
PanaCeHa – Weg in ein neues Gesundheitswesen
Interview mit Dr. Andreas Heisler
Wir sind in der Schweiz durch das Krankenkassenobligatorium zwangsintegriert, in ein Gesundheitssystem, in dem sich immer weniger Menschen noch aufgehoben fühlen. Nicht der Mensch und seine Gesundheit stehen im Fokus, sondern das Geschäft mit der Krankheit. Wie finden wir in ein menschlicheres, gesünderes Gesundheitswesen? Der umtriebige Arzt Andreas Heisler mag nicht länger tatenlos zuschauen.
Martin Schiewek: Andreas, du bist in den letzten Jahren immer wieder in der Öffentlichkeit aufgefallen. Einmal als Arzt, der sich in der Corona-Zeit beherzt für die echten gesundheitlichen Bedürfnisse seiner Patienten eingesetzt hat, unbeirrt trotz aller Verunglimpfungen und Repressalien durch Medien, Kantonsarzt und Staatsanwaltschaft. Du hast das Gesundheitsnetzwerk Aletheia mitgegründet. Du tust deine Meinung öffentlich kund, ungeachtet möglicher Bannung. Jetzt gehst du in die Öffentlichkeit mit einem innovativen Gesundheitskassenmodell namens PanaCeHa. Man könnte dich als öffentlich verhaltensauffällig bezeichnen. Den Verhaltensauffälligen sieht man ja nach, dass sie nicht anders können. Was treibt dich an?
Andreas Heisler: Wahrscheinlich ist es so: Ich kann nicht anders. Mir ist diese Aufgabe zugefallen, und ich versuche sie mit grösster Demut, aber auch grösstem Engagement zu erfüllen. Das Spannende ist, dass ich die Öffentlichkeit eigentlich überhaupt nicht suche. Der Gedanke, dass ich mal überall in den Medien auftauche, Vorträge gebe und Netzwerke gründe, wäre mir vor fünf Jahren völlig absurd vorgekommen.
MS: Im alten China, sagt man, war der Arzt in erster Linie dafür zuständig, dass die Menschen gesund bleiben und erst gar nicht krank werden. Er begleitete sie also vor allem präventiv. Wenn Menschen krank wurden, wirkte sich das negativ auf sein Ansehen und seine Finanzen aus. Das kann man sich heute kaum vorstellen.
Es gibt die Behauptung, wir hätten in der Schweiz das beste Gesundheitssystem. Andererseits gibt es immer mehr chronisch Kranke, die viele Medikamente benötigen. Die Krankenkassenprämien steigen jährlich, zum Teil massiv. Gleichzeitig werden bis anhin selbstverständliche Grundversorgungsleistungen gekürzt. Wie gesund ist unser Gesundheitswesen eigentlich?
AH: Unser Gesundheitswesen ist so krank wie unsere ganze Gesellschaft. Was wir im Gesundheitssystem feststellen, stellen wir auch in anderen Bereichen fest, in der Bildung, in der Wirtschaft und im Rechtssystem.
Viele können ihre Prämien gar nicht mehr bezahlen und die Leistungen werden immer mehr eingegrenzt. Es gibt auch in der Schweiz eine Zweiklassenmedizin. Diese Entwicklung hat sich in den letzten zehn Jahren sehr zugespitzt.
Ob das Bild vom alten China stimmt, weiss ich nicht, sonst ist es schön erfunden. Es ist erstrebenswert, dass ein Arzt vorwiegend präventiv arbeitet. Das funktioniert aber nur in einer gesunden Gesellschaft. Wie lange bleibt ein gesundes Individuum in einer kranken Gesellschaft gesund? Es sitzen so viele Kranke vor mir, die nicht krank sein müssten. Das bewegt mich, mit PanaCeHa ein Gesundheitsmodell für eine gesunde Gesellschaft zu entwickeln.
