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Monat: Januar 2023

Lasst uns gemeinsam für eine Überraschung sorgen

und das Politsystem erschüttern

Viele freiheitsliebende Menschen möchten mit dem «System», ein geflügeltes Wort in unserer Bewegung, nichts mehr zu tun haben. Und von all den Facetten, die das System hat, am wenigsten mit der Politik. Sie ist korrupt, verdient kein Vertrauen und es ist nicht gerade ein sympathischer Menschenschlag, der sich dort zumeist findet. So denken nicht wenige. Weshalb abstimmen oder wählen und damit dieses System noch legitimieren? Nein, das möchte ich nicht unterstützen! Meine Stimme, meine Legitimation erhalten sie nicht.

Dennoch nutzen viele Vereine der Bewegung und auch wir einzelnen Menschen viele Bereiche des Systems. Initiativen, den juristischen Weg oder auch Spitäler. Da gibt es Einzelne unter den freiheitsliebenden Menschen, die es sich zur Aufgabe machen, sich in dieses Politsystem wählen zu lassen. «Nicht weil sie regieren wollen, nicht weil sie an das System glauben, sondern weil sie helfen wollen, dieses menschenunfreundliche System aufzubrechen», sagt Patrick Jetzer. «Erste kleine Erfolge zeigen, dass es möglich ist. Als Verein Aufrecht stellen wir uns den Wahlen, aktuell in Zürich, und wir wissen, dass jeder andere Verein und jede andere Arbeit innerhalb unserer Bewegung wichtig ist, weil wir nur gemeinsam in all unseren Facetten stark sind.»

Weiter: «Legitimieren wir dieses Politsystem damit? Die Frage stellt sich zurzeit nicht. In Dübendorf, wo ich in den Gemeinderat gewählt wurde, war die Stimmbeteiligung 22 Prozent. Ein Witz, aber jeder Politiker hat in seinem Selbstverständnis absolut kein Legitimationsproblem. Wählen wir aktuell nicht, hat dies also keinen Einfluss auf die Legitimation. Hingegen können wir – wenn die Freiheitsbewegung geeint wählt – für die «Aufrecht/Freie-Liste»-Kandidaten in der aktuellen Wahl im Kanton Zürich wirklich Sitze gewinnen. Aus früheren Wahlen sehen wir, dass 1300 Listen-Einwürfe (Liste 10) pro Bezirk genügen, um einen Sitz im Kantonsrat zu gewinnen. 9000 Listen-Einwürfe im Kanton Zürich benötigen wir, um dabei zu sein! Diese Anzahl und noch viel mehr bringt die ‹Bewegung› aus sich selbst heraus hin.»

Und Jetzer weiter: «So werden die Ergebnisse dieser Wahlen zeigen, ob wir freiheitsliebende Menschen noch geeint ein Zeichen zu setzen vermögen, was auch Wirkung entfalten wird – oder ob unsere Wege schon so weit auseinandergehen, dass wir grosse Aufgaben nicht mehr gemeinsam stemmen können.»

Denken wir an die grossen Kundgebungen, wo es bis zu 20’000 Besucher gab und einmal sogar über 50’000. Lasst uns gemeinsam für eine Überraschung sorgen!

von Redaktion


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Fragebogen an Andreas Vettiger

In welcher Rolle fühlen Sie sich am wohlsten?


Auf der Bühne fühle ich mich am wohlsten in der Rolle des Chefs (Weissclown). Im Alltag probiere ich, möglichst keine Rolle zu spielen und mich selbst zu sein. Ich verwirkliche gerne kreative Projekte von der ersten Idee bis zur Schlussabrechnung und sehe mich auch als Netzwerker zwischen Kulturschaffenden und Kulturinteressierten. So entstehen immer wieder neue Kulturräume, Festivals oder – bei Aufführungsverboten – «gesundheitsfördernde oder religiöse Veranstaltungen» für Menschen, die dies wollen.


Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?


Das Spiegelbild meines physischen Körpers. Oft realisiere ich bei dessen Anblick, dass ich mich noch rasieren sollte …


Was glauben Sie, woher Sie kommen?


