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UFOs – Eine unerwünschte Wahrheit?

Interview mit Frank J. Schäpel

«Brennende Kreise», «grünlich schimmernde Schiffe» oder ein «goldener Globus aus Feuer»: Menschen haben schon immer Dinge am Himmel gesehen, die sie sich nicht erklären konnten – bis jetzt? Der Künstler und UFO-Forscher Frank J. Schäpel erklärt, warum die Zeiten des «Nicht-Wissens» vorbei sind und welche Rolle das UFO-Phänomen in der Politik in naher Zukunft spielen könnte.

«DIE FREIEN»: Lieber Frank, wie kommst du dazu, UFOs und Ausserirdische zu malen und damit das Unerklärliche des Kosmos und seine paranormalen Erscheinungen zum Gegenstand deiner Kunst zu machen?

Frank J. Schäpel: Es schien mir ein gutes Thema, das sehr viel an akademischem Wissen – dem Weltbild, von dem man für gewöhnlich ausgeht – infrage stellt. Es reizt mich, ein Tabu zu brechen, eine Realität aufzugreifen, die allem Anschein nach existiert, aber vollkommen ignoriert wird. Das fand ich spannend, weil es auch eine Chance ist, weiterzukommen mit dem Verständnis von der Welt.

Ab wann hast du angefangen, UFO-Phänomene als wirklich anzuerkennen?

FS: Da war zum einen einfach die Häufung der Fälle. Es ist schon so, dass jeder einzelne Fall kritisch betrachtet werden muss und auch viele Fälle in dem Sinne fragwürdig bleiben, dass sie nicht beweisbar sind, weil die Zeugenaussagen nicht komplett überprüft werden können. Aber wenn man Zehntausende solcher Aussagen hat, die gemeinsame Motive, Handlungsabläufe und Phänomene wie Gravitationsanomalien aufweisen, dann gibt es ab einem bestimmten Punkt keinen Grund mehr, die Existenz des UFO-Phänomens generell anzuzweifeln. Gleichzeitig ist da die Qualität der technischen Daten, wie Radaraufnahmen oder Untersuchungen von Bodenproben von UFO-Landestellen. Diese harten Daten sind grösstenteils so gut dokumentiert, dass viele Wissenschaftler sie unbedingt akzeptieren würden, wenn es sich um ein gewöhnliches, anerkanntes Phänomen handeln würde statt um das tabuisierte UFO-Phänomen …

von Lilly Gebert

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Frank J. Schäpel ist bildender Künstler. Er war Schüler des international bekannten Malers und Bildhauers Georg Baselitz und arbeitet in Berlin.


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Errichte dir eine Stadt

Build yourself a city, found yourself a state.
Grab the swamp and drain it,
cut the log and plane it,
make the hills and valleys fields.
And on the manmade plain,
breath your last complain,
slay your shame,
forget your name.
Do not strive for pity, build yourself a city.

Obwohl er heute weitgehend vergessen ist, war Eric Hoffer einer der bedeutenden Philosophen des 20. Jahrhunderts. Hoffer war jedoch kein Akademiker mit hochtrabenden Titeln; er war ein Hafenarbeiter, einer von Hunderten von Männern, die Schiffe an den Docks von San Francisco entluden. Ich empfehle Ihnen Hoffers Bücher, aber heute möchte ich mich auf ein Gedicht konzentrieren, das er in einem Interview im Jahr 1967 rezitierte. Hoffer hatte es im Hafen von San Francisco gesehen, es stand an einer Wand am Pier 35 geschrieben:

Errichte dir eine Stadt, gründe dir einen Staat.
Nimm den Sumpf und lege in trocken,
fälle den Baum und hoble ihn,
mach aus den Hügeln und Tälern Felder,
Und auf der von Menschenhand geschaffenen Ebene,
hauche deine letzte Klage aus,
bezwinge deine Schande,
vergiss deinen Namen.
Strebe nicht nach Mitleid, errichte dir eine Stadt.

Nach meinem Verständnis muss dieses Gedicht im Kontext der Bürgerrechtsbewegung der damaligen Zeit gelesen werden. Falls dem so ist, war Hoffer ziemlich mutig, vor allem in seinem Aufruf «Strebe nicht nach Mitleid». Doch der Gedanke war nicht falsch und er war sicherlich nicht der Einzige, der so dachte: Der ehemalige – schwarze – Bürgermeister von Chicago, Harold Washington, pflegte zu sagen: «Wenn sie dir die Tür vor der Nase zuschlagen, brich sie auf.»

Ungeachtet meiner Vorbehalte gegen die Idee, einen Staat aufzubauen, ist dieses Gedicht wichtig für uns, die produktiven und denkenden Menschen dieser Zeit, weil wir sind jetzt die Unterdrückten und brauchen einen Weg in die Zukunft.

Wir alle wissen, dass das System uns täglich belügt. Wir wissen, wie dreist es seine bizarre und zutiefst zerstörerische Politik vorantreibt, beispielsweise wenn es unseren Kindern beibringt, dass es eine gute Idee sei, sich von einem Jungen in ein Mädchen umwandeln zu lassen und umgekehrt. Oder wenn sie Transvestiten in die Kindergärten bringen – und sich dabei wie rechtschaffene Weltretter aufführen.

Ich kann kaum glauben, solche Dinge schreiben zu müssen, und doch muss ich es tun … und wir alle müssen der Wahrheit ins Auge sehen: Das System ist komplett übergeschnappt, und es gibt niemanden, der etwas dagegen unternehmen kann ausser uns, die aktuelle Erwachsenengeneration.

Wir dürfen uns jetzt nicht in Klagen ergehen und auch nicht auf versteckte Retter hoffen oder beten, dass sich das System auf magische Weise an seine vermeintlichen Tugenden erinnert, und ganz sicher dürfen wir nicht hassen und zerstören.

Was wir stattdessen tun müssen, ist, uns eine eigene Stadt aufzubauen. Wir müssen ein neues Reich schaffen, in dem Anstand und Vernunft zumindest gleichberechtigt neben der absichtlichen Zerstörung von Werten stehen.

