Verlogen, Betrogen, Realitätsverschoben

Von Salamitaktiken und Verblendungsversuchen: Flo Osrainiks neues Buch «Lügen, Lügen, Lügen» ist eine Abrechnung mit jener Politik, die uns das Gegenteil von dem, was wir uns wünschen, als das verkauft, was wir meinen zu wollen.

Ab heute auf Platz 7 der Spiegel-Bestsellerliste!

«Doch wenn der Regierende sein Spiel gerne allein spielen und Politik im Geheimen betreiben will, dann gibt es nur einen Weg: er muss die Masse täuschen. Zwar kann er sich von der Masse nicht absondern, doch er kann zwischen Masse und sich einen undurchlässigen Vorhang ziehen, auf dem die Masse einen projizierten Anschein von Politik sieht, während die eigentliche Politik dahinter gemacht wird.» (Jacques Ellul, «Propaganda»)

Bereits der französische Schriftsteller Honoré de Balzac wusste: «Es gibt zwei Arten von Geschichte: Die eine ist die offizielle, geschönte, jene, die gelehrt wird, eine Geschichte ad usum delphini; und dann ist da die andere geheime Geschichte, welche die wahren Ursachen der Ereignisse birgt, eine beschämende Geschichte.» Und ganz «nebenbei: Wer der offiziellen Verschwörung offen misstraute, war in absehbarer Zeit seinen Job los.»

Die Tyrannei der Unwahrheit

Ausbeutung, Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit: Eine abweichende Meinung hatte immer schon ihre Konsequenzen. Und dennoch scheuten Balzac wie auch der Soziologe Jacques Ellul sich nicht davor, das infrage zu stellen, was der Westen selbst für unumstösslich hält: seine Mündigkeit. Also die Fähigkeit seiner Bürger, darüber zu urteilen, ob das, was ihnen als Wirklichkeit verkauft wird, auch wirklich wirklich ist. Für beide war klar: Wenn die Kluft zwischen Leben und Lüge nicht noch weiter aufreissen soll, wir nicht als Rad im Getriebe eines unmenschlichen Systems enden wollen, gilt es nicht nur den Vorhang jenes Machtgefüges zu lüften, sondern zugleich auch an der eigenen Widerstandskraft zu arbeiten.

Gleich dem Risiko, zur Ressource eines Machtkomplexes zu verkommen, dessen Algorithmen und Zensurmechanismen mit zunehmender Radikalität auch eine immer breitere gesellschaftliche Akzeptanz finden, gilt es sich folglich der Frage zu stellen: Haben die Prinzipien der Aufklärung jemals gegolten? Oder hat uns, sowohl im 19. Jahrhundert wie auch heute, mehr ihr progressiver Schein als ihr – teilweise vielleicht auch unangenehmes – Sein imponiert? Waren wir jemals darauf aus, gesellschaftlich klare Machtverhältnisse zu schaffen? Oder hat es uns, wenn wir mal ehrlich sind, nicht immer schon gereicht, wenn von irgendwoher das Versprechen kam, «man werde sich schon darum kümmern»? Wie viel Mut zur Revolte ist uns am Ende wirklich in Fleisch und Blut übergegangen? Und wie viel Systemkritik wird allein dadurch abgefedert, dass uns durch das Erzählen eines Parallelnarrativs schlichtweg kein Anlass dazu gegeben wird, gegen das vorherrschende System aufzubegehren?

Es sind diese Fragen, die auch Flo Osrainik zum Schreiben veranlassen: Sein neues Buch «Lügen, Lügen, Lügen» ist die gnadenlose Enthüllung der Unmenschlichkeit jener Herrschaftsvertreter, die meinen, in ihrem deep state über uns und die demokratischen Prinzipien hinwegregieren zu können. Denn egal ob es sich um das seit 1954 hinter verschlossenen Türen stattfindende Bilderberg-Treffen, die zeremonielle Grafschaft der City of London oder das ins Gönnerische gekleidete Davos handelt: Das, was uns letztendlich alle betrifft, beschliesst man nicht nur ohne uns, man ist auch nicht mal dazu bereit, uns ehrliche Antworten zu geben. Für Osrainik Grund genug, in die Tiefen der gegen uns gerichteten Verschwörungen zu tauchen.

Im Lügenlexikon

Dem Untertitel seines Buches «Terror, Tyrannei und Weltenbrand als Neue Normalität der Globalisten» gerechtwerdend, stellt (und beantwortet) er genau jene Fragen, die uns allen unter den Nägeln brennen: War Osama bin Laden verantwortlich für die Terroranschläge vom 11. September 2001? Oder war er nur das notwendige Feindbild, um im Nahen Osten die «Demokratie zu erkämpfen»? Nutzt man tatsächliche Terrorgruppen, um Aktionen auszuführen, die man aber, weil sie einer politischen Agenda entsprechen, im Hintergrund durch V-Leute anleitet? Warum werden die Amerikaner nicht für ihre Verbrechen in Guantánamo zur Rechenschaft gezogen? Was ist mit den Biowaffenlaboren in der Ukraine? Wenn es schlussendlich nur noch die Reichen und Mächtigen sind, die darüber bestimmen, was wir als «wahr» zu akzeptieren haben, leben wir dann noch in einer Demokratie oder bereits in einer Oligarchie? Und wenn ja, wie könnte sich eine Fassadendemokratie besser entlarven als mit einem Präsidenten, der öfter der Luft die Hand schüttelt, als dass er einen geraden Satz herausbekommt?