Ich glaube, dass mein geistiger Wesenskern die Zeit überdauert und nur meine jeweiligen körperlichen Hüllen vergänglich sind. Die körperlichen Hüllen scheinen mir nötig, um als Mensch das Grundthema dieser Zeitschrift zu erforschen und erlernen; die Freiheit.


Wann fühlten Sie sich das letzte Mal so richtig frei?


Bei der täglichen Meditation fühle ich mich doppelt frei. Erstens, weil es jeweils ein freier Entscheid von mir ist, zu meditieren. Zweitens, weil während der Meditation, bei der Anschauung meines eigenen Denkens, ein Moment entsteht, wo komplette Freiheit erlebbar wird. Ich erlebe mich als Schöpfer meiner Gedanken.


Warum sollte man Ihnen zuhören?


Es sollten mir nur diejenigen zuhören, die mir zuhören wollen. Gerne habe ich Menschen, die mir zuhören, wenn ich uralte Volksmärchen und Weisheitsgeschichten erzähle oder meine Lieder singe. Das macht beides nur Sinn, wenn es ein zuhörendes Publikum gibt. Wenn jemand nicht nur gerne zuhören, sondern auch wieder mal ausgiebig lachen und staunen möchte, empfehle ich zudem, einer Aufführung von unserem Duo «Gilbert & Oleg» beizuwohnen.


Ihre erste Kindheitserinnerung?


Keine konkrete Ahnung mehr … ich genoss aber eine unbeschwerte Kindheit mit vielen Freiheiten und einem sicheren Hafen in der Familie.


Ihr grösster Erfolg?


Nicht der grösste, aber einer der schönsten Erfolge war ein Theaterprojekt mit 15 Jugendlichen im Jahr 2017. Es hiess «Die Glücksbringer vom Gleis 1 – ZiRZiNi, der Traum vom Frieden». Es entstand während einem Jahr ein gemeinsames Theaterstück mit Artistik und Musik, mit welchem wir zum Abschluss auf Tour gingen. Mir wurde bei diesem Projekt klar, welches gewaltige Potenzial in den jungen Menschen steckt, wenn man es nur weckt und ihnen hilft, sich zu entfalten. Das Projekt hat mich zutiefst berührt und ich wünschte mir, dass alle Kinder solche Momente erleben dürften. Ein Link zum Dokumentarfilm über die Glücksbringer (auch von einem Jugendlichen gemacht!) ist auf unserer Website zu finden.


Ein grüner Daumen oder zwei linke Hände?


Als Ausgleich zur Bühne liebe ich Gartenarbeiten oder Ausbauten im und am Haus. Es darf gerne auch mal ein selbstgebauter Zirkuswagen sein. Alles kreativ und ordentlich gemacht, aber nie perfekt … In unserem riesigen Garten liebe ich es, die Bäume zu pflegen. Da wir im Sommer meistens zwei bis drei Monate mit unserem fahrenden Theater durch die Schweiz tingeln, macht ein Gemüsegarten leider keinen Sinn.


Eher mass-los oder mass-voll?


Solange ich mich je nach Situation frei für das eine oder das andere entscheiden kann, ist mir beides recht.


Politik ist …?


… aus meiner Sicht eigentlich anders gedacht, als sie heute praktiziert wird. Für mich sollte die Politik einzig das Zusammenleben der Menschen regeln, dort wo dies benötigt wird. Unabhängig von Fähigkeiten oder Reichtum sollten in der Politik alle Menschen und ihre Interessen gleichwertig behandelt werden. Die Politik hat in der Wirtschaft, der Kunst, den Weltanschauungen und den Wissenschaften nichts zu bestimmen. Die Politik soll dies alles denen, die es benötigen und wollen, gleichermassen ermöglichen – und nicht aus Eigen-, Macht- oder Lobbyinteressen inhaltlich in diese Gebiete eingreifen.


Wie viel Freiheit ertragen Sie?


Freiheit ist nicht etwas, was ich ertragen muss. Freiheit ist mein Ziel.


Wie viel Macht beanspruchen Sie für sich?