Noch einmal: Es gibt niemand anderen, der das tut. Das System ist wahnsinnig geworden und wenn es jemand gäbe, der uns retten kommt, hätte er es 2020 oder 2021 getan. Wir müssen uns darum kümmern. Die Alternative würde bedeuten, unsere Kinder zu opfern.

Die gute Nachricht ist, dass unsere neue Stadt bereits ein Fundament hat. Hier sind die Dinge, die wir schon haben:

unser eigenes Geld: Wir haben Geld, das ausserhalb der Monopolwährungen besteht, die dem System seine Kraft verleihen. Vor allem haben wir Bitcoin, der von niemandem bewilligt werden muss, dank seiner dezentralen Funktionsweise gegen Zensur resistent ist und wiederholte Angriffe überstanden hat. Er funktioniert weiter und wird jeden Tag einfacher. Silber und Gold haben ebenfalls ein grosses Potenzial.

unsere eigenen Schulen: Vergessen wir für einen Moment, dass uns das System zwingt, für eine zunehmend entwürdigende Schulbildung zu bezahlen: Wir haben Hausunterricht, der weitaus besser ist als staatliche Schulen, ganz zu schweigen davon, dass er wesentlich sicherer ist. Wir haben auch einige hervorragende Privatschulen (nebst einigen nicht so guten).

privater Handel: Trotz Aufblähung der Konzerne während der Nullzins-Ära gibt es nach wie vor viele Familienunternehmen; unabhängige Betriebe mit menschlichen Geschäftsleuten. Sie stehen uns zur Verfügung.

unsere Religionen: Auch wenn wir Verbesserungspotenzial in ihnen sehen; das Christentum und das Judentum bleiben bestehen, und durch sie wird die Sichtweise anständiger, produktiver Menschen getragen und weitergegeben.

Wir haben also alles, was wir brauchen, aber wir müssen handeln … und aufhören, uns schuldig zu fühlen und uns für unsere Tugenden zu entschuldigen. Wir haben eine Stadt zu bauen. Niemand wird es tun, ausser wir selbst. Das Wohlergehen unserer Kinder und Grosskinder steht auf dem Spiel. ♦

von Paul Rosenberg

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Paul Rosenberg beschäftigt sich seit der ersten Cypherpunk-Ära intensiv mit Kryptografie. Er ist Co-Autor eines Grundlagenpapiers über private digitale Volkswirtschaften. Dieser Artikel ist zuerst im März 2023 auf seinem Blog freemansperspective.com erschien. Ins Deutsche übersetzt von Michael Bubendorf und Christian Schmid Rodriguez.


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Widerstand als Weg des spirituellen Erwachens

Interview mit Mary Bauermeister (1934 – 2023).

Das schöpferische Potenzial von Kunst ist scheinbar grenzenlos. Aber wie können wir es nutzen, um die Krise der Wahrheitsfindung zu überwinden? Wir sprachen mit der Avantgardekünstlerin Mary Bauermeister über die konstruktiven Kräfte unserer destruktiven Zeit.

Im November 2021, nachdem wir auf unserer Fahrt durch Deutschland quasi obdachlos geworden sind. Kein Hotel und kein Airbnb wollte uns ohne Zertifikat beherbergen. Ein Freund vermittelte uns an das Haus der damals bereits 87-jährigen Künstlerin Mary Bauermeister. Sie selbst war an dem Abend gar nicht zugegen. Ihr wurde der Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen verliehen. Am Tag darauf entstand ein Gespräch über die Kräfte unserer Zeit, das Milosz und mich bis heute prägt.

Milosz Matuschek: Liebe Mary Bauermeister, wir leben in einer Zeit, in der es viele Diskussionen gibt über Pflichten, Abstandsgebote …, also was man alles nicht darf. Was kann die Kunst in so einer Zeit machen?

Mary Bauermeister: Zur Freiheit aufrufen. Kunst ist eigentlich eine freie Tätigkeit. Sie dient niemandem. Wenn Kunst irgendeinem anderen dient ausser dem Geist, aus dem sie entsteht – inspirativ –, dann ist sie schon korrupt.

Wo ist die Widerstandskunst? Wo ist die kritische Kunst? Man sieht wenige Künstler, die sich mit dem Thema der Krise auseinandersetzen.

MB: Ja, das war sehr viel intensiver in der Nachkriegszeit. Wir hatten die entartete Kunst, wir hatten das Verbot von Kunst. Und da gab es natürlich den Widerstand unserer ganzen Generation, die den Krieg miterlebt hat, dass wir keinem Erwachsenen überhaupt mehr geglaubt haben, auch keinem Dogma, auch keiner kirchlichen Moral. Das war ja das ganze ’68. Wir haben alles infrage gestellt, weil das Desaster von zwei Weltkriegen und dann die Wiederaufrüstung eigentlich immer mehr Empörung gebracht hat. Da wurde es verpflichtend für die Kunst, in den Widerstand zu gehen. Das heisst, sich zu wehren. Und du kannst dich nur gegen etwas wehren, was dir bewusst wird. Was unterbewusst abläuft, dem sind wir alle ausgeliefert.
Es ist immer so eine Sache: Wie wirst du dir bewusst, über die nächste Stufe hinaus, welchen Ungeistern du dienst? Das ist ein spirituelles Aufwachen. Und da sehe ich in der Kunst die Möglichkeit, sich nur dem verantwortlich zu fühlen, was aus der geistigen Welt inspirativ in mich hineinkommt. Die moralische Fähigkeit der Unterscheidung lernen, denn auch ich habe lange nicht unterscheiden können. Ich habe nicht an das Böse geglaubt. Bis ich erfahren habe, es gibt das Böse als Element, nicht als Sieger des Kampfes, sondern als…

von Lilly Gebert und Milosz Matuschek

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Mary Bauermeisters Kölner Atelier der 1960er-Jahre wird bis heute als Keimzelle der späteren Fluxus-Bewegung angesehen, einer Bewegung unter Künstlern gegen elitäre Hochkunst als Versuch, neue kollektive Lebensformen zu schaffen. Bauermeisters spätere Verbindung zur Geomantie, einer Art des Erd-Hellsehens, veranlasste sie dazu, weltweit für öffentliche wie private Auftraggeber Gärten anzulegen. Sie starb am 02. März 2023 im Alter von 88 Jahren.


