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Monat: Juni 2023

Rebell mit einem Augenzwinkern

Sam Moser ist eine der prägnantesten Stimmen der Schweizer Freiheitsbewegung. Mit seinen scharfsinnigen Protestsongs hat er vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen und Mut gemacht – und nebenbei die Hitparade gestürmt. Wir sprachen mit dem Musiker und Familienvater über Angst und Hoffnung, Erfolg und Freiheit, Wildnis und Zivilisation.

«DIE FREIEN»: Lieber Sam, viele kennen dich dank deinem massnahmenkritischen Hit «S’Mass isch voll». Erzähl uns etwas über deine Musikerkarriere vor Corona.

Sam Moser: Ich nahm mit neun Klavierunterricht, hatte mit 14 die erste Punk-Band, wir spielten Offspring-Covers. Mit meiner Band Deep Trip waren wir mit Nazareth auf Tournee in England und Deutschland. Wir gaben recht Gas, sechs Jahre lang waren wir immer auf Tour mit gut besuchten Konzerten. Nebenbei arbeitete ich als Barkeeper.

Schon vor Corona hast du sehr gesellschaftskritische, melancholische Texte geschrieben. Die Videoclips zu deinen Songs stellen oft die Natur als Kraftort dar, thematisieren den Rückzug in die Wildnis. Ist das dein Gegenrezept zur Zivilisationsverblödung?

SM: Ja, ich denke das ist ein wichtiger Schritt, dass wir aus dieser Digitalisierung heraus und mehr in die Natur gehen. Auch, dass wir versuchen, unsere Nahrung wieder selbst herzustellen oder zumindest den Bezug dazu wieder haben. Mir tut es enorm gut, in den Wald zu gehen, ich gehe jeden Tag. Dort kann ich auftanken, das hat mir auch in dieser Zeit enorm viel Kraft gegeben. Darum habe ich den Clip für meinen neuen Song «Mitenand» im Wald gemacht, nach dem Motto: Wenn alles zusammenbricht, finden wir uns dort wieder, als Jäger und Sammler. (lacht)

«Unsere Angst bringt nur Verderben» singst du in «Mitenand». Es ist klar, dass du damit auf die Ereignisse der letzten drei Jahre anspielst. Kann man die Botschaft auch an die Freiheitsbewegung richten? Auch bei den Massnahmenkritikern gibt es Ängste, Übertreibungen, Fake News …

SM: Es geht beide Seiten an. Angst spaltet immer nur noch mehr. Wir müssen uns irgendwie wieder finden. Die Impfung ist letztlich jedem seine eigene Entscheidung. Aber es gibt für mich einen Unterschied zwischen Leuten, die sich aus Angst impfen liessen oder dem Druck nicht standgehalten haben und solchen, die uns dazu zwingen wollten und uns denunzierten und als Nazis und Schwurbler beschimpften. Ich muss sagen, bei Letzteren bin ich auch auf Abstand, mit denen möchte ich auch nichts mehr zu tun haben. Dazu singe ich in meinem Song: «Wenn es nicht miteinander geht, geht es halt nebeneinander.»

Also keine versöhnlichen Gefühle für Impf-Extremisten?

SM: Nein. Aber es geht ja nicht nur um die Impfung. Das sind Leute, die wahrscheinlich bei jedem Thema so sind – man kann mit ihnen gar nicht diskutieren. Denen sage ich einfach: Geh du deinen Weg und ich gehe meinen. Fertig. Das wird jetzt vielleicht ähnlich werden bei der Digitalisierung: Wenn das so weiter fortschreitet, dass du irgendwo nicht mehr mit Bargeld bezahlen kannst, dann …

von Christian Schmid Rodriguez

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Sam Moser ist Musiker, Sänger und Songwriter. Sein neustes Lied «Mitenand» finden Sie unter lnk.site/mitenand


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Verlogen, Betrogen, Realitätsverschoben

Von Salamitaktiken und Verblendungsversuchen: Flo Osrainiks neues Buch «Lügen, Lügen, Lügen» ist eine Abrechnung mit jener Politik, die uns das Gegenteil von dem, was wir uns wünschen, als das verkauft, was wir meinen zu wollen.

Ab heute auf Platz 7 der Spiegel-Bestsellerliste!

«Doch wenn der Regierende sein Spiel gerne allein spielen und Politik im Geheimen betreiben will, dann gibt es nur einen Weg: er muss die Masse täuschen. Zwar kann er sich von der Masse nicht absondern, doch er kann zwischen Masse und sich einen undurchlässigen Vorhang ziehen, auf dem die Masse einen projizierten Anschein von Politik sieht, während die eigentliche Politik dahinter gemacht wird.» (Jacques Ellul, «Propaganda»)

Bereits der französische Schriftsteller Honoré de Balzac wusste: «Es gibt zwei Arten von Geschichte: Die eine ist die offizielle, geschönte, jene, die gelehrt wird, eine Geschichte ad usum delphini; und dann ist da die andere geheime Geschichte, welche die wahren Ursachen der Ereignisse birgt, eine beschämende Geschichte.» Und ganz «nebenbei: Wer der offiziellen Verschwörung offen misstraute, war in absehbarer Zeit seinen Job los.»

Die Tyrannei der Unwahrheit

Ausbeutung, Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit: Eine abweichende Meinung hatte immer schon ihre Konsequenzen. Und dennoch scheuten Balzac wie auch der Soziologe Jacques Ellul sich nicht davor, das infrage zu stellen, was der Westen selbst für unumstösslich hält: seine Mündigkeit. Also die Fähigkeit seiner Bürger, darüber zu urteilen, ob das, was ihnen als Wirklichkeit verkauft wird, auch wirklich wirklich ist. Für beide war klar: Wenn die Kluft zwischen Leben und Lüge nicht noch weiter aufreissen soll, wir nicht als Rad im Getriebe eines unmenschlichen Systems enden wollen, gilt es nicht nur den Vorhang jenes Machtgefüges zu lüften, sondern zugleich auch an der eigenen Widerstandskraft zu arbeiten.

Gleich dem Risiko, zur Ressource eines Machtkomplexes zu verkommen, dessen Algorithmen und Zensurmechanismen mit zunehmender Radikalität auch eine immer breitere gesellschaftliche Akzeptanz finden, gilt es sich folglich der Frage zu stellen: Haben die Prinzipien der Aufklärung jemals gegolten? Oder hat uns, sowohl im 19. Jahrhundert wie auch heute, mehr ihr progressiver Schein als ihr – teilweise vielleicht auch unangenehmes – Sein imponiert? Waren wir jemals darauf aus, gesellschaftlich klare Machtverhältnisse zu schaffen? Oder hat es uns, wenn wir mal ehrlich sind, nicht immer schon gereicht, wenn von irgendwoher das Versprechen kam, «man werde sich schon darum kümmern»? Wie viel Mut zur Revolte ist uns am Ende wirklich in Fleisch und Blut übergegangen? Und wie viel Systemkritik wird allein dadurch abgefedert, dass uns durch das Erzählen eines Parallelnarrativs schlichtweg kein Anlass dazu gegeben wird, gegen das vorherrschende System aufzubegehren?

Es sind diese Fragen, die auch Flo Osrainik zum Schreiben veranlassen: Sein neues Buch «Lügen, Lügen, Lügen» ist die gnadenlose Enthüllung der Unmenschlichkeit jener Herrschaftsvertreter, die meinen, in ihrem deep state über uns und die demokratischen Prinzipien hinwegregieren zu können. Denn egal ob es sich um das seit 1954 hinter verschlossenen Türen stattfindende Bilderberg-Treffen, die zeremonielle Grafschaft der City of London oder das ins Gönnerische gekleidete Davos handelt: Das, was uns letztendlich alle betrifft, beschliesst man nicht nur ohne uns, man ist auch nicht mal dazu bereit, uns ehrliche Antworten zu geben. Für Osrainik Grund genug, in die Tiefen der gegen uns gerichteten Verschwörungen zu tauchen.

Im Lügenlexikon

Dem Untertitel seines Buches «Terror, Tyrannei und Weltenbrand als Neue Normalität der Globalisten» gerechtwerdend, stellt (und beantwortet) er genau jene Fragen, die uns allen unter den Nägeln brennen: War Osama bin Laden verantwortlich für die Terroranschläge vom 11. September 2001? Oder war er nur das notwendige Feindbild, um im Nahen Osten die «Demokratie zu erkämpfen»? Nutzt man tatsächliche Terrorgruppen, um Aktionen auszuführen, die man aber, weil sie einer politischen Agenda entsprechen, im Hintergrund durch V-Leute anleitet? Warum werden die Amerikaner nicht für ihre Verbrechen in Guantánamo zur Rechenschaft gezogen? Was ist mit den Biowaffenlaboren in der Ukraine? Wenn es schlussendlich nur noch die Reichen und Mächtigen sind, die darüber bestimmen, was wir als «wahr» zu akzeptieren haben, leben wir dann noch in einer Demokratie oder bereits in einer Oligarchie? Und wenn ja, wie könnte sich eine Fassadendemokratie besser entlarven als mit einem Präsidenten, der öfter der Luft die Hand schüttelt, als dass er einen geraden Satz herausbekommt?

Auf fast 400 Seiten und mit viel Detailtreue gewährt uns Osrainik einen Überblick über die Verschwörungen und Verbrechen der vergangenen Dekaden und zeigt dabei unverblümt auf, wie sich NATO, CIA und weitere Geheimdienste durch die Manipulation der öffentlichen Meinung zu ihren Gunsten nicht nur bereichern, sondern in erster Instanz überhaupt erst legitimieren und am Leben erhalten. Dabei klärt Osrainik nicht nur auf, er macht auch deutlich: Das Einzige, was diese verbrecherischen Organisationen noch aufrechterhält, ist unser Glaube an sie. Wäre die Masse nicht derart davon überzeugt, dass sie gemäss ihrem Willen und zwecks ihres Schutzes handeln würden, zerfiele ihr auf Lügen gebautes Kartenhaus binnen kurzer Zeit.

Boykottieren, sanktionieren, revolutionieren

«Weckt man in den Menschen die Idee der Freiheit, so werden die Freien sich auch unablässig immer wieder selbst befreien; macht man sie hingegen nur gebildet, so werden sie sich auf höchst gebildete und feine Weise allezeit den Umständen anpassen und zu unterwürfigen Bedientenseelen ausarten. Was sind unsere geistreichen und gebildeten Subjekte grösstenteils? Hohnlächelnde Sklavenbesitzer und selber – Sklaven.» (Max Stirner, «Das unwahre Prinzip unserer Erziehung»)

Für Osrainik ist es Zeit für die Erkenntnis, dass wir es mit einer systemischen Frage zutun haben. Die Kritik an Einzelpersonen – Politikern und Journalisten wie Agendaköpfen – ist zwar richtig und wichtig, sie ist aber nicht die Lösung des Problems. Solange wir glauben, dieses löse sich, sobald «da oben» einfach jemand anderes sässe, haben wir den Ernst unserer Lage nicht verstanden: Das politische System, so wie es sich momentan strukturiert und motiviert, ist nicht darauf ausgelegt, das Leben derer, denen gegenüber es verpflichtet ist, einfacher und besser zu machen. Es ist zu einem Lobbykartell verkommen, ausgerichtet und hörig einzig jenen gegenüber, deren Ziel es ist, den Kuchen nicht nur nicht zu teilen, sondern ihn gleichzeitig für sich grösser und für «den Rest» kleiner werden zu lassen.

