Menschen «verbessern» – und dann ersetzen?

Wie Sie vielleicht auch, habe ich mir lange überlegt, wieso das LGBTQ-Thema mit einem derartigen Hype, einem so ausserordentlichen Effort in die Gesellschaft hineingetragen wird. Auch deshalb, weil die Präsenz des Themas im Vergleich dazu, wie viele Menschen tatsächlich davon betroffen sind, ziemlich absurd erscheint. Nicht, dass ich nicht absolut für die Gleichstellung und Akzeptanz von Betroffenen wäre. Ich empfinde diese Anerkennung ebenso wie wohl die allermeisten meiner Mitmenschen als menschliches Gebot. Wieso also wird dieses Thema in derart propagandistischer Weise in die Öffentlichkeit befördert?

Für sehr viele Menschen sind die Beziehung, die Familie, die Kinder heutzutage der letzte Hafen, der ihnen Sinn gibt und sie trägt, in einer Gesellschaft, die mehr und mehr zersplittert und überfordert. Wir leben in einer Welt, in der viele den Überblick und die Orientierung verloren haben. Beziehungen und Familien, in denen Liebe, Mitgefühl, Solidarität, Verantwortung und Ehrlichkeit kultiviert werden, sind Anker, die dem Untergang der Werte in den letzten Jahren noch standgehalten haben. Oder eher: hatten?

Kindesschutz als «Gefahr»?

Joe Biden sprach an der im Juni abgehaltenen «Pride»-Feier im Weissen Haus von der Notwendigkeit, «transsexuelle Kinder zu bestätigen» und sagte, dass Gesetze zum Schutz von Kindern gefährlich seien. Sie würden dazu führen, dass ganze Familien in Staaten umziehen, in denen sie vor den gefährlichen Anti-LGBTQ+-Gesetzen geschützt seien. Hat jemals zuvor jemand etwas von transsexuellen Kindern gehört? Und liegt der Prozentsatz der Familien, die sich aus diesem Grund einen Umzug in ein anderes Bundesland ernsthaft überlegen, über 0,000001 Prozent? Sollen nun unversehens Gesetze zum Schutz von Kindern gefährlich sein? Ist es nicht mehr konsensfähig, dass man Kinder vor gewissen Einflüssen schützt? Meiner Ansicht nach finden Kinder, die geliebt und respektiert werden, ganz allein zu sich selbst.

Man könnte nun einwenden, trotz solcher Stimmungsmache würden nur wenige von diesem Thema betroffen sein. Die Anzahl künftiger tragender Beziehungs- und Familienkonstellationen werde sich daher nicht wesentlich verringern. Das mag sein. Vielleicht gelingt dieser Versuch der medialen und staatlichen Infiltration nicht. Möglich ist aber auch, dass dieser Hype eine Welle verursacht, die viele mitreissen wird. An Modeströmungen wie beispielsweise Tätowierungen oder Schönheits-OPs sieht man exemplarisch, wie einfach es ist, Jugendliche und Kinder ziemlich flächendeckend von neuen Trends zu überzeugen. Wer nicht mitmacht, ist einfach nicht cool, ist out.

Werteverdunstung als Strategie

Ich vermute, das Verschwinden(lassen) von Werten ist Strategie. Verflüchtigen sich auch die letzten essenziellen menschlichen Werte, steht der totalen Manipulation nichts mehr im Weg. Werte sind unentbehrlich für die Meinungsbildung. Wir entscheiden uns aufgrund eines inneren Wertesystems für oder gegen etwas. Wenn Menschen an nichts mehr glauben, glauben sie alles. Deshalb ist der vielbesungene Werteverfall meiner Meinung nach nicht bloss ein Verfall. Und noch weniger kann man von einem Wertewandel sprechen: Wo sind sie denn, die neuen Werte – hat sie irgendjemand gesehen?

Auch die Kirchen liefern – entgegen ihrer eigentlichen Aufgabe – ihren Beitrag zur allgemeinen Werteverdunstung, wenn wie am Nürnberger Kirchentag ausgerufen wird: «Gott ist queer» und der Kirchen«mann» dabei von Tausenden von Jugendlichen bejubelt wird. Währenddessen haben es die Kirchen die letzten Jahrzehnte versäumt, ihren Klienten nahezubringen, wie man heutzutage überhaupt noch einigermassen glaubwürdig von einem Gott reden kann. Mit solchen Aktionen werden sie vermutlich weiter an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen. Denn im Zuge der Entsorgung von Werten wird man bestimmt auch einen «queeren Gott» ohne namhaften Aufwand effizient und restlos beseitigen können.

