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Zwischen gut und gut gemeint

Wieso wir einen weisen Egoismus brauchen.

Der eine ist ein erfolgreicher Unternehmer, der andere hat sich vor drei Jahrzehnten von seinem gutbezahlten Job als Ingenieur verabschiedet, um sich mehr und mehr mit dem unnötigen Leiden auseinanderzusetzen. Alec Gagneux und Daniel Model im Zwiegespräch.

«DIE FREIEN»: Für wen stehen Sie beide jeden Morgen auf? Für sich oder für andere?

Daniel Model: Ich vertrete grundsätzlich die Kunst, ein Egoist zu sein. Das erscheint mir sehr wichtig, aber es ist eben eine Kunst, und deshalb sehr anspruchsvoll. Das heisst, ich muss nach mir selber schauen, als physische Voraussetzung meiner Gesundheit. Ansonsten würde ich – allein schon als Eigentümer einer Firma, die mit 4500 Mitarbeitern die Grösse einer Gemeinde hat – andere in Mitleidenschaft ziehen. Wenn ich also als Gemeindepräsident aufstehe und die Grundarbeiten bezüglich mir selber gemacht sind, kommt die Verantwortung, und dann sind es plötzlich doch die anderen, oder?

Alec Gagneux: Ich denke, es ist etwa 40 Prozent für andere und 60 für mich, wenn ich mit dem rechten Bein aufstehe. Wenn ich mit dem linken aufstehe, ist es umgekehrt. Und ich schätze auch den Egoismus. Aber es braucht einen weisen Egoismus. Diesen definiere ich nach Mani Matter: «Dene wos guet geit, giengs besser – Giengs dene besser wos weniger guet geit.» Mir kann es also nur gut gehen, wenn es den anderen auch gut geht. Eines meiner Hauptanliegen ist der Hunger: Es verhungern etwa 50 Millionen Menschen pro Jahr – das ist kein Thema, interessiert niemanden. Es gibt keine UNO-Versammlung, die sagt: Jetzt brauchen wir mal 200 Milliarden sogenanntes «Sondervermögen»! Aber gleichzeitig haben wir jetzt 100 Milliarden «Sondervermögen» für Rüstung und nennen das «ein Hilfspaket für die Ukraine». Somit frage ich mich, manchmal schon vor dem Aufstehen: Wo könnte man eigentlich einen Hebel ansetzen, damit es den anderen auch besser geht? Damit es auch mir wieder besser geht? Das sind so die indirekt egoistischen Komponenten. Ich habe lange im buddhistischen Kontext gelebt und dort ist eigentlich die Motivation wichtiger als die Tat selber. Ich schwebe also immer zwischen Altruismus und Egoismus. Allerdings ist beim Egoismus die Voraussetzung für mich, keinen Schaden für andere auszulösen. Und das ist auch schon schwierig.

Zumindest einen «Hebel» scheinen Sie darin gefunden zu haben, dass Sie seit 2019 Ihr Sommer-«WEFF» (Sinnvolles Wachstum für Erde, Frieden und Freiheit) in Davos veranstalten – quasi eine Gegenveranstaltung zum Winter-WEF. Haben Sie schon mal daran gedacht, Klaus Schwab einzuladen?

AG: Ich spreche mit jedem, auch mit Herrn Schwab. Ich finde es wirklich wichtig, dass wir eine Kultur haben, in der wir fähig sein müssen, mit jedem zu sprechen. Mit jedem. Das bedeutet auch mit einem absoluten Terroristen. Wir müssen an einem Tisch sitzen können und verhandeln. Wenn wir das nicht können, sterben weiterhin Millionen von Menschen.

Entspräche dies auch dem W in «WEFF» – Ihrer Intention eines sinnvollen Wachstums?

AG: Ich habe mir überlegt, ob ich beim W «Wahrheit» schreiben sollte und habe es dann gelassen. Das stösst viele Leute ab, die sagen dann: Der meint, er wisse alles. Das meine ich überhaupt nicht, aber ich suche trotzdem die Wahrheit. Deshalb kommt eben das «Sinnvolle» dazu. Denn wenn das Leben keinen Sinn macht, dann kann man es auch sein lassen. Mit Wachstum ist auch das geistige Wachstum gemeint, aber das muss ich nicht jedem sagen.

Lynn Margulis zeigte 1998 in «Der symbiotische Planet» auf, dass sich mehrzelliges, «höheres» Leben vor Milliarden Jahren nicht allein aufgrund von Mutation und Selektion, sondern vor allem durch Vereinigung und Symbiose entwickeln konnte und brachte damit Darwins Paradigma des «Survival of the fittest» ins Wanken. Wenn es nicht der Egoismus war, sondern die Kooperation, die uns zum Menschen werden lassen hat – warum wird unser Leben dann von diesem «Kampf ums Dasein» dominiert?

DM: Ich glaube, wir haben so einen Kurs bekommen von der Natur, von der Schöpfung. Aus dieser Veranlagung können wir Glück oder Probleme schaffen. Das ist ja das Spannende: Dass es dann eben doch am Individuum liegt, wie stark es sich in einer Beziehung einbringt oder wie sehr es aufs Destruktive Wert legt. Die Freiheit ist ein unglaublich hoher Anspruch, der auch nur mit einem ganz hohen Preis zu bezahlen ist. Deshalb dürfen wir nicht daran verzweifeln, dass die Menschen auch daran scheitern können.

AG: Ich habe von Anfang an gemerkt, dass es mir in der Entwicklungszusammenarbeit nicht reicht, nur «gut» und «gut gemeint» unterwegs zu sein. Gut gemeint bedeutet einfach zu häufig schlecht. Das sieht man bei unserem Sozialsystem: Die Leute werden abhängig von der Welthungerhilfe, die Armut geht hoch wie noch nie und der Hunger hat sich in den letzten drei Jahren verdoppelt! Da zähle ich auch das World Economic Forum mit rein. Seitdem die sich vor 50 Jahren «Improving the State of the World» auf die Fahnen geschrieben haben, nehmen die Fischbestände ab und der Hunger zu. Diese Ideologie ist für mich eine Konkurserklärung. Deshalb wünsche ich mir ein Wirtschaftssystem, das anders misst. Erst dann kann ich mir vorstellen, dass die Ziele der Agenda 2030 so weit erreicht werden können, dass das Leiden abnimmt und diejenigen, die jetzt davon profitieren, nicht mehr profitieren. Ich denke, wir müssen wegkommen von einer Konkurrenzwirtschaft zu einer – und das ist nicht einfach, es ist ein bisschen ein Traum – kooperativen Menschheitsfamilie.

