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Monat: September 2023

Die Permakrise

Permafrost liegt vor in dauerhaft gefrorenen Böden in polaren Gebieten und Gebirgen. Auch findet sich im Brockhaus (1998, 20. gebundene Auflage) der Begriff Permakultur. Er bedeutet dauerhafte Landwirtschaft. Das Neuwort «Permakrise» sucht man in der Enzyklopädie vergebens.

Am 27. September 2022 spricht Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, in seiner Erklärung von ei-ner «Permakrise» und sagt: «Ich würde die Definition einer Permakrise jedoch gerne über den Klimawandel, Infektionskrankheiten und Krieg hinaus erweitern … Ich spreche von nichtübertragbaren Krankheiten – einschliesslich Krebs, Herzerkrankungen, alkohol- und tabakbedingten Krankheiten und der Adipositasepidemie.»

Der Begriff «Permakrise», also der Zustand einer Dauerkrise, ist eine von mehr als 600 neuen Wortschöpfungen, die seit 2019 im Zusammenhang mit der Corona-Periode Eingang in unseren Sprachgebrauch und damit auch in unser Denken finden sollen. Krise nicht mehr als vorübergehende herausfordernde Periode und Höhe- bzw. Wendepunkt einer gefährlichen Konfliktentwicklung, sondern als permanenter Bestandteil einer neuen Normalität.

Unser Leben soll im Zustand der Permakrise verharren. Sie stecken uns in düstere Zugwaggons, die ohne Führer und ohne Fahrplan durch die undurchsichtigen Systeme der stickigen Tunnel fahren. So verlieren wir jede Orientierung und warten verzweifelt darauf, dass «die da oben» mit einer Taschenlampe durch einen Spalt leuchten und uns einen Zettel mit neuen Anweisungen zustecken, die wir in permanenter Krisenangst gierig und unkritisch aufsaugen und umsetzen.

Seit Jahrtausenden sind die Menschen mit einzelnen oder komplexen Krisen konfrontiert worden. Schon im Alten Testament erfahren wir etwas über den gemeinsamen Umgang mit Plagen (3. Mo 13,12-13), Hungersnöten (1. Mo 12,10) und Kriegen (2. Mo 1,10). Sie gehören seit jeher zu den Realitäten des Lebens. Und immer haben Zeiten der Erholung, der Freude und der Zuversicht im Wechsel dazu überwogen. Aus diesem durch Erfahrung geprägten Bewusstsein heraus entwickelten sich wirksame Mechanismen, die es den Menschen ermöglichten, individuelle und gesellschaftliche Krisen zu überwinden (Röm 12,21; 3. Mo 23) und das Wissen darüber durch Tradition und Überlieferung weiterzugeben.

Sind wir seit 2019 tatsächlich einen Schritt weitergekommen in der Überwindung einer Permakrise, die uns wie ein plötzlicher Blitzschlag getroffen hat? Erschaffen wir nicht gerade einen Permakrieg durch Waffenlieferungen in Krisengebiete? Oder eine Permagesundheit für wenige, auf Kosten der Schwächsten, der Kinder und der alten Menschen, die an der Traurigkeit und Isolation erkranken?

Eine Permakrise lässt keinen Aufarbeitungs- und Lernprozess zu, der für ein nachhaltiges Krisenmanagement unerlässlich wäre. Natürlich lösen die grossen Krisen der Neuzeit, Viruspandemien, Klimaerwärmung, Kriege und Energiemangel, transgenerational bedingte Urängste aus. Der Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser sagte bei einem Vortrag in Dortmund: «Warum nicht einmal eine Krise auslassen?» Eine vom Regime gewollte Permakrise soll uns kein Entkommen mehr ermöglichen, kein «Fürchtet Euch nicht». Dies aber ist unerlässlich zur Bewältigung von Krisen, unerlässlich, um aus Krisen zu lernen und unseren Kindern Stütze und Halt zu sein in kommenden Krisen.

Deshalb dürfen wir uns keine Permakrise einreden lassen. ♦

von Prof. Dr. Stefan Hockertz und Sylvia Theis

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Prof. Dr. Stefan Hockertz ist Pharmakologe und Toxikologe und hat jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Impfstoff-Zulassung.

Sylvia Theis ist diplomierte Betriebswirtin und Co-Geschäftsführerin eines Schweizer Unternehmens des Gesundheitswesens.


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Bruno Gröning und die Säulen des Vergessens

Das menschliche Gedächtnis beruht auf Vertrauen, nicht auf Zweifel. Ob und wie lange wir uns an etwas erinnern, hängt von der Übereinstimmung mit unserem bisherigen Weltbild ab. Was aber bedeutet es, wenn wir immer nur dem vertrauen, woran wir schon glauben?

Ein Phänomen, das aufgrund eben jenes Zerwürfnisses von Realität und Wirklichkeit beinahe gänzlich aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden ist, heisst Bruno Gröning. Am 3. Mai 1906 als viertes von sieben Geschwistern in Danzig geboren, erregte der gelernte Zimmermann in den 1950er-Jahren weltweites Aufsehen als «Wunderheiler». Dabei traf sein «von Gott gesandter Heilstrom» nicht nur die Wurzel vieler Krankheiten, sondern auch den Nerv der Zeit: Die gleichzeitige Not und Hoffnung vieler Menschen, nach einer Zeit der Verwirrung, in der die materiellen und seelischen Schäden des Krieges noch lange nachwirkten, wieder Hilfe und Heilung zu erlangen. Doch während die einen schlichtweg dankbar waren, von ihren Leiden befreit worden zu sein, galt die Unerklärlichkeit von Grönings Heilerfolgen für die anderen als Grund, eben diesen ein Ende zu bereiten. Auf wenige Monate des Aufatmens folgten Jahre der Unterdrückung und des Rufmordes …

von Lilly Gebert


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Vertrauensverlust

Das grosse Loslassen

Mit dem Vertrauen ist es so eine Sache. Man hat es oder man hat es eben oft nicht. Die Psychologie hat da schnell ihre Erklärungen. «Finde den Fehler in der Kindheit», heisst es da oft in Therapien. Und oft landet man allzu schnell bei der Ursache eines angeblich frühkindlichen Traumas, das verhindert, sich auf Menschen oder auch das Leben einzulassen. Dass diese Begründung nicht immer zutrifft, sieht man an der heutigen Zeit.

Was aktuell passiert, ist eine recht eigentümliche Erscheinung. Menschen verlieren reihenweise das Vertrauen – flächendeckend, wenn man so sagen will – in vieles oder vielleicht in alles gerade: in Wissenschaft und Politik, in Institutionen, öffentliche Medien, in Banken und Konzerne, sogar in die Nahrungsmittel auf dem Teller oder die medizinischen, teils zweifelhaften Unterstützungen der letzten Jahre. Ja, selbst die einstige Stütze unserer Gesellschaft, Rückzugsort und Höhle in aller Not, die Familie, demontiert sich geradezu in Windeseile. Man findet keine Zuflucht mehr, keinen Rückhalt, dort wo man es in Sippe und Freundeskreis gewohnt war.