Konträr zu dieser elitären, mitunterals menschenfeindlich zu bezeichnenden Haltung steht Flo Osrainiks Widerwille, das momentane Gefühl von Spaltung langfristig zu akzeptieren: Denn mögen Begriffe wie «Gegenöffentlichkeit» oder «Mainstream-» und «Alternativ-»Medien momentan zwar den von Lagerbildung geprägten Diskurs beherrschen, sollte das nicht das Ziel sein. Dieses besteht für Osrainik vielmehr darin, dass wir uns von dem befreien, was Kapitalinteressen und Grosskonzerne für uns vorgesehen haben, und uns stattdessen wieder darauf zurückbesinnen, was wir wollen. Erst wenn wir einsehen, dass die uns umgebenden Strukturen – egal wie und von wem sie geführt werden – zu gross geworden sind, um das Leben als solches noch zu erfassen, können wir anfangen, an dem zu bauen, was uns und unseren Bedürfnissen wahrhaft zu entsprechen vermag.

Was wir einmal als Lüge enttarnt und seinem wahren Kern nach erkannt haben, können wir nicht mehr nicht wissen. Während sich die Lüge rückgängig machen lässt, ist Erkenntnis irreversibel. Darin besteht unser grosser Vorteil gegenüber all denen, die diesen Schritt noch vor sich haben. Und dennoch liegt hier die Krux begraben, die Flo Osranik, seinen Lesern deutlich zu machen versucht: Die Dinge zur Kenntnis nehmen und sich einzugestehen, dass man belogen wurde, reicht langfristig gesehen nicht aus. Es ist nur die Grundlage, die es braucht, um jene positive Empörung in sich zu entwickeln, die es letztendlich unabdingbar macht, ins eigene Handeln zu kommen. Für ihn ist klar: Wenn sich etwas ändern soll, braucht es das Eingeständnis, dass sich nichts ändern wird, solange wir es nicht selber tun.

Osrainik geht es darum, das Bedürfnis des Menschen zu streiten, in etwas Positives zu verwandeln: Nur indem wir lernen, uns auszutauschen, ohne uns gegenseitig zu zerfleischen, besteht langfristig gesehen die Möglichkeit, unabhängig zu werden von übergeordneten Narrativen und Schubladensystemen, die auf nichts anderes aus sind, als uns zu teilen. Erst wenn wir wieder aufeinander eingehen – selbst wenn wir vielleicht nicht dergleichen Meinung sind oder jemals sein werden –, nähern wir uns einzeln wie auch gemeinsam dem, was wir für uns als unsere Wirklichkeit bereit sind anzuerkennen.

Die Frage ist nur, worauf warten wir noch? ♦

von Lilly Gebert

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Flo Osrainik ist in München geboren und aufgewachsen. Der Deutsch-Österreicher ist heute als freier Journalist und Autor tätig. Er lebt und arbeitet in München und Istanbul. Er hat unter anderem Beiträge für RT Deutsch, junge Welt, Telepolis, amerika21, Hintergrund sowie das Weblog NEOPresse verfasst. Ausserdem ist er Vorstandsmitglied von acTVism Munich. Weitere Informationen unter floosrainik.net.

Sein Buch «Lügen, Lügen, Lügen» ist am 12.06.2023 erschienen und seither überall erhältlich.

– Ellul, Jacques (2021): Propaganda. Wie die öffentliche Meinung entsteht und geformt wird. Westend. S. 164f.

– Stirner, Max (1927): Das unwahre Prinzip unserer Erziehung oder Humanismus und Realismus. Verlag f. freies Geistesleben. (Erstveröffentlichung 1842 in der Rheinischen Zeitung).


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Uns ist etwas aufgegeben – nur was?

Die Welt ist im Umbruch. Immer mehr Menschen spüren, dass in dieser Zeit, die so viele Irrungen und Wirrungen mit sich bringt, eine Aufgabe steckt. Aber was ist eigentlich damit gemeint?

Im Gespräch mit einer Frau, nennen wir sie Marie. Sie sagt, sie wisse, dass sie in «dieser Zeit» gebraucht werde. Sie müsse nun denen Mut machen, die Angst hätten. Als «diese Zeit» begann, als immer mehr Menschen der Corona-Panik verfielen, gab es zugleich solche, die sich nicht beirren liessen. Marie gehört dazu. Der Ausnahmezustand war sogar etwas, das, im beflügelnden Sinne, Aufbruch bedeutete. Plötzlich war da ein Sinn, den es so vorher nicht gegeben hatte.

Verlangt «diese Zeit» das vielleicht von uns allen, dass wir darin etwas erkennen, was man mit «meine Aufgabe» oder gar mit «unsere Aufgabe» übertiteln könnte? Kann es Letzteres überhaupt geben? Dass ein Einzelner sich zu etwas berufen fühlt, ist seine ureigenste Angelegenheit, nach der er sich entsprechend ausrichtet. Aber wie regelt das ein Kollektiv? Und zwar ohne dass jemand Anweisung gibt? Denn das wäre die Voraussetzung, oder etwa nicht, sich von dem einen zu befreien, der «es weiss»; sich also herauszulösen aus hierarchischen Strukturen. Ob die Ausgangsbasis, die zu schaffen wäre, um «unsere Aufgabe» anzugehen, bereits die Erfüllung derselben ist?

Uns ist etwas aufgegeben. Die Frage, die sich anschliesst: Wer will da etwas von uns? Etwa ein Gott ? Das setzt seine Existenz voraus, die nicht zu beweisen ist, und die man glauben kann – oder nicht. Leider kann einem sogenannten Gott alles Mögliche untergejubelt werden. In seinem Namen wurden auch Kriege geführt und Menschen getötet.

«Unsere Aufgabe» aber will hell ausgekleidet sein. Darum wussten freilich alle, die im Laufe der Menschheitsgeschichte zu Gräueltaten anzettelten. Wer das Propaganda-Einmaleins beherrscht, dem ist klar, dass man mit der Mission, anderen schaden zu wollen, schwerlich Massen hinter sich versammeln kann. «Unsere Aufgabe» muss also leuchten, selbst wenn sie eigentlich tief in den Abgrund führt. Die Schriftstellerin Marie von EbnerEschenbach erkannte daher richtig: «Es würde viel weniger Böses auf Erden getan, wenn das Böse niemals im Namen des Guten getan werden könnte.»

Wie sicherstellen, dass «unsere Aufgabe» gegen Irrtum immun ist? Wie können wir Gewissheit haben, dass das Gute, das wir meinen, nicht auch seine bösen Nebenwirkungen hat? Wer überhaupt definiert das eine wie das andere?

Es stimmt, dass der Mensch, wie es in Goethes «Faust» heisst, «irrt, solang‘ er strebt». Er wird sich, egal, wonach er sich streckt, immer auch der Anfälligkeit aussetzen, sich zu täuschen. Auch über sich selbst. Da wäre die eigene Eitelkeit, für die man gerne blind ist. «Unsere Aufgabe» schmeichelt uns; die Verführung, sich für die Retter zu halten, ist nicht unerheblich. Dass «unsere Aufgabe» mich braucht, kann schnell verwechselt werden mit: Ich brauche «unsere Aufgabe». Um mich gut zu fühlen. Besser als andere, erleuchteter.

Der lauernde Trug, die zahlreichen Fallstricke sollen uns nicht abhalten, im Gegenteil. Nun kommt es darauf an, wie viel Vertrauen wir haben. In uns. In andere. Die Welt ist im Umbruch, wir sind im Aufbruch. Gewiss ist, dass wir leben. «Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will», formulierte es der grosse Denker Albert Schweitzer. Was bedeutet das in aller Konsequenz? Und wenn das «unsere Aufgabe» wäre, was hiesse das? ♦

von Sylvie-Sophie Schindler

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Sylvie-Sophie Schindler ist philosophisch und pädagogisch ausgebildet und hat über 1500 Kinder begleitet. Als Journalistin begann sie bei der «Süddeutschen Zeitung», danach war sie als Reporterin für zig Magazine tätig. Aktuell publiziert sie unter anderem bei der «Weltwoche». Sie ist Trägerin des Walter-Kempowski-Literaturpreises. Mit ihrem YouTube-Kanal «Das Gretchen» setzt sie sich für den guten Dialog ein.


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Klimaschutz ist nicht Naturschutz

«Klimaschutz» dominiert derzeit die mediale Berichterstattung und die öffentliche Aufmerksamkeit. Das Leben und Denken vieler Menschen scheint davon bereits tief durchdrungen und bestimmt zu sein. Doch im deutschen Wörterbuch von Karl-Dieter Bünting aus dem Jahr 1996 kommt der Begriff Klimaschutz noch nicht einmal vor. Warum ist das so? Was hat sich in der Zwischenzeit verändert? Und was ist der Unterschied zwischen Klimaschutz und Naturschutz?

Als Klima bezeichnen wir die durchschnittliche Witterung, die Wetterverhältnisse in einem bestimmten Gebiet. Das Klima verändert sich und es schwankt. Klimaänderungen sind langfristige Veränderungen der Wetterverhältnisse in einem bestimmten geographischen Gebiet. Klimaschwankungen sind besonders auffällige, langfristige Veränderungen der Wetterverhältnisse in einem bestimmten geographischen Gebiet.

Als Natur bezeichnen wir die Gesamtheit aller Lebens- und Daseinsformen, die im historischen Prozess der Erdgeschichte eigenständig entstanden sind sowie die nicht vom Menschen umgestaltete, ursprüngliche Lebenswelt. Das Wort Naturschutz, das es im Gegensatz zum Wort Klimaschutz im Bünting’schen Wörterbuch von 1996 schon gab, bezeichnet die Sicherung und den Erhalt der den Menschen umgebenden und für ihn lebensnotwendigen natürlichen Umwelt. Der Umweltschutz umfasst Massnahmen, Vorschriften und Regelungen zum Erhalt der Natur und des natürlichen Gleichgewichts des ökologischen Systems.

Neu ist, dass es diese Massnahmen, Vorschriften und Regelungen nun ebenfalls für den Klimaschutz gibt, der laut Dudendie Gesamtheit der Massnahmen zur Vermeidung unerwünschter Klimaänderungen ist. Der Klimaschutz als neuer Begriff und Wert wird seit Jahren beworben und aufgebaut. Kein Tag vergeht, ohne dass er in den Medien auftaucht.