MS: Wir haben in der Schweiz ein Obligatorium für die Grundversicherung. Es ist ein riesiger Topf. Alle müssen mitmachen und einzahlen. Aber die Menschen sind gesundheitlich unterschiedlich orientiert. Es gibt diejenigen, die sehr gesundheitsbewusst leben und selten zum Arzt gehen, dann wieder andere, die sich kaum um eine gesunde Lebensweise kümmern, und wenn sie krank werden, delegieren sie das Problem an den Arzt, der es dann richten soll.
Eine Idee wäre jetzt: Es tun sich die Leute mit einer ähnlichen Lebenshaltung zusammen und gründen eine eigene Krankenkasse, also die passende Kasse für diese Zielgruppe. Wäre das in der Schweiz eine Option?
AH: Das ist keine Option, weil die Krankenkassen sofort, wenn man sie gründet, den Weisungen des Staates unterliegen. Es ist so reglementiert und kontrolliert, dass es überhaupt keinen Spielraum gibt. Es wird nur das bezahlt, was auf irgendwelchen Listen steht, nur Ärzte und Therapeuten, die entsprechende Verträge und Zulassungen haben. Die zunehmende Reglementierung gemeinsam mit dem Obligatorium sorgt dafür, dass dieses System völlig in sich geschlossen bleibt.
Es fällt immer mehr Menschen auf, dass sie praktisch verpflichtet sind, unter dem Vorwand und dem sehr missbräuchlich eingesetzten Begriff der «Solidarität» Therapien zu zahlen, die eigentlich nur Geld kosten, die praktisch nur der Pharmaindustrie und den Shareholdern zugutekommen, die aber für uns und in Bezug auf unsere Gesundheit überhaupt keinen Sinn machen und auch keine Besserung bringen. Deshalb hat man immer mehr chronisch Kranke, die mit teuren Medikamenten ihr Leben lang behandelt werden müssen. Es geht ums Behandeln und nicht ums Gesundmachen.
Wir arbeiten mit Konstantin Beck zusammen, dem Gesundheitsökonom, der auch einen Lehrstuhl an der Universität Luzern hat. Mit ihm zusammenzuarbeiten ist sehr hilfreich, weil es kaum jemanden gibt, der sich im Gesundheitswesen besser auskennt. Er war es, der uns ganz klar davon abgeraten hat, eine eigene Krankenkasse zu gründen, weil man da ganz im Korsett ist und keinerlei Spielraum hat. Mit dem Modell von Konstantin Beck haben wir im gegebenen Reglementierungsdschungel den Königsweg gefunden: Mit den bestehenden Krankenkassen mit einem Hausarztmodell prämienbasiert zusammenarbeiten zu können und interessanterweise ausgerechnet dann mehr Freiheiten zu haben, weil es dort gesetzliche Lücken gibt. Wir machen da nichts Ungesetzliches, es ist gesetzlich nur nicht so durchgeregelt.
MS: So kommen wir jetzt zu PanaCeHa. Das neue Gesundheitskassenmodell soll mehr Menschlichkeit in die Grundversorgung bringen. Was heisst hier «mehr Menschlichkeit»?
AH: Nicht nur die Geldknappheit ist ein Problem, oder dass vielleicht sogar viel zu viel Geld da ist, aber an die falschen Stellen kommt, sondern besonders auch die fehlende Menschlichkeit. Die Unmenschlichkeit hat sich durch Corona praktisch pandemisch im System eingenistet. Man kann nur den Kopf schütteln, wenn man sieht, auf welches Niveau sich die Ärzte begeben haben.
Wenn ich mich nun mit Ärzten zusammentue, von denen ich weiss, dass ihnen Menschlichkeit auch wichtig ist, wichtiger als möglichst viel Geld aus dem System herauszuholen, dann kann ich ein Netzwerk etablieren, das garantiert, dass dort eine menschliche Medizin stattfindet, wo der Mensch als Individuum gesehen, ganzheitlich betrachtet und menschlich behandelt wird. Dann wird die Behandlung interessanterweise auch günstiger.