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Rebell mit einem Augenzwinkern

Sam Moser ist eine der prägnantesten Stimmen der Schweizer Freiheitsbewegung. Mit seinen scharfsinnigen Protestsongs hat er vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen und Mut gemacht – und nebenbei die Hitparade gestürmt. Wir sprachen mit dem Musiker und Familienvater über Angst und Hoffnung, Erfolg und Freiheit, Wildnis und Zivilisation.

«DIE FREIEN»: Lieber Sam, viele kennen dich dank deinem massnahmenkritischen Hit «S’Mass isch voll». Erzähl uns etwas über deine Musikerkarriere vor Corona.

Sam Moser: Ich nahm mit neun Klavierunterricht, hatte mit 14 die erste Punk-Band, wir spielten Offspring-Covers. Mit meiner Band Deep Trip waren wir mit Nazareth auf Tournee in England und Deutschland. Wir gaben recht Gas, sechs Jahre lang waren wir immer auf Tour mit gut besuchten Konzerten. Nebenbei arbeitete ich als Barkeeper.

Schon vor Corona hast du sehr gesellschaftskritische, melancholische Texte geschrieben. Die Videoclips zu deinen Songs stellen oft die Natur als Kraftort dar, thematisieren den Rückzug in die Wildnis. Ist das dein Gegenrezept zur Zivilisationsverblödung?

SM: Ja, ich denke das ist ein wichtiger Schritt, dass wir aus dieser Digitalisierung heraus und mehr in die Natur gehen. Auch, dass wir versuchen, unsere Nahrung wieder selbst herzustellen oder zumindest den Bezug dazu wieder haben. Mir tut es enorm gut, in den Wald zu gehen, ich gehe jeden Tag. Dort kann ich auftanken, das hat mir auch in dieser Zeit enorm viel Kraft gegeben. Darum habe ich den Clip für meinen neuen Song «Mitenand» im Wald gemacht, nach dem Motto: Wenn alles zusammenbricht, finden wir uns dort wieder, als Jäger und Sammler. (lacht)

«Unsere Angst bringt nur Verderben» singst du in «Mitenand». Es ist klar, dass du damit auf die Ereignisse der letzten drei Jahre anspielst. Kann man die Botschaft auch an die Freiheitsbewegung richten? Auch bei den Massnahmenkritikern gibt es Ängste, Übertreibungen, Fake News …

SM: Es geht beide Seiten an. Angst spaltet immer nur noch mehr. Wir müssen uns irgendwie wieder finden. Die Impfung ist letztlich jedem seine eigene Entscheidung. Aber es gibt für mich einen Unterschied zwischen Leuten, die sich aus Angst impfen liessen oder dem Druck nicht standgehalten haben und solchen, die uns dazu zwingen wollten und uns denunzierten und als Nazis und Schwurbler beschimpften. Ich muss sagen, bei Letzteren bin ich auch auf Abstand, mit denen möchte ich auch nichts mehr zu tun haben. Dazu singe ich in meinem Song: «Wenn es nicht miteinander geht, geht es halt nebeneinander.»

Also keine versöhnlichen Gefühle für Impf-Extremisten?

SM: Nein. Aber es geht ja nicht nur um die Impfung. Das sind Leute, die wahrscheinlich bei jedem Thema so sind – man kann mit ihnen gar nicht diskutieren. Denen sage ich einfach: Geh du deinen Weg und ich gehe meinen. Fertig. Das wird jetzt vielleicht ähnlich werden bei der Digitalisierung: Wenn das so weiter fortschreitet, dass du irgendwo nicht mehr mit Bargeld bezahlen kannst, dann …

von Christian Schmid Rodriguez

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Sam Moser ist Musiker, Sänger und Songwriter. Sein neustes Lied «Mitenand» finden Sie unter lnk.site/mitenand


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Sag mir, wo ihr alle seid

Ganz hinten im Bus sitze ich, wir fahren am Thunersee entlang. Leiser Regen fällt auf die Windschutzscheibe. Ein Tag im grauen Frühsommer 2017. Ein paar Reihen vor mir sitzt ein Mensch, ganz klein zusammengekauert.

Oberhofen. Der kleine Mensch steht auf, schaut in meine Richtung, steigt aus. War es ein Nicken, ein Erkennen, ein Gruss? Ich grüsse zurück: «Salü Polo!» Nicht lange später ist er gegangen. Für immer. Der grosse Polo Hofer. Nur zwei Jahre älter als ich heute bin. Nun ist es fünf Jahre her, seit ich von seinem Tod erfahren habe.

Viele der anderen Grossen, die mich in irgendeiner Form seit meiner Kindheit begleitet haben, sind nicht mehr da. Es sind nicht nur berühmte Namen wie Polo, Mani Matter, Endo Anaconda, John Lennon, Martin Luther King, Nelson Mandela und viele mehr.

Sie heissen Beat Stähli, mit seinen wundervoll kraftstrotzenden Skulpturen. Werner Hostettler, der Tausende mit seinen Geschichten in Lokalzeitungen zu berühren verstand. Daniel Laroche, aus dem gleichen Metier, ein Regisseur und oft unterschätzter, überragender Geist. Michel Biedermann und seine unvergessliche Klarinette, seine ansteckende Begeisterungsfähigkeit. Dann die wundervolle Moni Linder, die von ihrem Pferd geworfen wurde – mit wenig mehr als 30 Jahren. Mein wunderbarer Grossvater und seine grosse, von viel Liebe erfüllte Frau. Sie alle sind gegangen.

Und ihr fehlt mir.