DM: Das Wirtschaften ist eigentlich etwas Natürliches, das Problem ist, was der Mensch daraus gemacht hat. Mit dem Fractional Banking System hat er die Wirtschaft so gehebelt, dass die Finanzseite die Realwirtschaft völlig verlassen hat. Das ist ja aus wirtschaftlicher Sicht das ganz Schlimme: Wenn Sie das Geld einfach so aus dem Nichts machen, bezahlen Sie plötzlich kulturelle Preise, Preise der Degeneration. Ich habe aber schnell gemerkt, dass sie unsere Kultur als solche nicht angreifen können. Kultur heisst schliesslich immer: Wie gehen wir eigentlich miteinander um, wenn wir uns begegnen? Deshalb möchte ich an dieser Stelle die Marktwirtschaft in Schutz nehmen. Denn das ist eine Veranstaltung, eine soziale, die entsteht, wenn niemand befiehlt, was entstehen soll.

AG: Ich empfinde eine gesunde Konkurrenz ebenfalls nicht als Problem. Aber wir leben ja nicht in einer freien Marktwirtschaft, auch nicht in einer sozialen Marktwirtschaft. Wir leben in einem Monopoly, wo die Grossen entscheiden, in welche Richtung es geht. Der Plan vom WEF lautet: «You will own nothing and you will be happy.» Wenn das eintritt, ist der Markt weg. Wenn wir uns das, was täglich die Drohne liefert, nicht mehr aussuchen können, weil es schon vorgegeben ist, dann gibt es keine Konkurrenz mehr, dann ist es nicht Kapitalismus, sondern eine Marktdiktatur.

Und da sind wir wieder bei der Unterscheidung von «Gut» und «Gut gemeint». Denn auch wenn Sie, Herr Model, sagen, der Staat könne nicht über unsere «Betriebskultur» verfügen, mussten wir in den letzten zweieinhalb Jahren erleben, dass er es eben doch kann: Sobald die staatliche Moralkeule geschwungen wird, verfällt die Gesellschaft in eine sozialistisch-totalitäre Kollektivmoral. Es entsteht ein Druck, der von Solidarität zeugen soll, aber kann man diese überhaupt befehlen?

DM: Warum ich bei Solidarität zusammenzucke, erklärt sich aus meiner Lebenserfahrung heraus: Diese hat gezeigt, dass in neun von zehn Fällen, wer Solidarität schreit, eigentlich auf Kosten desjenigen leben möchte, von dem er Solidarität verlangt. Da hat der Begriff eine Entwertung durch die Praxis erfahren. Du musst jetzt solidarisch sein! Und dann? Dann bin ich unter Zwang gesetzt. Man kann über den Zwang doch nicht Tugend generieren. Und trotzdem ist es das, was seit Jahrzehnten passiert. Und da frage ich mich: Wie konnten wir in so eine Degenerationsdynamik hineingeraten? Unsere Debattenräume haben sich ja nicht nur verengt – es gibt sie nicht mehr. Entweder ist man Klimaleugner oder – und das ist für mich wirklich das Allergrösste – Putinversteher. Ausgerechnet das Verstehen mit einem negativen Attribut zu belegen – das darf einfach nicht sein. Aber vielleicht kann diese Spirale jetzt durchbrochen werden: durch Helden und heldenhafte Taten. Mir ist aufgefallen, dass Helden in unserer Gesellschaft nicht mehr vorkommen, die sind nicht erlaubt, oder? Der Sozialismus will schliesslich auch keine Helden. Und vielleicht steckt dort eine Antwort: Dass wir Helden brauchen, die hinstehen und dadurch – vielleicht auch erst post mortem – ein Umdenken bewirken. Die Frage ist ja: Wie können wir diese Moralkeule drehen und in eine gute Debatte verwandeln? Ich habe zwar das Mittel nicht, aber ich glaube, wir kommen nicht darum herum, etwas zu leiden. Denn erst im Schmerz gibt es – im buddhistischen Sinne – eine Metamorphose hin in die Weisheit.

AG: Das Leiden ist ein zentrales Element, das halt mit Hollywoodfilmen unterdrückt wird. Dadurch, dass wir beim Leiden nicht genug hinschauen, entstehen Sucht und Verdrängung. Somit können wir nicht genau analysieren, was die Ursachen des Leidens sind, sondern bear-beiten die Symptome. Entweder lieben wir alle Wesen oder dann lassen wir es gleich bleiben. Schlachthäuser wären ja auch mal ein Thema. Schaust du auf Wikipedia nach, dann ist es interessant, dass Solidarität für Gleichgesinnte gemeint ist – eine «Solidargemeinschaft». Damit sind Leute gemeint, die ich kenne, meine Freunde. Ich dagegen versuche diesen Begriff inflationär zu gebrauchen und zu sagen: Nein, es geht eigentlich ums Ganze, um die gesamte Menschheitsfamilie. Wir können nur solidarisch sein, wenn wir das Herz öffnen und sagen: Wo ist das Leiden? Wie können wir der Spaltung entgegentreten und wieder anfangen, Brücken zu bauen? Wenn wir die Ursachen des Leidens nicht verstehen, können wir auch keine echte Entwicklungszusammenarbeit betreiben. Dann leisten wir nur noch humanitäre Hilfe, die sich als «nachhaltige Entwicklung» bezeichnet – die Hilfe zur Selbsthilfe geht komplett verloren. Das ist natürlich ein Businessmodell mit Wachstumspotenzial. Das Hauptinteresse des Internationalen Roten Kreuzes müsste sein, dass es keine Kriege mehr gibt, aber dann wäre natürlich das IKRK obsolet, was ja eigentlich seine Motivation sein müsste. Meine Motivation ist, dass es keine Entwicklungshilfe mehr braucht. Ich möchte mich in Projekten so schnell wie möglich arbeitslos machen.