Das Wort Macht ist eher mit negativen Gefühlen verbunden. Im Wort «Macht» ist aber auch das Verb «machen» drin. «Handeln» oder «Tun». Ich beanspruche möglichst viel Handlungsspielraum für alle. Ich möchte meine Macht und auch die der anderen Menschen zu einem Handeln aus Erkenntnis nicht eingeschränkt sehen. Dazu kommt mir ein schönes Zitat von Rudolf Steiner in den Sinn: «Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnis des fremden Wollens ist die Grundmaxime des freien Menschen.»


Welches Buch sollte jeder gelesen haben?


«Die Philosophie der Freiheit»

Zu welcher Musik tanzen Sie sich frei?


Ich tanze gerne «Bal-Folk». Da kann ich meine Freiheit in Gemeinschaft mit anderen Menschen geniessen. Das war auch in der kulturarmen Zeit mit sozialen Einschränkungen immer wieder der beste «Booster» für meine Lebensenergie.


Ihr Lichtblick in finsteren Zeiten?


Liebe und Vertrauen.


Was wollen Sie noch erreichen?


So viel wie möglich.


Was geschieht nach dem Ende?


Anfang und Ende gibt es nur in Zeit und Raum. Ich denke, nach dem Ende wird es wieder so sein wie vor dem Anfang, nur anders …


Kommt es gut?


Es kommt so, wie wir es gestalten!

Andreas Vettiger ist Schauspieler, Märchenerzähler und Liedermacher. Er ist die strengere Hälfte des Komiker-Duos «Gilbert & Oleg», welches jeweils im Sommer mit ihrem eigenen Theater auf Rädern «Fahrieté» in der Schweiz unterwegs ist. Mit seiner Partnerin Priska pflegt er im Berner Jura die grosse Märchenlesebibliothek «Le Toit des Saltimbanques». Gemeinsam als «Priska & Jean Duconte» verwöhnen sie die Menschen mit ihren Liederstubeten oder in ihrem Märchen-B&B in Courtelary.

www.gilbert-oleg.ch
www.märchenundlieder.ch
www.saltimbanques.ch

von Redaktion


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Über Freiheit, Scham und Psycho-Clowns

Freiheitskämpfer Daniel Stricker ist auf Lesetour. In seinem «Buch der Schande» hat er die «Psycho-Clowns der Lügenpandemie mit ihren eigenen Worten» verewigt und damit den Corona-Wahnsinn in der Schweiz für die Nachwelt festgehalten. Über 8000 Exemplare hat er bereits verkauft, nun tingelt er mit seiner rosa Zipfelkappe durchs Land, um sein Werk zu präsentieren. Aber was erwartet einen an Strickers Lesung? Zwei Stunden Politiker-Bashing und ein Aufwärmen ihrer unsäglichen Corona-Dummheiten? Ich wollte wissen, ob es sich lohnt, Stricker live auf der Bühne zu sehen. Und ob ich seine Retrospektive des schweizerischen Covid-Faschismus ertragen würde, ohne mich zu retraumatisieren.

Vorweg: Meine schlimmsten Befürchtungen trafen nicht ein – obwohl Stricker selbst gleich zu Beginn warnte: «Nach diesem Auftritt werden die meisten von euch eine andere Meinung über mich haben – und zwar nicht unbedingt eine bessere.» Er betreibe mit dieser Show eigentlich gezielte «Selbstzerstörung», kündigte er an – wohl darauf anspielend, dass wir sicher keine Vorlesung in politischer Korrektheit zu hören bekommen würden.

Tragikomik und Stildiskussionen

Dass Stricker zu viel schimpfe, ist ja eine oft gehörte Kritik. Während es die einen abschreckt, lieben ihn die anderen dafür: Vielen Menschen spricht – und flucht – Stricker seit fast drei Jahren aus der geschundenen Seele. Stellvertretend für sie kotzt er den Ärger über die verlogenen «Massenmerdien» und den tagtäglichen Wahnsinn in der woken «Volksrepublik Psychopazien» am Küchentisch aus. Stricker-TV zu sehen hatte insofern geradezu kathartische Wirkung; es war Therapie in der Pandemie. Stricker nimmt denn auch Stellung zum häufigen Schimpf-Vorwurf: «Ich habe nie verstanden, wieso wir über Stil diskutieren, während vor aller Augen die grössten Verbrechen begangen werden.»