Der springende Punkt aber ist: Wenn wir unsere Vorstellung von einem menschlichen Gesundheitswesen über die Prämien bezahlt bekommen wollen, die wir sowieso einzahlen, müssen wir uns in diesem System bewegen. Die Versicherten zahlen ja genug, eigentlich gar zu viel Prämien. Dann wollen wir das Geld aber bei uns behalten, in diesem Kassensystem. Es soll sinnvoll eingesetzt werden und ermöglichen, dass sich immer mehr eine menschliche Medizin etablieren kann, anfangs im ambulanten Bereich und schliesslich in seiner Ganzheit, also auch mit stationären Behandlungen und so weiter.
MS: Gibt es bestimmte Anforderungen an die PanaCeHa-Mitglieder? Gibt es da den idealen Patienten oder den idealen Arzt?
AH: Wir bewegen uns praktisch in der Grundversicherung. Daher können wir nicht selektionieren und wollen es eigentlich auch nicht. Durch das Obligatorium besteht eine Behandlungspflicht – solange der Patient in diesem Modell eingeschrieben ist und sich an die Regeln des Modells hält. Die Regeln sind relativ simpel, die sind nicht sehr PanaCeHa-spezifisch, sondern die gelten für alle Hausarzt- oder HMO-Modelle.
Man muss zuerst zum Hausarzt gehen, bevor man den Spezialisten in Anspruch nimmt, bevor man vielleicht auch ins Spital geht, Notfallbehandlungen natürlich ausgenommen. Man kann auch zum Augenarzt gehen, und die Frauen können zum Frauenarzt gehen, ohne vorher den Hausarzt zu konsultieren.
Sonst haben wir keine Selektionskriterien. Wollen wir die Spaltung in der Gesellschaft überwinden, müssen wir auch im Gesundheitswesen damit anfangen. Es spielt für uns keine Rolle, ob jemand privat, halbprivat oder grundversichert ist.
Natürlich gibt es aber so etwas wie den idealen Patienten, weil wir die Selbstverantwortung fördern wollen. Das heisst, man geht nicht wegen jeder einfach behebbaren Kleinigkeit sofort zum Arzt. Der Arzt hat hier kein wirtschaftliches Interesse, einen eigentlich gesunden Patienten zu behandeln, weil er ja bezahlt wird, wenn der Patient gesund ist und nicht wenn er krank ist. Wenn er krank ist, muss der Arzt sich natürlich um den Patienten kümmern.
MS: Wie kann man sich das PanaCeHa-Modell konkret vorstellen?
AH: In einem nächsten Schritt werden wir mit Krankenkassen verhandeln und Verträge abschliessen. Die Ärzte und die Therapeuten, die in der Grundversicherung drin sind, die sich unter dem Namen PanaCeHa zusammengetan haben, haben dann einen Vertrag mit bestimmten Krankenkassen. Es ist dann abgemacht, dass diese Krankenkassen der PanaCeHa AG einen bestimmten Anteil der Prämien abgeben. Das kommt als eine Art Budget in den PanaCeHa-Topf.
Der erste Vorteil in Bezug auf Freiheit ist da schon mal, dass wir dieses Geld im Rahmen des Krankenversicherungsgesetzes selbstständig verteilen können. Also alles, was bisher im Krankenversicherungsgesetz finanziert ist, dürfen und müssen wir bezahlen. Damit können wir unsere Hausärzte bezahlen, und natürlich auch die Kosten, die erzeugt werden, wenn der Patient mal zum Spezialisten gehen oder operiert werden muss. Das muss alles aus diesem Budget-Topf bezahlt werden.