Dekadente Prozesse überall, sie marodieren inzwischen Werte, Ethik und was uns lieb, teuer oder heilig war. Man wähnt sich inzwischen auf einer «einsamen Insel» mit seinem guten alten Hausverstand und der Idee, noch Hüter einer gesunden Einschätzung zu sein, während im Aussen die Grundfesten jeder Moral und jedes prosozialen Gefüges verschwinden. Der Letzte dürfte nun inzwischen ins Grübeln gekommen sein, ob die sakrosankte Bühne der Medizin, die heilige Kuh der Wissenschaft, die Unantastbarkeit der Kirche, die Verehrungswürdigkeit der Alma Mater, die Verlässlichkeit der Politik nicht gerade bröselt, wie mürbe gewordener Sandstein …

von Susanne Lohrey

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Susanne Lohrey ist Kommunikationstrainerin und Coach. Sie kommentiert die aktuellen gesellschaftlichen Umwälzungen regelmässig aus einer psychologischen Perspektive. Ihr Telegram-Kanal: t.me/lohreytraining


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Menschen «verbessern» – und dann ersetzen?

Wie Sie vielleicht auch, habe ich mir lange überlegt, wieso das LGBTQ-Thema mit einem derartigen Hype, einem so ausserordentlichen Effort in die Gesellschaft hineingetragen wird. Auch deshalb, weil die Präsenz des Themas im Vergleich dazu, wie viele Menschen tatsächlich davon betroffen sind, ziemlich absurd erscheint. Nicht, dass ich nicht absolut für die Gleichstellung und Akzeptanz von Betroffenen wäre. Ich empfinde diese Anerkennung ebenso wie wohl die allermeisten meiner Mitmenschen als menschliches Gebot. Wieso also wird dieses Thema in derart propagandistischer Weise in die Öffentlichkeit befördert?

Für sehr viele Menschen sind die Beziehung, die Familie, die Kinder heutzutage der letzte Hafen, der ihnen Sinn gibt und sie trägt, in einer Gesellschaft, die mehr und mehr zersplittert und überfordert. Wir leben in einer Welt, in der viele den Überblick und die Orientierung verloren haben. Beziehungen und Familien, in denen Liebe, Mitgefühl, Solidarität, Verantwortung und Ehrlichkeit kultiviert werden, sind Anker, die dem Untergang der Werte in den letzten Jahren noch standgehalten haben. Oder eher: hatten?

Kindesschutz als «Gefahr»?

Joe Biden sprach an der im Juni abgehaltenen «Pride»-Feier im Weissen Haus von der Notwendigkeit, «transsexuelle Kinder zu bestätigen» und sagte, dass Gesetze zum Schutz von Kindern gefährlich seien. Sie würden dazu führen, dass ganze Familien in Staaten umziehen, in denen sie vor den gefährlichen Anti-LGBTQ+-Gesetzen geschützt seien. Hat jemals zuvor jemand etwas von transsexuellen Kindern gehört? Und liegt der Prozentsatz der Familien, die sich aus diesem Grund einen Umzug in ein anderes Bundesland ernsthaft überlegen, über 0,000001 Prozent? Sollen nun unversehens Gesetze zum Schutz von Kindern gefährlich sein? Ist es nicht mehr konsensfähig, dass man Kinder vor gewissen Einflüssen schützt? Meiner Ansicht nach finden Kinder, die geliebt und respektiert werden, ganz allein zu sich selbst.

Man könnte nun einwenden, trotz solcher Stimmungsmache würden nur wenige von diesem Thema betroffen sein. Die Anzahl künftiger tragender Beziehungs- und Familienkonstellationen werde sich daher nicht wesentlich verringern. Das mag sein. Vielleicht gelingt dieser Versuch der medialen und staatlichen Infiltration nicht. Möglich ist aber auch, dass dieser Hype eine Welle verursacht, die viele mitreissen wird. An Modeströmungen wie beispielsweise Tätowierungen oder Schönheits-OPs sieht man exemplarisch, wie einfach es ist, Jugendliche und Kinder ziemlich flächendeckend von neuen Trends zu überzeugen. Wer nicht mitmacht, ist einfach nicht cool, ist out.

Werteverdunstung als Strategie

Ich vermute, das Verschwinden(lassen) von Werten ist Strategie. Verflüchtigen sich auch die letzten essenziellen menschlichen Werte, steht der totalen Manipulation nichts mehr im Weg. Werte sind unentbehrlich für die Meinungsbildung. Wir entscheiden uns aufgrund eines inneren Wertesystems für oder gegen etwas. Wenn Menschen an nichts mehr glauben, glauben sie alles. Deshalb ist der vielbesungene Werteverfall meiner Meinung nach nicht bloss ein Verfall. Und noch weniger kann man von einem Wertewandel sprechen: Wo sind sie denn, die neuen Werte – hat sie irgendjemand gesehen?

Auch die Kirchen liefern – entgegen ihrer eigentlichen Aufgabe – ihren Beitrag zur allgemeinen Werteverdunstung, wenn wie am Nürnberger Kirchentag ausgerufen wird: «Gott ist queer» und der Kirchen«mann» dabei von Tausenden von Jugendlichen bejubelt wird. Währenddessen haben es die Kirchen die letzten Jahrzehnte versäumt, ihren Klienten nahezubringen, wie man heutzutage überhaupt noch einigermassen glaubwürdig von einem Gott reden kann. Mit solchen Aktionen werden sie vermutlich weiter an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen. Denn im Zuge der Entsorgung von Werten wird man bestimmt auch einen «queeren Gott» ohne namhaften Aufwand effizient und restlos beseitigen können.

Mit Menschen, die kein Wertesystem mehr haben, kann man alles tun. Man kann sie beispielsweise wie Tiere in Masttierhaltung halten – ohne Freiräume, unter totaler Kontrolle, digital überwacht und mit irgendwelchen pharmazeutischen Produkten versorgt, damit sie funktionieren und liefern. Dann mit umgekehrten Vorzeichen: Sind die Menschen so ausgehöhlt und ausgebeutet, dass sie keine Profite mehr abwerfen, werden sie anstandslos entsorgt.

Zuerst «verbessern» – und dann ersetzen?

In Nietzsches «Der Wille zur Macht» werden die überlieferten Werte eingeschmolzen und erbringen allenfalls noch den Rohstoff für neue Ziele der Macht. Wille zur Macht und die Umwertung der Werte gehören in einen systematischen Zusammenhang, der sich aus der Natur der Macht, aus der Verselbstständigungstendenz der Macht ergibt. Womit wir beim «alten» Thema eines «neuen» Übermenschen sind. Wenn es zur neuen Normalität gehört, so reibungslos wie möglich über das eigene Geschlecht hinauszugehen, ist auch die Vorstellung, sich über menschliche Grenzen hinwegzusetzen, nicht mehr weit. Läuft die neue Normalität auf die Frage hinaus: Transgender oder lieber gleich Transhumanismus?

