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Autor: Stephan Unruh

Die wichtigste Währung der Welt

Steigende Inflationsraten, die gewaltige Überschuldung der westlichen Welt, «Entdollarisierung» – die Qualität von Geld ist in den letzten Jahren wieder ein bisschen mehr in den Fokus geraten. Die wichtigste Währung der Welt allerdings ist immaterieller Natur und flüchtig.

Sicher, der US-Dollar ist allen Unkenrufen zum Trotz nach wie vor die wichtigste Währung im internationalen Zahlungsverkehr, auch wenn der Renminbi Yuan mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Gold und Silber sind zweifelsohne wichtige Depotbestandteile, und physisch sowie im direkten Besitz sogar elementare Bestandteile einer Versicherung gegen «Worst case»-Szenarien. Kryptowährungen sind vielleicht die Zukunft oder aber die Digitalwährungen der Zentralbanken. Doch sie alle sind abhängig von der Währung, die ich meine. Diese ist nicht greifbar und auch nicht zählbar.

Und doch zahlen wir jeden Tag in ihr – und werden in ihr bezahlt. Wir nutzen sie, wenn wir den Aufzug betreten. Wenn wir Autos, Züge oder Flugzeuge benutzen. Wenn wir die Strasse an der Ampel überqueren. Ebenso wenn wir Geschäfte machen, als Angestellte wie als Unternehmer. Auch im Umgang mit dem Staat und seinen Bütteln, hier zahlen wir ebenfalls in dieser Währung, und natürlich auch innerhalb unserer eigenen, freiwillig gewählten und eingegangenen Gemeinschaften und Verbindungen. Selbstredend ist sie ebenfalls die Basis des gesamten Fiat-Geldsystems (die treffendere Bezeichnung wäre übrigens Schuldgeldsystem, denn die Zentralbanken schaffen Geld nicht aus dem Nichts, sondern gegen Schuldverschreibungen).

Die Rede ist von Vertrauen.

Wenn wir den Aufzug betreten, vertrauen wir darauf, dass dieser ordentlich gewartet ist und uns nicht, statt nach oben oder unten, ins Jenseits befördert. Wir vertrauen darauf, dass die Bremsen im Auto funktionieren, dass der Zug relativ pünktlich abfährt und die Weichen für ihn korrekt gestellt werden. Wenn wir bei Grün über die Ampel gehen, vertrauen wir darauf, dass die Autos entsprechend Rot haben und auch, dass sie anhalten werden. Angestellte vertrauen darauf, dass ihnen die Firma am Monatsende das vereinbarte Gehalt auszahlt und der Chef vertraut darauf, dass auch am nächsten Tag seine Mitarbeiter pünktlich am Arbeitsplatz erscheinen. Wir (also als Gesellschaft; als Libertäre freilich eher nicht) vertrauen auch dem Staat und seinen Institutionen: beispielsweise, dass vor Gericht tatsächlich weitgehend Recht gesprochen wird. Dass die politische Klasse – trotz aller Korruption und Postenschacherei – doch auch das Wohl der eigenen Bevölkerung irgendwie im Sinn hat. Auf die Strom- und Wasserversorgung vertrauen wir ebenso wie auf eine vernünftige Entsorgung der Abwässer, dass wir im Supermarkt kaufen können, was wir für den alltäglichen Bedarf (und weit darüber hinaus) benötigen. Ebenso vertrauen wir darauf, dass das, was wir da kaufen, nicht irgendwie gepanscht oder vergiftet ist.

All das ist nicht selbstverständlich, auch wenn es uns Menschen, die wir im Westen (ich könnte auch schreiben: im judeo-christlichen Abendland) und insbesondere in Deutschland gross geworden sind, so scheint. Tatsächlich ist einer der Gründe für den enormen wirtschaftlichen Erfolg des Westens, dass seine staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen ebenso wie seine Mitglieder selbst vertrauenswürdig sind (beziehungsweise es wohl waren).

Man kann sich im Westen eigentlich gar nicht vorstellen, was für ein unglaubliches Wunder es beispielsweise ist, dass Busse fahrplangemäss fahren. Im Rest der Welt fahren Busse nämlich recht willkürlich – hier in China gibt es keine zeitbezogenen Fahrpläne. Der Bus kommt, wenn er kommt. Gottseidank fahren hier so viele Busse, dass man selten lange warten muss, aber manchmal kommen dann drei der gleichen Linie direkt hintereinander. Auf Kuba hingegen kann es auch passieren, dass potenzielle Fahrgäste umsonst den Tag an der Bushaltestelle verbrachten.

Oder denken Sie an die Plattform eBay und deren ursprüngliches Konzept: Zwei völlig unbekannte Menschen, die auch räumlich weit auseinanderliegen, handeln miteinander, und die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Handel die einzige Interaktion zwischen diesen beiden Menschen bleiben wird, liegt nahe 100 Prozent. Was hindert die Partner, kaputte Ware zu schicken beziehungsweise nicht zu zahlen? Tatsächlich gab es sogar Versicherungen gegen Zahlungsausfälle beziehungsweise defekte Waren. Sie wurden so gut wie nicht genutzt: Die Vertragspartner, obwohl Hunderte Kilometer auseinander, waren nicht nur meistens, sondern zu 99,99 Prozent ehrlich und vertrauten einander – zu Recht.