Regulierte Wahrheit

Wenn jedoch etwas ständig in den Medien wiederholt wird, sollte jeder Bürger skeptisch werden. Es ist bekannt, dass man mit dieser Methode einen Lerneffekt erzielt: Nach einer bestimmten Anzahl haben wir das ständig Wiederholte so verinnerlicht, dass wir es als Wahrheit annehmen und nicht mehr hinterfragen.

Das ist gefährlich, denn es spielt nun keine Rolle mehr, wie wissenschaftlich fundiert die wiederholte These ist. Wir laufen Gefahr, unsere Objektivität zu verlieren, lassen uns von Gefühlen leiten und sind letztendlich von jedem Zweifel befreit. In unserer kleinen Klimawelt erscheint alles logisch. Ja, der vom Menschen verursachte CO2-Ausstoss führt zu einer globalen Erwärmung, die wir aufhalten können und müssen, denn wenn wir das nicht tun, werden wir zur letzten Generation. So das leicht verständliche Narrativ.

Wir befinden uns in einem geschlossenen, von einer einfachen Theorie dominierten System. Die tatsächlich existierende Umweltrealität in der grossen Klimawelt können wir nicht mehr sehen, denn wir lassen nur noch das Wissen an uns heran, das zu unserem System, zu unserer Wahrheit passt. Dieses Verhaltensmuster und seine gesellschaftlichen Auswirkungen hat Hermann Broch in seinen massenpsychologischen Schriften bereits in den 1940er-Jahren ausführlich beschrieben.

Modellierte Wissenschaft

Wissenschaftler, die begründet darauf hinweisen, dass das Klima ein nichtlineares, chaotisches System ist, das von so zahlreichen Faktoren abhängt, dass wir es nicht oder kaum mit Sicherheit vorhersagen und beeinflussen können, werden nicht gehört oder ausgegrenzt. So entsteht eine angebliche Mehrheitsmeinung, ein «Konsens». Wissenschaftliche Erkenntnisse gründen jedoch niemals auf Mehrheiten oder Mehrheitsmeinungen. Sie gründen auf wiederholbaren Experimenten und sind nachprüfbar.

Nach Karl Popper gehört eine Theorie dann, und nur dann, zur empirischen Wissenschaft, wenn die Möglichkeit besteht, sie zu falsifizieren, also zu zeigen, dass sie nicht wahr ist. Die Theorie, dass eine mRNA-Behandlung gegen eine Corona-Infektion schützt, kann beispielsweise falsifiziert werden, wenn der gleiche Prozentsatz an Behandelten und nicht Behandelten erkrankt. Die Theorie der Wirkung der mRNA-Behandlung wäre widerlegt. Doch wie wäre die Theorie der menschengemachten globalen Erwärmung zu falsifizieren? Es müsste gezeigt werden, dass die globalen Temperaturveränderungen vom CO2-Ausstoss des Menschen unabhängig sind. Das ist experimentell kaum zu realisieren. Selbst wenn dies gelänge, wäre das Ergebnis mit grösster Unsicherheit verbunden, weil die das Klima beeinflussenden Faktoren so vielfältig sind, dass die Rückführung des Ergebnisses allein auf einen Faktor weder eine Falsifikation noch eine Verifikation erlauben würde.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Theorie der menschengemachten globalen Erwärmung gegenwärtig eher ein Dogma. Sie wurde bereits zu stark verinnerlicht und emotionalisiert, als dass die dringend erforderliche rationale wissenschaftliche Diskussion in der Öffentlichkeit möglich wäre. Nur wenn wir die Theorie objektivieren, sie ausserhalb von uns stellen, wird sie der unbedingt notwendigen strengen Prüfung und kritischen Untersuchung zugänglich. Gelingt das nicht, bleibt sie im Zustand einer dogmatischen Einstellung, die nach Karl Popper charakteristisch ist für vorwissenschaftliches Denken.

Daniel Kahneman nennt dieses Denken schnelles Denken. Es beantwortet einfachere Fragen als die, die gestellt wurden und verursacht somit Fehler. Statt eines intuitiven und subjektiven Überzeugtseins fordert er, das Problem mit kognitiver Anstrengung langsam zu durchdenken. Das langsame Denken wird jedoch häufig durch die kognitive Leichtigkeit verhindert – durch die Vertrautheit mit der ständig wiederholten Theorie, die dazu führt, dass man schliesslich an sie glaubt.

Das führt zur Verringerung der Aufmerksamkeit, zur Trübung des klaren Blickes: So werden Regionen, in denen es kälter geworden ist, wie beispielsweise die Antarktis, nicht gesehen.

Klima, Klimaänderung und Klimawandel beziehen sich laut Definition immer auf ein geographisch begrenztes Gebiet. Der Begriff der globalen Erwärmung bezieht sich dagegen auf die gesamte Erde. Diese Verallgemeinerung führt dazu, dass Klimaänderungen in verschiedenen geografischen Gebieten nicht berücksichtigt werden. Sie gehen bei der Bildung von Mittelwerten unter. Voraussetzung für ein realistisches Bild der globalen Klimaveränderungen wäre aber ein differenzierter Blick auf alle geographischen Regionen.

Sei es die Prognose für ein bestimmtes Gebiet oder für den gesamten Globus – immer ist die Klimaforschung auf Theorien und Modelle angewiesen. Denn wir können den CO2-Gehalt der Atmosphäre nicht mal eben erhöhen oder senken und dann die Temperaturveränderungen messen. Wir können keine globalen Experimente durchführen. Es bleibt uns lediglich der Blick in die Vergangenheit, beispielsweise mit Hilfe von Eisbohrkernen, und der Versuch, mit mathematischen Modellen die Klimazukunft zu errechnen. Mathematische Modelle sind jedoch immer fragil, manipulierbar und abhängig von den Ausgangsvariablen. Ihre Prognosen sind immer mit grosser Unsicherheit verbunden, ganz gleich, wie viele Wissenschaftler es mittlerweile gibt, die glauben, die Wahrheit modelliert und simuliert zu haben. Sie sollten sich der Möglichkeit bewusst sein, dass sie und ihre Theorien durch das Nichteintreffen der Vorhersagen diskreditiert werden können.

Profitable Angst

Wieso tauchte der Begriff Klimaschutz im «Deutschen Wörterbuch» 1996 noch nicht auf? Mit grosser Wahrscheinlichkeit, weil der Mensch das Klima bis dahin als etwas über ihm Stehendes ansah. Weil er nicht glaubte, dass er die Macht dazu hätte, es beeinflussen zu können. Weil er seinen Einfluss der Macht der Sonne unterordnete. Weil er sich nicht über die kosmische Physik stellte und sich gleichzeitig schuldig und allmächtig wähnte. Gab es ausserdem den Begriff vielleicht damals noch nicht, weil es die Industrien der erneuerbaren Energien noch nicht gab? Keine Windkraft- und Solaranlagen oder Wärmepumpenbauer? Weil der Gedanke, dass man von der Klimaangst profitieren könnte, noch nicht gedacht war?

Die Erzeugung von Profit in unserem Wirtschaftssystem erfolgt häufig nach demselben Muster: Am Anfang wird ein Bedürfnis geweckt. Mithilfe von Angst funktioniert das besser als mit Werbung, denn Angst ist ein unangenehmes Gefühl, das man wieder loswerden will. Es entsteht das Bedürfnis, sich davon zu befreien oder befreien zu lassen oder sie zumindest zu lindern.

Die Angst vor Corona wurde durch die mRNA-Behandlung gelindert, die beinahe zum gesetzlichen Zwang geworden wäre. Die Angst vor einer globalen Erwärmung und das damit verbundene Schuldgefühl können beispielsweise durch den Kauf eines teuren Elektroautos, den Einbau einer kostenintensiven Wärmepumpe oder durch den Kauf veganer Nahrung gelindert werden.

Nach dem Erzeugen von Angst erfolgt der zweite Schritt: das künstliche Schaffen der Notwendigkeit, etwas Bestimmtes zu tun. Beispielsweise auf Autos mit Verbrennungsmotor zu verzichten. Als dritter Schritt erfolgt die Formulierung und Verabschiedung von Gesetzen, mit denen die als notwendig propagierten Handlungen durchgesetzt werden sollen. In unserem Fall das Verbot von Autos mit Verbrennungsmotor. Den Wirtschaftsunternehmen, in unserem Fall die Autobauer, nützt das Gesetz, die Regierung agiert als ihr verlängerter Arm. So bereichern sich die Unternehmen und deren Investoren sowie der Staat, der zumindest vorläufig mit höheren Steuereinnahmen rechnen kann.

Das Aufstellen tausender Windkraftanlagen und Solarparks dient angeblich ebenfalls dem Klimaschutz, zerstört jedoch die Natur und treibt die Energiepreise und die Profite der Energieunternehmen in die Höhe. Wird denn mit den Klimaschutz-Massnahmen nicht genau das betrieben, was als Ursache für den Klimawandel behauptet wird? Profitgetriebenes, ressourcenverschwendendes Wirtschaftswachstum?

Das Vorgehen ist einfach zu begreifen: Die Regierung nimmt der Bevölkerung mit Hilfe von Verboten und Zwangsmassnahmen die Angst, die man selbst geschürt hat, begründet und rechtfertigt das mit dem Klimaschutz und bedient gleichzeitig die Profitansprüche der Wirtschaft. Eine Win-win-Situation. Die Konsequenzen sind weitreichend: Verlust von Freiheit und Demokratie, Verarmung grosser Bevölkerungsteile, Abwanderung von Unternehmen, denen die neuen Gesetze schaden, Ausweitung der staatlichen Macht.

Die Angst und die propagierten Lösungen der Klimakatastrophe führen nicht zur Verbesserung unseres Lebens, sondern richten sich gegen die Menschenrechte, gegen jede Humanität, sie vernichten die offene Gesellschaft und machen uns zu Sklaven. Dieser Weg führt in die Irre. Streifen wir die Angst ab. Bilden wir uns eine begründete eigene Meinung, statt dem von Profitinteressen geleiteten medialen Einheitsbrei zu folgen.

Entwickeln wir eine Ehrfurcht vor dem Leben

Im Gegensatz zum Klimaschutz können wir uns sicher sein, dass menschliches Handeln mit dem Ziel, die Natur zu schützen, zum Erfolg führt. Denn Theorien und Massnahmen des Naturschutzes lassen sich leicht verifizieren und bieten immer die Möglichkeit der Falsifikation. Wenn wir die Abholzung der Regenwälder beenden, aufforsten, den Einsatz von Pestiziden begrenzen oder die Fischbestände schonen, hat das messbare Effekte auf Wasserkreislauf, Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit und Populationsdynamik. Jeder, der einen Acker in einen biologischen Garten verwandelt, kann die Veränderungen beobachten. Umweltschutzmassnahmen, die beispielsweise zu sauberem Wasser oder sauberer Luft führen, haben ebenfalls sichere und messbare Auswirkungen. Natur- und Umweltschutz ist mit grosser Sicherheit verbunden, Klimaschutz hingegen mit grosser Unsicherheit.