Die Visionen des Trans- und Posthumanismus sind, den Menschen zuerst zu «verbessern» und schliesslich vielleicht sogar ganz zu ersetzen. Beim Transhumanismus geht es grundsätzlich darum, die Grenzen menschlicher Möglichkeiten technologisch zu erweitern. Die physischen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten des Menschen sollen über ihre natürlichen Bereiche hinaus ausgedehnt werden. Die Anhänger des transhumanen Konzepts verbergen nicht, dass dabei das Natürliche gegenüber dem künstlich Erweiterten grundsätzlich abgewertet wird.

Angesichts des exponentiellen Anstiegs der Leistungsfähigkeit der Computer ist zu erwarten, dass sie jene des menschlichen Gehirns bald überschreiten wird. Die individuelle Identität wird gleichgesetzt mit der Aktivität der Neuronen, die deshalb auf einen Computer übertragen werden kann. Selbsterklärend passt das Versprechen der «Übermenschlichkeit» auch für militärische Pläne. Jene, die sich solchen Optionen entgegensetzen, werden als Fundamentalisten diffamiert.

Der Verzicht auf Demokratie und menschliche Entscheidungsmacht, die reine Orientierung an «Big Data», wird insofern zum Vorteil erklärt, als die kommenden «Superorganismen von Problemen verschont bleiben, die Organisationen quälen, deren Mitglieder ihre eigenen Interessen verfolgen»!

Stochastische Papageien

KI bewirkt – anders als Transgender – auch in akademischen Kreisen helle Aufregung. Was und wie viel kann künstliche Intelligenz nun konkret? Können gewisse Berufsgruppen und Arbeitsprozesse in Zukunft ganz von Computern übernommen oder mindestens zu einem guten Teil von mit KI erweiterten Individuen ausgeführt werden? Es tauchen Einwände auf wie: Computer seien doch nur stochastische Wiedergabemaschinen.

Ja, Bingo, exakt hier liegt das Problem! Inwiefern unterscheidet sich die Art der aktuellen Mainstreaminformationsverarbeitung und -wiedergabe noch grundsätzlich von einer ziemlich zufälligen Auswertung und Wiedergabe von selektionierten und zensurierten Wissensdatensätzen, wie sie von Computern ausgeführt werden?

Wo bleiben in diesem Kontext Verantwortung und Haltung? Wie steht es um Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Empathie? Interessiert es in diesem Umfeld noch, wie viele Tote und Verletzte ein Krieg verursacht?

Fragt sich, ob die «Akademiker», die sich wie «stochastische Papageien» verhalten, sich noch wundern werden, wenn sie auf die Länge, beziehungsweise in Kürze, durch Computer ersetzt werden, die ihre Aufgaben mit noch etwas weniger Reibungswiderstand ausführen. ♦

von Doris Schindler

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Doris Schindler hat Religionswissenschaft und Psychologie studiert und ihr Leben lang im sozialen Bereich gearbeitet. Sie liebt das Schreiben, Lesen, die Tiere und die Pflanzen.


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Individueller Datenschutz

Realistisch oder ein Wunschtraum?

Ein wichtiges Ziel der zivilisierten Menschheit ist die vollständige Transparenz von Institutionen und der vollständige Schutz der Privatsphäre von Individuen. Wir erkennen dies als notwendige Voraussetzung für Gesundheit, Wohlstand und allgemeines Wohlergehen an.

Wie wir beobachten können, wird dies leider noch nicht von allen verstanden; viele Menschen sind domestiziert und stecken tief in verschiedenen etatistischen Glaubenssätzen fest. Was die Kollektivisten und Gegner der individuellen Freiheit wollen, ist nämlich das Gegenteil: Undurchsichtigkeit der Institutionen und Transparenz des Einzelnen. Wenn es nach ihnen geht, muss die individuelle Privatsphäre wie andere Formen von Privateigentum sein: kontrollierbar, manipulierbar, steuerpflichtig und pfändbar.

Aber ich habe gute Nachrichten: Die zivilisierte Menscheit macht Fortschritte. Wir haben heute mehr Privatsphäre als noch vor 30 Jahren. Ich weiss, dass sich diese Aussage absurd anhören muss. Ich weiss, sie widerspricht einer weit verbreiteten Meinung in der «Post-Snowden»-Ära. Und doch glaube ich, dass ich ihre Richtigkeit beweisen kann.

Der Schlüssel dazu ist natürlich die Verantwortung. Der Vollständigkeit halber sollte die Aussage lauten: Wir haben heute mehr individuelle Privatsphäre als vor 30 Jahren, wenn wir es möchten. Aber dieser Zusatz ist überflüssig, denn Freiheit und Verantwortung sind zwei Aspekte derselben zugrunde liegenden, natürlichen, namenlosen Substanz. Mit anderen Worten: Wir alle können heute ein unvergleichliches Mass an individueller Privatsphäre haben, aber wir müssen eine Vorliebe dafür haben.

Fangen wir mit einem einfachen Beispiel an …

von Marco Ricca

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Marco Ricca, ing. dipl. EPFL, ist ethischer Hacker und Cybersicherheitsforscher.


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Orthomolekularmedizin

Wer die Weisheit des eigenen Körpers anerkennt, hat in der Regel auch das Vertrauen, dass er sich selbst heilen kann.

Die Orthomolekularmedizin bzw. -therapie (griechisch orthos = gut, richtig; lateinisch molekula = kleine Masse, Teilchen) setzt diesen Denkansatz um, indem dem Körper diejenigen Nährstoffe zugeführt werden, deren Mangel eine Krankheit verursacht haben kann. Besser ist es, erst gar nicht krank zu werden, also dem Körper durch gesunde, vielseitige und den Bedürfnissen angepasste, regelmässige Zufuhr von Vitaminen, Mineralien, Makro- und Mikronährstoffen sowie Spurenelementen die Bausteine zur Verfügung zu stellen, die für den immerwährenden Ab- und Aufbau sowie die Reparatur der Milliarden von Körperzellen notwendig sind. Pro Sekunde werden circa 30 Millionen Zellen regeneriert bzw. neu gebildet!

Als stark vereinfachte Analogie eignet sich der Vergleich mit einer Baustelle: Damit der Hausbau vorankommt, müssen ständig Materialien angeliefert werden, Steine, Zement, Verschalungsbretter, aber auch kleine Teile wie Nägel oder Spezialwerkzeug. Alles in der benötigten Menge und zur rechten Zeit. Eine Lastwagenladung voller Schrauben ist ebenso unsinnig wie die Anlieferung der Dachbalken, wenn erst am Fundament gearbeitet wird …

von Markus Hill


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Die wichtigste Währung der Welt

Steigende Inflationsraten, die gewaltige Überschuldung der westlichen Welt, «Entdollarisierung» – die Qualität von Geld ist in den letzten Jahren wieder ein bisschen mehr in den Fokus geraten. Die wichtigste Währung der Welt allerdings ist immaterieller Natur und flüchtig.

Sicher, der US-Dollar ist allen Unkenrufen zum Trotz nach wie vor die wichtigste Währung im internationalen Zahlungsverkehr, auch wenn der Renminbi Yuan mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Gold und Silber sind zweifelsohne wichtige Depotbestandteile, und physisch sowie im direkten Besitz sogar elementare Bestandteile einer Versicherung gegen «Worst case»-Szenarien. Kryptowährungen sind vielleicht die Zukunft oder aber die Digitalwährungen der Zentralbanken. Doch sie alle sind abhängig von der Währung, die ich meine. Diese ist nicht greifbar und auch nicht zählbar.