Es scheint nicht nur das Geld vom Goldstandard entkoppelt zu sein, sondern auch der Mensch und seine «Realwirtschaft» vom Leben als solchem. Wie hören wir auf, destruktiv zu sein, und werden stattdessen wieder Teil eines natürlichen, gesunden Kreislaufs?

AG: Dazu braucht es drei Elemente: Ein gerechtes Wirtschaftssystem, das die Bedürfnisse der Menschen erfüllt, eine freiwillige Familienplanung, sodass keine Frau ungewollte Schwangerschaften erleiden muss – es gibt jedes Jahr 90 Millionen ungewollte Schwangerschaften –, und eine andere, nicht zentralistische Energiezufuhr! Die Abhängigkeiten sollten abnehmen und die Familien sollten weniger erpressbar sein. Beispiel Solarenergie: Was nützt es, wenn ich eine grosse Solaranlage besitze, wenn das zentralistische Netz zusammenbricht? Ich muss also in mehr Unabhängigkeit investieren. Dafür erhalte ich kaum Subventionen. Und das wird absichtlich so gesteuert. Die grossen Anlagen kriegen viel mehr Subventionen: Small is beautiful – big is subsidized! Deshalb gehe ich hier sogar in eine libertäre Richtung: Subventionen müsste man abschaffen, weil der Schaden grösser ist als der Nutzen. Beispielsweise in der Landwirtschaft: Der Bauer ist von mir aus gesehen der wichtigste Wirtschaftsakteur, den es überhaupt gibt. Er produziert nämlich unsere Nahrung – das ist auch Energie –, und wenn sie naturnah ist, sind es sogar Lebensmittel. Aber der Grossteil der Subventionen fliesst zu Grosskonzernen wie Migros, Emmy usw., und die kleinen Bauern sind so hoch verschuldet wie noch nie. Aber wenn die Bauern verschuldet sind, dann sind sie erpressbar und machen das, was Monsanto will.

DM: Es fragt sich: Wie funktionieren diese grossen Firmen? Das Schlimmste für uns Libertäre ist, wenn die Big Corporates mit Big Governance zusammentreffen – dann wird es ganz, ganz gefährlich. Ein berühmter Spruch von Lord Acton sagt: «Macht korrumpiert und viel Macht korrumpiert eben stark.»

AG: Ich bin mir sicher, die leiden mehr als wir. Deshalb machen sie so viel Blödsinn, produzieren so viel Krieg, Spaltung und Elend. Das sind keine Zufälle. Das sind Traumata, die von Generation zu Generation wuchern. Und gerade deshalb ist es so wichtig, die positive Energie – die Empathie – auch für diese Leute zu entwickeln. Für mich ist das eine spirituelle Geschichte. Ich sage einfach: Ich möchte meinen Reichtum auf echter, realer Arbeit aufbauen, die möglichst wenig Leiden erzeugt. Dann schlafe ich auch gut, stehe mit dem richtigen Bein auf und kann mich des Lebens freuen.

DM: Das ist interessant, was Sie ansprechen: Eigentlich gibt es eine implizite Gerechtigkeit, die aber heute – weil alles immer direkt materiell ausgeglichen werden muss – nicht mehr gesehen wird. Über dieses Gesetz des Ausgleichs, welches ja im Karmagedanken und der Reinkarnation verankert ist, habe ich erst kürzlich einen Vortrag von Peter Sloterdijk gesehen. In diesem hat er mir etwas ins Bewusstsein gebracht: «Die Thymotische Kraft». Sloterdijk sagt, Thymos sei – als eine noch grössere Kraft als Eros – das Bewusstsein von uns Menschen, und sobald wir uns des Menschseins gewahr werden, wird uns auch gewahr, dass wir am Kosmos teilhaben. Laut Sloterdijk haben wir aber unsere Thymotische Kraft verloren. Wir sind Beschenkte, haben aber verlernt, uns dessen bewusst zu sein. Das sei Teil unserer Degenerationserscheinung, die sich aber irgendwann umkehre, weil Thymos eben eine Urkraft sei. Das heisst – und das ist jetzt vielleicht eine tröstende Schlussbemerkung –, wir können als Menschen gesellschaftlich nicht unter ein gewisses Niveau sinken, weil diese Thymotische Kraft einfach nicht wegzudenken ist. Sie ist da, und vielleicht nehmen wir sie als Anlass, die menschliche Entwicklung wieder als eine Wellenentwicklung zu betrachten. Vielleicht wird alles erst noch etwas schlimmer, aber schliesslich wird diese Bankrotterklärung der Anfang eines neuen Auferstehens sein. Da bin ich irgendwie sehr, sehr zuversichtlich. ♦

von Lilly Gebert


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Zum Znacht mit Bitcoin

Zum dritten Mal gibt Michi seinen achtstelligen Pin falsch im Ledger ein, nun ist sein Gerät gesperrt. Hätte er nicht seinen Sicherheitscode aus 24 Wörtern gut aufbewahrt – seine Bitcoins wären für immer verloren. Keine Bank, kein Amt, nicht mal ein Hacker könnte sie ihm wiederbeschaffen.

Aber der Reihe nach! Michi und ich hatten vereinbart, gemeinsam in der Stadt Abendessen zu gehen und mit Bitcoin zu bezahlen. Mit Michis Unterstützung würde ich nun mein erstes Kryptogeld erstehen. Er riet mir, als Erstes den Ledger Nano S im Internet zu bestellen, eine Art USB-Stick, der als digitales Portemonnaie dient, um meinen Zugang zu den Bitcoins zu sichern. Ich packe meinen Laptop und das noch ungeöffnete zigarettenschachtelgrosse Päckchen ein und fahre nach Sissach zu Michi.

Am Küchentisch packen wir die Schachtel aus. Zum Vorschein kommen ein Stick, eine Anleitung, ein Verbindungskabel. Anfangs etwas hilflos mit den neuen Utensilien, verbinde ich meine digitale Geldbörse mit dem Laptop. Ich werde angehalten, zuerst die entsprechende App zum Ledger herunterzuladen, die mir Schritt für Schritt erklärt, was zu tun ist – eigentlich «dubbelisicher». Den Mut, den anonymen Anweisungen einer App bei so einem Unterfangen zu folgen, würde ich ohne Michis Beistand jedoch kaum aufbringen. Es gibt Sicherheit, sich mit jemandem live absprechen zu können.

