Impfopfer, die durch die Zulassungsbehörde Swissmedic und impfende Ärzte geschädigt wurden. Er sprach mit uns über die neusten Erkenntnisse im Fall, über Grundrechte, den Pandemievertrag und Hoffnungsschimmer.

«DIE FREIEN»: Was ist der aktuelle Stand der Strafanzeige gegen die Swissmedic-Verantwortlichen?

Philipp Kruse: Zur Strafanzeige muss man wissen, dass sie aus zwei Ebenen besteht: Es ist in der Hauptsache eine Strafanzeige von sechs betroffenen Impfopfern. Diese klagen einerseits gegen die Verantwortlichen der Zulassungsbehörde Swissmedic: wegen der rechtswidrigen Zulassung neuartiger mRNA-Substanzen unter Verletzung zentraler Sorgfaltspflichten gemäss Arzneimittelgesetz, inklusive ohne eine risikoadäquate Pharmakovigilanz aufzugleisen, die ein verlässliches Bild ermöglicht hätte über die tatsächlichen Schäden; und weil Swissmedic die Öffentlichkeit unmittelbar getäuscht hat in diesem Zusammenhang. Durch diese Rechtsverletzungen wurden meine Mandanten geschädigt. Geschädigt wurden die Opfer natürlich auch durch den Vorgang der Injektion durch die Ärzte, die ihnen nicht alle erforderlichen Informationen gegeben haben, um sich eine freie Meinung bilden zu können. Darum ist es gleichzeitig auch eine Strafanzeige gegen die impfenden Ärzte. Das ist die zweite Ebene.

Neu ist, dass wir mittlerweile wissen, dass in der Strafanzeige gegen die impfenden Ärzte die Zuständigkeit jeweils einer kantonalen Staatsanwaltschaft akzeptiert wurde. In einem ersten Verfahren, für welches der Kanton Bern zuständig ist, haben wir bereits einer ersten Einvernahme beigewohnt. Dort gewannen wir den Eindruck, dass die Staatsanwaltschaft die Sache sehr ernst nimmt. Die Zuständigkeit im Hauptverfahren ist jedoch noch nicht geklärt. Wir sehen die grössten Chancen, eine Zuständigkeit zu begründen mit dem Vorwurf, dass Swissmedic mit Urkunden über die tatsächliche Natur dieser Substanzen getäuscht hat – sowohl bezüglich der Wirksamkeit als auch der Sicherheit. Wir haben jetzt sehr viel mehr Arbeit investiert, um beweisen zu können, dass Swissmedic die Öffentlichkeit systematisch und qualifiziert getäuscht hat. Weil Swissmedic von Gesetzes wegen die höchste Autorität im Lande ist, hat das strafrechtliche Relevanz. Wir sind der Auffassung, dass dadurch Menschen zu Schaden gekommen sind, und dass man die Zulassung auch nicht gestoppt hat, als die Schädlichkeit der mRNA-Substanzen längst der ganzen Welt bekannt war. Die Strafanzeige bezweckt ausserdem, einen gesamtgesellschaftlichen Überprüfungs- und Korrekturprozess in Gang zu setzen. Denn wenn wir das nicht tun, wird sich das Ganze beim nächsten Mal wiederholen …

von Christian Schmid Rodriguez


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 06. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Meine Mutter, die Wutbürgerin

München 2020/2021: Coronazeit. Markus-Söder-Land. Massnahmenwahnsinn. Kein Spass das. Eine Frau im fortgeschrittenen Alter betritt das Tram, die Maske einen Spaltbreit unter der Nasenspitze. Sie erntet böse Blicke. Das reicht ihr schon, um loszulegen. Sie reisst sich die Maske vom Gesicht und schleudert Jung und Alt die Wahrheit ins vermummte Angesicht. Schonungslos, ungeschminkt. Impfung, Test, Propaganda: alles Lug und Trug! Das ganze Programm. Sie argumentiert scharf, brillant. Das kann sie. Niemand reagiert. Die Frau ist meine Mutter. Sie ist Wutbürgerin der ersten Stunde. War sie immer schon.

1943 in Berlin geboren. Ihr Wiegenlied ist der Bombenterror. In den letzten Tagen des Krieges, so wurde von den Verwandten berichtet, sang sie – ein knapp zweijähriges Kind – im Luftschutzbunker fröhliche Lieder, um den Menschen die Angst zu nehmen, lebendigen Leibes begraben zu werden. Meine Mutter sagt, dass sie keine Angst vor den Bomben hatte und in ihrer kindlichen Seele spürte, dass die Menschen Trost und Ablenkung brauchten. Dass sie heitere Kinderlieder sang, während die Bomben fielen, glaube ich ihr. Dass sie keine Angst vor den Bomben hatte, hingegen nicht.

Das Schlimmste, sagt sie, seien das betretene Schweigen und die gesenkten Blicke. Noch nie habe es jemand – jung oder altim Tram gewagt, aufzustehen und Widerrede zu halten. «So wie damals. So ist der Mensch. Willige Lämmer, die schweigend in ihr Verderben laufen. So wie damals unter Hitler. So ist es immer schon gewesen. Und jetzt wieder.»