Und doch zahlen wir jeden Tag in ihr – und werden in ihr bezahlt. Wir nutzen sie, wenn wir den Aufzug betreten. Wenn wir Autos, Züge oder Flugzeuge benutzen. Wenn wir die Strasse an der Ampel überqueren. Ebenso wenn wir Geschäfte machen, als Angestellte wie als Unternehmer. Auch im Umgang mit dem Staat und seinen Bütteln, hier zahlen wir ebenfalls in dieser Währung, und natürlich auch innerhalb unserer eigenen, freiwillig gewählten und eingegangenen Gemeinschaften und Verbindungen. Selbstredend ist sie ebenfalls die Basis des gesamten Fiat-Geldsystems (die treffendere Bezeichnung wäre übrigens Schuldgeldsystem, denn die Zentralbanken schaffen Geld nicht aus dem Nichts, sondern gegen Schuldverschreibungen).

Die Rede ist von Vertrauen.

Wenn wir den Aufzug betreten, vertrauen wir darauf, dass dieser ordentlich gewartet ist und uns nicht, statt nach oben oder unten, ins Jenseits befördert. Wir vertrauen darauf, dass die Bremsen im Auto funktionieren, dass der Zug relativ pünktlich abfährt und die Weichen für ihn korrekt gestellt werden. Wenn wir bei Grün über die Ampel gehen, vertrauen wir darauf, dass die Autos entsprechend Rot haben und auch, dass sie anhalten werden. Angestellte vertrauen darauf, dass ihnen die Firma am Monatsende das vereinbarte Gehalt auszahlt und der Chef vertraut darauf, dass auch am nächsten Tag seine Mitarbeiter pünktlich am Arbeitsplatz erscheinen. Wir (also als Gesellschaft; als Libertäre freilich eher nicht) vertrauen auch dem Staat und seinen Institutionen: beispielsweise, dass vor Gericht tatsächlich weitgehend Recht gesprochen wird. Dass die politische Klasse – trotz aller Korruption und Postenschacherei – doch auch das Wohl der eigenen Bevölkerung irgendwie im Sinn hat. Auf die Strom- und Wasserversorgung vertrauen wir ebenso wie auf eine vernünftige Entsorgung der Abwässer, dass wir im Supermarkt kaufen können, was wir für den alltäglichen Bedarf (und weit darüber hinaus) benötigen. Ebenso vertrauen wir darauf, dass das, was wir da kaufen, nicht irgendwie gepanscht oder vergiftet ist.

All das ist nicht selbstverständlich, auch wenn es uns Menschen, die wir im Westen (ich könnte auch schreiben: im judeo-christlichen Abendland) und insbesondere in Deutschland gross geworden sind, so scheint. Tatsächlich ist einer der Gründe für den enormen wirtschaftlichen Erfolg des Westens, dass seine staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen ebenso wie seine Mitglieder selbst vertrauenswürdig sind (beziehungsweise es wohl waren).

Man kann sich im Westen eigentlich gar nicht vorstellen, was für ein unglaubliches Wunder es beispielsweise ist, dass Busse fahrplangemäss fahren. Im Rest der Welt fahren Busse nämlich recht willkürlich – hier in China gibt es keine zeitbezogenen Fahrpläne. Der Bus kommt, wenn er kommt. Gottseidank fahren hier so viele Busse, dass man selten lange warten muss, aber manchmal kommen dann drei der gleichen Linie direkt hintereinander. Auf Kuba hingegen kann es auch passieren, dass potenzielle Fahrgäste umsonst den Tag an der Bushaltestelle verbrachten.

Oder denken Sie an die Plattform eBay und deren ursprüngliches Konzept: Zwei völlig unbekannte Menschen, die auch räumlich weit auseinanderliegen, handeln miteinander, und die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Handel die einzige Interaktion zwischen diesen beiden Menschen bleiben wird, liegt nahe 100 Prozent. Was hindert die Partner, kaputte Ware zu schicken beziehungsweise nicht zu zahlen? Tatsächlich gab es sogar Versicherungen gegen Zahlungsausfälle beziehungsweise defekte Waren. Sie wurden so gut wie nicht genutzt: Die Vertragspartner, obwohl Hunderte Kilometer auseinander, waren nicht nur meistens, sondern zu 99,99 Prozent ehrlich und vertrauten einander – zu Recht.

Hier in China bietet sich ein völlig anderes Bild: Selbst im Supermarkt kann man sich nicht sicher sein, dass die Ware original ist. Ein Weinimporteur erzählte mir neulich, dass etwa 60 Prozent aller Weine aus Frankreich, die in China angeboten werden, gefälscht sind. Passend dazu las ich, dass pro Jahr in China mehr Wein des australischen Weingutes Penfolds verkauft wird, als selbiges im Jahr produziert. Als ich in Peking lebte, versuchte mir die Eigentümerin eines Tante-Emma-Ladens ein (!) Päckchen Taschentücher für 26 Renminbi Yuan (damals etwa 3 Euro) zu verkaufen, da sie mich wohl in einer Notlage wähnte, denn in China nimmt man sein Toilettenpapier selbst auf die öffentliche Bedürfnisanstalt mit. Auch ist das Vertrauen der Chinesen in ihre staatlichen Institutionen zwar einerseits enorm, andererseits aber ruft man eher ungern die Polizei und regelt die Dinge lieber selbst – und gäbe es keine Kapitalverkehrskontrollen in dem Land, die Immobilienpreise in Australien, London und der US-Westküste würden noch sehr viel höher stehen und das Reich der Mitte würde binnen Stunden vermutlich drei Viertel der Spareinlagen seiner Bürger verlieren.

Gesellschaften mit einem hohen internen Vertrauenslevel haben enorme Vorteile gegenüber solchen mit einem niedrigen. Pauschal kann man sagen, dass die Transaktionskosten dadurch dramatisch niedriger liegen, ja zahllose Transaktionen überhaupt erst dadurch zustande kommen können, weil man sich gegenseitig vertraut.

Was passiert nun, wenn die Bürger das Vertrauen in den Staat, die Institutionen oder auch in ihre eigene Gesellschaft verlieren? Für viele Libertäre mag mit dem endgültigen Verlust des Vertrauens in Staat und Politik das goldene Zeitalter der Privatgesellschaft heraufdämmern. Ich hingegen bin da skeptischer. Ich habe viel Zeit in Gesellschaften mit deutlich niedrigeren gesellschaftlichen Vertrauensleveln verbracht – wirklich freiheitlich(er) waren keine …

Das Fundament wird brüchig

Im Gegenteil: Mit einsetzendem Vertrauensverlust gehen Freiheiten erst langsam, dann schneller verloren, erst für die ärmeren Gesellschaftsschichten, dann aber auch immer stärker für die Mittelschicht. Das mag man als Angstmacherei abtun, aber ich bin lediglich ein entspannter, auf der anderen Seite der Welt lebender Beobachter. Von Populismus oder Angstmacherei habe ich nichts. Mein nüchterner, allenfalls leicht nostalgischer Blick gen Westen lässt mich aber leider konstatieren, dass die Zeichen deutlich geschrieben stehen: Insbesondere in Deutschland, aber auch im Westen als solchem, wachsen die Zweifel an den Fähigkeiten der politischen Klasse, schwindet der Glaube an die Kräfte und die Rechtmässigkeit gesellschaftlicher Institutionen, werden Vernunft, Besonnenheit und kühles Kalkulieren gegen Moden, künstliche Erregungen und kurzfristige Hypes getauscht.

