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Fragebogen an Marco Rima

Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?

Wenn ich morgens im Badezimmer stehe und in den Spiegel schaue, begrüsse ich mich jeweils mit den folgenden Worten: «Danke, o Herr, dass du so einen schönen Menschen geschaffen hast!» Und dann verlässt mein Sohn Nicolas (32) das Badezimmer, und zurück bleibt vor dem Spiegel ein untersetzter, älterer und weisshaariger Mann, der wohl auch schon mal bessere Tage erlebt hat – zumindest Aussehens-technisch!

Was glauben Sie, woher Sie kommen?

Meine Eltern haben mir gegenüber immer behauptet, ich sei die Frucht ihrer Liebe. Und um diese Frage auch noch gendergerecht zu beantworten, hat sich mein Vater, also Person 1, ergo der Samenspender, mit meiner Mutter, Person 2, der Person mit Uterus, fröhlich und in Liebe vereint. Und so wurde aus dieser Frucht dieser Liebe später ein ganz schönes «Früchtchen». Nämlich ich! Oder woher sollte ich denn sonst noch kommen?

Warum sollte man Ihnen zuhören?

Ich weiss es nicht … ich weiss nur, dass ich als König des Wikipedia-Halbwissens viel zu erzählen habe. Sehr viel Wissenswertes. Ich glaube Wissen macht sexy. Halbwissen ist nur halb sexy und nichts wissen ist dann gut, wenn man es mit der Mafia zu tun hat. Naja, als «Möchtegern-Intellektueller» ist man schon eine besondere Spezies. Warum? Ich versuche mich jeden Tag an meinen IQ von über 150 zu gewöhnen und ihn als solchen zu akzeptieren. Ich muss allerdings aufpassen, in welcher Situation ich mit meinem Wissen bzw. Halbwissen bei Frauen punkten kann. Gerade wenn es darum geht, sie mit einem klugen Spruch zu verführen bzw. ins Bett zu bekommen. Also hab‘ ich mich lässig vor die Auserwählte hingestellt und gesagt: «Die Observation der Lichtreflexe deiner Physiognomie führt bei mir unmittelbar zum exponentiellen Anstieg meines Reproduktionsorgans!» Gut, ich reüssierte mit dieser Anmache kaum, das heisst nie, aber Hauptsache, ich kam intelligent rüber.

Wann fühlten Sie sich das letzte Mal so richtig frei?

Am letzten Sonntag im Freibad …

Ihre erste Kindheitserinnerung?

Wenn ich als Kind aus der Wohnung gegangen bin, hörte ich meine Mutter immer sagen: «Komm‘ nach Hause, wenn es dunkel wird!» Gott sei Dank lebten wir damals nicht in Lappland. Man stelle sich das mal vor. Im Sommer wäre ich erst drei Monate später wieder nach Hause gekommen. Und ich erwiderte dann: «Ist gut, Mama, ich geh‘ in den Wald!» Was aber genauso viel bedeuten konnte wie: Vielleicht lümmle ich auch auf einer Baustelle rum, gehe zum See oder spiele mit meinen Freunden Räuber und Gendarm neben der Autobahn. Ich erinnere mich vor allem daran, dass ich angstfrei gross geworden bin und mich von dem Moment an, als ich über die Schwelle unseres Zuhauses gegangen bin, nur noch auf mich, meine Sinne (Sehen, Hören, Schmecken) und auf mein Bauchgefühl (Risikoeinschätzung) vertrauen konnte. …

von Redaktion


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Welcher Ton macht die Musik?

Wenn Stimmen auf Anklang treffen – Ein Zwiegespräch mit Yoki und Marty McKay.

Dort, wo die einen verstummen, eröffnen die anderen eine Echokammer. Das bewiesen die letzten zwei Jahre. Wir sprachen mit der Berner Sängerin und Songwriterin Andrea Pfeifer, auch bekannt als «Yoki», und dem Zürcher Rapper Marty McKay über die Aufgabe der Musik in Zeiten der Sprachlosigkeit.