Auf YouTube pflegt Stricker seine derben Aussagen zu «entschärfen», indem er sie als «Satire» labelt. Auch in seinem «Buch der Schande» hat er sich bis zu einem gewissen Grade selbst zensiert – oder Tricks angewandt, um rechtlichen Konsequenzen vorzubeugen. So hat er seine kontroverseren Kommentare nicht abdrucken lassen, sondern per QR-Code platziert; virtuelle Worte lassen sich einfacher löschen, falls juristische Gewitterwolken aufziehen. Dass das Buch auch so noch genügend Potenzial für Strafanzeigen habe, nehme er jedoch in Kauf – letztlich würde er von der Publicity profitieren, wenn es bekämpft würde.

Zur Kostprobe zitiert Stricker spontan Mike Müllers berüchtigte «Frage an ein ungeimpftes A…loch» – die er einfach mal mit einer Gegenfrage «an ein geimpftes A…loch» gekontert hat. Müller war ja zweifellos in die grösseren Fettnäpfe getreten – aber Stricker hat noch viel asozialere Aussagen aus dem öffentlichen Seuchen-Diskurs zu bieten. So kriegt die «Elite» der Covideratio Helvetica durch alle Couleurs hindurch ihr wohlverdientes Fett weg – Roger Schawinski genauso wie Christoph Blocher, Eric Gujer nicht weniger als Daniel Koch. Ihre verbalen Entgleisungen sind nach wie vor unappetitlich – aber nicht unverdaulich. Denn dank Stricker, der mal mit subtiler Ironie, mal mit bissigem Humor seinen Senf dazugibt, schimmert auch in den übelsten Reminiszenzen das Lächerliche und Tragikomische hindurch.

Die Scham als Wurzel des Übels?

Strickers Urteil über die wahrhaften «Pandemie-Treiber» ist dabei hart und schonungslos. Es sei ja nicht so, dass in dieser Krise «beide Seiten ein bisschen recht» gehabt hätten: «Nein. Wir wollten einfach nur in Ruhe gelassen werden. Wir haben nichts anderes getan, als unsere Grundrechte zu verteidigen – und unsere Bürgerpflichten zu erfüllen. Alle anderen hätten sich unseretwegen ja drei oder vier Masken gleichzeitig anziehen können!»

Stricker beschränkt sich jedoch nicht darauf, die einzelnen «System-Clowns» vorzuführen, sondern versucht, in diesen zwei Stunden – ganz free-style – ein umfassenderes Bild der «Schande» zu zeichnen, und damit auch der Scham: In seinen Augen ein wichtiger Faktor, der die Einseitigkeit und Widerspruchslosigkeit im Corona-Diskurs überhaupt erst ermöglichte, denn: «Die Mainstream-Medien bringen Andersdenkende dazu, sich zu schämen.»

Insofern liege die Wurzel des Übels keineswegs bei einzelnen Personen, sondern in unserer schamerfüllten Kultur: In einer Kultur, in der sich zu viele Menschen über zu viele Dinge schämen, liesse sich der politische Debattenraum mittels Beschämung nur allzu leicht in den Würgegriff nehmen. Unliebsame Gegenpositionen einnehmen würden nur diejenigen, denen es nichts ausmache, beschämt zu werden – und die schamlos genug seien, sich einer unterdrückerischen Mehrheitsmeinung mit einem herzlichen «Fuck you» entgegenzustellen. Deshalb, plädiert Stricker, müssten wir bei der Kultur ansetzen, um die Menschen zu erreichen und die Freiheit zu verteidigen – sei es mit Büchern, Musik oder eben Humor.