In Deutschland ist der enorme Auftrieb der «Schwefelpartei» AfD eigentlich schon ein hinreichender Beleg für das schwindende Vertrauen ins politisch-mediale System: Die Partei, seit ihrer Gründung als Wiedergänger der NSDAP gebrandmarkt, würde inzwischen bundesweit von mehr als 20 Prozent der wahlbereiten Bürger gewählt – daraus kann man eigentlich nur den Schluss ziehen, dass das Gros eben dieser Wähler die Märchen, welche politische Konkurrenz und Mainstreammedien über die AfD erzählen, nicht mehr glaubt. Auch wenn ich nicht ausschliessen kann und will, dass ein Teil der AfD-Wähler diese Märchen glaubt und die Partei gerade deshalb wählt. Aber in persönlicher Kenntnis etlicher Wähler sowie einiger Vertreter ebenjener Partei scheinen mir jene allenfalls ein sehr (sehr) kleiner Teil zu sein.

Wie auch immer – es gibt noch viel mehr Hinweise: der steigende Goldpreis, immerhin versechsfacht seit der Jahrtausendwende, ist ein ebenso klares Indiz wie die zunehmende Abstimmung mit den Füssen vulgo Auswanderung: Im vergangenen Jahr verliessen 1,2 Millionen Menschen die Bundesrepublik. Absoluter Rekord. Kehrseite der Auswanderung ist Einwanderung – hier kamen im vergangenen Jahr 2,7 Millionen Menschen. Ebenfalls absoluter Rekord. Leider kamen keine (bzw. nur kaum) arbeitswillige Vietnamesen, leistungsbereite Chinesen oder wenigstens junge, hübsche und heiratswillige Kolumbianerinnen, sondern nahezu ausschliesslich junge Männer aus Afrika und der arabischen Welt. Die selbstredend nicht nur kaum ausgebildet und damit auch kaum arbeitsfähig sind, sondern in aller Regel auch noch Mohammedaner, und damit genau jenes Gemisch mitbringen, das das gesellschaftliche Vertrauensfundament weiter und schneller erodieren lässt. Die Ereignisse in der Silversternacht 2016 (die sich seitdem regelmässig wiederholen) mögen ein hinreichender Fingerzeig sein, ein anderer jene Szenen, die sich inzwischen in jedem Sommer in (fast) jedem Freibad in Berlin, Bremen und anderen bundesrepublikanischen Brennpunkten abspielen.

Die Folgen von Multikulti bringen eben nicht mehr Freiheit und damit mehr Möglichkeiten, sondern eine Vertrauenserosion: Man spricht wortwörtlich, ebenso wie im übertragenen Sinne, nicht mehr dieselbe Sprache – banalste Dinge wie das Warten an einer Bushaltestelle oder das Fragen nach dem Weg oder der Kinobesuch werden dann plötzlich zu einem Risiko. Auch dass obskure Ideen wie zum Beispiel der Glaube an eine flache Erde Hochkonjunktur haben, zeigt das schwindende Vertrauen. Während Eratosthenes im Grab rotiert, gibt es offenbar eine wachsende Anzahl an Menschen, die sogar den grundlegendsten physikalischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen misstrauen – bedenkt man, wie sehr der Begriff Wissenschaft in den letzten dreieinhalb Jahren missbraucht wurde («follow the science»), kann ich es ihnen nicht einmal verdenken.

Für viele Libertäre mag das Schwinden des Vertrauens in politische Parteien sowie staatliche Institutionen eine gute Sache sein. Tatsächlich aber wird so der Weg in Richtung einer freiheitlicheren Gesellschaft nicht beschritten. Im Gegenteil. Je weniger der Bürger der Politik vertraut, desto fester wird das politische Establishment die Zügel anziehen. Desto härter wird die Propaganda auf die Bürger einprasseln und desto schwerer werden jene bestraft, die vom Staat und seinen Bütteln als «Abweichler» eingestuft werden. Die Plandemie und der Umgang mit jenen, die das Narrativ nicht befolgen wollten oder sich gar der Gentherapie offen verweigert haben, ist ein erster Vorgeschmack auf das Kommende.

Dies gilt auch jenseits der Politik – wenn dem staatlichen Geld nicht mehr vertraut wird, dann tritt nicht einfach besseres Geld an dessen Stelle, sondern der Staat und seine Institutionen werden das schlechte Geld mit aller Macht schützen und es mit Gewalt und Zwang am Umlaufen halten. Wer nicht mehr in Gerichte und Rechtsstaat vertraut, wird einerseits geneigt sein, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen oder andererseits Recht und Gesetz zu ignorieren. Und wer nicht darauf vertrauen kann, Kritik oder auch blosse Meinung frei und gefahrlos äussern zu können, wird entweder schweigen oder nach anderen Möglichkeiten suchen, sich Gehör zu verschaffen. Ohne Vertrauen in zuverlässige Institutionen und einen verlässlichen Kurs wird auch die Wirtschaft unzuverlässig und sich nach stabileren, verlässlicheren Orten umsehen. Wenn erstmal ein gewisses Mass an Vertrauen verloren gegangen ist, setzt sehr schnell eine Abwärtsspirale ein – an deren Ende eben nicht ein goldenes Zeitalter individueller Freiheit steht, sondern eine fragmentierte, verarmte, verängstigte und gewalttätige Gesellschaft mit einem mehr oder weniger totalitären Staats- und Politikapparat.

Wäre eine Umkehr möglich? Einerseits ja, andererseits bin ich doch mehr als skeptisch. Wir wissen aus unseren eigenen, individuellen Beziehungen: Verloren gegangenes Vertrauen lässt sich, wenn überhaupt, nur mit unbedingter Ehrlichkeit wiederherstellen. Ich sehe beim politischen ebenso wenig wie beim medialen Personal und auch – mit Abstrichen – in der Wirtschaft kaum jemanden, dem ich die Fähigkeit und den Willen zur Ehrlichkeit zutraue. Die Lösung wird letztlich nur für den Einzelnen darin bestehen, als Individuum so frei, so autark, so autonom als möglich zu werden, was aber freilich nicht bedeutet, dass die Verwerfungen eines gesellschaftlichen Vertrauenskollapses spurlos an einem vorübergehen könnten. ♦

von Stephan Unruh

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Stephan Unruh, geboren in Süddeutschland, landete nach Stationen in Mexiko, Vietnam und Malaysia in Südchina, von wo aus er als Teilhaber einer Hongkonger Handelsgesellschaft China und den asiatisch-pazifischen Raum mit Hightech aus Deutschland (ja, das gibts trotz allem noch) versorgt.