Hier liegt auch der Anreiz für die Krankenkasse: Diese Gelder stehen uns zur Verfügung, und mit denen müssen wir auskommen, ansonsten müssen wir praktisch haften. Also: Es gibt da ein Risiko. Aber wenn wir menschliche Medizin machen und wenn wir günstiger sind als die anderen, dann haben wir nicht nur das Risiko, sondern auch eine Chance, einen gewissen Überschuss zu erzielen. Das ist für den zweiten Schritt wichtig, mit dem wir dann Gelder aus diesem Prämientopf nach einem Jahr anders verwerten dürfen, weil sie dann nicht mehr ins KVG fallen und nicht mehr Prämien sind.
MS: Sie können dann also auch für Alternativ- und Komplementärtherapien verwendet werden.
AH: Zum Beispiel. Oder auch als Kick-back für Versicherte, die den Arzt nicht so oft in Anspruch nehmen. Es gibt ganz verschiedene Möglichkeiten. Wir wollen auch eine Genossenschaft gründen, das ist der nächste Schritt. Eine Genossenschaft, in der sich alle Versicherten, Therapeuten und Ärzte zusammenfinden, und in dieser Genossenschaft wird dann dieser Überschusstopf – ein Fonds – verwaltet.
MS: Und dann auch entschieden, wie mit diesem Geld umgegangen wird.
AH: Ganz genau. Es ist eine Genossenschaft, wo jeder Einzelne ein Interesse hat, dass das Gesamte gut läuft, und natürlich auch ein gewisses Mitbestimmungsrecht hat.
MS: In der Grundversicherung ist es normalerweise so: Ich gehe zum Arzt, der erbringt eine Leistung für mich und schickt dafür eine Rechnung an die Krankenversicherung, die ihn für diese Leistung bezahlt. Wie wird es dann bei PanaCeHa sein?
AH: Ein denkbares Modell ist, dass jeder Arzt für die Anzahl der eingeschriebenen Patienten einen gewissen Betrag bekommt, sagen wir mal 10 Franken pro Monat, ob der Patient nun kommt oder nicht.
MS: Also ein Pauschalbetrag pro Kopf.
AH: Genau. Und wenn genug Patienten eingeschrieben sind, kann der Arzt davon gut leben. Dann muss noch ein Betrag bezahlt werden, dass er seine Praxis betreiben kann, Löhne, Miete, sonstige Kosten, Medikamentenkosten. Das lässt sich aber alles darstellen und sehr schön berechnen. Der Vorteil ist: Ich muss mich nicht noch am Abend hinsetzen, Rechnungen machen und die verschicken. Das kostet mich mittlerweile auch relativ viel Geld. Das ist ein irrsinniger bürokratischer Aufwand, der einfach wegfällt.
MS: Es mag sein, dass ich als Arzt einen sehr aufwendigen Patienten habe, der den Budgetrahmen vom Aufwand her sprengt. Dafür habe ich andere, die vielleicht keinen Aufwand machen. Ich manage und haushalte das als Arzt also komplett selber und stelle da keine Rechnungen?
AH: Nein. Das braucht natürlich mehr Verantwortung. Viele Ärzte haben da etwas Angst. «Ojeh! Das Budget!» In der Genossenschaft ist aber auch dafür gesorgt, dass ein Arzt mit sehr vielen von diesen aufwendigen Patienten nicht alleingelassen wird. Denken wir dran: Das Konzept bietet auch grosse Chancen. Und wir können das System verändern – und wir müssen es verändern. Wenn wir es nicht machen, wie endet es dann? Es wird so wie bisher nicht sinnvoll weiterlaufen.
Am Ende werden wir natürlich für besondere Fälle eine Rückversicherung mit den Krankenkassen abschliessen. Ich habe eine Patientin, die kriegt alle vier Monate etwa eine Infusion ins Rückenmark, und es kostet jedes Mal 80’000 Franken. Das kriegt sie schon seit 2018. Sie kann dafür arbeiten gehen, hat eine hohe Lebensqualität und würde sonst vielleicht gar nicht mehr leben. Deswegen ist das auch gerechtfertigt.