Zuerst richte ich meine anonyme Wallet ein. Eine Wallet ist in etwa mit einem Bankkonto vergleichbar. Sie wird zum Verschicken, Verwalten und Empfangen von Kryptowährungen verwendet. Der bedeutende und entscheidende Unterschied zur Bank ist, dass nur ich darauf Zugriff habe. Im Gegenzug trage ich auch die alleinige Verantwortung dafür. Bei einer Hardware Wallet wie dem Ledger Nano S handelt es sich – im Unterschied zu sogenannten Hot Wallets – um eine vom Internet entkoppelte und unabhängige Geldbörse; sie befindet sich ausschliesslich auf dem Stick und wird nach Gebrauch vom Internet getrennt.

Meine Wallet ist nun eingerichtet. Mein digitales Portemonnaie ist aber noch leer. Um zu testen, ob eine Transaktion funktioniert, holt Michi kurzerhand seinen Ledger hervor, verbindet ihn mit seinem Laptop und macht sich ans Werk, ihn zu entsperren, um eine Bitcoin-Spende an mich zu tätigen. Da entpuppt sich die erste Hürde: Pin dreimal falsch eingegeben – das bedeutet die Sperrung des Ledgers, welcher nur noch mit einem Code aus 24 Wörtern in der richtigen Reihenfolge entschlüsselt werden kann. Da vertippt man sich schnell mal, wie sich herausstellt. Mehrere Anläufe sind vonnöten, Zeit verstreicht und beim dritten Anlauf stellt dann auch noch der Laptop in den Standby-Modus. Bei Michi steigt der Puls und bei mir die Spannung! Ist das Ganze wirklich eine so tolle Sache?

Mit etwas Geduld, Stromzufuhr und der richtigen Wörterreihenfolge klappt es dann doch noch. Eine Transaktion von Michis auf mein Bitcoin-Konto ist vollbracht. Moment: Abgebucht ja; eingetroffen nein!

von Prisca Würgler


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Wettermanipulation – Fakt oder Fiktion?

Können Regen, Überschwemmungen, Hitze, Dürren, Feuer, Wirbelstürme und gar Erdbeben durch Geoengineering künstlich ausgelöst werden? Der promovierte Physiker Philipp Zeller hat die Thematik erforscht und bringt Licht ins Dunkel.

«DIE FREIEN»: Wettermanipulation, das gibts doch gar nicht, sagt der Mainstream. Dabei hat Bundesrätin Simonetta Sommaruga selbst von Geoengineering gesprochen.

Philipp Zeller: Ja, die Umweltministerin sprach 2019 nach der UNO-Umweltkonferenz in Nairobi über Geoengineering. Man findet das Interview online beim Bund. «Geoengineering, also das Sprühen von Partikeln in die Luft», sagte sie wörtlich, gehöre auf den Tisch. Man müsse Chancen und Risiken abklären. Und weiter: «Das sind Versuche, die man macht, ohne die Auswirkungen wirklich zu kennen.»

Dann wäre Simonetta Sommaruga ja die grösste Verschwörungstheoretikerin?

PZ: Ja.

Warum berichten die Massenmedien nicht über Wettermanipulation?

PZ: Sie berichten schon, immer häufiger sogar – als ginge es darum, uns zu konditionieren, damit wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass es eine gute Sache sei. Schliesslich geht es ja um die Bekämpfung der Klimaerwärmung. Lustig ist: Es wird nur über Geoengineering in den «bösen Staaten» wie China, Arabische Emirate, Pakistan oder Russland berichtet!

In China zum Beispiel vor den Olympischen Spielen 2008?

PZ: Ja, dort wurde es im grossen Stil praktiziert. Sie haben Silberiodid in die Wolken geschossen, um diese zum Abregnen zu bringen, bevor das schlechte Wetter Peking erreichte. China manipuliert das Wetter regelmässig. SRF berichtete kürzlich auch, dass in Abu Dhabi jeden Tag Flugzeuge Wolken impfen würden, um diese künstlich zum Ausregnen zu bringen. Wenn solche Länder das machen, wird das von uns belächelt.

Immer mehr wird Wetterbeeinflussung aber auch mit dem Klimawandel verknüpft?

PZ: Ja, denn handkehrum heisst es: So sollte man es machen! Es gäbe tolle Studien darüber, dass damit der Klimawandel gebremst werden könne. Der Tages-Anzeiger hat aber dazu geschrieben, Wissenschaftler würden davor warnen! Ich dachte erst, ich sehe nicht recht – aber wenn man den Artikel liest, steht weiter: wenn wir jetzt damit anfangen würden, dann dürften wir nie mehr aufhören. Sonst würde die Temperatur sprunghaft ansteigen.

Wir sollen die Wetterbeeinflussung als gute Sache empfinden?

PZ: Es scheint ganz so, als bereiteten die Medien die Bevölkerung darauf vor, Geoengineering, das ohnehin schon gängige Praxis ist, zu akzeptieren. Sie kreieren ein Problem, indem sie das Wetter beeinflussen, und versuchen uns mit Wetterextremen Angst einzujagen. Gleichzeitig präsentieren sie uns die Lösung, wonach man das Wetter mit Geoengineering wieder in den Griff bekommen könne.

Die Überschwemmung im Ahrtal könnte also auch künstlich ausgelöst worden sein?

PZ: Ich kann es mir vorstellen, aber nachweisen kann ich es nicht. Wir haben es mit Wetterwaffen zu tun. Wettermanipulation wurde schon in den 1960er-Jahren eingesetzt.

Stichwort Vietnam?

PZ: Ja, genau. Im Vietnamkrieg wurde bei der «Operation Popeye» künstlich Regen erzeugt, um die Versorgungswege der Vietcong unpassierbar zu machen. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Methoden der Wettermanipulation systematisch erforscht und ausgebaut.

Eines dieser «Forschungsprojekte» war das «Project Cumulus» in England.