Dieser Artikel erschien in leicht geänderter Form zuerst auf dem libertären Portal freiheitsfunken.info


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Im stillen Gedenken an den 13.09.2021

Zwei Jahre ist’s schon wieder her, was heutzutage eine Ewigkeit ist.

Was war da noch gleich? Sind irgendwo Flugzeuge reingeflogen? Oder irgendwas, an das man sich sonst wie erinnern sollte? Da war doch was. Aber was? Ach ja: Die Einführung der Zertifikatspflicht. Das war’s! Da hätten wir doch beinahe in turbulenten Zeiten unseren Jahrestag vergessen.

Und aufgehoben wurde sie ja auch schon wieder, die Zertifikatspflicht. Heimlich, still und leise. Man soll – so wird gemunkelt – jetzt wieder überall reisen können. So einfach von A nach B. Ohne Zertifikat. Potztausend! Glauben mag ich es so nicht wirklich, aber zu hoffen trau ich mich immerhin. Offiziell aufgehoben wurde die Pflicht zum Zertifikat ja kurz bevor der sogenannte Krieg losging. Kurz vor dem Krieg oder dem Konflikt oder wie man das nennen will, was sich jetzt schon seit geraumer Zeit vor sich hin legitimiert. Der Krieg mit allen Mitteln und ohne Sinn. Wie halt Kriege so sind, wenn sie ausbrechen. Man führt sie bis zum Erbrechen. Und wer noch übrig bleibt, darf ins Kotztütchen sitzen.

Jedenfalls: Vor der Aushebung zum Krieg, da war die Aufhebung des Zertifikats. «Aus» und «Auf» – so merk’ ich mir’s immer. Wir sollten lieber Eselsbrücken bauen, statt mit Panzern deutsche Regallücken im Armeebestand zu füllen. Aber ich schweife ab. Immer neutral bleiben. Das habe ich mir auf meine Flagge geschrieben, die alle Farben ziert, ausser die vom Regenbogen. Aber ich schweife ab.

Schade eigentlich, dass die Zertifikatspflicht nicht erst später, zum Beispiel am 01. April 2022 aufgehoben wurde. Weil dann hätt’ ich’s wenigstens für einen Schnapszahlenscherz halten können, die Aufhebung der Erhebung. Weil: Irgendwer hat ja schliesslich den Schalter umgelegt. Von auf Hott. Für alle, die sich mit trojanischen Pferden nicht auskennen: Was am 16. Februar 2022 noch war, war am 17. Februar 2022 plötzlich Hott. Hühott – ein guter Scherz, hätte ich gedacht, wenn es erst am 1. April gewesen wäre.

Ich erinnere mich noch genau, wie ich am Tag nach der Aufhebung mit der Maske in einen Laden ging und plötzlich von genau den gleichen Leuten schräg angeschaut wurde, die mich am Vortag noch hinter ihrer Maske hervor schräg angeschaut hatten, weil ich keine Maske getragen hatte. In diesem Moment begriff ich schlagartig, dass es immer dann lustig wird, wenn keinem zum Scherzen zumute ist.

Am 13.09.2021 aber, dem Tag, an dem die offizielle Schweiz die offizielle Apartheid einführte, da hatte der Scherz eine Vorlaufzeit. Pointen mit Ankündigungen sind bestenfalls öde. So war mir auch zumute. Vielen um mich herum schien gar nicht aufzufallen, was mir auffiel. Ich dachte, dass wir solche Scherze seit der Freilassung Mandelas überwunden hätten. Aber natürlich: Es ging ja um was ganz anderes und für was ganz anderes kann man auch getrost die Apartheid wieder einführen.

Der vorletzte oder der hinterletzte Herbst?

Plötzlich hiess es: Es gibt solche und solche! Zu welchen willst nun du gehören?

So war das damals. Vor zwei Jahren, die eine halbe Ewigkeit zurückliegen. Heerscharen an Dienstleistern (Hotel- und Gastrobesitzer, Ladenpersonal, Fast-Food-Mitarbeiterinnen usw.) wurden in die Exekutive rekrutiert, um die Spaltung der Gesellschaft auch ordnungsgemäss zu kontrollieren. Den meisten war’s peinlich, andere taten ihren freiwilligen Dienst – ich will mal sagen – beflissen. Es geschah im Dienst einer … höheren Sache. Volksgesundheit ist so eine Sache. Eine ernste obendrein. Gerade jetzt, im Herbst 2023, da uns die neue Virusvariante Eris schmackhaft gemacht werden soll. «Eris» – die altgriechische Göttin der Zwietracht und des Streits. Aber ich schweife ab.

Irgendwie schien sich niemand sonderlich an der Apartheid zu stören im Herbst 2021. Es gab dann irgendwann im vorletzten Herbst – oder war es gar der hinterletzte? – auch so eine Abstimmung, wo man schwarz auf weiss sehen konnte, dass sich gefühlte 62 Prozent der Bevölkerung mit dem neuen Schwarz-Weiss-Schema angefreundet hatten. Und wenn man nachfragte, was genau denn das solle, gelangte man zu der finalen Aussage, dass es ja schliesslich die anderen um einen herum so oder ähnlich machten und es bei uns doch gar nicht so schlimm sei. Dem war nichts entgegenzusetzen, ausser dass es bei den anderen wohl so oder ähnlich wie bei uns ist, vielleicht nur ein bisschen schlimmer, bevor es dann auch mal bei uns so richtig schlimm wird – was aber nicht mehr als knappe 30 Prozent zu glauben bereit sind.

9/13 oder 9/11 …

Ich erinnere mich an einen Kollegen, der in geselliger Runde bei einem Apéro im März 2022 auf die Frage, was Satire alles darf, mit dem berühmten Tucholsky-Zitat «Satire darf alles» prahlte und leicht zeitverzögert hinzufügte: «… natürlich das Corona-Thema ausgeschlossen», wobei er vor sich mit den Händen eine limitierende Geste machte, die ungefähr der Abmessung einer Bierharasse entsprach. Daraufhin betrank ich mich frank und frei. Der Apéro war gesponsert. Den Sommer 2022 hindurch nüchterte ich mich wieder aus, wohl wie wir alle. 2023 wurde für mich dann das Jahr der Ernüchterung, in dem ich alle meine Schäflein ins Trockene brachte, bevor ich wieder mit dem Trinken begann.

Wenn ich jetzt so rumfrage bei dem kleinen Rest Menschen, die man überhaupt noch irgendwas fragen darf, höre ich vor allem eines: So etwas kommt bestimmt nicht wieder. Und dass wir wahrscheinlich genau das sicher überwunden hätten, was sowieso niemandem besonders aufgefallen sei.

Wenn ich heute recht bedenke, sollte ich beherzigen, was ich schon vor dreieinhalb Jahren sinngemäss dergestalt formuliert hatte: Es gibt in diesen Zeiten keinen Grund, wirklich keinen, sich nicht restlos zu betrinken. In diesem Sinne: Einen Toast auf den zweiten Jahrestag im stillen Gedenken an den 13.09.2021. ♦

von Oliver Hepp


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Briefwechsel mit Alex Baur

Betreff: Mehr als nur eine alternative Hoffnung für Deutschland?