Konzentrieren wir uns auf das, was sicher ist. Entwickeln wir eine Achtung vor der Natur, eine Ehrfurcht vor dem Leben, wie es Albert Schweitzer nannte. Erhalten wir das Leben. Schützen wir die Natur und die Umwelt. Denn das hat mit aller Gewissheit einen positiven Einfluss auf unser Zusammenleben, das Leben auf der Erde und vielleicht auch auf das Klima. ♦

von Tom Reimer

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Tom Reimer ist promovierter Neurobiologe, Massenpsychologe und freier Autor. Er hat Biologie, Germanistik und Philosophie studiert, schreibt Gedichte, betreibt den Podcast königsblau-denkfabrik, ist Kabarettist und initiiert und realisiert Projekte mit der Grundmotivation, unser Zusammenleben, unsere Gesellschaft zu bereichern. Kürzlich von ihm erschienen: «Schaffen wir eine neue Kultur – Weil Menschsein mehr ist als Ökonomie».


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Selbstermächtigung statt Widerstand

Warum die Heilung unserer Innenwelt der Schlüssel zu einer besseren Welt für alle ist.

In den letzten Jahren sind viele Menschen aufgewacht und haben erkannt, dass der Staat nicht in der Lage ist, verantwortungsbewusst für seine Bürger zu handeln. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es massive Versäumnisse im Bereich der Gesundheitsversorgung und der Krisenbewältigung gibt. Selbstverständlich reicht es nicht aus, den Finger auf die Mängel des Systems zu legen und sich über die verfehlte Politik zu beschweren. Doch was sind unsere anstehenden Aufgaben als Menschen, um eine neue, gesunde und friedliche Gesellschaft zu erschaffen?

Schon kurz nachdem die Corona-Geschichte startete, durchschaute ich, dass hier etwas gehörig nicht stimmte, und ging in den Widerstand. Ich tat so einiges mit dem Ziel, den Menschen die Augen zu öffnen. Unter anderem schrieb ich die Direktorin des BAG an und stellte ihr kritische Fragen, versuchte Mitstreiter zu finden und ein Komitee ins Leben zu rufen, welches der Regierung juristisch einen Riegel vorschieben sollte, habe Einspruch gegen die Steuererklärung erhoben mit der Begründung, dass unsere Steuern illegal und für verschiedene Verbrechen missbraucht würden, und ich habe eine Informationswebseite programmiert und einen Flyer mit QR-Code gedruckt, um aufzuklären und die Widersprüche aufzuzeigen. Begleitet war ich dabei von der starken Hoffnung, dass diese Missstände viele Menschen zum «Aufwachen» bewegen würden. Einige wachten auf, doch lange nicht so viele, wie ich es mir gewünscht hatte.

Nach rund einem Jahr des Widerstands, müde ob der nicht fruchtenden Aufklärungsversuche, der Ignoranz so vieler Menschen und der Verblendung und Unfähigkeit unserer Regierungsmitglieder, beschloss ich, mich innerlich neu auszurichten und verliess den Widerstand. Ich verabschiedete mich von meinem inneren Drang nach Protest. Denn ich erkannte, dass er nur eine vorübergehende Phase im Prozess des Erwachens ist, und er uns im Aussen bestenfalls ein kleines Stück voranbringen würde. Und ich erkannte immer deutlicher die noch vor uns liegende Wegstrecke: Die Reise in unser Inneres.

Schon vor zwei Jahrzehnten begab ich mich auf den spirituellen Weg. Damals wirkte ich viele Jahre in einer gemeinnützigen Organisation für Heilung auf dem geistigen Weg mit. Ich kam in Kontakt mit der geistigen Heilkraft und erlebte die geistige Wirklichkeit in meinem Leben und am eigenen Körper. Vor rund 15 Jahren hörte ich zum ersten Mal die Worte Selbstermächtigung und Schöpferbewusstsein. Sie bewegten mich, und so begann ich immer mehr, mein Innenleben zu erforschen. Mit den Konzepten wie Unterbewusstsein, Weltbilder, dem Unterschied zwischen Glauben und Wissen, war ich bereits gut vertraut. Doch nun entdeckte und beobachtete ich ihr Wirken handfest in meinem eigenen Leben. Ich war erstaunt, welche Auswirkungen Glaubenssätze, unbewusste Ängste sowie unsere Schatten auf unser Leben haben. Schritt für Schritt verschob sich in mir die Grenze zwischen meinem Wachbewusstsein und meinem Unterbewusstsein, immer weiter hinein in das bisher Ungesehene und Unbeachtete.

Seitdem habe ich schon viele destruktive oder behindernde Verhaltensweisen, die in meiner Kindheit entstanden sind sowie Traumata, Ängste und Glaubenssätze in mir durchleuchten und auflösen können. Jedes Mal, wenn mir dies gelang, veränderten sich sowohl mein Lebensgefühl als auch die äusseren Umstände in meinem Leben. Auch in der Partnerschaft konnten wir viele hartnäckige Beziehungsmuster auflösen. Die Lebensqualität, die sich mir dadurch eröffnete, kann mit keinem Geld der Welt erkauft werden.

Mit dieser persönlichen inneren Entwicklung reifte auch die Erkenntnis, dass Widerstand, sowohl innerer als auch äusserer, und in welcher Form er sich auch zeigt, nie das Problem oder den Missstand wirklich lösen wird. Wie heisst es doch so schön: «Wer etwas bekämpft, gibt ihm nur Energie und nährt es.» Für den Widerstand gegen Massnahmen, Korruption, Misswirtschaft, Machtmissbrauch und alle weiteren Aspekte unserer Gesellschaft, welche nicht im Lot sind, bedeutet dies eben Folgendes: Wenn wir Widerstand gegen Personen oder Dinge leisten, anerkennen wir deren Autorität und Macht. Wir gestehen sie ihnen zu und stellen uns unter sie. Die andere Seite spürt dies und fühlt sich in ihrer Macht bestätigt wie auch bestärkt. So schneiden wir uns mental von unserer eigenen uns innewohnenden Macht ab.

Selbstverständlich wird es weiterhin eine wichtige Aufgabe sein, dass wir uns für Recht und Ordnung einsetzen. Doch der wesentliche Punkt dabei ist: Solange wir auf diese Weise unbewusst das Gefühl der Machtlosigkeit zelebrieren, werden wir nie unsere eigene transformative Macht ergreifen können.

Als Bürger eines Staates sind wir der Souverän, für den die Regierung arbeiten sollte. Wir haben ihnen lediglich die Aufgabe der Verwaltung gewisser Aspekte unseres Lebens übergeben. Sie müssten uns dienen und nicht ihren eigenen Interessen oder dem Machterhalt. Doch leider haben viele von uns mit der Übergabe dieses Aufgabenbereichs auch die Eigenverantwortung mit abgegeben. Wenn wir als Menschen in irgendeinem Lebensbereich die Verantwortung komplett abgeben, wird er ausser Kontrolle geraten. Daher ist das Zurückgewinnen einer echten und gelebten Selbstverantwortung, zuallererst für uns selber, die wichtigste Aufgabe unserer Zeit.

Wenn wir diese Eigenverantwortung wieder in uns fühlen, nicht nur erkennen oder verstehen, dann werden sich auch die Umstände im Aussen nach unserem inneren Gefühl richten. Doch dazu bedarf es einer tiefgreifenden inneren Heilung. Denn die Schatten, die in uns unbemerkt wirken, erhalten unsere Gesellschaft so, wie sie aktuell eben noch ist. Nur durch das wahrhaftige Durchleuchten unseres Inneren und der Heilung unserer Schatten werden wir fähig sein, eine komplett andere Gesellschaft zu erschaffen. Eine Gesellschaft, die mit nichts zu vergleichen sein wird, was wir bisher kannten.

Ich möchte meine Vision, in Form einer Hommage an die neuen Menschen, hier teilen. Die «neuen Menschen», die bereits unter uns sind, und zu denen viele noch werden:

Die neuen Menschen spüren, dass wahrer Frieden im Aussen nur dann sein kann, wenn sie den Frieden in ihrem Herzen, in ihrem Denken und in ihrem Unterbewusstsein tragen. Sie wissen, dass echte Freiheit nur in ihrem Inneren beginnen kann. Und dass die inneren Fesseln bestehend aus Ängsten und beschränkenden Glaubenssätzen dieser Freiheit im Wege stehen. Sie arbeiten an ihrem Inneren, sie wollen ihr wahres Sein entwickeln und die daraus geschöpfte Stärke und Kraft allem Leben schenken. Sie wissen, dass es die Selbstverantwortung sowie die Mitverantwortung für die Erde und alle Lebewesen sind, auf dem die neue Menschheit aufbauen wird.

Der Ruf aus ihrem Inneren treibt sie an, selber die Menschen zu sein oder zu werden, auf die sie gewartet haben. Sie haben sich der Wahrheit verschrieben. Kompromisslos, ohne Wenn und Aber. Sie sind bereit, ihr Weltbild jederzeit zu korrigieren oder zu ergänzen, wenn sie dies als notwendig erkennen. Sie entledigen sich ihres Eigendünkels, sie wollen keinen Nimbus um sich herum erschaffen, um vor anderen höher dazustehen. Sie begegnen jedem Menschen auf Augenhöhe und von Herz zu Herz. Ungeachtet ihrer Fähigkeiten, ihrer Bildung, ihrer Titel, ihres Besitzes oder ihres gesellschaftlichen Status. Und doch sind sie sich ihrer Stärken bewusst und sie lassen sie erstrahlen. Und auch vor ihren Schwächen verstecken sie sich nicht.

Sie erkennen, dass Wissen und Informationen nur dann einen Wert haben, wenn sie gelebt, gefühlt oder als solche erkannt werden: Sie streben nach Weisheit und lassen sich nicht mehr manipulieren. Kognitive Konzepte und vermeintliches Wissen bedeuten für sie nichts, wenn sie es nicht mit ihrem Leben in direkte Verbindung bringen können. Sie verschwenden keine Energie mehr mit dem Bekämpfen der Dornen. Denn sie wissen, dass die neue Saat früher oder später über die Dornen emporwachsen wird. Ihre Begegnungen sind bewusst. Wenn sie sprechen, dann wollen sie geben. Sie freuen sich, bewussten Menschen zu begegnen und schöpfen daraus ihre Energie und Zuversicht. Sie wissen, dass echte Begegnung und Austausch der Nährboden der neuen Saat sind.

Sie streiten nicht ums Recht haben. Denn sie wissen, dass ihre Sicht der Dinge nur ein begrenzter Blick auf die Wirklichkeit darstellt. Deshalb sind sie offen für neue Perspektiven und nehmen jeden neuen Impuls dankbar an. Und trotz der Vielfalt an Fähigkeiten und Sichtweisen, die sie nie selber alle besitzen oder einnehmen können, verneigen sie sich vor ihr im Wissen, dass sie selber ein unverzichtbarer Teil dieses Ganzen sein dürfen.