PZ: Genau. Im August 1952 impfte die britische Royal Air Force im Südwesten Englands Wolken mit Silberiodid, was später über der Ortschaft Lynmouth zu einem 24-stündigen Dauerregen führte, der das 250-fache des durchschnittlichen Monatsniederschlags brachte. Die Flüsse schwollen an und rissen ganze Häuserzeilen mit, 34 Menschen starben.

Und bei uns verjagen die Bauern die Wolken mit Raketen?

PZ: Ja, Silberiodid wird auch bei uns eingesetzt, um Hagel zu vertreiben. Als Bub durfte ich dem Bauern in den Ferien zuschauen, wie er Hagelraketen in den Himmel schoss, um die Hagelwolken frühzeitig zum Abregnen zu bringen, damit es eben keinen Hagel gibt.

Kritiker entgegnen, das Wetter könne sehr wohl kleinräumig manipuliert werden, aber doch niemals grossflächig.

PZ: Ja, da setzen viele Menschen ein grosses Fragezeichen. Hinter den Wetterwaffen steckt aber natürlich auch jahrzehntelange Forschung, und zwar im Geheimen. Es war seit jeher das Ziel der Akteure in den USA, das Wetter an einem beliebigen Ort der Welt zu jeder Zeit beherrschen zu können. Denn wer das Wetter kontrolliert, kontrolliert die Welt.

Owning the Weather in 2025 …

PZ: Da gibt es ein Dokument der US Air Force (USAF) mit diesem Titel. Darin deklarieren sie explizit ihre Pläne, wonach sie bis im Jahr 2025 an jedem beliebigen Ort der Welt zu jedem Zeitpunkt das Wetter bestimmen können wollen.

Was sind denn die Ziele?

PZ: Die hauptsächlichen Ziele der Wettermanipulation sind das Hervorrufen von Dürren – womit man auch Hungersnöte auslösen kann –, sintflutartigen Überschwemmungen mit enormem Schadenspotenzial wie damals in Lynmouth, Wirbelstürmen …

Kann man auch die Ozonschicht beeinflussen?

PZ: Ja, man kann ein Ozonloch evozieren. Das Ozonloch, von dem wir seit den 1990er-Jahren sprechen, wird mehrheitlich durch Wetterwaffen hervorgerufen und nicht durch die Spraydosen mit FCKW, die wir in den 1980er-Jahren noch verwendet haben. Und durch das Ozonloch nimmt natürlich auch die kürzerwellige Strahlung UV-B und UV-C massiv zu. Es gibt sogar eine NASA-Studie dazu. Die Manipulationstechniken gehen aber noch weiter mit Nebel, Erdbeben, Tsunamis …

Und wie wird das gemacht? Wir haben bis jetzt vom Wolkenimpfen gesprochen.

PZ: Sinn und Zweck des Wolkenimpfens mit kleinsten schwebenden Partikeln, also Aerosolen, ist es, dass Wasserdampf daran kondensiert und Wolken bildet, die dann ausregnen oder eben nicht. Es braucht stets einen Kondensations- beziehungsweise Kristallisationskeim, woran das Wasser sich zum Wassertropfen oder Eiskristall ausformt.

Und wenn Flugzeuge diese kleinsten Partikel ausbringen, entstehen diese weissen Streifen
am Himmel?

PZ: Genau.

Was sind denn Aerosole überhaupt?

PZ: Mikro- und Nanopartikel oder -tröpfchen. Und die sollten niemals in so grossem Ausmass entstehen beim Verbrennen von normalem Kerosin.

Gibts dazu Messungen?

PZ: Ja, und die zeigen, dass dort oben massiv Aerosole ausgebracht werden, etwa Aluminium-Nanopartikel, Strontium, Barium oder Asche verbrannter Steinkohle. Diese Aerosole sind verantwortlich dafür, dass am Himmel diese Streifen entstehen.

Was ist mit natürlich in der Luft vorkommenden Aerosolen?

PZ: Die gibt es auch. Sie entstehen durch Vulkanausbrüche und in hohen Atmosphärenschichten infolge von Ionisierungsvorgängen durch die Sonnenstrahlung, aber natürlich treten sie über die ganze Erde verteilt nur in sehr geringer Konzentration auf.

Im Vergleich zu den Sprühflugzeug-Aerosolen meinen Sie?

PZ: Ja, genau. In den letzten Jahren hat sich die Konzentration der künstlich ausgebrachten Aerosole massiv erhöht. Das erkennt man daran, dass der Himmel oft so milchig-weiss oder bleigrau ist, wenn sich Wolken bilden, und besonders an den häufigen, intensiv rot-orangefarbenen Sonnenuntergängen. Das deutet auf eine massive Luftverschmutzung hin, die absichtlich herbeigeführt wird. Denn die modernen Flugzeugtriebwerke könnten so sauber verbrennen, dass sich praktisch keine Aerosole bilden. Ein bisschen Russ entsteht natürlich schon beim Verbrennungsprozess, Kerosin ist ja ein kohlenstoffbasierter Brennstoff. Im Wesentlichen entsteht Wasserdampf und CO2. Beides ist gasförmig.

Kritiker sagen aber, das seien doch einfach normale Kondensstreifen?

PZ: Es sind ja auch Kondensstreifen, aber eben keine natürlichen. Wenn man dem Bundesamt für Zivilluftfahrt, dem BAZL, eine Mail schickt und sie auf die auffälligen Geschehnisse am Himmel aufmerksam macht, kommt die Antwort, das seien natürliche Kondensstreifen. Oft widersprechen sie sich aber in diesen Mails selber. Sie schreiben zum Beispiel, es gäbe halt so viele Aerosole in der Luft.

Von offizieller Seite hört man also nichts über Geoengineering in unseren Breitengraden?

PZ: Kaum. Oder dann eben als Option für die Klimaregulation. Das BAZL sagt, dass Kondensstreifen bei sehr feuchter Luft entstehen. Und durch den Abgasstrahl würden sich die Wolken bilden. Diese Erklärung stimmt schon. Aber diese Feuchtigkeit trifft vielleicht auf einen von 100 Tagen zu, an denen man solche Streifen am Himmel beobachten kann. ♦

Die Fortsetzung des Interviews erscheint in unserer nächsten Ausgabe.

von Redaktion


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Die Vergebung und ich

Die Freiheitsfeinde fordern Vergebung? Die bekommen sie von mir nicht, solange ich weiss, dass sie weiterhin eine Gefahr für mich und meine Liebsten sind.