Musikalische Genüsse und schlüpfrige Anekdoten

Strickers Lesung hat übrigens auch musikalische Genüsse zu bieten: Denn die Berner Sängerin und Songwriterin Andrea Pfeifer alias Yoki begleitet ihn auf seiner Tour. Wohl keine andere Musikerin hat die Melancholie der Corona-Diktatur hierzulande so feinsinnig verarbeitet wie Andrea Pfeifer. Mit ihren zarten und klugen Protestliedern erzeugt sie eine wunderbar berührende, schon fast intime Stimmung, die einem bisweilen einen kalten Schauer den Rücken hinunterlaufen lässt. Selbst nach dem lauten Glockengetöse der einmarschierenden Freiheitstrychler schafft sie es, nur mit ihrer Gitarre und ihrer Stimme bewaffnet, das Publikum innerhalb weniger Augenblicke in den Bann zu ziehen.

Welche Überraschungen erwarten einen noch an Strickers Lesung? Eine geballte Ladung witziger Anekdoten aus seinem Leben – denn genauso free-style wie Stricker aus seinem Buch zitiert, plaudert er aus dem Nähkästchen. So eröffnet uns Stricker spontan, wie ihm die Einreise in die USA gelang ohne «Schlumpfung». Oder wieso ihm Markus Somm «mangelnden Patriotismus» vorwarf, nachdem das Interview mit ihm völlig aus dem Ruder lief. Wir erfahren, wieso ihm sein «Augenöffner» Elon Musk so hoch und heilig ist und ob auch das Publikum Musk so bedingungslos liebt (nein, tut es nicht). Wir erfahren, wieso sich der Freiheitsrebell am Tiefpunkt seiner ganz persönlichen «Corona-Krise» sogar gewünscht hätte, von der Polizei verprügelt zu werden. Und was ihm Kraft gab, den ganzen Irrsinn zu überstehen (die Antwort ist rührend). Wir erfahren, was Stricker unter äusserer und innerer Freiheit versteht, und welche Freiheit er als die wichtigste betrachtet. Und auch, wie Stricker seine Unschuld verlor. Wobei er differenziert zwischen seinem «ersten Mal» und seinem «allerersten Mal» – und in lebhaften Details alles schildert, was ihm daran so peinlich war, dass er jahrzehntelang niemandem davon erzählt hat.

Fazit: Strickers Lesung ist keine Schlammschlacht der Schande, sondern eine sehr heitere und geistreiche Show, die wunderbar aufzeigt, wie wichtig es ist, sich frei äussern zu können – auch und gerade über schlimme, traurige und peinliche Dinge. Hartgesottene Stricker-TV-Fans kommen dabei genauso auf ihre Kosten wie noch «unverdorbene» Besucher. Erstere dürfen sich auf viele witzige Geschichten und pikante Anekdoten aus seinem Privatleben freuen. Und diejenigen, die Stricker noch nicht kennen, lernen ihn auf der Bühne gleich so richtig kennen: ungestreamt, unverblümt, im Ausdruck authentisch, frech und frei.

von Christian Schmid Rodriguez


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The show must go on

Wer sich mehr als 100 Jahre Freude auf die Fahne schreiben kann, hat vieles richtig gemacht im Leben. Der Zirkus Knie ist nach seinem 100-Jahr-Jubiläum und einer Zwangspause ins Jahr 2023 gestartet.

Es war pures Glück, das sich am ersten Tag des neuen Jahres unter dem Zirkuszelt ausbreitete. Als sich bei der Schlussrunde gut 5000 Zuschauer zu einer Standing Ovations erhoben und der Applaus nicht abklingen wollte, war die Freude über die unersetzlichen Zirkusmomente zu spüren. Mit strahlenden Augen und einem gewinnenden Lachen liessen mich die Artisten an ihrem Stolz über die atemberaubende Show teilhaben; die Stimmung rührte mich zu Tränen. Hier werden Emotionen verkauft. Dieses Metier versteht die Familie Knie wie niemand anderes.