Auf fast 400 Seiten und mit viel Detailtreue gewährt uns Osrainik einen Überblick über die Verschwörungen und Verbrechen der vergangenen Dekaden und zeigt dabei unverblümt auf, wie sich NATO, CIA und weitere Geheimdienste durch die Manipulation der öffentlichen Meinung zu ihren Gunsten nicht nur bereichern, sondern in erster Instanz überhaupt erst legitimieren und am Leben erhalten. Dabei klärt Osrainik nicht nur auf, er macht auch deutlich: Das Einzige, was diese verbrecherischen Organisationen noch aufrechterhält, ist unser Glaube an sie. Wäre die Masse nicht derart davon überzeugt, dass sie gemäss ihrem Willen und zwecks ihres Schutzes handeln würden, zerfiele ihr auf Lügen gebautes Kartenhaus binnen kurzer Zeit.

Boykottieren, sanktionieren, revolutionieren

«Weckt man in den Menschen die Idee der Freiheit, so werden die Freien sich auch unablässig immer wieder selbst befreien; macht man sie hingegen nur gebildet, so werden sie sich auf höchst gebildete und feine Weise allezeit den Umständen anpassen und zu unterwürfigen Bedientenseelen ausarten. Was sind unsere geistreichen und gebildeten Subjekte grösstenteils? Hohnlächelnde Sklavenbesitzer und selber – Sklaven.» (Max Stirner, «Das unwahre Prinzip unserer Erziehung»)

Für Osrainik ist es Zeit für die Erkenntnis, dass wir es mit einer systemischen Frage zutun haben. Die Kritik an Einzelpersonen – Politikern und Journalisten wie Agendaköpfen – ist zwar richtig und wichtig, sie ist aber nicht die Lösung des Problems. Solange wir glauben, dieses löse sich, sobald «da oben» einfach jemand anderes sässe, haben wir den Ernst unserer Lage nicht verstanden: Das politische System, so wie es sich momentan strukturiert und motiviert, ist nicht darauf ausgelegt, das Leben derer, denen gegenüber es verpflichtet ist, einfacher und besser zu machen. Es ist zu einem Lobbykartell verkommen, ausgerichtet und hörig einzig jenen gegenüber, deren Ziel es ist, den Kuchen nicht nur nicht zu teilen, sondern ihn gleichzeitig für sich grösser und für «den Rest» kleiner werden zu lassen.

Konträr zu dieser elitären, mitunterals menschenfeindlich zu bezeichnenden Haltung steht Flo Osrainiks Widerwille, das momentane Gefühl von Spaltung langfristig zu akzeptieren: Denn mögen Begriffe wie «Gegenöffentlichkeit» oder «Mainstream-» und «Alternativ-»Medien momentan zwar den von Lagerbildung geprägten Diskurs beherrschen, sollte das nicht das Ziel sein. Dieses besteht für Osrainik vielmehr darin, dass wir uns von dem befreien, was Kapitalinteressen und Grosskonzerne für uns vorgesehen haben, und uns stattdessen wieder darauf zurückbesinnen, was wir wollen. Erst wenn wir einsehen, dass die uns umgebenden Strukturen – egal wie und von wem sie geführt werden – zu gross geworden sind, um das Leben als solches noch zu erfassen, können wir anfangen, an dem zu bauen, was uns und unseren Bedürfnissen wahrhaft zu entsprechen vermag.

Was wir einmal als Lüge enttarnt und seinem wahren Kern nach erkannt haben, können wir nicht mehr nicht wissen. Während sich die Lüge rückgängig machen lässt, ist Erkenntnis irreversibel. Darin besteht unser grosser Vorteil gegenüber all denen, die diesen Schritt noch vor sich haben. Und dennoch liegt hier die Krux begraben, die Flo Osranik, seinen Lesern deutlich zu machen versucht: Die Dinge zur Kenntnis nehmen und sich einzugestehen, dass man belogen wurde, reicht langfristig gesehen nicht aus. Es ist nur die Grundlage, die es braucht, um jene positive Empörung in sich zu entwickeln, die es letztendlich unabdingbar macht, ins eigene Handeln zu kommen. Für ihn ist klar: Wenn sich etwas ändern soll, braucht es das Eingeständnis, dass sich nichts ändern wird, solange wir es nicht selber tun.

Osrainik geht es darum, das Bedürfnis des Menschen zu streiten, in etwas Positives zu verwandeln: Nur indem wir lernen, uns auszutauschen, ohne uns gegenseitig zu zerfleischen, besteht langfristig gesehen die Möglichkeit, unabhängig zu werden von übergeordneten Narrativen und Schubladensystemen, die auf nichts anderes aus sind, als uns zu teilen. Erst wenn wir wieder aufeinander eingehen – selbst wenn wir vielleicht nicht dergleichen Meinung sind oder jemals sein werden –, nähern wir uns einzeln wie auch gemeinsam dem, was wir für uns als unsere Wirklichkeit bereit sind anzuerkennen.

Die Frage ist nur, worauf warten wir noch? ♦

von Lilly Gebert

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Flo Osrainik ist in München geboren und aufgewachsen. Der Deutsch-Österreicher ist heute als freier Journalist und Autor tätig. Er lebt und arbeitet in München und Istanbul. Er hat unter anderem Beiträge für RT Deutsch, junge Welt, Telepolis, amerika21, Hintergrund sowie das Weblog NEOPresse verfasst. Ausserdem ist er Vorstandsmitglied von acTVism Munich. Weitere Informationen unter floosrainik.net.

Sein Buch «Lügen, Lügen, Lügen» ist am 12.06.2023 erschienen und seither überall erhältlich.

– Ellul, Jacques (2021): Propaganda. Wie die öffentliche Meinung entsteht und geformt wird. Westend. S. 164f.

– Stirner, Max (1927): Das unwahre Prinzip unserer Erziehung oder Humanismus und Realismus. Verlag f. freies Geistesleben. (Erstveröffentlichung 1842 in der Rheinischen Zeitung).


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