Nach dem Krieg, zur Stunde null, schlich sich meine Mutter – jetzt ein junges Mädchen – gegen das ausdrückliche Verbot ihrer Pflegetanten regelmässig zum Bahnhof Zoo, wo die russischen Kriegsgefangenen heimkehrten. Sie kletterte auf einen Mast, damit man sie sehen könne und streckte das winzige Passfoto – das Einzige, was sie vom Vater besass – den aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrenden Soldaten entgegen. Der Vater war nicht dabei. Wenn sie heimkam, wurde sie verprügelt. Um der Prügel zu entgehen, flüchtete sie ins Badezimmer und schloss sich dort stundenlang ein, bis sich die Wogen gelegt hatten. Dort sass sie, ein verlassenes kleines Mädchen in seiner Einsamkeit und umarmte den Wasserboiler, das Einzige im kalten, traurigen Nachkriegsberlin, das ihr etwas Wärme zu schenken vermochte. Am nächsten Tag stahl sie sich wieder zum Bahnhof. Die zu erwartenden Prügel konnten sie nicht davon abhalten.

von Oliver Hepp


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 06. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Agorismus – Freiheit in der Schattenwirtschaft

Skepsis gegenüber -ismen ist angebracht. Manche -ismen zielen darauf ab, dass der Mensch sich ändert und einer Idee anpasst. Wohin das führen kann, ist bekannt: Staatsterror, Hungersnot, Genozid und Krieg waren allzu oft das Ergebnis.

Beim Agorismus ist es genau umgekehrt: Er beschreibt Handlungen, die seit Menschengedenken stattfinden und oftmals das Überleben jener sicherte, die von anderen -ismen bedroht wurden; beispielsweise vom Nationalsozialismus oder seiner Schwester, dem Kommunismus. Der Agorismus beschreibt die Teilnahme am Markt jenseits des staatlichen Einflusses. Ein Verhalten, wie es der menschlichen Natur entspricht; Ludwig von Mises hat es in «Human Action» beschrieben. Dieses zielgerichtete menschliche Handeln findet seit Menschengedenken auf verschiedenen Märkten statt.

Fasern im Henkersstrick

Den Begriff Agorismus hat Samuel Edward Konkin III geprägt, eine einzigartige, kuriose Persönlichkeit. Konkin kam 1947 in der kanadischen Provinz Saskatchewan zur Welt. In seinen jungen Jahren hätte man ihn als Sozialist bezeichnen müssen. Über die Werke von Robert A. Heinlein, Ayn Rand und Ludwig von Mises fand er zum Libertarismus. Sein Schaffen als libertärer Impulsgeber war entscheidend geprägt vom grossen anarchokapitalistischen Denker Murray Rothbard.

Als Konkin sein neues libertäres Manifest veröffentlichte, richtete er sich an Menschen, die keinen Zweifel an der Natur des Staats mehr haben und welche die «Bande aller Banden, die Mafia allen organisierten Verbrechens, die Verschwörung aller Verschwörungen» in aller Deutlichkeit wahrnehmen: «Der Staat ist eine Institution des Zwangs, die Unmoral zentralisiert, Diebstahl und Mord anordnet und eine Unterdrückung koordiniert, die sich gewöhnliche Kriminelle nicht einmal vorstellen können.» Eindrückliche Beweise für diese These ins Feld zu führen, fällt dem libertären Geist Konkins leicht: Allein im 20. Jahrhundert wurden in staatlichen Kriegen mehr Menschen ermordet als je zuvor; Steuern und Inflation haben mehr Wohlstand vernichtet, als zuvor produziert wurde, was in der globalen Verschuldung Ausdruck findet. Um sein eigenes Überleben zu sichern, hat der Staat dem Verstand der Menschen mehr Schaden zugefügt als jeder Aberglaube zuvor – mit politischen Lügen, Propaganda und vor allem mit vermeintlicher Bildung …

von Michael Bubendorf


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 06. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Der unvollendete Regenbogen

Südafrika gilt als Regenbogennation – wegen den diversen Ethnien, die das Land bevölkern, seinen neun Provinzen und elf Amtssprachen. Was 1994 mit den ersten freien Wahlen gut und relativ friedlich begann, droht nun in einem Sumpf von Korruption und Kriminalität unterzugehen. Dabei wurden vor allem in den vergangenen zehn Jahren die (Haus-)Aufgaben nicht erledigt.

Lawrence Mabote ist tief enttäuscht. Seine beiden Kinder, sieben- und achtjährig, verstehen nicht, warum die Toilettenspülung in ihrem Haus am Stadtrand der eher ländlichen Stadt Ditsobotla in der Provinz North West nicht funktioniert.

«Den Kindern zu erklären, dass die Spülung nicht geht, weil kein Wasser da ist, ist schwierig», sagt Mabote. In seinem Haushalt spart er jeden Tropfen Wasser, um ab und zu eine WC-Spülung zu ermöglichen. Das Wasser muss er von der Ladebrücke eines Pick-ups kaufen, zu 5 Rand pro 20 Liter. Der Tageslohn eines Farmarbeiters oder einer Nanny übersteigt oft nicht 150 Rand. Nach der Geschirrspülung wird das Wasser rezykliert und wieder verwendet, auch um Wäsche zu waschen. Was dann noch übrig bleibt, landet in der Klospülung. Vorübergehende Wasserknappheit? Definitionssache: In Ditsobotla und vielen anderen, insbesondere ruralen Gegenden ist das seit über fünf Jahren Dauerzustand. Die Schlaglöcher werden grösser und grösser, ebenso die Abfallberge, die nach Gutdünken der fat cats in den Gemeinderegierungen abgebaut werden.

Eine Realität, die viele Südafrikaner kennen – die sehr viele Regierungsmitglieder aber nicht wahrhaben und schon gar nicht ergründen wollen. Ganz im Gegenteil, Jahr für Jahr zelebriert sich der sich gerade in Amt und Würden befindende Präsident, zurzeit Cyril Ramaphosa, im berühmten SoNA-Ritual (State of the Nation Address, Rede zur Lage der Nation). Er wird dabei umgarnt von pompösen Feierlichkeiten, die in stärkstem Kontrast zur Armut stehen, die viele Menschen wie Lawrence Mabote erleben …

von Marco Caimi


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 06. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.