Gerade heute, wo ich und viele andere euch so nötig gehabt hätten. Mit eurer Gradlinigkeit, eurem wachen Geist, euren Emotionen und eurer Empathie. Wie hätten wir euch heute doch so nötig …

von Herbert Schweizer


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Mittsommer Feuernacht

23. – 25. Juni in Hölstein BL

Die Mittsommer Feuernacht ist aus viel Hoffnung, Willenskraft, Zusammenhalt und harter Arbeit entstanden. Sie wurde zum ersten Mal 2022 abgehalten, als sommerlicher Gegenpol zur Silvester Feuernacht, welche wir Ende 2021 auf der Ruine Pfeffingen ins Leben gebracht haben.

2021 war eine harte Zeit für uns alle; während fast zwei Jahren waren wir diesem grossen Druck ausgesetzt, wir kämpften täglich gegen Ausgrenzung, Vorurteile, Drohungen und Beschimpfungen. Wir hielten zusammen, erschufen gemeinsam Momente der Freude, der Gesellschaft und des Wohlseins – doch auch dies wurde immer schwerer. Mit zunehmender Kälte und unter immer strengeren Vorschriften konnten die lang ersehnten Feiern und Veranstaltungen zwar wieder stattfinden – jedoch ohne uns. Es wurde uns verboten, an den Anlässen teilzunehmen, welche unsere Seelen und Körper doch so sehr brauchen.

Wir wollten nicht weiter tatenlos zusehen und uns minderwertig fühlen – wir wollten wieder frei und lebendig sein. So entschlossen wir uns kurzerhand, eine Silvesterfeier für alle zu organisieren.

Es folgten mehrere Monate Arbeit, um alles in die Wege zu leiten. Wir diskutierten mit Behörden und Ämtern, um die nötigen Bewilligungen zu erhalten und trafen Vorkehrungen, um alle nötigen Richtlinien zu erfüllen. Obwohl die Regeln zwei Wochen vor Silvester noch einmal drastisch verschärft wurden, gelang es uns, die Feier durchzuführen. Wir hielten alle Bestimmungen ein, ausser eine: das Tanzen liessen wir uns nicht nehmen.

So wollte es das Schicksal, dass am 31. Dezember 2021, an einem wunderschönen, sonnigen Tag auf der atemberaubenden Ruine Pfeffingen sich 200 strahlende Gesichter versammelten und gemeinsam einen von Freude und Glücklichkeit erfüllten Tag in Gemeinschaft erleben konnten. Die magische Atmosphäre an diesem Tag wird allen, die dabei waren, noch lange in Erinnerung bleiben. Oft haben wir gehört, dies sei der schönste Silvester seit jeher gewesen.

In einem so düsteren Moment so viel Freude und Freiheit zu erleben, nährte uns enorm und motivierte uns, weitere Erlebnisse dieser Art zu schaffen. Alles andere ergab sich wie von selbst. Mittlerweile kommen schon zum vierten Mal wohlgesinnte Menschen aus allen Ecken der Schweiz und sogar aus Italien und Deutschland zusammen, um gemeinsam eine tolle Zeit zu erleben, die uns aus dem hektischen Alltag holt, uns nährt und auflädt, und unsere Leben mit Freude bereichert.

In der Mittsommer Feuernacht feiern wir nach jahrtausendealter keltischer Tradition den Höchststand der Sonne. Es ist der Zeitpunkt im Jahr, der von Licht und Lebensfreude nur so strotzt. In dieser Jahreszeit fehlt es uns an nichts, wir müssen nicht um unser Überleben kämpfen, sondern können einfach geniessen, dass wir hier sind und die Wunder der Natur erleben dürfen, und dass es uns gut geht. Denn es braucht für alles eine Zeit; sei es zum Arbeiten oder zum Ausruhen … An der Mittsommer Feuernacht nehmen wir uns die Zeit zum Feiern, mit tollen Spielangeboten wie Bogenschiessen, Beilwerfen, Kubbs und vielem mehr, mit leckeren, frisch zubereiteten Speisen, lebendiger Musik zum Mittanzen, umgeben von prachtvoller, üppiger Natur, die die Sonne genauso geniesst wie wir.

Feiern, an denen wir jährlich zur selben Zeit, dem Rhythmus der Natur folgend, teilnehmen, schenken uns wertvollen Halt und Sicherheit auf dem ungewissen Pfad des Lebens. Uns in einer grossen Gemeinschaft mit unseren Wurzeln zu verbinden ist enorm nährend und erdend, es fördert die innere Ausgeglichenheit und Achtsamkeit für uns, unsere Mitmenschen und die uns umgebende Natur.

Wir wünschen uns, diesen Moment der Besinnung und der Freude mit möglichst vielen Menschen teilen zu können, um gemeinsam Respekt, Toleranz, Frieden und bedingungslose Liebe in dieser Welt zu nähren! ♦


von Earth Spirit Events KLG

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Die Mittsommer Feuernacht findet vom 23. bis 25. Juni 2023 in Hölstein im Kanton Basel-Landschaft statt. Hier kannst du dich anmelden!


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The Show must go on!

Interview mit Fredy Knie junior

Es war pures Glück, das sich unter dem Zirkuszelt ausbreitete. Als sich bei der Schlussrunde gut 2100 Zuschauer zu einer Standing Ovation erhoben und der Applaus nicht abklingen wollte, war die Freude über die unersetzlichen Zirkusmomente zu spüren. Mit strahlenden Augen und einem gewinnenden Lachen liessen mich die Artisten an ihrem Stolz über die atemberaubende Show teilhaben.

Tief ergriffen fühlte ich mich, geborgen und verbunden inmitten von tausenden von Menschen, als Teil von etwas Grossem. Dieses Gefühl hatte ich lange nicht mehr erlebt. Dabei zu sein, wenn alle den Atem anhalten und mitfiebern, Auge in Auge mit den Artisten zu sein, den Luftzug ihrer Trapezkünste zu spüren und gemeinsam über die Missgeschicke der Komiker zu lachen – das sind elementare Erlebnisse, die kein Bildschirm ersetzen kann.