Die neue Menschheit ist am Entstehen. Die neuen Menschen sind bereits da und es werden immer mehr. Sei auch Du Teil davon. ♦

von Oliver Wittwer

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Oliver Wittwer ist diplomierter Physiker und Doktor der Naturwissenschaften, Gründer, IT-Berater, Bewusstseinsforscher, Visionär, Autor und Speaker.

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Klima: Grauen oder Vertrauen?

Im Gespräch mit dem Energieexperten Franz Ulrich

Wie ein Damoklesschwert hängt sie über uns: die Klimakatastrophe. Das von ihr angekündigte Abschmelzen der Polkappen, ihre Dürren und Extremwetterlagen versetzen ganze Generationen in Angst und Schrecken. Berechtigt? Inwiefern unterliegt die momentane Klimaveränderung natürlichen, immerwährenden Schwankungen und inwieweit ist der Mensch objektiver Störfaktor des natürlichen Gleichgewichts? Und welche Rolle spielt dabei CO₂? Franz Ulrich, diplomierter Elektroingenieur ETH, spricht über den IPCC und die eigentlichen Ursachen des Klimawandels.

«DIE FREIEN»: Herr Ulrich, Sie sind diplomierter Elektroingenieur ETH und seit 2007 in der Energieberatungsbranche selbstständig. Man darf also meinen, Sie sind mit der Szene rund um Klimapolitik und CO₂ relativ gut vertraut. Und trotzdem sind Sie ihr gegenüber kritisch. Wann erfolgte der Bruch?

Franz Ulrich: Schon während dem Studium haben mich die erneuerbaren Energien immer sehr interessiert. Denn ihren Grundsatz finde ich absolut richtig: Weniger abhängig zu sein von den Grosskonzernen oder dem Ausland und stattdessen mehr in die Eigenverantwortung zu kommen; dezentrale Energieversorgung, da kann ich voll und ganz dahinterstehen. Und dennoch sind mir, und das nicht erst seit Corona, dahingehend Zweifel gekommen, wie einseitig die Debatten geführt werden – wenn sie denn geführt werden. Das Problem ist schliesslich nicht der Klimawandel. Dieser findet statt und hat schon immer stattgefunden. Das Klima ist ja nicht etwas Statisches. Das Problem ist die einseitige Debattenkultur über die eigentlichen Ursachen des Klimawandels und dass es heute für Viele feststeht, dieser läge alleine am menschengemachten CO₂. Zugegeben: Solange die daraufhin ergriffenen Massnahmen freiwillig blieben, hat mich dies nicht gross gestört. Wir haben Meinungsfreiheit, da kann man sagen und machen, was man will. Solange es eben freiwillig ist, und bleibt. Jetzt aber, da immer mehr Verbote ausgesprochen werden, hat diese Meinungs-Monokultur für mich eine andere Dimension erreicht. Das ganze Corona-Debakel hat uns gezeigt, wo so etwas hinführen kann. Auch in Bezug auf die Angstmache, die wir gleichermassen in der Klimapolitik und bei den Anhängern der sogenannten «Letzten Generation» finden.

Wenn Sie mich fragen, bietet gerade diese Verengung im Diskurs, sei es eben zu Corona oder innerhalb der Klimadebatte, die Grundlage dafür, dass wir so anfällig geworden sind für Angstmache. Uns wurde das Vertrauen in Alternativen genommen und stattdessen eine Angewiesenheit auf absolute Lösungen kreiert. Welche Rolle fällt hierbei der Wissenschaft anheim, beispielsweise in Bezug auf erneuerbare Energien?

FU: Ob Innovationen gelingen oder nicht, liegt meist nicht an der Wissenschaft als solche, sondern an der Offenheit der Menschen. Das haben wir zum Teil auch bei Corona gesehen: Was neu oder bahnbrechend sein könnte, wird niedergemacht: Ein Paradox, denn Wissenschaft sollte ja neues Wissen schaffen. Dabei weiss die Wissenschaft in ihrer Breite eigentlich schon, was abgeht und was möglich ist. Aber die offizielle Wissenschaft, die wir zu hören und zu lesen bekommen, ist halt sehr einseitig. Forschungen im Bereich von freien Energien finden statt und bieten trotz ihres kleinen Rahmens vielversprechende Ansätze, die es nur zu verfolgen gelte, wollte man sich nicht dem Risiko eines Energie-Engpasses aussetzen. Ich will hier nicht von «Mainstream-Wissenschaft» oder «wahrer» Wissenschaft sprechen. Für mich geht es darum, diese Schwelle zu überwinden und aus der Breite an Wissen, das uns zur Verfügung steht, die besten Lösungen zugunsten aller zu finden.

Für wie gerechtfertigt halten Sie die momentane Klimapanik?

FU: Ich persönlich glaube nicht, dass es so schlimm steht um unser Klima und das CO₂ sehe ich nicht als grosses Problem. Natürlich leistet auch CO₂ seinen Beitrag zum Klimawandel, aber dieser findet ja sowieso statt. Das haben wir auch in der Vergangenheit gesehen. Da finden wir Zeiträume, in denen es bedeutend kälter war, wie eben in der kleinen Eiszeit oder auch Zeiten, wo es wärmer war als heute. So zum Beispiel während der mittelalterlichen Warmperiode oder zu Römerzeiten, wo man aus Funden bei Alpenübergängen, die jetzt wieder eisfrei werden, feststellen konnte, dass diese damals auch eisfrei waren. Und allgemein ist die kleine Eiszeit als sinnvolle Vergleichsbasis zu hinterfragen: Das Ende einer Kaltperiode als Nulllinie anzunehmen, um dann jede Erwärmung als Schreckensszenario darzustellen, kann es schliesslich auch nicht sein. Obendrein ist CO₂ unschädlich und ungiftig. Das wissen alle Gärtner, die CO₂ in ihre Gewächshäuser reinblasen. Wir haben in der Atmosphäre heute eine Konzentration von 420ppm und das Optimum für Gewächshäuser liegt bei ungefähr 600ppm. Dass CO₂ wie ein Dünger wirkt, sehen wir beispielsweise auch an Satellitenbildern, auf denen unsere Erde immer grüner wird. Und da stelle ich mir die Frage: Wollen wir wirklich das Klima von 1850? Ist das sinnvoll? Wir haben jetzt doch ein paar Milliarden Menschen mehr auf diesem Planeten. Hätten wir das Klima von damals, was für die Schweiz vermutlich kühle, verregnete Sommer bedeuten würde, wäre die landwirtschaftliche Produktion wohl an einem ganz anderen Punkt. Und da bin ich mir eben nicht sicher, ob wir Menschen uns gut überlegt haben, was wir eigentlich wollen. So erscheint mir die aktuelle Klimapolitik zum grossen Teil als ein Kampf gegen Windmühlen, der Unmengen an Ressourcen verschleisst, Freiheiten beschneidet und letztlich den Schutz unserer Umwelt – oder besser Mitwelt – ins Abseits drängt. Mein innerer Antrieb und meine Motivation liegen viel mehr in diesem Bereich.

Der Klimaforscher Fred Pearce hat darauf hingewiesen, dass Wetterkatastrophen oft das Ergebnis von Landnutzungsänderungen, wie beispielsweise der grossflächigen Versiegelung unserer Böden oder schlechter Planung sind, da diese den Wasserkreislauf von Verdunstung und Niederschlag stören. Ist es am Ende vielleicht nicht die Masse an Menschen, die es als solche zu versorgen gilt, sondern die Art und Weise, wie wir versuchen, diese Menschen zu ernähren, die als umweltschädlich zu betrachten ist?

FU: Für mich ist die menschliche Aktivität auf diesem Planeten, die Frage nach der Art und Weise, wie wir mit unserer Erde und unseren Mitmenschen umgehen, grundlegend für jede weitere Überlegung. Und da steht das Wassermanagement weit vorne. Die Bodenversiegelung hat enorm zugenommen und gleichzeitig nimmt die Rückhaltfähigkeit des Wassers im Boden ab. Und wenn wir das einfach ausklammern, nur Klimaschutz betreiben, wird das gesamte Potenzial von Umweltschutz, Bodenverbesserung oder Humusbildung einfach ausser Acht gelassen. In diesem Bereich gibt es weltweit so viele sehr gute Projekte, die aber nicht wahrgenommen werden, solange wir nur die Schreckensszenarien bringen.

Der IPPC galt in den vergangenen 20 Jahren als der Referenzrahmen für politische Beschlüsse. Warum droht sich der Wind ausgerechnet jetzt zu drehen? Woher rührt die momentane Kritik?

FU: Oft schleicht sich so etwas ja ein und ist dann einfach da. Wenn ich mir jetzt die Klimaberichte anschaue, habe ich das Gefühl, hier sind systematisch Wissenschaftler mit abweichenden Meinungen und Forschungsergebnissen wahrscheinlich gar nicht zu Wort gekommen, wurden ausgeblendet oder gar nicht erst zugelassen für die Review-Prozesse. Denn es gibt viele Stimmen und Publikationen von Wissenschaftlern, die eine andere Sichtweise auf die Dinge haben. Es ist eben ein Markt, und das auf vielen Ebenen: Der ganze CO₂-Zertifikatehandel, Förder- und Forschungsmittel, neuerdings forcierte Gebäudesanierungen, Heizungsverbote, Elektromobilität und so weiter … Das ist für viele Unternehmen auch ein Riesengeschäft geworden. Das ist wie ein Strom, in den man, einmal hineinbegeben, mitschwimmt, ohne sich noch gross Gedanken zu machen.

Deshalb glaube ich, die Kritik war immer schon da, aber vielleicht wurde sie jetzt zusätzlich gepusht, auch durch Corona. Ich sehe es ja an mir: Ich bin jetzt «geschärfter» und achtsamer als ich es noch vor 2020 war. Und ich glaube, dieser Prozess hat weltweit stattgefunden: Je mehr die Schrauben angezogen werden, desto mehr Menschen beginnen Zwänge zu hinterfragen. Die Menschen haben verstanden, dass sie sich, um für sich selbst einzustehen, breit informieren müssen.

Dem IPCC wird oft vorgeworfen, er vernachlässige die historische Dimension. Beispielsweise in Bezug auf das Gletscherschmelzen oder das Korallensterben. Für mich hat dieses permanente «Auslassen» etwas sehr Strategisches. Wie empfinden Sie das?

