
Gestatten – Peter Thiel
Nicht wenige halten ihn für den mächtigsten Unternehmer im Silicon Valley. Andere gar für einen der einflussreichsten Menschen der Welt. Neben PayPal gründete oder finanzierte er Facebook, ClearView AI und Palantir, den wohl mächtigsten Spionagekonzern der Welt. Hat sein Biograph demzufolge Recht, wenn er sagt, dass wir alle uns vor der Macht von Peter Thiel fürchten sollten?
Da sitzt der Mann am 16. August 2024 über drei Stunden lang im reichweitenstärksten Podcast der Welt, bei einem vermeintlich kritischen Geist – Joe Rogan – und muss keine einzige Frage zu Palantir beantworten. Oder zu seiner Rolle im Steuerungskreis der Bilderberg-Konferenzen. Wer also bis anhin den Standpunkt vertrat, Joe Rogan sei an Wahrheitsfindung interessiert, oder betreibe Journalismus, wurde spätestens am 16. August vergangenen Jahres eines Besseren belehrt. Rogans Konversation mit Thiel war ein PR-Auftritt. Der Podcast ist als Image-Design-Event für jemanden zu werten, dessen Protegé – JD Vance – unlängst von Donald Trump zum US-Vize-Präsidenten berufen wurde.
Doch wer ist Peter Thiel? Fangen wir vorne an. Geboren wurde der heute 57-Jährige in Frankfurt am Main. Ein Jahr nach seiner Geburt wanderte seine Familie in die USA aus. Bevor sie sich 1977 in Kalifornien niederliessen, lebten die Thiels zeitweise in Südafrika und Namibia. Obwohl er während seiner Schulzeit als Mathe-Ass von sich reden machte, studierte er an der Stanford University zunächst Philosophie. Anschliessend schrieb er sich an der Stanford Law School ein, wo er 1992 den Juris Doctor erlangte. Mit diesem Abschluss in der Tasche arbeitete er zunächst für einen US-Bundesrichter, danach für eine Anwaltskanzlei in New York. Doch schon nach wenigen Monaten im juristischen Betrieb heuerte Thiel bei der Grossbank Credit Suisse an und wurde Derivate-Händler. 1996 kehrte er nach Kalifornien zurück, wo er seinen ersten Anlagefonds Thiel Capital Management gründete.
Ab der Gründung seines ersten Fonds ging es steil aufwärts für den Exil-Deutschen. 1998 gründete er zusammen mit Max Levchin und Luke Nosek den Zahlungsdienstleister PayPal, den Thiel als CEO leitete, bis das Unternehmen 2002 für eineinhalb Milliarden US-Dollar an eBay verkauft wurde. Der Tech-Unternehmer galt seinerzeit als «der Pate» der «PayPal-Mafia», einer illustren Gruppe von Silicon-Valley-Entrepreneuren, die nun gemäss The Economist «die US-Regierung übernommen hat». Die Tech-Mafiosi gründeten zum Beispiel PayPal, YouTube, Yelp, Yammer, LinkedIn und Tesla.
Thiels PayPal-Kompagnon Levchin betätigt sich mittlerweile gerne als Regierungsmitarbeiter oder willfähriger Fürsprecher für die NSA (National Security Agency). Nosek war unter anderem der erste institutionelle Investor von Elon Musks Space X, sitzt im Vorstand von ResearchGate und blieb mit Thiel über die gemeinsame Gründung des Founders Fund verbunden, der 2005 seine Arbeit aufnahm und Stand 2023 zwölf Milliarden US-Dollar an Kapital verwaltet. Geld, das unter anderem Airbnb, Spotify, Facebook, Stripe, Lyft oder Neuralink grundfinanzierte. Rückblickend könnte man das mit der «Mafia» also durchaus auf andere Aspekte als die Umtriebigkeit beziehen. Immerhin war Airbnb schon 2017 «grösser» als die fünf grössten Hotelmarken kombiniert – ohne ein einziges Hotel zu besitzen. Und Spotify als weltgrösste Streaming-Plattform dominierte mit 83 Prozent Marktanteil schon 2020 die US-Musikindustrie, während es Künstler mit Cent-Beträgen abspeist und deren ursprüngliche Vertriebswege ruiniert.
Thiel selbst nutzte den enormen Gewinn aus dem PayPal-Verkauf für die Gründung von Clarium Capital, einem Hedge- und Investmentfonds, der drei Jahre vor seinem Founders Fund ins Leben gerufen und 2013 aufgelöst wurde. Ein Jahr nach dem Startschuss für Clarium Capital, 2003, gründete Thiel das Unternehmen, das ihn zum einflussreichsten Tech-Unternehmer der Welt machen sollte – Palantir Technologies. Heute der wohl mächtigste Überwachungs-, Spionage-, Big-Data- und Pre-Crime-Management-Konzern aller Zeiten. Mit den Worten von CNBC: «Das CIA-unterstützte Start-up, das Palo Alto übernahm.»
Palantir weiss alles über jeden
Schon 2017 attestierte der britische Guardian dem Unternehmen «genau so viel Macht in der realen Welt zu haben wie Google, Microsoft, Facebook, Amazon und Apple» in der digitalen. Palantir operiert im Gegensatz zu den vorgängig genannten allerdings mit absoluter Geheimhaltung. Die Liste von Thiels wichtigsten Kunden liest sich dementsprechend: CIA, FBI, NSA, DHS, Center for Disease Control and Prevention (CDC), Marine Corps, Air Force, Special Operations Command, IRS (US-Steuerbehörde), Morgan Stanley, Merck, Airbus, Vereinte Nationen – um nur einige zu nennen. «Palantir weiss alles über Sie», titelte Bloomberg am 19. April 2018. Und das ist vielleicht noch untertrieben. Denn die CIA, die mittels ihres Venture-Capital-Ablegers In-Q-Tel zwei Millionen Dollar an Startkapital für Palantir beisteuerte, war von Beginn an involviert. So überwacht Palantir heute im Auftrag der US-Geheimdienste alles und jeden, um Prognosen darüber zu erstellen, wer wann wo was macht. Oder denkt. Oder schreibt. Palantir hat zu jeder relevanten Person, und das dürfte heute praktisch jeder sein, alle verfügbaren Daten konsolidiert. Alle.
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Tom-Oliver Regenauer war nach betriebswirtschaftlicher Ausbildung unter anderem als Betriebsleiter, Unternehmens- und Managementberater sowie internationaler Projektmanager tätig. Seit Mitte der 1990er-Jahre ist er zudem als Musikproduzent und Texter aktiv und betreibt ein unabhängiges Plattenlabel.
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