Scharen von Menschen, vom Kleinkind bis zur Grossmutter, standen Schlange am Zuckerwatte-Automaten, beim Wurststand oder vor den WCs. Menschliche Nähe war hier unausweichlich. Während drei Stunden fanden so viele Leute auf engstem Raum auf angenehme Weise zusammen. Es war schön, wieder einmal solche verbindenden Momente zu erleben: Wenn Tausende von Händen zu den gelungenen Kunststücken klatschen, tausend heitere Seelen über die Clowns lachen, wenn zur Musik die Lichter der Handys in der Luft hin und her schweifen und der Duft von Popcorn um meine Nase streichelt, dann entsteht eine wunderbare Stimmung, die sich wie Samt um mein Bewusstsein legt.

Hier werden Emotionen verkauft. Dieses Metier versteht die Familie Knie wie niemand anderes. Kinder wie Erwachsene erleben hier, was Menschen gemeinsam schaffen können. Schaffen im Sinne künstlerischer Herausforderungen; schaffen aber auch im Sinne autonomer Unternehmensführung. Rund 150 Mitwirkende jeden Alters, aus verschiedenen Nationen und Kulturen, mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Gesinnungen arbeiten unter einem Zirkuszelt zusammen – ein echtes Kunststück. Tradition erhalten und gleichzeitig mit der Zeit gehen – wie ist dieser Spagat machbar? Ich wollte von Fredy Knie junior wissen, was die Zirkusfamilie Knie zusammenhält und was das Geheimnis ihrer Erfolgsgeschichte ist. Ich traf den pensionierten Zirkusdirektor in Rapperswil im Kanton Zürich im legendären Medienwohnwagen zum Interview.

«DIE FREIEN»: Herr Knie, mit dem Hochseilakt in einer offenen Arena wurden die vier Brüder Knie aus Österreich nach dem Ersten Weltkrieg in der Schweiz bekannt. Einem Hochseilakt gleicht auch die Herausforderung, über 100 Jahre als Zirkus in einer derart spannungsgeladenen Gesellschaft zu bestehen.

Fredy Knie junior: Ja, über 100 Jahre ein Familienunternehmen aufrechtzuerhalten, das muss erst mal jemand nachmachen. Wir sind durch schwierige Zeiten, wie den Zweiten Weltkrieg. Es war immer ein Auf und Ab, das wird es auch bleiben …

von Prisca Würgler


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Bariletti – durch Dur und Moll

Der Musiker und Tüftler Jürg Bariletti hat in seinem Leben alle möglichen Tonlagen durchgespielt und immer wieder von Neuem angefangen. Im Gespräch erzählt er uns über die vielen Stationen in seinem Leben, wie ihn seine Kindheit geprägt hat, und woher seine «Autoritätsparanoia» kommt.

Einige Stufen hinab, durch einen verwinkelten Gang. Es eröffnet sich dem Besucher ein kleiner Saal, der beinahe an eine Ausstellung erinnert; das Reich des freien Experimentalmusikers, Pianisten und Klavierrestaurators Jürg Bariletti. Herzlich ist sein Willkomm zwischen Klavieren, selbstgebauten Instrumenten, Kunstwerken eines Untermieters, einer kleinen Bar mit dahinterliegender Küche. Dann der Flügel, sein wichtiger Mittelpunkt im Raum.

Es ist nicht einfach, wenn nicht gar unmöglich, Bariletti einzuordnen. Musiker, Klavierrestaurator und Pianostimmer, Künstler; all dies zeigt nur einen kleinen Teil seiner grossen Vielseitigkeit und seiner Begabungen.

Wir sitzen nebeneinander auf einem alten Sofa an der Wand und plaudern über vergangene Zeiten, das Heute und über uns. Seine Geschichte und sein umfangreiches Wissen beeindrucken. Ein feinfühliges Wesen kommt an die Oberfläche. Sein Leben, von vielen Höhen und zahlreichen Tiefen gezeichnet, hat zahlreiche Tonlagen, wie es für einen von grandioser Musikalität durchfluteten Musiker offensichtlich zwingend ist.

Bariletti ist in Chur zusammen mit seiner Schwester bei Adoptiveltern aufgewachsen, nachdem die beiden in einem Waisenhaus gelebt hatten. Oft wird seine Geschichte von einem ansteckenden Lachen unterbrochen. Dies, obwohl seine Kindheit wenig Anlass dazu gegeben hat. Die beiden Geschwister gehörten zu den Hunderten von «Kindern der Landstrasse», die von Schweizer Behörden ihrer Mutter und Familie entrissen, geraubt und fremdplatziert wurden.

Er durchlebt diese Kindheit in einer patriarchalisch geprägten Adoptivfamilie, die keine Abweichungen von ihrem sehr engstirnigen Lebensbild zulässt. Seine Kontakte zu Gleichaltrigen sind hart eingeschränkt, aus Furcht, er könne ungeliebten Einflüssen ausgesetzt werden, wie Plastikspielzeug, Fernseher, Süssigkeiten, Comics und anderem mehr. Diese Erziehungsmethode würde heute als «schwarze Pädagogik» bezeichnet. Daraus resultierte, wie Bariletti festhält, «eine Autoritäts- und Beobachtungsparanoia, welche mich bis heute prägt» …

von Herbert Schweizer


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Ein Ticket für verbotene Kunst

Eindrücke aus dem Musical «Shen Yun»

In unserer Redaktion flattert so manche Post durch den Briefkastenschlitz. Von Werbebroschüren für Kugelschreiber oder Verpackungsmaterial bis zu Büchern. Eine Broschüre für das Musical «Shen Yun» lag bereits auf dem Altpapierstapel. Ein Blick zurück machte mich neugierig: «Verbotene Volkskunst wird wiederbelebt.» Mit verbotenen Inhalten ist man bei mir an der richtigen Adresse: Die Broschüre schaffte es zurück auf meinen Schreibtisch. Zehn Minuten später waren zwei Karten reserviert.