Tief ergriffen fühlte ich mich, geborgen und verbunden inmitten von Tausenden von Menschen, als Teil von etwas Grossem. Die Qualität dieses Gefühls erfasse ich erst jetzt; ich hatte es lange nicht mehr erlebt. Dabei zu sein, wenn alle den Atem anhalten und mitfiebern, Auge in Auge mit den Artisten, den Luftzug ihrer Trapezkünste zu spüren und gemeinsam über die Missgeschicke der Komiker zu lachen – das sind elementare Erlebnisse, die kein Bildschirm ersetzen kann.

Scharen von Menschen, vom Kleinkind bis zur Grossmutter, standen Schlange am Zuckerwatte-Automaten, beim Wurststand oder vor den WCs. Menschliche Nähe war hier unausweichlich. Während drei Stunden fanden so viele Leute auf engstem Raum auf angenehme Weise zusammen. Es war schön, wieder einmal solche verbindenden Momente zu erleben: Wenn Tausende von Händen zu den gelungenen Kunststücken klatschen, tausend heitere Seelen über die Clowns lachen, wenn zur Musik die Lichter der Handys in der Luft hin und her schweifen und der Duft von Popcorn um meine Nase streichelt, dann entsteht eine wunderbare Stimmung, die sich wie Samt um mein Bewusstsein legt.

Kinder wie Erwachsene erleben hier, was Menschen gemeinsam schaffen können – Schaffen im Sinne künstlerischer Herausforderungen; schaffen aber auch im Sinne autonomer Unternehmensführung.

Stellen sie sich vor: Seit über 100 Jahren balanciert das Familienunternehmen Knie in einem öffentlichen Hochseilakt. Die Gefahr, das Gleichgewicht zu verlieren und auf der einen oder anderen Seite in die Tiefe zu stürzen, lauerte überall: Der Zweite Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise, die immer grössere Konkurrenz im Unterhaltungssektor – und zuletzt ein staatlich verordnetes Versammlungsverbot. Dazu kamen interne Auseinandersetzungen unter Familienmitgliedern und Misserfolge. Und das Risiko besteht auch weiterhin.

Tradition erhalten und gleichzeitig mit der Zeit gehen: Ist dieser Spagat machbar? Immer wieder musste ein Konsens erzielt, mussten neue Lösungen gefunden werden. Mit konsequenter Haltung, Zielstrebigkeit und der nötigen Portion Offenheit gelang es dem Unternehmen Knie, seine Geschichte fortzuführen und sich trotzdem immer wieder neu zu erfinden. In alldem gilt es, rund 140 Mitwirkende jeden Alters, aus verschiedenen Nationen und Kulturen, mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Gesinnungen unter ein Zirkuszelt zu bringen. Gelingen kann das nur, wenn alle am selben Strick ziehen, zusammenarbeiten und füreinander da sind. Was sie alle verbindet, ist ihr gemeinsames Ziel: Immer wieder eine perfekte Show darzubieten!

In der Familiengeschichte des Zirkus war Margrit Knie (1897 – 1974) eine sehr prägende Figur. Welch grossen Einfluss die Frau von Friedrich Knie sen. (1884 – 1941) auf das Unternehmen hatte, erfährt man in der zweiteiligen SRF-Doku «Schweizer Nationalzirkus Knie – 100 Jahre Tradition». Margrit Knie pflegte ihre Beziehungen sorgfältig und wirtschaftete überlegt. In politischen und religiösen Konflikten verhielt sie sich unparteiisch. So achtete sie beispielsweise peinlich genau darauf, ihre Lebensmittel gleichsam bei Katholiken wie bei Reformierten zu besorgen. Spaltung jeglicher Form war ihr zuwider. Das gab sie auch den kommenden Generationen mit. Ihr Enkelsohn Fredy Knie jun. umschrieb das sehr treffend und brandaktuell: «Wir sind eben richtige Schweizer, wir sind neutral.»

Die Neutralität war und ist auch für das Unternehmen ein Erfolgsrezept. Im Zirkus Knie werden alle gleich behandelt: Die Mitarbeitenden aus verschiedenen Ländern genauso wie die Zuschauer. So brachte die Familie Knie unter ihrem Zirkuszelt alle zusammen, bereitete dem unterschiedlichsten Publikum Freude und leistete so mehr Friedensarbeit als die Kirche, die in grossen Teilen des Landes tiefe Gräben grub, die sich durch unsere Gesellschaft zogen.