Solche Kosten können halt entstehen, die können auch bei PanaCeHa anfallen. Da müssen uns wir mit Herrn Beck zusammen natürlich proaktiv überlegen: Wie gehen wir damit um? Welche Risikominimierungsmöglichkeiten haben wir, ohne dass das dem System wieder zuwiderläuft?
MS: Es steht ja das Capitation-Modell dahinter: es gibt ein Pro-Kopf-Budget. Das Modell ist von Fachleuten diskutiert worden. Es gibt Kritiker, die behaupten, das könne in eine prekäre Gesundheitsversorgung führen, weil sich der Arzt sagen kann: Ich habe ja mein Geld, und wenn ich möglichst wenig Leistungen erbringe, ist es am leichtesten verdient.
AH: Die Kritik ist natürlich berechtigt. Solch eine Haltung des Arztes wäre ein Problem. Deswegen arbeiten wir ausschliesslich mit Kollegen zusammen, die eben nicht gewinnorientiert arbeiten. Sie sollen für ihre Arbeit anständig vergütet werden. Wer mehr Patienten bei sich eingeschrieben hat, verdient auch mehr, aber eben nicht explizit, wenn die Patienten krank sind. Die mögliche Einsparung am Ende des jeweiligen Jahres landet auch nicht beim Arzt individuell, sondern höchstens indirekt, indem dieses Geld im Folgejahr der Genossenschaft für sinnvolle Projekte und Therapien zur Verfügung steht. Es soll wirklich so sein, dass Leistungen, die sinnvoll sind, erbracht werden. Und wenn der Patient eine Chemotherapie wünscht, dann muss die Chemo auch zur Verfügung gestellt werden. Sie ist in der Grundversicherung ja bezahlt, also müssen das auch die PanaCeHa-Patienten bezahlt bekommen.
Ich bin dafür, dass die Medizin sehr in der individuellen Freiheit sein muss. Und vielleicht gibt es ja eine Chance, wenn man dem Patienten eine echte Alternative anbieten kann, ihm die Chemo zu ersparen. Aber: Ich darf nicht am Patienten sparen. Das setzt eine klare ethische Wertehaltung seitens der Ärzte voraus, und deswegen bin ich bei der Vorauswahl der Ärzte auch sehr kritisch.
MS: Die Patienten zahlen weiter die Prämien an die Krankenversicherung – an eine, die mit PanaCeHa kooperiert. Also zahlen sie weiter die hohen Prämien, die allgemein üblich sind?
AH: Natürlich. Dadurch, dass es über die Krankenkasse läuft, bleibt es erst mal im System, das ist klar. Allerdings sind Hausarztmodelle – und da wird sich PanaCeHa nicht unterscheiden – immer günstiger, als wenn die freie Arztwahl herrscht. Insofern kommt es zu einer gewissen Kostenersparnis. Man gibt zwar die freie Arztwahl auf, tut das in dem Fall aber gerne, weil man so einen Arzt zur Verfügung hat, zu dem man Vertrauen haben kann.
Andererseits hoffe ich, dass die Prämien irgendwann mal wieder sinken können, aber dieser Impuls muss von uns kommen, es wird nicht von alleine passieren. Dieses Gesundheitssystem ist ein Gesundheitsmarkt und ein Geschäftsmodell – und das versuche ich zu durchbrechen.
MS: Haben die Krankenkassen wirklich einen Vorteil, wenn sie sich auf PanaCeHa einlassen? Werden ihnen so nicht ihre besten «Milchkühe» entzogen, also die Versicherten, die vor allem zahlen und kaum was kosten?
AH: Nein, die Krankenkassen werden ein sehr grosses Interesse an PanaCeHa haben, weil sie sich sagen: «Wenn die schon diese Patienten bei sich haben, dann wollen lieber wir daran partizipieren als die Konkurrenz.» Es ist ja auch eine Frage der Kundenbindung. PanaCeHa-Patienten werden hoffentlich zufrieden sein, werden bei PanaCeHa bleiben und bleiben dann auch bei der Krankenkasse.