Hier in China bietet sich ein völlig anderes Bild: Selbst im Supermarkt kann man sich nicht sicher sein, dass die Ware original ist. Ein Weinimporteur erzählte mir neulich, dass etwa 60 Prozent aller Weine aus Frankreich, die in China angeboten werden, gefälscht sind. Passend dazu las ich, dass pro Jahr in China mehr Wein des australischen Weingutes Penfolds verkauft wird, als selbiges im Jahr produziert. Als ich in Peking lebte, versuchte mir die Eigentümerin eines Tante-Emma-Ladens ein (!) Päckchen Taschentücher für 26 Renminbi Yuan (damals etwa 3 Euro) zu verkaufen, da sie mich wohl in einer Notlage wähnte, denn in China nimmt man sein Toilettenpapier selbst auf die öffentliche Bedürfnisanstalt mit. Auch ist das Vertrauen der Chinesen in ihre staatlichen Institutionen zwar einerseits enorm, andererseits aber ruft man eher ungern die Polizei und regelt die Dinge lieber selbst – und gäbe es keine Kapitalverkehrskontrollen in dem Land, die Immobilienpreise in Australien, London und der US-Westküste würden noch sehr viel höher stehen und das Reich der Mitte würde binnen Stunden vermutlich drei Viertel der Spareinlagen seiner Bürger verlieren.

Gesellschaften mit einem hohen internen Vertrauenslevel haben enorme Vorteile gegenüber solchen mit einem niedrigen. Pauschal kann man sagen, dass die Transaktionskosten dadurch dramatisch niedriger liegen, ja zahllose Transaktionen überhaupt erst dadurch zustande kommen können, weil man sich gegenseitig vertraut.

Was passiert nun, wenn die Bürger das Vertrauen in den Staat, die Institutionen oder auch in ihre eigene Gesellschaft verlieren? Für viele Libertäre mag mit dem endgültigen Verlust des Vertrauens in Staat und Politik das goldene Zeitalter der Privatgesellschaft heraufdämmern. Ich hingegen bin da skeptischer. Ich habe viel Zeit in Gesellschaften mit deutlich niedrigeren gesellschaftlichen Vertrauensleveln verbracht – wirklich freiheitlich(er) waren keine …

Das Fundament wird brüchig

Im Gegenteil: Mit einsetzendem Vertrauensverlust gehen Freiheiten erst langsam, dann schneller verloren, erst für die ärmeren Gesellschaftsschichten, dann aber auch immer stärker für die Mittelschicht. Das mag man als Angstmacherei abtun, aber ich bin lediglich ein entspannter, auf der anderen Seite der Welt lebender Beobachter. Von Populismus oder Angstmacherei habe ich nichts. Mein nüchterner, allenfalls leicht nostalgischer Blick gen Westen lässt mich aber leider konstatieren, dass die Zeichen deutlich geschrieben stehen: Insbesondere in Deutschland, aber auch im Westen als solchem, wachsen die Zweifel an den Fähigkeiten der politischen Klasse, schwindet der Glaube an die Kräfte und die Rechtmässigkeit gesellschaftlicher Institutionen, werden Vernunft, Besonnenheit und kühles Kalkulieren gegen Moden, künstliche Erregungen und kurzfristige Hypes getauscht.

In Deutschland ist der enorme Auftrieb der «Schwefelpartei» AfD eigentlich schon ein hinreichender Beleg für das schwindende Vertrauen ins politisch-mediale System: Die Partei, seit ihrer Gründung als Wiedergänger der NSDAP gebrandmarkt, würde inzwischen bundesweit von mehr als 20 Prozent der wahlbereiten Bürger gewählt – daraus kann man eigentlich nur den Schluss ziehen, dass das Gros eben dieser Wähler die Märchen, welche politische Konkurrenz und Mainstreammedien über die AfD erzählen, nicht mehr glaubt. Auch wenn ich nicht ausschliessen kann und will, dass ein Teil der AfD-Wähler diese Märchen glaubt und die Partei gerade deshalb wählt. Aber in persönlicher Kenntnis etlicher Wähler sowie einiger Vertreter ebenjener Partei scheinen mir jene allenfalls ein sehr (sehr) kleiner Teil zu sein.