Mit Menschen, die kein Wertesystem mehr haben, kann man alles tun. Man kann sie beispielsweise wie Tiere in Masttierhaltung halten – ohne Freiräume, unter totaler Kontrolle, digital überwacht und mit irgendwelchen pharmazeutischen Produkten versorgt, damit sie funktionieren und liefern. Dann mit umgekehrten Vorzeichen: Sind die Menschen so ausgehöhlt und ausgebeutet, dass sie keine Profite mehr abwerfen, werden sie anstandslos entsorgt.

Zuerst «verbessern» – und dann ersetzen?

In Nietzsches «Der Wille zur Macht» werden die überlieferten Werte eingeschmolzen und erbringen allenfalls noch den Rohstoff für neue Ziele der Macht. Wille zur Macht und die Umwertung der Werte gehören in einen systematischen Zusammenhang, der sich aus der Natur der Macht, aus der Verselbstständigungstendenz der Macht ergibt. Womit wir beim «alten» Thema eines «neuen» Übermenschen sind. Wenn es zur neuen Normalität gehört, so reibungslos wie möglich über das eigene Geschlecht hinauszugehen, ist auch die Vorstellung, sich über menschliche Grenzen hinwegzusetzen, nicht mehr weit. Läuft die neue Normalität auf die Frage hinaus: Transgender oder lieber gleich Transhumanismus?

Die Visionen des Trans- und Posthumanismus sind, den Menschen zuerst zu «verbessern» und schliesslich vielleicht sogar ganz zu ersetzen. Beim Transhumanismus geht es grundsätzlich darum, die Grenzen menschlicher Möglichkeiten technologisch zu erweitern. Die physischen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten des Menschen sollen über ihre natürlichen Bereiche hinaus ausgedehnt werden. Die Anhänger des transhumanen Konzepts verbergen nicht, dass dabei das Natürliche gegenüber dem künstlich Erweiterten grundsätzlich abgewertet wird.

Angesichts des exponentiellen Anstiegs der Leistungsfähigkeit der Computer ist zu erwarten, dass sie jene des menschlichen Gehirns bald überschreiten wird. Die individuelle Identität wird gleichgesetzt mit der Aktivität der Neuronen, die deshalb auf einen Computer übertragen werden kann. Selbsterklärend passt das Versprechen der «Übermenschlichkeit» auch für militärische Pläne. Jene, die sich solchen Optionen entgegensetzen, werden als Fundamentalisten diffamiert.

Der Verzicht auf Demokratie und menschliche Entscheidungsmacht, die reine Orientierung an «Big Data», wird insofern zum Vorteil erklärt, als die kommenden «Superorganismen von Problemen verschont bleiben, die Organisationen quälen, deren Mitglieder ihre eigenen Interessen verfolgen»!

Stochastische Papageien

KI bewirkt – anders als Transgender – auch in akademischen Kreisen helle Aufregung. Was und wie viel kann künstliche Intelligenz nun konkret? Können gewisse Berufsgruppen und Arbeitsprozesse in Zukunft ganz von Computern übernommen oder mindestens zu einem guten Teil von mit KI erweiterten Individuen ausgeführt werden? Es tauchen Einwände auf wie: Computer seien doch nur stochastische Wiedergabemaschinen.

Ja, Bingo, exakt hier liegt das Problem! Inwiefern unterscheidet sich die Art der aktuellen Mainstreaminformationsverarbeitung und -wiedergabe noch grundsätzlich von einer ziemlich zufälligen Auswertung und Wiedergabe von selektionierten und zensurierten Wissensdatensätzen, wie sie von Computern ausgeführt werden?

Wo bleiben in diesem Kontext Verantwortung und Haltung? Wie steht es um Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Empathie? Interessiert es in diesem Umfeld noch, wie viele Tote und Verletzte ein Krieg verursacht?

Fragt sich, ob die «Akademiker», die sich wie «stochastische Papageien» verhalten, sich noch wundern werden, wenn sie auf die Länge, beziehungsweise in Kürze, durch Computer ersetzt werden, die ihre Aufgaben mit noch etwas weniger Reibungswiderstand ausführen. ♦

von Doris Schindler

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Doris Schindler hat Religionswissenschaft und Psychologie studiert und ihr Leben lang im sozialen Bereich gearbeitet. Sie liebt das Schreiben, Lesen, die Tiere und die Pflanzen.


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