Das Musical Theater Basel ist bis auf den letzten Platz besetzt. Das Publikum lauscht gebannt den ersten Klängen des Orchesters und lässt sich durch die farbenfrohe Kleiderpracht und die artistische Tanzchoreografie verzaubern und in eine andere Welt entführen.

Hier werden wir nun in die Geschichte der Unterdrückung der über 5000-jährigen Volkskunst Chinas eingeweiht. In China sind die Ausübung und die Vorführung dieses fantastischen Kulturerbes verboten. Weshalb, ist mir noch etwas schleierhaft. Ist die Kulturrevolution noch nicht überwunden? Auch wenn das kommunistische China nach wie vor repressiv geführt wird – Shows sind doch möglich …

Nebst atemberaubenden Bühnenbildern und ästhetischer Perfektion lassen mich die Inhalte der einzelnen Programmstücke aufhorchen: Dramatische Inszenierungen aus Kriegs- und Kaiserzeiten wechseln sich mit verschiedenen Volkstänzen von ethnischen Minderheiten, wie beispielsweise der Mandschuren, der Tibeter oder Mongolen ab. Nebenbei überrascht eine moderne 3D-Bühnentechnik. Figuren, die über die Leinwand schweben, stehen plötzlich auf der Bühne oder umgekehrt. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Ein dem Alkohol zugeneigter Mönch führt seinen Meister hinters Licht und trickst mit seiner eigensinnigen Art die halbe Stadt aus. Sein Schalk mag manchem Zuschauer ein Lachen abgewinnen. Doch nun wird es ernst: In der nächsten Szene wird der Kommunismus in seiner brutalsten Form dargestellt und das grosse Verbrechen aufgezeigt. Nun meine ich zu verstehen, warum das Musical in rund 20 Ländern, aber auf keinen Fall in China aufgeführt werden kann.

In einem Park wird ein Mädchen von ihrer Mutter mit dem Geschenk eines selbstgenähten Schals überrascht. Der Vater möchte den Moment der Glücklichen mit der Kamera festhalten. Dankbar setzen sich die beiden hin, um Meditationsübungen zu praktizieren, die auf den Werten von Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht basieren.

Wird hier die Kulturrevolution zu Maos Zeiten inszeniert?

Doch da tauchen schwarz gekleidete Männer mit Stöcken auf. Auf ihren Rücken prangen rot Hammer und Sichel, das Parteizeichen der KPCh. Mutter und Tochter werden verhaftet. Im Gefängnis werden sie voneinander getrennt. Die Tochter wird getötet; ihre Organe werden zur Spende freigegeben.

Ich frage mich, ob zu Maos Zeiten in den 1960er-Jahren Organspende schon praktiziert wurde oder ob meine historische Einschätzung gerade durcheinandergeraten ist. Eine Recherche zum Thema lässt mich verstört zurück: Politische Gefangene in China sollen als lebende Organlager nach Bedarf hingerichtet werden, um den Transplantationsmarkt Chinas, auf dem grosse Nachfrage herrscht, pünktlich zu beliefern. Der gruselige, ja abstossende Vorwurf wird durch internationale Berichte gestützt; in der führenden medizinischen Fachzeitschrift The Lancet finden sich Publikationen zur «Organernte von exekutierten Gefangenen in China». Die chinesischen Behörden bestätigen selbst, dass «die meisten Organe von Leichen exekutierter Gefangener stammen». Zwar hat die chinesische Regierung versprochen, diese mörderische Praxis zu beenden, doch bis heute werden Berichten zufolge in China Gefangene für Organspenden systematisch hingerichtet. Opfer dieser Praxis seien insbesondere politische Gefangene und Angehörige ethnischer Minderheiten.

Der Kontext erschliesst sich mir durch die Ansage, in der betont wird, dass die Verfolgung von Menschen, die meditieren, auch heute noch an der Tagesordnung sei. Diese Szene bildet also die aktuelle Lage ab. Das Programmheft klärt auf: Bei den Meditierenden handelt es sich um Anhänger von «Falun Dafa». Hinter dem Musical-Ensemble «Shen Yun» steht Falun Gong.

Diese spirituelle Bewegung wurde 1992 in China gegründet und ist auch als Falun Dafa bekannt. Ihre Anhänger praktizieren Meditationsübungen, die aus dem Qigong abgeleitet sind. Der Gründer der Bewegung lebt heute in den USA. Nach der Gründung von Falun Gong durch Meister Li Hongzhi in China wurde die Bewegung von der chinesischen Regierung zunächst sogar gefördert. Doch Mitte der 1990er-Jahre drehte der Wind, die KPCh begann, Falun Gong aufgrund ihrer Mitgliederzahl, ihrer Unabhängigkeit vom Staat und ihrer spirituellen Lehre als Bedrohung anzusehen. Im April 1999 erreichten die Spannungen ihren Höhepunkt, als sich über 10’000 Falun-Gong-Praktizierende friedlich auf dem Gelände vor der Zentralregierung in Peking einfanden, um für rechtliche Anerkennung und Freiheit von staatlicher Einmischung zu appellieren. Dieses später als «Demonstration» bewertete Ereignis wird weitläufig als Katalysator der darauffolgenden Verfolgung angesehen. Manche meinen jedoch, dass es von der KPCh arrangiert worden sein könnte, um die Verfolgung zu rechtfertigen. Es folgten Zensur, Hetzkampagne, Verbot.

Der Vorwurf: Störung der sozialen Ordnung

Ein Ziel der KPCh war und ist es vermutlich immer noch, Falun Gong auszurotten. Falun-Gong-Praktizierende werden in China massiv verfolgt und von der chinesischen Regierung oft gezielt als Opfer der «Organernte» ausgewählt, wie Reuters berichtet. Seit Beginn der Verfolgung um 1999 begannen die Anhänger, aktiv ihre Menschenrechte in China einzufordern. So erwuchs eine weltweite Bewegung mit einer geschätzten Mitgliederzahl im zweistelligen Millionenbereich. Sie ist im Exil zu einer mächtigen Stimme gegen die kommunistische Partei geworden.