«DIE FREIEN»: Liebe Andrea, lieber Marty, die letzten zweieinhalb Jahre haben vielen Menschen die Stimme verschlagen. Hat eure Musik sie ihnen wiedergegeben?

Andrea Pfeifer: Ich habe es so erlebt, dass es ihnen nicht unbedingt die Stimme wiedergegeben hat, aber dass sie sich erkannt und angenommen gefühlt haben. Ich glaube, wenn man einmal in diese Rolle kommt des Ausgeschlossenwerdens aus der grossen Herde, ist das für viele Menschen – auch für mich – ein ziemlich schmerzhafter Prozess. Aber das Gefühl, es gibt da Menschen, die einen verstehen und die trotz allem noch zu einem gehören, ist glaube ich das, was am Ende heilsam für die Menschen war.

Marty McKay: Das Feedback, das ich erhalten habe, war schon, dass man als «The Voice of the Voiceless» den Leuten eine Stimme gibt, die man im Mainstream nicht gehört hat. Big-Tech, Mainstream-Medien, Pharma, die Politiker – es war ja alles komplett gleichgeschaltet und zu 99 Prozent wurde keine andere Meinung zugelassen. Und wenn dann plötzlich etwas kam, was 180 Grad in die andere Richtung ging, waren die Leute schon erleichtert. Zwischendurch fühlt man sich ja doch mal unsicher, wenn man merkt: alle laufen in dieselbe Richtung. Darum war es schon wichtig – und wird es auch immer sein –, dass man klar zum Ausdruck bringt, wenn man eine andere Meinung hat. Egal bei welchem Thema.

Von Victor Hugo stammt das Zitat: «Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.» Inwieweit trifft dies auch auf euch und eure Musik zu? Gibt es Dinge, die sich nur durch Musik ausdrücken lassen?

AP: Ich sehe die Rolle der Künstler tatsächlich als Hofnarren: Es ist unsere Pflicht, unsere heilige Pflicht, dieser Rolle nachzukommen und unsere Regierung zu kritisieren. Ob das jetzt die einzige Möglichkeit ist, an die Leute ranzukommen, weiss ich nicht. Aber es ist ein sehr mächtiges Instrument, um die Herzen der Menschen ein bisschen aufzuknacken. Und auch unterschwellige Botschaften auf subtiler Ebene bei den Menschen in Gang zu setzen – wobei wir beide mit unseren Botschaften ziemlich direkt sind.

MM: Musik hat Frequenzen, mit der man Regionen im Gehirn und in der Seele erreicht, was mit einem Podcast oder einem Buch nicht möglich ist. Als ich meinen ersten Mundart-Song «Schwiz Wach Uf!», in den ich diese ganze Energie, Verzweiflung und Wut hineinpackte, vor der Veröffentlichung den ersten Leuten vorspielte, haben fast alle geweint. Da hab ich schon gemerkt, dass Musik Dinge schafft, die sich durch Wörter oder das gesprochene Wort alleine nicht erreichen lassen. Und das wissen die ja auch. Es gab ja einen Grund, weshalb Musik an Demos teilweise verboten war. Bestimmt nicht, weil du dann alle ansteckst oder zehn Meter weit spuckst. Die sind ja nicht blöd. Die wissen genau, welche Macht Musik hat und welche Energie sie den Leuten geben kann. …

von Lilly Gebert


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Mit der Liebenswürdigkeit des Hofnarren

Gilbert & Olegs Fahrieté: «Robin Hood – The Great Resist»

Nur selten ist bei Gauklern solch eine Vielfalt an Figuren im gleichen Stück zu sehen wie bei Gilbert und Olegs «Robin Hood– The Great Resist». König, Zwerg, Gnom, Magier, Barde, Prophet, Hofnarr, Maid Marian, Puppenspiel – nichts wird ausgelassen. Das Varieté, das vordergründig als hervorragender Klamauk mit umfangreichen Musikeinlagen, Clownerie und Magie daherkommt, verblüfft durch seinen Tiefgang und langweilt keine Sekunde. Dennoch lassen die beiden Artisten in ihrer grossartigen Komödie durchblicken, in welch üblen Zeiten wir leben.