Vergebung ist wichtig, und ich bin leider kein Meister dieser Disziplin. Wer mich einmal enttäuscht hat, erhält zwar meist eine zweite Chance. Doch habe ich immer wieder Menschen dauerhaft aus meinem Leben ausgeschlossen, die mich ein zweites Mal enttäuscht haben. Das ist einerseits der Vernunft geschuldet, aber ich bin in mancher Hinsicht auch nachtragend, und das zu meinem Schaden; der Zorn, die Wut und die Enttäuschung, die sich im Nachtragen kumulieren, lasten ja vor allem auf mir selbst. Man vergibt anderen um seiner selbst willen; man lässt los, um eben nicht mehr nach-tragen zu müssen.

Die Nervosität der Hetzer

Die massive Hetze gegen Menschen, die dem Corona-Narrativ nicht blind folgen wollten, wird den Verantwortlichen spürbar unangenehm. Dies vor allem aus zwei Gründen; weil erstens schlagende Beweise für die Erfolglosigkeit der «Pandemie-Massnahmen» vorliegen und weil zweitens die durch diese Massnahmen entstandenen Schäden zutage treten. Plötzlich und unerwartet sterben die Menschen rund um den Globus. Medien und Politiker rätseln vordergründig über die Gründe dieses präzedenzlosen Massensterbens. Aber sie wissen wohl selbst, dass sich das Offensichtliche nicht auf ewig vertuschen lassen wird, dass der anhaltende und zunehmende Massenexitus einer einzigen Ursache geschuldet ist: dem grössten Medizinexperiment aller Zeiten. Die Verantwortlichen werden nervös, weil wir – die «Skeptiker» – recht behalten.

In der Nervosität wird der Ruf nach Versöhnung immer lauter. Mittlerweile wird regelrecht um die Gunst der Corona-Realisten gebuhlt: Die Online-Ausgabe der britischen Zeitschrift The Daily Telegraph schrieb in der Vergangenheit darüber, wie der Lockdown das Leben verbessert habe und bejubelte die «good news» der schnellen Impfstoffentwicklung. Jetzt richtet dieselbe Zeitung die Fahne nach dem neuen Wind: «Bravo an die Lockdown-Skeptiker, die für ihren Mut zur Verteidigung der Freiheit verleumdet wurden.»

Ich lehne die Gunst jener Medien ab, die in den letzten Jahren Hetze gegen Andersdenkende betrieben und sich jetzt plötzlich doch in der Lage sehen, ein differenziertes Bild von freiheitsliebenden Menschen zu zeichnen. In der Schweiz überschlägt sich die vermeintlich alternative Online-Zeitung Infosperber in letzter Zeit mit kritischen Berichten zu den «Unwahrheiten», die Berset und BAG verbreiteten. Dafür erhält der spät berufene Aufklärer Urs Gasche Applaus: Ein Leser kommentierte, dass er seine Abos bei den etablierten Zeitungen künden werde, um den so gesparten Betrag dem Infosperber zu senden. Dass sich der Infosperber in mehreren Artikeln abfällig und diffamierend über die Menschen äusserte, die sich von Anfang an gegen die Missstände stellten, scheint vergessen oder zumindest vergeben.

Nicht so schnell!

Vergessen möchte und werde ich zeitlebens nie. Ich habe gespeichert, wie sich Menschen in den letzten Jahren verhalten haben. Ungewollt hat sich in meinem Kopf eine persönliche Fichenkartei etabliert: die Guten, die Bösen, die Hässlichen. Die Guten; das sind Menschen, auf die ich mich auch im schlimmsten Sturm verlassen kann. Unkorrumpierbare Menschen, die sich nicht von Interessen leiten lassen, sondern von ihren Werten. Die Bösen; jene Menschen, die das Desaster der letzten Jahre verantworten. Und die Hässlichen; all die, die bei erster Gelegenheit auf jeden faschistischen Saubannerzug aufsteigen, mit dem Finger auf Abweichler zeigen, denunzieren und Hass befeuern. Und dann natürlich die grösste Kartei; jene Menschen in der grauen Masse, die sich einfach dahin schieben lässt, wohin der Druck nun mal gerichtet ist. Diese Fiche in meinem Kopf, die wird bleiben. Ich kenne mich selbst zu gut, um zu glauben, dass ich sie dereinst löschen werde.

Das Erinnern schliesst aber Vergebung nicht aus. Ich möchte vergeben können, will loslassen, möchte nicht festhalten am Groll.

Meine Bedingung

Meine Vergebung und die Möglichkeit zur Versöhnung sind an eine unverhandelbare Bedingung geknüpft: Einsicht. Die Täter aus Politik und Medien, die Mitschwimmer aus der Gesellschaft müssen den grossen Fehler, den sie gemacht haben, einsehen; der gescheiterte Versuch, Sicherheit durch Einschränkung der Freiheit zu schaffen.

Dem Ruf nach Bestrafung der Täter stehe ich als Anarchist ablehnend gegenüber und plädiere lediglich dafür, dass Geschädigte von den Tätern entschädigt werden müssen. Bei mir braucht sich sowieso niemand zu entschuldigen. Ich brauche keine Reue der Täter, ich interessiere mich nicht dafür, ob die Mitschwimmer Busse tun. Was ich brauche, um vergeben zu können, ist die glasklare Einsicht, dass es falsch war, Menschen zur Einschränkung ihrer Freiheit zu zwingen. Nicht weil ich recht haben will, brauche ich diese Einsicht. Dass ich mit meinen Einschätzungen während der letzten bald drei Jahre richtig lag – das weiss ich längst, die Beweise liegen offen vor uns.