In meiner Recherche über Falun Gong stiess ich auf drei SRF-Beiträge aus den Jahren 1999 und 2005. Im ältesten wird bereits ins Feld geführt, Falun Gong sei eine Sekte. Man rate mal, wer der Experte ist, der vor gefährlichen Tendenzen warnt – es ist der altbekannte Georg Schmid, der auch Menschen, die die Corona-Politik hinterfragen, in die Nähe von Sekten, Gewalt und Pathologie rückt. Ein weiterer «Experte» betont, dass die Verfolgung einzelner Falun-Gong-Anhänger nicht nur dem repressiven Regime in China zuzuschreiben sei – während Bilder gezeigt werden, wie die Schriften von Li Hongzhi massenweise zerstört werden. Ich schlucke leer – die Diffamierung von Andersdenkenden schien auch in diesem Fall schon relativ opportun gewesen zu sein. Dann betont der Sinologe Thomas Fröhlich von der Uni Zürich doch noch: Tatsache sei, dass die Toleranz gegenüber Falun Gong in vielen Staaten grösser sei als in China. Die Vorwürfe an Falun Gong bleiben seltsam nebulös; so wird beispielsweise die Verweigerung von bestimmten medizinischen Behandlungen als eine Form von Selbstmord kritisiert.

Ja, Falung Gong ist eine spirituelle Bewegung und macht daraus auch keinen Hehl. Sie verbindet Daoismus mit buddhistischen Praktiken und ihre Anhänger glauben – wie bei den meisten Religionen – an eine grosse Erlösung. So wird im Musical «Shen Yun» ein Sologesangsstück aufgeführt, dessen Übersetzung auf der Leinwand eingeblendet wird:

«Die Welt in Aufruhr, den Menschen einer Prüfung gleich, im Chaos erlösen Gottheiten die Gutherzigen zurück ins Himmelsreich. Nicht an Gottheiten zu glauben, stellt modernes Denken dar, da Atheismus und Evolutionstheorie eine reine Täuschung ist …»

In der Pause erinnere ich mich an die Bücher von Tiziano Terzani. Er lebte ab 1975 mehrere Jahre in China und war Asiens Auslandskorrespondent für den Spiegel. Schon vor Maos Tod reiste er von Singapur aus regelmässig zur Grenze Chinas und berichtete aus erster Hand über die Gräueltaten der Kulturrevolution. Eindringlich schilderte er das unermessliche Elend und die Zerstörung des kulturellen, geistigen, menschlichen Erbes Chinas.

Ein Strohhalm aus Überlieferungen inmitten der kulturellen Verwüstung?

Alles, was kulturelle Anbindung und Verwurzelung bot, wurde damals ausgelöscht. Ist die Bewegung Falun Dafa ein Strohhalm aus Überlieferungen zerstörten Kulturguts? Ist «Shen Yun» die Frucht aus dem Samen, der in der Asche der Zerstörung überdauerte?

Jedenfalls bringt sie eine beeindruckende Vielfalt künstlerischen Ausdrucks chinesischer Traditionen auf die Bühne. 24 Jahre nachdem in der Schweiz erstmals über diese Bewegung berichtet wurde, ist sie schon fast im Mainstream angelangt. Das Musical zieht mit seinen vier Aufführungen rund 6000 Besucher nach Basel in den Theatersaal.

Die letzte Szene von «Shen Yun» zeigt deutlich die heutige Situation in China: Menschen an ihren Handys irren wie Marionetten umher. Die KP-Spitzel lauern überall. Eine Gruppe von meditierenden und tanzenden und sich umarmenden Menschen werden mit Knüppeln zu Boden geprügelt. Im gleichen Atemzug tauchen auch die Vollstrecker der Null-Covid-Strategie auf. Sie agieren Hand in Hand mit den Regimeinformanten. Von der Leinwand her rollt apokalyptisch eine Sintflut auf die Geschundenen auf der Bühne heran. Da tritt ein Mönch auf: Er strahlt das Licht der Liebe aus und hält damit den drohenden Untergang auf – das ist der Beginn des Goldenen Zeitalters.

Unterdrückung, Denunziation, Gesundheitstotalitarismus, Polizeigewalt gegen friedlichen Protest; all dies haben wir in den letzten drei Jahren auch bei uns der Schweiz erlebt. China ist heute überall und viele Politiker sehen die Kommunistische Partei als Vorbild: Justin Trudeau, Premierminister von Kanada, brachte seine Bewunderung für die Diktatur Chinas öffentlich zum Ausdruck und auch die Regierung in der Schweiz findet immer grösseren Gefallen an autokratischem Handeln, Notverordnung und der Umgehung demokratischer Prozesse. Die totalitäre Politik der Kommunistischen Partei Chinas wurde zum internationalen Exportschlager. Wir werden sie überwinden müssen, damit das «Goldene Zeitalter» anbricht. Denn ich befürchte, dass da kein Mönch kommen wird, um das für uns zu erledigen.

Die Zuschauer quittieren die Aufführung mit Standing Ovations. Ich bin mir nicht ganz schlüssig: Klatschen wir zum kommenden Neuanfang? Oder zum wachsenden Bewusstsein über die staatlichen Verbrechen? Und insgeheim frage ich mich: Wann überführen wir die westlichen Verbrechen auf der Weltbühne? ♦

von Prisca Würgler


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Krabat und ich

Die Geschichte des «Krabat» zeigt, dass das Böse seinen Kampf seit langer Zeit auf die gleiche Weise führt. Und wie jene, die für das Gute kämpfen, gewinnen können.

Auf mysteriöse Weise findet der Bettlerjunge Krabat zur Mühle am Koselbruch und wird vom Müllermeister als Lehrjunge aufgenommen. Der Dreissigjährige Krieg hat den Menschen brutal zugesetzt und als Krabats Mutter an der Pest starb, blieb ihm nichts als ein einfaches Holzkreuz, das seine Mutter um den Hals getragen hatte. Seither schlägt sich Krabat mit anderen Kindern als Bettler durch. Das Leben auf der Mühle bietet ihm trotz der harten Schinderei ein besseres Leben. Unter den anderen elf Mühlknappen, die schon länger dort rackern, findet er auch Freunde. Doch etwas stimmt nicht mit der Mühle und ihrem Meister.