Wie auch immer – es gibt noch viel mehr Hinweise: der steigende Goldpreis, immerhin versechsfacht seit der Jahrtausendwende, ist ein ebenso klares Indiz wie die zunehmende Abstimmung mit den Füssen vulgo Auswanderung: Im vergangenen Jahr verliessen 1,2 Millionen Menschen die Bundesrepublik. Absoluter Rekord. Kehrseite der Auswanderung ist Einwanderung – hier kamen im vergangenen Jahr 2,7 Millionen Menschen. Ebenfalls absoluter Rekord. Leider kamen keine (bzw. nur kaum) arbeitswillige Vietnamesen, leistungsbereite Chinesen oder wenigstens junge, hübsche und heiratswillige Kolumbianerinnen, sondern nahezu ausschliesslich junge Männer aus Afrika und der arabischen Welt. Die selbstredend nicht nur kaum ausgebildet und damit auch kaum arbeitsfähig sind, sondern in aller Regel auch noch Mohammedaner, und damit genau jenes Gemisch mitbringen, das das gesellschaftliche Vertrauensfundament weiter und schneller erodieren lässt. Die Ereignisse in der Silversternacht 2016 (die sich seitdem regelmässig wiederholen) mögen ein hinreichender Fingerzeig sein, ein anderer jene Szenen, die sich inzwischen in jedem Sommer in (fast) jedem Freibad in Berlin, Bremen und anderen bundesrepublikanischen Brennpunkten abspielen.

Die Folgen von Multikulti bringen eben nicht mehr Freiheit und damit mehr Möglichkeiten, sondern eine Vertrauenserosion: Man spricht wortwörtlich, ebenso wie im übertragenen Sinne, nicht mehr dieselbe Sprache – banalste Dinge wie das Warten an einer Bushaltestelle oder das Fragen nach dem Weg oder der Kinobesuch werden dann plötzlich zu einem Risiko. Auch dass obskure Ideen wie zum Beispiel der Glaube an eine flache Erde Hochkonjunktur haben, zeigt das schwindende Vertrauen. Während Eratosthenes im Grab rotiert, gibt es offenbar eine wachsende Anzahl an Menschen, die sogar den grundlegendsten physikalischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen misstrauen – bedenkt man, wie sehr der Begriff Wissenschaft in den letzten dreieinhalb Jahren missbraucht wurde («follow the science»), kann ich es ihnen nicht einmal verdenken.

Für viele Libertäre mag das Schwinden des Vertrauens in politische Parteien sowie staatliche Institutionen eine gute Sache sein. Tatsächlich aber wird so der Weg in Richtung einer freiheitlicheren Gesellschaft nicht beschritten. Im Gegenteil. Je weniger der Bürger der Politik vertraut, desto fester wird das politische Establishment die Zügel anziehen. Desto härter wird die Propaganda auf die Bürger einprasseln und desto schwerer werden jene bestraft, die vom Staat und seinen Bütteln als «Abweichler» eingestuft werden. Die Plandemie und der Umgang mit jenen, die das Narrativ nicht befolgen wollten oder sich gar der Gentherapie offen verweigert haben, ist ein erster Vorgeschmack auf das Kommende.

Dies gilt auch jenseits der Politik – wenn dem staatlichen Geld nicht mehr vertraut wird, dann tritt nicht einfach besseres Geld an dessen Stelle, sondern der Staat und seine Institutionen werden das schlechte Geld mit aller Macht schützen und es mit Gewalt und Zwang am Umlaufen halten. Wer nicht mehr in Gerichte und Rechtsstaat vertraut, wird einerseits geneigt sein, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen oder andererseits Recht und Gesetz zu ignorieren. Und wer nicht darauf vertrauen kann, Kritik oder auch blosse Meinung frei und gefahrlos äussern zu können, wird entweder schweigen oder nach anderen Möglichkeiten suchen, sich Gehör zu verschaffen. Ohne Vertrauen in zuverlässige Institutionen und einen verlässlichen Kurs wird auch die Wirtschaft unzuverlässig und sich nach stabileren, verlässlicheren Orten umsehen. Wenn erstmal ein gewisses Mass an Vertrauen verloren gegangen ist, setzt sehr schnell eine Abwärtsspirale ein – an deren Ende eben nicht ein goldenes Zeitalter individueller Freiheit steht, sondern eine fragmentierte, verarmte, verängstigte und gewalttätige Gesellschaft mit einem mehr oder weniger totalitären Staats- und Politikapparat.

Wäre eine Umkehr möglich? Einerseits ja, andererseits bin ich doch mehr als skeptisch. Wir wissen aus unseren eigenen, individuellen Beziehungen: Verloren gegangenes Vertrauen lässt sich, wenn überhaupt, nur mit unbedingter Ehrlichkeit wiederherstellen. Ich sehe beim politischen ebenso wenig wie beim medialen Personal und auch – mit Abstrichen – in der Wirtschaft kaum jemanden, dem ich die Fähigkeit und den Willen zur Ehrlichkeit zutraue. Die Lösung wird letztlich nur für den Einzelnen darin bestehen, als Individuum so frei, so autark, so autonom als möglich zu werden, was aber freilich nicht bedeutet, dass die Verwerfungen eines gesellschaftlichen Vertrauenskollapses spurlos an einem vorübergehen könnten. ♦

von Stephan Unruh

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Stephan Unruh, geboren in Süddeutschland, landete nach Stationen in Mexiko, Vietnam und Malaysia in Südchina, von wo aus er als Teilhaber einer Hongkonger Handelsgesellschaft China und den asiatisch-pazifischen Raum mit Hightech aus Deutschland (ja, das gibts trotz allem noch) versorgt.

Dieser Artikel erschien in leicht geänderter Form zuerst auf dem libertären Portal freiheitsfunken.info


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