Während des Zweiten Weltkriegs war – ähnlich wie in den letzten Jahren – die Spieltätigkeit infrage gestellt. Wegen drohender Bombenangriffe wurde damals die Massnahme erlassen, bei Dunkelheit keine Lichter brennen zu lassen. Die Regierung erlaubte der Familie Knie die Aufführungen nur mit abgedunkeltem Zelt. General Guisan setzte sich höchstpersönlich dafür ein, dass überhaupt gespielt werden durfte. Er war sich bewusst, dass in schwierigen und unsicheren Zeiten heitere Seelennahrung wichtig ist und die Menschen Orte brauchen, um zusammenzukommen, seelisch auftanken und den Kummer vergessen zu können.

Ja, es war Ablenkung; und ja, es waren und sind immer noch Illusionen und Emotionen, die uns ein Zirkus verkauft. Aber was wäre die Welt ohne sie? Sind es nicht auch die Illusionen eines schönen, heiteren, friedvollen Lebens, die uns antreiben, ein solches überhaupt anzustreben? Und sind es nicht die Emotionen, die uns das Leben lebenswert erscheinen lassen? Führt uns der Zirkus eben nicht auch eine Realität vor Augen? Dass wir die Illusionen des Schönen und Guten mit vielen anderen Menschen teilen; dass diese Illusionen auch in anderen Menschen einen Zustand der Freude und des Glücks wachrufen? Dass gemeinsame Freude und Glück möglich sind?

Hinter all dem Glitzer, der Heiterkeit, der Akrobatik stecken viel bitterer Ernst und harte Arbeit. Über all die Jahre miteinander auszukommen, Streit auszutragen, wieder Lösungen zu finden, das hat die Dynastie Knie erfolgreich geschafft. Auch Schicksalsschläge wie der Freitod des beliebten, kleinwüchsigen Clowns Spidi mussten verarbeitet und überwunden werden. Menschen und Tiere, sind gekommen und gegangen: So veränderte sich auch die Zusammenarbeit von Tier und Mensch. Ausser den Pferden und Ponys sind Tiere nämlich gänzlich aus den Shows verschwunden.

Das Publikum sieht nur die Pailletten, das Lachen, die Manege, Künstler, aber der echte Zirkus ist viel mehr. Hier packen alle; und zwar die ganz unterschiedlichsten Menschen gemeinsam an, arbeiten und schaffen etwas miteinander. Was sie verbindet ist die Arbeit; ihr gemeinsames Wirken. Es ist ein Zusammenwirken von unzähligen Aspekten: Logistik, Tiere, Inspiration, Schaffenskraft, Zwischenmenschlichkeit und nicht zuletzt – Liebe. Die Liebe zu den Mitmenschen, den Tieren, der Umwelt und dem Leben selbst.

Die Familie Knie schuf sich über die letzten 100 Jahre ihre eigene Welt mit teils eigenen Regeln. So werden die Zirkuskinder ganz selbstverständlich unternehmensintern geschult. Die internationale Zusammenarbeit mit Künstlern geschieht ungeachtet geopolitischer Entwicklungen. Es geht um ein Miteinander in jeder Hinsicht. Es geht um die Verbindung von Mensch zu Mensch, um für Menschen das zu schaffen, was uns ausmacht: Die geteilte Freude am Leben.

Der Zirkus beschenkt uns mit Emotionen und Illusionen. Emotionen, die aus dem Herzen kommen und Illusionen einer friedlichen, fröhlichen Welt – damit wir an sie glauben und wissen, dass sie existiert. Insofern erinnert uns der Zirkus an die wahre Welt, an das, worum es eigentlich geht: Um ein funktionierendes Universum, das die elementaren Dinge im Leben abbildet, nämlich Zwischenmenschlichkeit, Toleranz und Lebensfreude. Während aussen herum ein anderer Zirkus spielt, ein falscher, einer, den man zwischendurch für ein paar Momente vergessen sollte.

Deshalb: The show must go on!

von Prisca Würgler


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