Schenkelklopfer werden hier nicht bedient. Die beiden Figuren Gilbert und Oleg, dem Duo des klassischen Weissclowns und dummen Augusts nachempfunden, driften aber nie in Trübsinn oder Schwermut ab. Trotz den unzähligen Versuchen Gilberts, dem übermütigen Oleg ein wenig die Zügel anzuziehen und ihn zu mässigen, landet dieser seine bösen Spitzen gegen die Obrigkeit mit der Liebenswürdigkeit des Hofnarren. Der «Pöbel, das gemeine Volk» vor der kleinen, liebevoll gestalteten Bühne ist begeistert darüber. Vor lauter Kreativität fällt kaum auf, dass das Bühnenbild eigentlich verblüffend einfach ist. Aus Wenigem wurde hier Enormes gebaut.

Die mittelalterliche Legende und die Balladen über Robin Hood, den Namensgeber des Stückes, dringen immer wieder durch. Besonders wenn es darum geht, den Mächtigen – in diesem Fall dem narzisstischen König oder dem Sheriff von Nottingham – den Spiegel vorzuhalten und sie ihrer Lächerlichkeit preiszugeben. Dabei dürften die äusserlichen Ähnlichkeiten zu lebenden Persönlichkeiten möglicherweise nicht ganz zufällig sein. …


von Herbert Schweizer


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Gelungene Konfrontation

«Menn verdanke ich alles!», sagte sein Schüler Ferdinand Hodler rückblickend – dabei ist der Name von Barthélemy Menn (1815-1893) dem breiten Publikum kaum bekannt.

In der ersten Hälfte seines Lebens erlebte Menn eine starke Beachtung seiner Begabung. Während seines Aufenthalts in Paris und Italien (1833-44) gewann er die Anerkennung der bedeutendsten Maler seiner Zeit. Seine charakterliche Beweglichkeit und Offenheit ermöglichte ihm, mit den gegensätzlichsten Künstlerpersönlichkeiten in Freundschaft verbunden zu sein – mit Ingres, Delacroix, Corot, mit den Landschaftsmalern von Barbizon. Allerdings erstrebte er für sich nicht jene Art von Karriere, die seinen Pariser Freunden ihren Ruhm bescherte – ihm ging es darum, sich seine innere Unabhängigkeit zu bewahren. Er kehrte in seine Heimatstadt Genf zurück, wo jedoch seiner innovativen, realistisch-intimen Darstellungsweise blankes Unverständnis entgegengebracht wurde. Seine Bilder wurden als «unfertige Skizzen» abgetan. Die kleinliche Kritik, die seine Arbeit hervorrief, bewog ihn, sich mehr und mehr in sein Atelier zurückzuziehen, ohne seine Werke auszustellen. So fand er von 1850 bis 1893 als Leiter der Ecole des Beaux-Arts seine Erfüllung als Künstler und Kunstlehrer.

Nach seinem Tod gelangte der grösste Teil seines Oeuvres ins Genfer Musée d’art et d’histoire, das 3000 seiner Zeichnungen und Malereien verwahrt, auch sein «Selbstbildnis mit Strohhut». Die unvermittelte Gegenüberstellung des in Nahsicht erfassten Gesichts mit dem «abstrakten» dunkelbraunen Viereck überrascht. Das Bild wurde durchleuchtet, und dabei erschien unter der dunklen Fläche ein Ausblick auf eine Landschaft. Menn hatte also zuerst ein «Selbstbildnis vor offenem Fenster» gemalt. Warum änderte er diese Fassung? Empfand er bei diesem ersten Zustand des Bildes vielleicht, dass die Landschaft zu sehr vom Ausdruck des Kopfs ablenke? …


von Manfred Cuny


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