MS: Auf der Website panaceha.ch kann man eine unverbindliche Absichtserklärung unterzeichnen. Wie viele Absichtserklärungen gibt es zurzeit in etwa?
AH: Wir haben derzeit (Stand 7. März 2025) etwa 3500 Absichtserklärungen, ohne dass wir bisher gross in der Öffentlichkeit aufgetreten sind, ausser dass ich Vorträge in bestimmten Kreisen halte – dort, wo überwiegend eigenverantwortliche und selbstbestimmte Leute sind, die auch einen gewissen Anspruch ans Gesundheitswesen haben. Die wollten wir schon mal abholen. Wir haben 780 Therapeuten und wir haben schon knapp 70 Ärzte dabei.
MS: PanaCeHa soll ja mit dem Kalenderjahr 2026 starten, aber nur in der Grundversicherung. Die Komplementär- und Alternativtherapeuten bleiben damit aussen vor.
AH: Ja, das ist so. Wegen dem Krankenkassen-Obligatorium und dem KVG dürfen wir mit dem Hausarztmodell nur die vertraglich vereinbarten Leistungen vergüten, und auch nur Medikamente, die auf der sogenannten Spezialitätenliste sind. Das ist natürlich noch im engeren Korsett.
Die Geldverteilung durch das Budget erfolgt schon ein bisschen freiheitlicher, zum Beispiel bei Physiotherapeuten, die dabei sind. Wir haben derzeit oft das Problem, dass die Krankenkasse ab einem bestimmten Zeitpunkt die Physiotherapie nicht mehr zahlen will, wenn die Patienten nach Meinung der Krankenkasse diese schon zu häufig in Anspruch genommen haben. Dann muss man Kostengutsprache-Anträge schreiben, dann wird es abgelehnt, dann muss man Wiedererwägungsanträge schreiben. Das kostet einen Haufen Zeit und Energie, sowohl den Therapeuten als auch den Hausarzt.
Aber der Physiotherapeut muss bei der Krankenkasse zugelassen sein. Der Osteopath ist es nicht, deswegen können wir keine osteopathischen Behandlungen bezahlen. Das ist erst ab 2027 möglich.
MS: Ist dann 2027 wirklich so viel im Topf übrig geblieben, dass daraus komplementärmedizinische Leistungen bezahlt werden können?
AH: Ich kann natürlich nicht in die Zukunft sehen. Ich kann nicht sagen: «Es bleibt so und so viel übrig.» Bleibt überhaupt Geld übrig? Innerhalb dieser Genossenschaft muss einvernehmlich geklärt werden, wie die Verteilung dieser Gelder vorgenommen werden soll und welche Therapien berücksichtigt werden können. Da haben wir ja noch ein Jahr Zeit.
Ich werde immer wieder gefragt: «Welche Therapien sind dann überhaupt zugelassen? Brauche ich da ein Diplom und ein Zertifikat von der Zusatzversicherung?» Also das wird uns weniger interessieren, sondern mehr, wo der Bedarf bei den Patienten ist. Wer heilt, hat Recht! Wie gesagt: Medizin gehört in die Freiheit. Deswegen werden wir da wenig reglementieren. Es wird sich letztlich über die zur Verfügung stehenden Mittel regeln. Das muss halt ausdiskutiert werden. Ich möchte keine Begehrlichkeiten erzeugen, vor allem solche nicht, die ich dann nicht einhalten kann.