Lieber Herr Baur

Sie sind bekanntermassen ein Freund der «Alternative für Deutschland». Als weltoffener Konservativer leben Sie heute in Peru. In Lateinamerika haben Sie beobachtet, «dass die liberalen Modelle am besten funktionieren, denn sobald der Staat seine Finger im Spiel hat, hat man Korruption und Nepotismus». Entsprechend freuen Sie sich über die Wahlerfolge der AfD.

Ich selbst hatte lange Vorbehalte gegenüber der AfD, die ich erst ablegen konnte, als ich die Vorurteile, die mir die Massenmedien ins politische Gewissen implantiert hatten, auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen begann. Eines dieser Vorurteile lautete, die AfD geriere sich – ähnlich wie die SVP in der Schweiz – als «Partei des kleinen Mannes», in Wahrheit stehe sie für eine «neoliberale» Wirtschaftspolitik, was laut Mainstream bekanntlich heisst: asozialer Laissez-faire-Kapitalismus, Politik für Superreiche und Grosskonzerne. Also die Politik, die überhaupt erst ermöglichte, dass einzelnen Akteuren nun fast die ganze Welt gehört.

Doch wer sich ihr Parteiprogramm zu Gemüte führt, erfährt: Die AfD bekennt sich zur Sozialen Marktwirtschaft und orientiert sich am Ordoliberalismus. Ordoliberale fordern, dass der Staat einen Ordnungsrahmen für den Wettbewerb gewährleistet, so dass die Bürger frei auf dem Markt agieren können.

Das tönt nun gar nicht so asozial und rechtsextrem, wie die Diffamierer uns glauben machen wollen. Selbst Sahra Wagenknecht hat Sympathien für den Ordoliberalismus, der, wie sie meint, «das Problem wirtschaftlicher Macht und die Zerstörungspotenziale grosser privater Machtkonzentration prominent thematisiert». Die AfD will also keine «totale», sondern ganz einfach eine «zivilisierte Marktwirtschaft» – ähnlich wie vernünftige Linke auch. Ist die Wirtschaftsethik der AfD am Ende sogar «Querfront»-tauglich?

Was mich betrifft, so höre ich jedenfalls einer Partei nur noch zu, wenn sie sich vornimmt, die Übermacht nicht vom Souverän gewählter Akteure zurückzudrängen. Und tatsächlich verspricht die AfD: «Organisationen und international agierende Konzerne, die Einfluss auf die Innenpolitik anderer Länder oder deren Eliten zu nehmen versuchen, um ihre politischen oder wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, sind darin zu beschränken.» Das aber muss man erst einmal hinbekommen, ist doch der Staat zutiefst mit den Interessen des Finanzkapitals verflochten.

Was meinen Sie als erfahrener politischer Beobachter und Journalist? Gibt es Länder in Lateinamerika, die in der jüngsten Vergangenheit erwiesenermassen besser weggekommen sind mit rechten Regierungen? Haben wirtschaftsliberale Regierungen den internationalen Raubtierkapitalismus eher im Zaum halten und den Lebensstandard der einfachen Menschen tatsächlich verbessern können? Und kann man aus den lateinamerikanischen Erfahrungen mit liberal-konservativer Politik Schlüsse für Europa ziehen? Kann eine AfD mehr tun, als bloss Hoffnungen zu schüren? Ist sie wirklich eine Alternative zu einem von den Globalisten unterworfenen Deutschland?

Mit besten Grüssen

Christian Schmid Rodriguez

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Lieber Christian Schmid Rodriguez

Vorweg: Ich würde mich nicht als Freund der AfD bezeichnen. Als Journalist ist für mich die Nähe oder gar eine Bindung zu irgendeiner Partei ein No-Go. Im Gegensatz zu den meisten Journalisten bin ich allerdings auch kein Feind irgendeiner Partei – es sei denn, diese würde totalitäre Tendenzen offenbaren …


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Samen der Unabhängigkeit – Der Sortengarten

Die Auswahl an Kulturpflanzen weltweit wird immer einfältiger. 94 Prozent des Saatgutes sind bereits verschwunden. Peter Ochsner gibt dieser Entwicklung mit seinem Sortengarten-Paradies Gegensteuer.

In einem Samen steckt die Erfahrung aus der Vergangenheit und gleichzeitig das Potenzial für die Zukunft. Hier verdichten sich Vergangenes und Zukünftiges. Doch wer heute im Grosshandel Samen kauft, muss davon ausgehen, dass er Pflanzen anbaut, die er selber nicht weiterziehen kann. Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind es Hybrid- oder sogenannte Inzuchtzüchtungen – oder eine der restlichen sechs Prozent Nutzpflanzensorten, die es überhaupt noch gibt.

Dem steuert Peter Ochsner mit seinem Sortengarten entgegen. Er baut alte Gemüse- und Getreidesorten an und züchtet deren Saatgut weiter. So erhält er eine Vielfalt an robusten und anpassungsfähigen Pflanzen, sichert die unabhängige Lebensmittelproduktion und deckt eine breite Palette an Geschmacks- und Genussrichtungen ab.

Wir haben Peter Ochsner in seinem Paradies oberhalb von Heiden im Kanton Appenzell Ausserrhoden besucht und uns gleich selbst überzeugt: Hier gibt es nichts, das das Auge beleidigt, nichts, das von den Klängen der Natur ablenkt. Ungehindert duften Rosen und blühende Pflanzen vor sich hin und betören unsere Sinne. Peter erklärt uns auf einem Rundgang, was seinen Sortengarten so besonders macht.

«DIE FREIEN»: Peter, wie kamst du dazu, hierherzuziehen und einen Sortengarten anzubauen?

Peter Ochsner: Meine Frau und ich haben lange nach einem Haus an einem ruhigen Platz gesucht und hatten immer den Traum, einen Garten mit vielen verschiedenen und raren Sorten zu haben. So entstand unser Sortengarten mit mittlerweile über 100 verschiedenen Gemüse- und Getreidesorten.

Was hat dich dazu bewogen, Saatgut zu gewinnen?

PO: Erst züchtete ich gängige Gemüsesorten. Weil ich die Vielfalt immer faszinierend fand, habe ich gesucht, was es sonst noch gibt. Damals kam ProSpecieRara auf. Ich erhielt drei Sorten, die ich bei mir anbaute. Nur, wenn ich Saatgut ablieferte, gab es wieder neues Saatgut. Das waren alte Sorten, von denen es nicht mehr viele Samen gab, und da war es schon sehr wichtig, dieses Saatgut wieder zu vermehren und weiterzuzüchten, sonst wäre es verschwunden.

Was muss man beachten, wenn man im eigenen Garten Sorten erhalten will?