Die schwarze Kunst

In der Neumondnacht realisiert Krabat, dass er in eine brandgefährliche Situation geraten ist; ein dunkler Kutscher fährt am Koselbruch vor, doch er bringt kein Getreide zum Mahlen. Noch in der Nacht verarbeiten die Mühlgesellen im «siebten Mahlgang» die menschlichen Knochen zu Mehl. Der unheimliche Vorgang ist schnell vergessen, auch deshalb, weil keiner der anderen Jungen über die Vorgänge der Neumondnächte sprechen will – Krabat blitzt mit seinen Fragen ab. Doch die Magie des Koselbruchs hat auch schöne, ja faszinierende Seiten. Nach bestandener Probezeit folgt Krabat an Ostern einer besonderen Einladung des Meisters; entgegen den eindringlichen Warnungen des Altgesellen Tonda unterwirft sich Krabat dem Initiationsritual des Ochsenjochs. Von nun an gehört er mit Haut und Haaren dem Müllermeister.

Zunächst geniesst er die daraus entstehenden Vorteile; endlich hat er die Kraft, um Mehlsäcke mit derselben Leichtigkeit zu heben wie die anderen Gesellen, selbst den beladenen Wagen kann er nun alleine ziehen und seine Wunden verheilen schnell. Vor allem aber darf er endlich an des Meisters Einweisungen in schwarzer Magie teilnehmen. Schnell und fleissig lernt der Junge die Kunst der Zauberei.

Doch bald erschliesst sich Krabat endgültig, dass er in einer todbringenden Situation gefangen ist: Jedes Jahr stirbt ein Müllergeselle auf brutale Weise und wird durch einen Neuankömmling ersetzt. Die Kraft und die Jugend des verstorbenen Gesellen erneuern jährlich die Lebensgeister des Meisters, der Ende des Jahres arg geschwächt und halb tot von der Mühle fährt, um an Neujahr – nach dem Tod eines Gesellen – in neuer Frische auf den Hof zurückzukehren. Entsetzt versucht Krabat zu fliehen, wird durch den Meister jedoch mit einer List daran gehindert: Nachdem er stundenlang gerannt ist und sich endlich in Sicherheit glaubt, lösen sich die Trugbilder auf, die der Meister vor seine Augen gezaubert hatte – Krabat realisiert, dass er die ganze Zeit im Kreis gerannt ist und in Wirklichkeit erneut vor den Toren der todbringenden Mühle steht.

Wir Müllerknappen

Der Jugendroman «Krabat» von Otfried Preussler zog mich schon als Kind in den Bann. Es ist eine zauberhafte Geschichte, die ich auch als Erwachsener gerne mal wieder las. Natürlich habe ich die Geschichte auch meinen Kindern vorgelesen und an Heiligabend haben wir uns gemeinsam die gelungene Verfilmung aus dem Jahr 2008 angesehen. Der sehenswerte Film ist eine liebevolle Umsetzung der Buchvorlage aus dem Jahr 1971, die wiederum auf einer alten sorbischen Sage basiert.

Die Geschichte ist bis heute aktuell. Es scheint, dass sich die Menschen – heute sogar noch mehr als früher – der Unterjochung freiwillig beugen. Wurden wir tatsächlich zur «Impfung» gezwungen? Hat man irgendjemand unter physischem Zwang zu einem PCR-Test gebracht? Wer hat jemals ausprobiert, was passiert, wenn er die Steuern nicht mehr bezahlt? Wir beugen uns dem modernen Ochsenjoch mit derselben Freiwilligkeit, wie Krabat dies tat. Und die heutigen Meister? Sichern sie sich unsere Loyalität und die Früchte unserer Arbeit nicht mit derselben List wie der Müllermeister vom Koselbruch? Sie lassen uns Anteil nehmen an ihrer «schwarzen Magie» und machen uns damit zu Komplizen. Die Tyrannei wäre – das Wort stammt von Ayn Rand – ohne die «Zustimmung des Opfers» nicht möglich. Bildhaft deutlich wird dies im «Krabat», wenn der jeweils todgeweihte Müllergeselle tapfer mit dem Spaten in der Hand zum Koselbruch schreitet, um dort sein eigenes Grab auszuheben. Und so sind wir es, die freiwilligen Opfer der Tyrannen, die unsere Unterdrücker selbst am Leben erhalten. Wie in Krabats Geschichte ist es unser Verderben, das die Meister immer wieder verjüngt und mit neuen Kräften in das Spiel zurückkehren lässt. Die wenigen, die aus der ständigen Wiederholung von Tod und Verderben ausbrechen wollen, werden mit Illusionen an der Flucht gehindert.

Das Herz weist den Weg

Auch wie wir aus diesem Teufelskreis ausbrechen können, zeigt uns Krabat auf: Er widersteht den Spaltungsversuchen des Meisters, der geschickt bei jenen Gesellen ansetzt, mit denen Krabat kleine Feindseligkeiten unterhält. Doch Krabat weigert sich, seine Gefährten zu verraten – auch und gerade jene, die er nicht ausstehen kann. Und es ist ausgerechnet der verhasste Mitstreiter, der die Geschicke auf der Mühle so leitet, dass der Kampf schliesslich auf ein anderes Feld geführt wird. Denn den Kampf gegen den bösen Herrn könnte Krabat mit dessen eigenen Mitteln nicht gewinnen. Die schwarze Kunst dient nur dem Bösen, der in dieser Disziplin nicht zu schlagen ist. Und natürlich wird der Meister letztlich durch jene Kraft besiegt, die das Böse nicht kennt, nicht versteht und nicht beherrscht: Die Kraft der Liebe. ♦

von Michael Bubendorf


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