Es geht um etwas anderes: Ich muss von den Tätern wissen, dass sie so etwas nie wieder tun werden – und weshalb sie so etwas nie wieder tun werden. Nicht etwa, weil sie sich über die Gefährlichkeit des Virus geirrt oder das Schaden-Nutzen-Verhältnis der Massnahmen falsch eingeschätzt haben. Auch nicht, weil sie eine experimentelle Gentherapie als Impfung missverstanden haben oder weil sie dem Komplex aus Pharma, Medien und Politik zu sehr vertrauten. Sondern weil sie eingesehen haben, dass sie niemals – niemals! – die Freiheit zugunsten der Sicherheit hätten einschränken dürfen.

Erst dann bin ich bereit, zu vergeben, erst dann kann es zur Versöhnung kommen. Weil ich erst dann sicher sein kann, dass diese Menschen keine Bedrohung für mich und meine Liebsten mehr darstellen. ♦

von Michael Bubendorf


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Der Hölle entkommen, um an die Liebe zu erinnern

Herbert Steiner wurde als Kind Opfer von rituellem Missbrauch und Gewalt. Sein ganzes Leben hat er darüber geschwiegen, nun wendet sich der 56-Jährige mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit: «Ich will vor allem Mut machen! Bleibt zuversichtlich, denn die Liebe ist die stärkste Kraft!»

Er sei ein bisschen nervös, gesteht er vor dem Interview mit «DIE FREIEN». Wen wunderts! Ein Mensch, der sich 50 Jahre lang niemandem anvertrauen konnte, da das durch und durch Böse, das er erlitten hat, das Vorstellungsvermögen der allermeisten Menschen sprengt. Sein jüngst erschienenes Buch «Einfach Herbi» ist harte Kost. Doch Herbert Steiner fokussiert darin nicht auf das Schreckliche, das ihm angetan worden ist, sondern auf das Lichtvolle, den Glauben und die Hoffnung. «Glaubt an die Liebe!» ist seine Hauptbotschaft.

Herbi schildert in seinem Buch auch seine mediale Begabung und beschreibt, wie er auf seinem Leidensweg Unterstützung aus der «unsichtbaren Welt» bekam: Seine «geistigen Freunde», wie er sie nennt, hätten ihn schon als Kleinkind besucht, und sie täten es noch heute. Sie lehrten ihn das Leben, trösteten ihn, gemahnten ihn zum Durchhalten, machten ihm Mut und schenkten ihm die Hoffnung, dass seine Zeit noch kommen würde. Im Interview kommt auch Martina Amato, die Herausgeberin des Buchs, zu Wort. Sie ist Juristin und hat jahrelang im Kindesschutz gearbeitet.

«DIE FREIEN»: Herbi, dein Leben, so wie du es in deinem Buch beschreibst, gleicht einem Balanceakt zwischen Himmel und Hölle. Einerseits die Freuden der geistigen Welt, andererseits die rituelle Gewalt.

Herbert Steiner: Ja, beide Themen haben es in sich. Und wenn man darüber berichtet, wird man schnell in eine Schublade gesteckt.

Dennoch hast du dich entschieden, nach über 50 Jahren dein Schweigen zu brechen und an die Öffentlichkeit zu treten?

HS: Ja, und ich wollte über mein ganzes Leben berichten, denn beides sind Facetten meines erlebten und mitunter überlebten Lebens. Dabei wollte ich dem Dunklen nicht zu viel Energie schenken, also nicht zu tief hineingehen – es würde viele Leser abschrecken.

Was beabsichtigst du mit deinem Buch?

HS: Mein Buch soll Mut und Zuversicht verbreiten. Gerade in dieser Zeit des Umbruchs und der grossen Veränderungen brauchen die Menschen Halt und Hoffnung. Und wenn ich es geschafft habe, aus dieser Dunkelheit hervorzutreten, schaffen wir es auch als Gesellschaft, durch diese absonderlichen Zeiten hindurchzukommen.

Deine Positivität ist erstaunlich, nach all dem Bösen, das dir angetan worden ist!

HS: Ich möchte meine Energie einfach insbesondere dem Lichtvollen und Positiven schenken. Denn es gibt immer einen Weg, wenn man an die Liebe glaubt!

Dabei war Liebe für dich lange ein Fremdwort. Deine Mutter gab dich zwei Tage nach deiner Geburt in eine Pflegefamilie.

HS: Ja, ich wurde als Einziger und Zweitgeborener von sechs Kindern kurz nach der Geburt weggegeben.

Dann kamst du zu Pflegeeltern auf eine Hühnerfarm. Bei ihnen ging es dir soweit gut. In der Primarschule jedoch wurdest du eines Tages nach dem Religionsunterricht in ein Auto gezerrt …

HS: Und ich konnte nicht flüchten.

Und ich konnte nicht flüchten. Du hast Augen und Mund verbunden, stehst unter Schock. Du hast Angst. Du hattest Religionsunterricht und jetzt bist du in einem Auto unterwegs nach «Nirgendwo». Dein Puls steigt in die Höhe, du zitterst, du kennst das alles nicht. Man hat mich ausgezogen, alle Kleider ausgezogen. Es folgte sexueller Missbrauch durch mehrere Menschen. Und es dauert lange. Also sehr lange, es hört fast nicht auf, tut weh. Du bist einfach da, zitterst nur noch und hast Angst. Gefühlt war das mehr als eine Stunde, würde ich sagen. Und es waren viele und es wurden auch Sachen eingeführt aus Metall, Werkzeuge. Auch mit Nadeln hat man hantiert.

Was ging da in dir vor?

HS: Du verstehst es einfach nicht, und es tut furchtbar weh. Überall. Das sind Sadisten. Ihr Ziel ist es – beziehungsweise sie finden es lustig –, wenn man jemandem Schmerzen zufügen kann. Und zwar nicht einfach ein wenig. Viel Schmerz. Bis zur Bewusstlosigkeit. Als ich wieder zurück auf dem Hof war, hatte ich beim Nachtessen einfach keinen Hunger. Ich ging aufs Zimmer und heulte. Von da an holten sie mich immer und immer wieder. Die Folter und Foltertechniken wurden stets extremer.

Warum hat das niemand gemerkt?