PO: Es gibt ganz einfache Sorten wie Tomaten, die Selbstbefruchter sind, und von der man im Extremfall mit einer oder zwei Pflanzen Samen gewinnen kann. Mit Fremdbestäubern ist das etwas komplizierter: Bei Kohlarten zum Beispiel braucht man mindestens 60 Pflanzen einer Sorte, aber im Hausgarten kann man auch seine drei Kohlrabipflanzen miteinander verkreuzen lassen und wieder aussäen. Nach ein paar Jahren muss man sich dann halt wieder einmal frisches Saatgut besorgen. Schnittsalat bietet sich gut an für den Hausgarten, um selber Saatgut zu gewinnen: Nach der Aussaat kann man den ganzen Sommer über ernten und lässt einfach mindestens sechs Pflanzen aufschiessen und verblühen. Im Herbst erntet man die Samen und bewahrt sie trocken und kühl auf für den nächsten Frühling. Gut gelagert bleiben sie ohne Weiteres mehrere Jahre keimfähig. So muss man von seinem Salat auch nicht jedes Saatgut gewinnen.

Wie sorgst du dafür, dass deine Sorten rein bleiben?

PO: Bei mir im Garten achte ich natürlich darauf, dass ich Sorten einer Pflanze, die sich verkreuzen können, alternierend anbaue, damit sie sortenrein bleiben.

Warum ist es wichtig, selber Samen zu ziehen und Saatgut zu bewahren?

PO: Weil die Vielfalt an Pflanzen abnimmt. Einfalt bedeutet eigentlich immer Reduktion: Das Klima verändert sich, plötzlich gedeihen gewisse Sorten nicht mehr, oder es wird trockener, und man braucht anderes Gemüse. Mit der Vielfalt ist man abgesichert: Mal gedeiht die eine Sorte besser, mal die andere. Man ist flexibel und kann auf unterschiedliche Umstände reagieren. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass das Saatgut, das sie kaufen, von Hybridsorten stammt und gar nicht mehr weitergezüchtet werden kann. In den Drittweltländern gibt es eine tragische Entwicklung: Einerseits profitieren Grosskonzerne vom Saatgut, welches die Leute dort schon lange anbauen und züchten, und welches sehr gute Eigenschaften hat. Andererseits machen sie die Bauern damit abhängig: Sie verkaufen ihre Hybridsorten mit dem Versprechen, dass damit viel grössere Erträge erzielt werden können. Doch wenn die Bauern mal eingestiegen sind, können sie kein eigenes Saatgut mehr gewinnen. Zudem können Hybridsorten anfälliger für Schädlingsbefall und Witterung sein. Die Chemiekonzerne verkaufen dann natürlich auch gleich die Pestizide, um diese Probleme, die sie selber erzeugt haben, zu bekämpfen. Eine perfides Geschäftsmodell.

Wie können wir die Freiheit über unseren eigenen Lebensmittelanbau erhalten?

PO: Die Nahrungsmittelsicherheit und -unabhängigkeit kann nur gewährleistet werden, wenn wir uns eine Vielfalt an robusten Pflanzen erhalten. Ursprüngliche Sorten sind zudem gesünder, gehaltvoller und unvergleichlich im Geschmack. Das heisst, es braucht Menschen, die diese Jahr für Jahr anbauen und Samen gewinnen. Das können nur wir tun. Es liegt an uns.

Du arbeitest nach den Gesetzen der Natur. Wie sorgst du sonst noch für Nachhaltigkeit im Garten?

PO: Ich gärtnere biologisch, schon immer. Das war für mich immer klar, weil die Natur alles liefert, was man braucht. Wenn man viele Mittel braucht, auch biologische, dann stimmt was nicht, dann macht man etwas falsch. Ich setze mich auch mit biodynamischer Landwirtschaft auseinander, weil es mich fasziniert, dem Boden nur Impulse zu liefern, ohne viel Stoffe in ihn einzubringen. Seit rund fünf Jahren verwende ich auch Komposttee, das ist ein Teil der regenerativen Landwirtschaft. Zu kämpfen im Garten habe ich höchstens mal mit Blattläusen, Pilzen und Mäusen, aber sonst habe ich selten Probleme. Als weitere Freunde und Helfer im Garten habe ich meine beiden Laufenten, die halten die Schnecken im Zaun. Und helfen auch mal beim Schnittsalat essen. (lacht)

Was tust du, damit das Saatgut haltbar bleibt?

PO: Es ist wichtig, dass die Samen regelmässig angebaut werden, da sich das Klima und die Bedingungen stetig verändern. Wenn du die Samen jahrelang im Keller lagerst, kriegen sie einen Schock, wenn du sie nach dieser langen Zeit wieder anbaust. Für mich ist der Samen etwas Lebendiges, und es ist wichtig, dass er sich den Veränderungen und klimatischen Bedingungen anpassen kann. Für mich sind es Beziehungen zu den Samen, die ich pf legen will. Es interessiert mich, wie sich die Pflanze jedes Jahr wieder entwickelt.

Warum baust du einen Sortengarten auf 900 Metern über Meer an?

PO: Es ist hier sehr milde und wir fühlen uns einfach erst ab 900 Metern über Meer wohl. Zudem hat man in höheren Lagen weniger Schädlingsdruck als in tieferen, das ist noch ein Vorteil für den Anbau von Saatgut. Tomaten würde ich jetzt hier nicht im grossen Stil anbauen, aber ansonsten gelingt das meiste sehr gut. Die Pflanzen, die hier wachsen, sind zudem sehr robust.

Welches sind deine Pflanzenfavoriten?

PO: Spargellattich, er kommt aus China, man kann ihn wie Lattich essen oder aufstängeln lassen und als Spargel essen, er schmeckt auch danach. Und Speiseklette, das ist eine Pflanze mit grossen Blättern und einer langen braunen Wurzel, die man schälen und anbraten kann, sie schmeckt dann wie Chips. Die Wurzel ist sehr gut lagerbar und frosthart. Für Vegetarier gibt es sehr interessante Eiweisslieferanten und wunderbaren Fleischersatz: Die Ackerbohne, Soja, Lupine, Kichererbsen, Bohnen, die man ausreifen lässt und von denen man den Samen isst. Dann gibt es noch Kefen, die knollige Platterbse und die Erbsen-Wicke. Das sind alles Pflanzen, die geerntet sehr gut lagerfähig und somit das ganze Jahr zu geniessen sind. Einige sind sogar mehrjährig und sehr robust.

Wie finanzierst du dich?

PO: Früher habe ich noch Teilzeit gearbeitet. Heute investiere ich alle meine Zeit in den Garten und in die Pflanzen. Um den grossen Aufwand meiner Handarbeit zu finanzieren, habe ich die Möglichkeit der Pflanzenpatenschaften geschaffen. Mit so einer Patenschaft kauft man sich bei mir das Versprechen, dass ich diese Pflanze hier züchte und bewahre. ♦

von Prisca Würgler

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Peter Ochsners Sortengarten ist für den Weiterbestand auf Spenden angewiesen. Besichtigungen sind jederzeit möglich nach Voranmeldung bei: peterochsner4@gmail.com. Mehr Infos unter

sortengartenpeterochsner.com

Filmtipp: Wie kommt es, dass 94 Prozent unseres Nutzpflanzensaatguts verschwunden sind? Dies zeigt der Dokumentarfilm «Seed» (dt. Version «Unser Saatgut», 2019) eindrücklich auf. Ausleihbar oder erwerbbar auf vimeo.com.


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