Ich komme mir vor wie Christoph Kolumbus, der irgendwie versucht, den Seeweg nach Indien zu entdecken, und wenn ich Glück oder Pech habe, entdecke ich Amerika. Ich mach mich einfach mal beseelt auf die Reise und bin voller Hoffnung, dass wir da was verändern können. Ich bin mir sicher, dass wir etwas zum Positiven verändern können, aber wie schnell das geht und wohin die Reise dann letztlich führen wird, kann ich jetzt noch gar nicht sagen, weil die Karten dann wieder neu gezeichnet werden müssen. Und darauf freue ich mich, weil es ein sehr positiver und sehr kreativer Prozess ist, den wir da mitgestalten dürfen. Und ich kann’s ja nicht alleine machen. Es sollen alle mitmachen.
MS: Bei einer Krankenversicherung geht es um viel Geld. Man beobachtet immer wieder: Wo es ums Geld geht, da tauchen Begehrlichkeiten und Versuchungen auf. Wiederum kann man integre Menschen auch nachhaltig schädigen und Organisationen sprengen, indem öffentlich Behauptungen von Veruntreuung aufgestellt werden. Wie seid ihr auf solche potenziellen Probleme vorbereitet?
AH: Das ist ein grosses Problem. Das habe ich in der Vergangenheit auch immer wieder erlebt. Geld verdirbt nicht nur den Charakter, sondern Geld hat auch das Potenzial, funktionierende Einheiten zu sprengen. Meine Idee bei PanaCeHa ist, das bezüglich der Menschen, die darauf Zugriff haben, in einem sehr kleinen Rahmen zu halten. Andererseits muss man gewährleisten, dass es dann sehr transparent ist, damit nicht der Vorwurf entstehen kann: «Hoppla, ihr zwackt da was ab!»
Ich habe mal eine Rechnung aufgestellt. Wenn wir jetzt 60’000 Leute eingeschrieben haben, und ich bin der Gesundheitskassen-CEO von PanaCeHa und behalte für mich nur 10 Rappen pro Monat von den 60’000, dann kommt da eine erkleckliche Summe zusammen. Und 10 Rappen pro Nase, das fällt ja gar nicht auf, oder?
Also: Da ist eine Riesengefahr. Ich bin jetzt schon am Diskutieren, ob wir das nicht sogar über Blockchain machen. Ich habe keine Ahnung davon. Ich weiss nur, dass das sehr transparent ist und dass das jeder einsehen kann: Welcher Therapeut hat wie viel bekommen? Dass wir das wirklich offenlegen, das ist mir ein ganz wichtiger Punkt, weil es natürlich eine Angriffsfläche ist, die man da bietet, auch den Medien gegenüber und so weiter. Da mache ich mir gar keine Illusionen.
MS: Vielen Dank für das sehr interessante Interview. Möchtest du noch etwas zum Projekt PanaCeHa sagen?
AH: Wir möchten mit der Zeit die Jüngeren auch abholen. Im Moment haben wir bei diesen Vorträgen so 50 plus. Bei den Jüngeren würden wir gerne schon den Impuls setzen, dass Prävention eine wichtige Rolle spielt. Also: Der Umgang mit dem eigenen Körper, mit der eigenen Gesundheit, mit der eigenen Psyche und so weiter. Ich habe so viele psychisch kranke Junge und Jugendliche, dass man da ansetzen muss. Vielleicht gilt es auch, die Kooperation zu freien Schulen zu suchen und da eventuell auch Finanzierungsmöglichkeiten aus dem Fonds anzubieten.
MS: Also um das Gesundheitsbewusstsein unter jüngeren Menschen zu fördern?
AH: Allgemein und besonders unter Jüngeren. Denn wenn wir präventiv arbeiten, ist es noch kostengünstiger, als nur menschliche Medizin zu machen. Es muss der präventive, salutogenetische Ansatz eingebracht werden, der muss in den Vordergrund gestellt werden, um überhaupt Krankheit zu verhindern. Das ist das, was dem gegenwärtigen Geschäftsmodell zuwiderläuft, weil das Modell ja nicht an der Gesundheit verdient, sondern an der Krankheit.
Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop!
Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.