FU: Wir können nur aus der Geschichte lernen. Wir müssen von der Geschichte ausgehend versuchen in die Zukunft zu projizieren, um für sie Schlüsse zu ziehen. Das funktioniert natürlich nicht, wenn wir die Geschichte ausblenden und dann Modelle heranziehen, die zwar schlimm aussehen, dafür aber über keine historische Einordnung mehr verfügen. Das ist ja auch das Problem von Klima-Modellierungen, dass sie zum grossen Teil die Vergangenheit nicht richtig abbilden können, weil viele natürliche Effekte noch gar nicht richtig verstanden oder eben ausgeblendet wurden. Und wenn solche Klimamodelle nicht das bisherige abbilden können, wie sollen sie uns dann überhaupt einen Blick in die Zukunft ermöglichen können? Da können nur falsche Resultate herauskommen. Auch da scheint mir, sieht man dann gerne die Modellierungen mit den schrecklichsten Szenarien, oder es wird dementsprechend so transportiert. Das ist auch interessant am IPCC-Bericht: In diesem gibt es ja wie verschiedene Stufen der wissenschaftlichen Untersuchungen und Arbeiten, aus denen am Schluss eine Art Zusammenfassung für die Politiker resultiert. Und wenn man diese mit den Forschungen vergleicht, dann stimmen die Ergebnisse für die Politiker nicht unbedingt mit den eigenen wissenschaftlichen Erkenntnissen überein. Das zeigt, wie politisiert die Wissenschaft heute ist. Verschiedene Institutionen fordern denn auch «weniger Politik in der Wissenschaft, dafür mehr Wissenschaft in der Politik».

Was ist denn Ihre Zukunftsprognose? Worauf hoffen Sie?

FU: Ich wünsche mir eine wirklich offene Debatte. Dass wir über alles sprechen können und dass keine Stimmen unterdrückt oder einfach weggelassen werden. Vielleicht hat da die Digitalisierung schon ein bisschen zugeschlagen, dass wir oft nur in schwarz und weiss denken können. Aber so ist es nicht, es gibt ja immer alle Schattierungen dessen, was wir als «Wahrheit» betrachten können. Ich glaube, nur indem der breite Diskurs zugelassen wird, und wir ihn auch selber zulassen, können wir unsere Probleme wirklich lösen, anstatt permanent neue zu schaffen. Die heutigen Probleme sind ja ohnehin häufig die Lösungen von alten Problemen. Da erhoffe ich mir wirklich, dass wir an dieser Stelle einen Schritt weiterkommen. Das heisst nicht, dass wir von heute an die perfekte Lösung haben müssen. Das ist wahrscheinlich auch gar nicht der Sinn und Zweck des menschlichen Daseins. Aber dass wir miteinander gemeinsam weiterkommen und uns vergegenwärtigen, dass alles mit allem verbunden ist. Das stört mich heutzutage mitunter am meisten an den ganzen technischen Lösungen: Sie haben keinen Bezug zum Leben. Und das ist, davon bin ich überzeugt, der falsche Weg. Eigentlich macht uns die Natur alles vor. Wir müssten nur wieder lernen, sie zu beobachten und dahingehend zu kopieren, anstatt weiterhin zu meinen, wir wüssten es besser. Denn das tun wir offenbar nicht. ♦

von Lilly Gebert

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Franz Ulrich ist diplomierter Elektroingenieur (ETH Zürich) und führt zusammen mit seiner Frau seit 16 Jahren ein Büro für Energie- und Elektrosmog-Fragen. Im eigenen Labor untersuchen und erforschen sie Wasser und dessen innere Zusammenhänge. Die Freizeit verbringt er gerne in der Natur und in den Bergen.


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Ein Arzt der leisen Töne

Denis Beyer arbeitet als Hausarzt in Muotathal. Er findet, dass wir von der Erwartungshaltung «Herr Doktor, machen Sie mich gesund!» wegkommen und mehr Eigenverantwortung übernehmen sollten.

Eine kurvenreiche Strasse führt durch den Wald, vorbei an Felsen. Die Bergspitzen, die langsam sichtbar werden, sind weiss gepulvert. Rauch steigt aus den Kaminen und mischt sich mit der kalten Luft. Die Strassen sind menschenleer. Um das Tal hier, durch das die 30 Kilometer lange Muota fliesst, und seine Bewohner ranken sich viele Geschichten und Mythen – hier wird gejuuzt, getrychelt und vorausgeschmöckt.

Einer der 3468 Einwohner (Stand 2021) der Gemeinde Muotathal heisst Denis Beyer. Der 43-jährige Ostschweizer wohnt und arbeitet seit rund drei Jahren hier. Eigentlich hatte er im Engadin als Hausarzt tätig sein wollen. Dass sich dieser langgehegte Traum nicht erfüllte, war für ihn anfangs eine «grosse Tragödie». Doch das Schicksal wollte es eben anders, wie er erzählt.

So kam es, dass er eine Blindbewerbung an Matthias Gauger, denInhaber der Praxis für Allgemeinmedizin inMuotathal, schickte. Wie Beyer erfuhr, suchte Gauger zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nach einem Ersatz für einen pensionierten ärztlichen Mitarbeiter. «Eigentlich war die Frist, die Matthias Gauger festgelegt hatte, um einen neuen Mitarbeiter zu finden, bereits abgelaufen – es stand sogar die Frage im Raum, ob die Praxis aufgelöst werden sollte –, aber dann kam eben ich mit meiner Blindbewerbung.»

Dass er ins Muotathal gezogen sei, sei im Nachhinein betrachtet das Beste, was ihm passieren konnte, findet Beyer heute. Gemeinsam mit dem zehnköpfigen Praxisteam sorgt er seit Herbst 2019 dafür, dass die medizinische Grundversorgung in der Gemeinde sichergestellt wird.

«Durch die Kraft der vielen kann viel Gutes entstehen.»

Die vergangenen drei Jahre waren für Beyer nicht leicht, aber lehrreich: «Die Pandemie hat mir gezeigt, dass wir unsere Gesundheit wieder selbst in die Hand nehmen sollten.» Ein Aha-Erlebnis hatte er, als die Muotathaler Arztpraxis aufgrund mangelnden Testangebots im Kanton beim Aufbau von vier Testzentren in der Region mitwirkte. Gemäss Beyer konnten für dieses Projekt innert kürzester Zeit 200 Freiwillige zusammengetrommelt werden. Jugendlichen war es daraufhin möglich, sich zum Selbstkostenpreis testen zu lassen. «Durch die Kraft der vielen kann viel Gutes entstehen.»

Beyer erzählt von einem weiteren Projekt, das «langsam heranreift». Es handelt sich dabei um ein medizinisches Versorgungsnetzwerk, das nach dem Prinzip der Nachbarschaftshilfe funktionieren soll. Ziel ist es, dass ehrenamtliche Helfer aktiviert werden können, wenn Hilfe benötigt wird. Etwa wenn Personen, die ihre pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause betreuen, eine Entlastung brauchen. Beyer kann sich beispielsweise vorstellen, dass sich nachbarschaftliche Sitzwache-Pools bilden können. Dabei sollen vor allem auch Laien zum Zug kommen, die vom Erfahrungsschatz medizinischer Fachleute lernen. Das medizinische Versorgungsnetzwerk soll Bürger zum eigenen Handeln bewegen, wie Beyer erklärt.

Das Gesundheitssystem sei nicht mehr so nahe bei der Bevölkerung, findet der Arzt. «Die Medizin muss sich vom digitalen Korsett befreien und wieder zur Menschlichkeit zurückfinden», sagt er und fügt an: «Auch sollten wir die Erwartungshaltung ‹Herr Doktor, machen Sie mich gesund!› überdenken und wieder mehr Eigenverantwortung übernehmen. Wussten Sie, dass im alten China Ärzte nur bezahlt wurden, wenn ihre Patienten gesund waren?»

Telefonanrufe aus der ganzen Schweiz

Er sei froh, dass bei Themen rund ums Coronavirus nicht mehr wie einst die Emotionen überhandnähmen, sondern die Sache vermehrt mit einem nüchternen Blick beurteilt werde, so Beyer. Die Pandemie verbindet er vor allem mit Telefonklingeln: «Am Praxisempfang läutete das Telefon praktisch den ganzen Tag, und das bei drei offenen Leitungen. Hatten wir mal den Anrufbeantworter für 20 Minuten drin, kam es teilweise zu über 80 Anrufen in der Abwesenheit.» Dass die Drähte so heiss liefen, hatte seinen Grund: Es sprach sich schnell herum, dass in der Muotathaler Praxis keine Covid-19-Impfungen verabreicht werden. Dies führte gemäss Beyer unter anderem dazu, dass Personen aus verschiedenen Kantonen ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt wechseln und in die Muotathaler Praxis kommen wollten. Einige Bürger hätten wohl wegen der Corona-Massnahmen das Vertrauen in ihre bisherige Gesundheitsversorgung verloren, vermutet der 43-Jährige. Die Praxis hatte aber schon damals einen Aufnahmestopp für Menschen ausserhalb des Tals.

Beyer und Gauger hatten während der dritten Corona-Welle im Frühjahr 2021 ein 22-seitiges Dokument verfasst, in dem sie darlegten, weshalb sie in der Praxis keine Covid-19-Impfungen anbieten. Dieses sei «unausgewogen», befand das Amt für Gesundheit und Soziales des Kantons Schwyz. Mittlerweile ist das Dokument nicht mehr auf der Website der Praxis abrufbar, allerdings ist eine abgeänderte und aktualisierte Version vorzufinden.

In Beyers Augen ist das Zulassen von Meinungsvielfalt «ein Zeichen einer gesunden Gesellschaft». Den Mitmenschen zuhören, ihre Ängste und Sorgen wahrnehmen und versuchen, die verschiedenen Blickwinkel zu verstehen, das sei das Gebot der Stunde, findet der Arzt.

Beyer ist ein Mann der leisen Töne – das Geschrei der Empörer hat er nicht nötig: «Seine Meinung fein dosiert zu äussern bringt mehr, als zu wettern.» Beyer ist differenziert, nicht radikal: «Als Hausarzt habe ich SARS-CoV-2 sehr gut kennengelernt. Wenn es zu Komplikationen kam, waren diese schwerwiegender als bei einer herkömmlichen Grippe – dies vor allem bei der Delta-Variante.» Der 43-Jährige hinterfragt und blickt über den Tellerrand: «Ich kann die Sichtweise der Spitalärzte nachvollziehen und habe Verständnis dafür, dass viele von ihnen in der Covid-19-Impfung die Lösung sahen.» Dass ein Intensivmediziner in der Stadt eine andere Sicht als ein Hausarzt im Tal haben könne, liege auf der Hand. Es spiele eben immer eine Rolle, aus welchem Blickwinkel die Lagebetrachtet werde. «Aus meiner Sicht waren aber viele Massnahmen nicht verhältnismässig, und das habe ich damals auch öffentlich kundgetan.»

«Diese Erfahrung war sehr heilsam.»

Beyer ist bedacht, andere Standpunkte zu verstehen – das war aber nicht immer so. Doch von vorn: Beyer war 21 Jahre alt – «ich war noch grün hinter den Ohren» –, als er sich entschied, die vierjährige Ausbildung in Homöopathie zu machen. Dazu bewogen habe ihn vor allem ein Erlebnis aus der Kindheit. Er sei damals sehr kränklich gewesen, habe unter anderem an chronischer Mittelohrentzündung gelitten. Antibiotika, die in jener Zeit grosszügig verschrieben worden seien, hätten bei ihm kaum Wirkung gezeigt, die homöopathischen Mittel hingegen schon.

