Errichte dir eine Stadt

Build yourself a city, found yourself a state.
Grab the swamp and drain it,
cut the log and plane it,
make the hills and valleys fields.
And on the manmade plain,
breath your last complain,
slay your shame,
forget your name.
Do not strive for pity, build yourself a city.

Obwohl er heute weitgehend vergessen ist, war Eric Hoffer einer der bedeutenden Philosophen des 20. Jahrhunderts. Hoffer war jedoch kein Akademiker mit hochtrabenden Titeln; er war ein Hafenarbeiter, einer von Hunderten von Männern, die Schiffe an den Docks von San Francisco entluden. Ich empfehle Ihnen Hoffers Bücher, aber heute möchte ich mich auf ein Gedicht konzentrieren, das er in einem Interview im Jahr 1967 rezitierte. Hoffer hatte es im Hafen von San Francisco gesehen, es stand an einer Wand am Pier 35 geschrieben:

Errichte dir eine Stadt, gründe dir einen Staat.
Nimm den Sumpf und lege in trocken,
fälle den Baum und hoble ihn,
mach aus den Hügeln und Tälern Felder,
Und auf der von Menschenhand geschaffenen Ebene,
hauche deine letzte Klage aus,
bezwinge deine Schande,
vergiss deinen Namen.
Strebe nicht nach Mitleid, errichte dir eine Stadt.

Nach meinem Verständnis muss dieses Gedicht im Kontext der Bürgerrechtsbewegung der damaligen Zeit gelesen werden. Falls dem so ist, war Hoffer ziemlich mutig, vor allem in seinem Aufruf «Strebe nicht nach Mitleid». Doch der Gedanke war nicht falsch und er war sicherlich nicht der Einzige, der so dachte: Der ehemalige – schwarze – Bürgermeister von Chicago, Harold Washington, pflegte zu sagen: «Wenn sie dir die Tür vor der Nase zuschlagen, brich sie auf.»

Ungeachtet meiner Vorbehalte gegen die Idee, einen Staat aufzubauen, ist dieses Gedicht wichtig für uns, die produktiven und denkenden Menschen dieser Zeit, weil wir sind jetzt die Unterdrückten und brauchen einen Weg in die Zukunft.

Wir alle wissen, dass das System uns täglich belügt. Wir wissen, wie dreist es seine bizarre und zutiefst zerstörerische Politik vorantreibt, beispielsweise wenn es unseren Kindern beibringt, dass es eine gute Idee sei, sich von einem Jungen in ein Mädchen umwandeln zu lassen und umgekehrt. Oder wenn sie Transvestiten in die Kindergärten bringen – und sich dabei wie rechtschaffene Weltretter aufführen.

Ich kann kaum glauben, solche Dinge schreiben zu müssen, und doch muss ich es tun … und wir alle müssen der Wahrheit ins Auge sehen: Das System ist komplett übergeschnappt, und es gibt niemanden, der etwas dagegen unternehmen kann ausser uns, die aktuelle Erwachsenengeneration.

Wir dürfen uns jetzt nicht in Klagen ergehen und auch nicht auf versteckte Retter hoffen oder beten, dass sich das System auf magische Weise an seine vermeintlichen Tugenden erinnert, und ganz sicher dürfen wir nicht hassen und zerstören.

Was wir stattdessen tun müssen, ist, uns eine eigene Stadt aufzubauen. Wir müssen ein neues Reich schaffen, in dem Anstand und Vernunft zumindest gleichberechtigt neben der absichtlichen Zerstörung von Werten stehen.

Noch einmal: Es gibt niemand anderen, der das tut. Das System ist wahnsinnig geworden und wenn es jemand gäbe, der uns retten kommt, hätte er es 2020 oder 2021 getan. Wir müssen uns darum kümmern. Die Alternative würde bedeuten, unsere Kinder zu opfern.

Die gute Nachricht ist, dass unsere neue Stadt bereits ein Fundament hat. Hier sind die Dinge, die wir schon haben:

unser eigenes Geld: Wir haben Geld, das ausserhalb der Monopolwährungen besteht, die dem System seine Kraft verleihen. Vor allem haben wir Bitcoin, der von niemandem bewilligt werden muss, dank seiner dezentralen Funktionsweise gegen Zensur resistent ist und wiederholte Angriffe überstanden hat. Er funktioniert weiter und wird jeden Tag einfacher. Silber und Gold haben ebenfalls ein grosses Potenzial.

unsere eigenen Schulen: Vergessen wir für einen Moment, dass uns das System zwingt, für eine zunehmend entwürdigende Schulbildung zu bezahlen: Wir haben Hausunterricht, der weitaus besser ist als staatliche Schulen, ganz zu schweigen davon, dass er wesentlich sicherer ist. Wir haben auch einige hervorragende Privatschulen (nebst einigen nicht so guten).

privater Handel: Trotz Aufblähung der Konzerne während der Nullzins-Ära gibt es nach wie vor viele Familienunternehmen; unabhängige Betriebe mit menschlichen Geschäftsleuten. Sie stehen uns zur Verfügung.

unsere Religionen: Auch wenn wir Verbesserungspotenzial in ihnen sehen; das Christentum und das Judentum bleiben bestehen, und durch sie wird die Sichtweise anständiger, produktiver Menschen getragen und weitergegeben.

Wir haben also alles, was wir brauchen, aber wir müssen handeln … und aufhören, uns schuldig zu fühlen und uns für unsere Tugenden zu entschuldigen. Wir haben eine Stadt zu bauen. Niemand wird es tun, ausser wir selbst. Das Wohlergehen unserer Kinder und Grosskinder steht auf dem Spiel. ♦

von Paul Rosenberg

***

Paul Rosenberg beschäftigt sich seit der ersten Cypherpunk-Ära intensiv mit Kryptografie. Er ist Co-Autor eines Grundlagenpapiers über private digitale Volkswirtschaften. Dieser Artikel ist zuerst im März 2023 auf seinem Blog freemansperspective.com erschien. Ins Deutsche übersetzt von Michael Bubendorf und Christian Schmid Rodriguez.


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