«Nach der Homöopathie-Ausbildung musste ich feststellen, dass ich immer noch grün hinter den Ohren war; ich fragte mich, ob ich den Patienten wirklich schon gerecht werden konnte.» Es war in Indien – Beyer hospitierte dort –, als ihm ein homöopathischer Arzt empfahl, noch Medizin zu studieren, was er dann auch tat. «Während des Medizinstudiums musste ich mir eingestehen: Aha, es gibt verschiedene Sichtweisen! Es ist gut, wenn ich die Glaubenssätze, die ich aufgebaut habe, überdenke – diese Erfahrung war sehr heilsam.»

Beyer ist es ein Anliegen, das Pro und Kontra einer Sache abzuwägen – er ist kein Arzt, der voreilig handelt. Der 43-Jährige erinnert sich an den Start der Impfkampagne: Eigentlich hatte sich die Praxis bereits bei der Ärztegesellschaft fürs Impfen angemeldet – «wir wollten kein Spaltkeil sein». Doch dann kam es zu den zwei Impfvorfällen in Österreich, die vor rund zwei Jahren für Schlagzeilen sorgten: Zwei Krankenschwestern liessen sich mit dem Vakzin von AstraZeneca impfen. Während die eine zehn Tage nach der Impfung starb, landete die andere aufgrund einer Lungenembolie im Spital. Bei Beyer kamen viele Fragen und grosse Zweifel bezüglich der globalen Impfstrategie auf. Vor allem die «mangelhafte Produktüberwachung» und die «undifferenzierte Nutzen-Risiko-Abwägung auf die gesamte Bevölkerung» machten ihn stutzig.

«Ich bin froh, dass wir damals entschieden haben, keine Patienten in unserer Praxis zu impfen», sagt Beyer. Bilanz über die Corona-Pandemie zu ziehen, masse er sich aber nicht an – diese Analyse überlasse er den Geschichtsschreibern. Die Pandemiejahre hätten ihn viel Energie gekostet. Was ihm besonders zu denken gab: «An gewissen Tagen habe ich mich dabei erwischt, wie ich auf die Uhr geschaut und mich dann jeweils gefreut habe, wenn schon bald Feierabend war.» Er sei gleichgültigergeworden, sagt Beyer, das zu erkennen habe ihm innerlich sehr wehgetan.

Wieder ins Lot gebracht hat ihn ein einmonatiger Offline-Urlaub in Asien. Während seiner Auszeit ging er viel in die Stille und lebte enthaltsam: «Stillwerden und Fasten – sei es bezüglich Nahrung oder bezüglich Sinnesreize –, diese wichtigen Bestandteile in meinem Leben sind für mich der Schlüssel zum Heilwerden.» Er wolle sich hier auf der Erde nicht ausleben, sagt Beyer, vielmehr wolle er so leben, dass er seinen Daseinszweck erfüllen kann.

Janis Joplin aus der Jukebox und Schwyzerörgelimusik

Beyer sucht das innere Licht, nicht das Rampenlicht. Lärm und zu viele Reize täten ihm nicht gut; er sei ein «eher zivilisationsscheuer Mensch» und habe es gerne, wenn es am Abend dunkel und still ist. «Ich muss zugeben, dass ich schon ein bisschen ein Eigenbrötler bin», sagt Beyer. Klar gebe es hier in Muotathal hin und wieder Dorfgerede, aber die Menschen würden so akzeptiert werden, wie sie sind. «Wenn im Gasthaus Hölloch ein Älpler, ein Gemeinderatsmitglied und ein Typ aus der Metal-Szene zum gemeinsamen Jass aufeinandertreffen – im Hintergrund läuft Musik von Janis Joplin, später spielt ein weiterer Gast Schwyzerörgeli –, dann ist das doch wahrlich gelebte Vielfalt, nicht?»

Auf der kurvenreichen Strasse geht es schliesslich wieder zurück ins Unterland – weg von der Stille, rein in den Trubel. Die unzähligen Lichter der Städte flackern aus der Ferne. Das Muotathal leuchtet auch ohne Lichter – seine Urigkeit, seine Eigenheiten und die bunte Mischung von Charakteren verleihen ihm eine aussergewöhnliche Leuchtkraft. ♦

von Luisa Aeberhard

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Dr. med. Denis Beyer ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH mit Ausbildung in klassischer Homöopathie. Er ist als Hausarzt in Muotathal im Kanton Schwyz tätig.


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Auf Freiheitsmission

Habe ich mir das selbst ausgesucht, mich bewusst dafür entschieden? Oder war es Schicksal und ich habe einfach den für mich vorgesehenen Pfad beschritten? Wie es dazu kam, dass ich mich mit Haut und Haaren für die Freiheit einsetze und diese Lebensaufgabe sogar zu meinem Beruf gemacht habe, weiss ich selbst nicht so genau.

Es war vermutlich eine Kombination aus beidem: Meinen (genetischen, astrologischen, erziehungsbeeinflussten …) Vorprägungen, die dafür verantwortlich waren, dass ich den Freiheitswillen mit der Muttermilch aufgesogen hatte. Und meiner Lebenserfahrungen als mündiges Wesen sowie die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Liberalismus als Reaktion auf die in der Schule versuchte Indoktrination mit offensichtlich fehlgeleitetem etatistischen Gedankengut, das ich schon damals als unvereinbar mit der Lebenswirklichkeit empfand.

Keine Ahnung also, ob ich meine Mission selbst gewählt habe oder ob sie mir «gegeben» wurde. Im Grunde spielt das auch gar keine Rolle. Denn ich fühle mich in meinem Tun allein meinen inneren Werten verpflichtet, meinem inneren Kompass und Gewissen. Diese inneren Sensoren signalisieren mir, was gut und was böse, welches Handeln richtig und welches falsch ist. Ich fühle mich daher nicht fremdbestimmt. Ich vertraue darauf: Wenn mir jemand oder etwas ein falsches Wertesystem eingepflanzt hätte, das destruktiv und zerstörerisch ist, so wären mein Gewissen und meine Vernunft in der Lage, diesen Irrtum aufzudecken. Dann könnte ich meine Überzeugungen hinterfragen und adjustieren. Darauf vertraue ich, weil ich nach reiflicher Auseinandersetzung mit gewissen Themen auch schon meine Ansichten geändert habe. Zum Beispiel war ich einmal der Meinung, dass die Ausgabe von Geld eine Staatsaufgabe sei und habe sogar viele Monate an einer entsprechenden Volksinitiative mitgearbeitet, bis ich realisierte, dass dies ein Holzweg ist und Geld besser dem freien Markt überlassen werden sollte.

Die Erfahrung, dass ich meine Ansichten auch revidieren kann, spräche eher dafür, dass mir mein Freiheitsimpuls nicht «gegeben» wurde, sondern ich ihn erlernt habe. Dies macht mir Hoffnung: Konnte ich ihn erlernen, so ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass andere ihn auch erlernen können. Es mag starke Mechanismen geben, die jemanden dazu bringen, an seinen fehlgeleiteten Glaubenssätzen festzuhalten. Etwa, wie sehr die eigene Identität von dieser Meinung abhängt oder wie stark man in seiner Kindheit traumatisiert wurde. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen. Mein eigenes Beispiel und viele weitere Beispiele in meinem Umfeld zeigen, dass es nicht unmöglich ist, seine Mitmenschen durch entsprechende Überzeugungsarbeit von falschen Denkmustern, Ideologien und Glaubenssätzen abzubringen. Die Prinzipien für ein friedliches, freiheitliches und prosperierendes Zusammenleben aller Menschen können entdeckt und verinnerlicht werden.

Warum es sich zu kämpfen lohnt

Das Schöne am Liberalismus, für den ich mich mit Herzblut einsetze, ist ja, dass er die Menschen nicht dazu zwingt, ihre Ideale aufzugeben, die sie zuvor als Sozialist oder als Konservativer gepflegt haben. Der Liberalismus lässt Raum für alle möglichen Modelle des Zusammenlebens. Einzige Voraussetzung: Man lässt den anderen in Ruhe und geht nicht mithilfe von Gewalt (auch nicht der Staatsgewalt) gegen Andersdenkende oder Andersartige vor. Wenn also beispielsweise Sozialisten in einer WG oder einem Dorf zusammenleben wollen, wo alle, die freiwillig mitmachen, alles mit allen teilen, so ist das im Liberalismus erlaubt. Dasselbe gilt für Konservative, die in ihrer Religionsgemeinschaft und in traditionellen Familienstrukturen leben wollen. Oder die libertäre Community, in welcher Eigentumsrechte zu Hundert Prozent geschützt sind und jeder selbst entscheiden darf, was mit den Früchten seiner Arbeit geschehen soll. Im Liberalismus ist Platz für alle da.

Die einzige Voraussetzung ist, dass auf politischer Grossebene alles offenbleibt bis auf den einklagbaren Schutz von Eigentum, Leib und Leben, damit sich in dezentral-föderalistischer Weise alles auf tieferen Ebenen regeln lässt. Das ist der einzig nötige Konsens, um Frieden, Selbstbestimmung und Zufriedenheit für alle zu ermöglichen. Es braucht dafür keinen «neuen Menschen», keine Zwangsumerziehung, keine international abgestimmte «Agenda 2030» und auch keinen «Great Reset», der uns top down aufgestülpt wird. Alles, was wir brauchen, ist ein bisschen Toleranz für die Tatsache, dass es andere Menschen und Communities gibt, die eine andere Lebensweise pflegen. All dies im Bewusstsein darum, dass diese Toleranz auch die eigene Community vor Angriffen anderer schützt, denen unsere Lebensweise nicht zusagt. Wie es Ludwig von Mises so schön gesagt hat: «Ein freier Mensch muss es ertragen können, dass seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für richtig hält, und muss sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach der Polizei zu rufen.» Insofern habe ich Hoffnung, dass der Liberalismus als grossartige Vision vielen Menschen vermittelbar und Frieden auf dieser Welt möglich ist.

Wann ist meine Mission erfüllt?

Wäre meine Aufgabe erledigt, wenn wir uns auf diesen Konsens einigen könnten und der Liberalismus eingeführt wäre? Die Geschichte zeigt uns leider, dass die Aufgabe, für die Freiheit zu kämpfen, nie beendet ist – egal wie weit man es zwischenzeitlich gebracht haben mag. Die Fackel der Freiheit muss stets an die nächste Generation weitergegeben werden, sonst erlischt sie.

Das hat auch mit unseren Reflexen zu tun, die wir wohl noch von unseren Vorfahren geerbt haben. Die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte lebten wir nicht in einer anonymen Grossgesellschaft mit globaler Arbeitsteilung wie heute, sondern in überschaubaren Stammesgesellschaften. Der Kollektivismus, und nicht der Individualismus, war in über 99 Prozent der Menschheitsgeschichte unsere dominante Organisationsform. Das hat sich vermutlich tief in unser genetisches Material eingeprägt. Es gab und gibt immer wieder Rückfälle in dieses Stammesdenken, in barbarisches Herdenverhalten. Der Rassismus des Nationalsozialismus und der Klassismus in kommunistischen Ländern sind zwei tragische Beispiele dafür. Die Aufklärung über unsere Wurzeln, das Bewusstmachen unserer intuitiven Kollektivismusreflexe und das Aufzeigen funktionierender Mechanismen einer freien, wohlhabenden und friedlichen Gesellschaft werden vermutlich die bleibenden Aufgaben der liberalen Aufklärungsbewegung sein.

Ist es Zeit, das Handtuch zu werfen?

Freiheitsaktivisten haben es derzeit nicht leicht. Die cancel culture macht ihnen das Leben schwer. Angriffe gegen Leib, Leben und Eigentum von Andersdenkenden, Skeptikern und Hinterfragern mehren sich. Tröstlich ist, dass es nicht das erste Mal in der Geschichte ist, dass Freiheitsfreunde unterdrückt werden und es auch unsere liberalen Vorfahren irgendwie geschafft haben, das Pendel nach kollektivistischen Exzessen zu stoppen und es zumindest phasenweise wieder in die andere Richtung sausen zu lassen. Wieso sollte uns das nicht auch gelingen?

Es braucht jeden Einzelnen von uns, der jeder in seinem spezifischen Umfeld den nötigen Einsatz leistet. Wir dürfen nicht verzagen, nur weil wir aktuell keine Mehrheiten haben. Nassim Taleb zeigt in seinem Buch «Skin in the Game» auf, dass es keine Mehrheiten braucht, um den Lauf der Dinge zu verändern. Eine aktive und entschlossene Minderheit reicht dazu vollkommen aus. Wir haben also allen Grund, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. ♦

von Olivier Kessler

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Olivier Kessler ist Direktor des Liberalen Instituts in Zürich.


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Sag mir, wo ihr alle seid

Ganz hinten im Bus sitze ich, wir fahren am Thunersee entlang. Leiser Regen fällt auf die Windschutzscheibe. Ein Tag im grauen Frühsommer 2017. Ein paar Reihen vor mir sitzt ein Mensch, ganz klein zusammengekauert.

Oberhofen. Der kleine Mensch steht auf, schaut in meine Richtung, steigt aus. War es ein Nicken, ein Erkennen, ein Gruss? Ich grüsse zurück: «Salü Polo!» Nicht lange später ist er gegangen. Für immer. Der grosse Polo Hofer. Nur zwei Jahre älter als ich heute bin. Nun ist es fünf Jahre her, seit ich von seinem Tod erfahren habe.

Viele der anderen Grossen, die mich in irgendeiner Form seit meiner Kindheit begleitet haben, sind nicht mehr da. Es sind nicht nur berühmte Namen wie Polo, Mani Matter, Endo Anaconda, John Lennon, Martin Luther King, Nelson Mandela und viele mehr.

Sie heissen Beat Stähli, mit seinen wundervoll kraftstrotzenden Skulpturen. Werner Hostettler, der Tausende mit seinen Geschichten in Lokalzeitungen zu berühren verstand. Daniel Laroche, aus dem gleichen Metier, ein Regisseur und oft unterschätzter, überragender Geist. Michel Biedermann und seine unvergessliche Klarinette, seine ansteckende Begeisterungsfähigkeit. Dann die wundervolle Moni Linder, die von ihrem Pferd geworfen wurde – mit wenig mehr als 30 Jahren. Mein wunderbarer Grossvater und seine grosse, von viel Liebe erfüllte Frau. Sie alle sind gegangen.

Und ihr fehlt mir.

Gerade heute, wo ich und viele andere euch so nötig gehabt hätten. Mit eurer Gradlinigkeit, eurem wachen Geist, euren Emotionen und eurer Empathie. Wie hätten wir euch heute doch so nötig …

von Herbert Schweizer


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«Selbstversorgung ist pure Freiheit!»

Maria Rösingers Permakulturgarten in Degersheim ist eine Zauberwelt! In ihrem 1200 Quadratmeter grossen Gartenparadies wachsen Mais, Kartoffeln, Hirse, Reis, Roggen, Linsen, Süsskartoffeln und zahlreiche Gemüsesorten, die es ihr und ihrem Mann ermöglichen, sich ganzjährig selbst zu versorgen. In gutbesuchten Kursen gibt Maria ihr Wissen weiter.

Eigentlich wollten sie und ihr Mann Lorenz damals ja mit dem Velo von Schönengrund im Kanton Appenzell Ausserrhoden nach China radeln, doch dann landeten sie nur eine knappe Velostunde Fahrt entfernt in Degersheim, Sankt Gallen, wo sie ihre Zelte aufschlugen – oder genau genommen ein altes Holzhaus inmitten von viel Grün erwarben und liebevoll renovierten. Während des Umbaus deponierten sie alle Möbel im Stall und wohnten derweil in Zelt und Wohnwagen. Die ersten Hochbeete kultivierte Maria schon während des Umbaus. Und eineinhalb Jahre nach dem Einzug, als sie die Umgebung mit den Windrichtungen, den Wasserläufen und den Sonnengang kannten, pflanzten sie die ersten Bäume und verwandelten ihren Landsitz Stück um Stück in ein bezauberndes Paradies. Von dessen Früchten und Erträgen konnten sie sich fortan selbst versorgen – auch durch den Winter. Einzig Salz, Mehl und Öl kauft Maria noch ein. Mit der Zeit gesellten sich noch Schafe und Hühner hinzu, so dass der Speiseplan unterdessen mit Lammfleisch, Schafskäse und frischen Eiern ergänzt wird. «Meine Hühner können tagsüber draussen frei rumlaufen», erzählt sie, «Freiheit ist für mich etwas so Wichtiges!»

Maria ist Naturpädagogin und Permakultur-Designerin. Zuvor arbeitete sie zehn Jahre lang als Primar- und Oberstufenlehrerin. Nach dem Schulalltag wurden die Wunder der Natur zu ihrer Schulungs- und Wirkstätte. Im Selbststudium und im Diplomlehrgang «Permakultur Designer» vertiefte sie sich in die Geheimnisse der Permakultur. Diesen reichen Wissensschatz gibt sie nun an ihren Kursen mit viel Liebe und Begeisterung weiter.

Besucher des kleinen Idylls sind von ihrem Gartenparadies meist ebenso begeistert wie von ihr selber. Fast wie eine Elfe führt die hellfühlende Maria durch ihren Zaubergarten und zeigt auf, wie Mensch, Fauna, Flora miteinander verwoben sind, wie die Natur und die Naturwesen zusammenwirken und wie alles miteinander im Einklang steht. Die Rückmeldungen der Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer sprechen Bände: «An diesem Selbstversorgerkurs von Maria sollte jeder im Leben einmal teilgenommen haben. Wir wurden reichhaltig beschenkt, danke!» «Der Permakulturkurs von Maria hat mich vom ersten Kursabend an verändert. Eigentlich wollte ich einfach mein Wissen etwas auffrischen, erweitern und etwas dazulernen. Doch wie Maria ihre Wörter wählt … wie viel Liebe und Wachstum sie überall und in allem spürt und wahrnimmt, ist herzberührend.» «Zu erfahren, wie Permakultur gelebt wird, macht es für mich fassbar und motiviert zum Nachahmen.»

Doch was ist Permakultur überhaupt? Die naturnahe Bewirtschaftungsweise ist sozusagen der konsequentere Bio-Landbau. Permakultur verschreibt sich dem achtsamen Umgang mit der Erde und den Menschen und berücksichtigt mit nachhaltigen Kreislaufsystemen auch die Begrenztheit der Ressourcen. Der Begriff Permakultur leitet sich ab von «permanent agriculture»; zu deutsch «dauerhafte Landwirtschaft». Ziel ist es, den Garten Eden wiederherzustellen – für alle, Mensch, Tiere und Pflanzen. Kurz: Permakulturisten arbeiten mit und nicht gegen die Natur, wie es ihr Gründervater, der mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnete Bill Mollison vor rund 50 Jahren formulierte. Der Australier entwickelte zusammen mit David Holmgren die nachhaltige Bewirtschaftungsform als Antwort auf die ökologisch verheerende Art der heutigen industriellen Landwirtschaft, in der Monokulturen mit schwerem landwirtschaftlichem Gerät und grossen Mengen fossiler Rohstoffe beackert werden, wo Pestizide, Fungizide und Herbizide zu einem grossen Verlust an Tier- und Pflanzenarten führen und Böden und Wasser verschmutzen – womit am Ast gesägt wird, auf dem der Mensch sitzt.

Maria Rösinger geht diesen anderen Weg konsequent. Schon als Kind verbrachte sie jede freie Minute in der Natur, zog als «Indianer» in die Abenteuer und spielte mit den «Unsichtbaren», wie sie die Naturwesen damals nannte. Als Erwachsene zog es ihr in Sachen Permakultur so richtig den Ärmel rein, «weil die Permakultur so viele Systeme kennt, die uns Gärtnern die Arbeit um so einiges erleichtern können. Wozu noch Pflanzen tränken oder ständiges Unkraut jäten, wenn es auch anders geht, dabei sogar noch grössere Ernten rausspringen und sich der Garten ganz nebenbei zu einem artenreichen Naturparadies entwickeln kann?» Und das Tüpfchen auf dem i: Dank dem Gärtnern nach den Prinzipien der Permakultur können sich Maria und Lorenz auch noch mit wenig Kraftaufwand das ganze Jahr über selbst versorgen. Was will man mehr?

Inzwischen hat das Gartenprojekt sogar noch grössere Kreise gezogen. Maria hatte sich mehr Gemeinschaft gewünscht und ihren Wunsch den Naturgeistern und Engeln zugeraunt. Kurze Zeit später eröffnete sich auf dem Nachbargrundstück die Möglichkeit, zusammen einen Landblätz zum Gemeinschaftsgarten umzugestalten. Seither baut sie gemeinsam mit Interessierten aus der Umgebung an, man hegt, pflegt und erntet auch miteinander. Und es hat genug für alle. Die Natur verschenkt sich in einer solchen Überfülle! ♦

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Selbstversorgung durch Permakultur

Möchtest du dich selber versorgen mit dem, was in deinem Garten wächst? Oder erste Schritte in diese Richtung wagen? An Kursen vor Ort sowie in Online-Kursen führt Maria Rösinger Interessierte in die Geheimnisse der Selbstversorgung mithilfe von Permakultur ein. Nebst den Permakulturprinzipien nach David Holmgren vermittelt sie Permakulturplanung für das eigene Gartensystem nach Teepur, Bodenkunde mit Terra Preta, Anzucht, Auspflanzung, Mischkulturen, Fruchtfolge, Mulchen und Kompostieren, Kräuterkunde, Wissenswertes über Hochbeete und die «drei Schwestern», Wintergärtnern, Herstellung von Pflanzenmilch, Selbstversorgerrezepte und vieles mehr. Die Kurse starten im Frühling 2023. Näheres erfährst du unter permaria.ch


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