HS: Ich war der beste Schauspieler überhaupt und sagte einfach, ich sei vom Fahrrad gestürzt. Ich hatte für alles eine Ausrede, weil ich wusste, dass, wenn das rauskommt, es böse enden wird. Mir wurde von Anfang an eingetrichtert: Du hast dir alles eingebildet. Das gibt es gar nicht. Man drohte mir: Du wirst mit niemandem darüber reden, sonst wird es noch viel schlimmer. Es gibt eine Art Schweigepflicht, die dir «einprogrammiert» wird, wie eingebrannt. …

von Redaktion


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Mitläufer sind solidarisch

Die Solidarischen werden stets dazu aufgerufen, die Unsolidarischen zu bekämpfen. Es ist mir kein Fall bekannt, in welchem Solidarität mit Unsolidarischen propagiert worden wäre. Damit steht die Solidarität im krassen Gegensatz zur Liebe, die selbst Feinden gilt.

Es gibt in der Geschichte der Menschheit zwei Grundmuster. Nennen wir sie Philosophien und Ideologien. Philosophien sprechen das Individuum an. Ideologien richten sich ans Kollektiv. Einer Philosophie kann jeder individuell folgen, wohingegen die Ideologie eine Gefolgschaft aller bedingt. Die individualistische Philosophie steht hier also der kollektivistischen Ideologie gegenüber.

Philosophien, wie wir sie unter anderem von Jesus, Buddha oder Zarathustra kennen, beinhalten Anleitungen zum besseren Leben, die jeder für sich individuell umsetzen kann – und zwar völlig unabhängig davon, ob andere mitmachen oder nicht. Sie bestehen aus philosophischen Grundsätzen wie «Wenn dich einer auf die Backe schlägt, halte die andere Backe auch noch hin» (Jesus), «Wenn Du die Welt verändern willst, verändere dich selbst» (Buddha) oder «Gut denken, gut reden, gut handeln» (Zarathustra).

Philosophien sind zeitlos. Jeder kann so oft wiedergeboren werden, wie er Zeit benötigt, um geistig voranzuschreiten, und jeder kann jederzeit durch gute Taten sein Vorankommen beschleunigen oder durch deren Unterlassung verlangsamen. In individualistischen Systemen pflegt jeder eine unbestimmte Anzahl an Du-Ich-Beziehungen, die auf bunten Bündelungen individuell gewichteter Attribute beruhen wie Geschlecht, Alter, Neigung, Beruf, Stellung, Nachbarschaft, Bildung, Vergangenheit, Zukunft, Interessen usw. Diese können sich zudem jederzeit verändern, indem sie enger, bedeutsamer oder lockerer werden oder sich wieder auflösen. Es herrscht Diversität, es entstehen individuell geprägte Sympathien und Antipathien, die Währung ist Vertrauen. Philosophien lehren immer, mit individuellem Verhalten möglichst wenig Schaden anzurichten, wobei, wie erwähnt, jedem so viele Leben zur Verfügung stehen, wie er benötigt, um sich zum Guten zu entwickeln.

Ganz anders sieht es aus mit kollektivistischen Ideologien. Ideologien gehen nur auf, wenn alle mitmachen. Und genau hier liegt der Hund begraben.

Egal, worum es sich handelt – es machen nie alle mit. Das führt zum Dilemma aller Ideologien, nämlich dass diejenigen, welche nicht an sie glauben, Schuld daran sind, dass sie scheitern. Diejenigen, welche nicht an die Impfung glauben, sind schuld daran, dass sie nicht funktioniert.

Ideologien sind «PARADISE NOW!»-Ideen. Sie begegnen uns als Religionen, Staats- und Wirtschaftstheorien oder zuweilen als Gesundheits- oder Umweltschutzbewegungen und verbreiten vermeintliche Anleitungen dazu, wie man die gesamte Menschheit oder die ganze Welt ultimativ retten könne bzw. müsse. Denn Ideologien gehen einher mit Weltuntergangsszenarien, welche eine Dringlichkeit nahelegen, jetzt sofort alles der Ideologie zu unterwerfen.

Mit ihrer Fokussierung auf ein Thema vereinfachen Ideologien die Welt und verkürzen den Denkhorizont. Die sich jeder Kontrolle entziehende Buntheit der individuellen Du-Ich-Beziehungen wird ersetzt durch ein kontrollierbares, kollektivistisches Wir-und-die-Anderen-Denken. Die unzähligen, unterschiedlichen und individuell kombinierten Attribute, welche Du-Ich-Beziehungen ausmachen, werden verdrängt durch ein einziges Attribut, welches die Gesellschaft unterteilt in Freunde und Feinde bzw. Gläubige und Ungläubige, Getaufte und Ungetaufte, Arbeiter und Kapitalisten, Parteimitglieder und Klassenfeinde, Linke und Rechte, Geimpfte und Ungeimpfte, Zertifizierte und Unzertifizierte, Klimaschützer und Klimaschädlinge, Gendergerechte und Genderungerechte – also in Träger der neusten Wahrheit und deren Leugner und Ignoranten. Individuell gewichtete Attribute wie Sympathien und Antipathien spielen keine Rolle mehr. Die Ideologie teilt die Welt in Freund und Feind, und wer mit dem Feind verkehrt, wird selber zum Feind erklärt. Feinde gilt es zu iden-tifizieren, um sie zu bekehren und im Falle von «Unbelehrbarkeit» zu bekämpfen, isolieren, vertreiben und in letzter Konsequenz zu eliminieren. Gehorsamkeit ist Voraussetzung, Einfalt die Folge, und die Währung heisst Angst. Da kollektivistische Systeme mit einem beschränkten Zeithorizont rechnen, gehört zu jeder Ideologie die Rechtfertigung von Kollateralschäden.

Allen Strömungen der Gesellschaft liegen diese Muster zugrunde: Individualismus oder Kollektivismus, Philosophie oder Ideologie. Da sich die Philosophien nicht eignen, um Macht auszuüben und Menschen zu kontrollieren, sind Politik und Medien geprägt von Ideologien. Selbst die Kirche musste, um weltliche Macht ausüben zu können, groteskerweise eine christliche Philosophie durch eine unchristliche Ideologie ersetzen.

Philosophien beruhen stets auf den gleichen alten Tugenden: Bescheidenheit, Geduld, Barmherzigkeit, Liebe und Verzeihung usw., wohingegen sich Ideologien oft auf angeblich neuste wissenschaftliche Erkenntnisse und technologische Machbarkeit – sei es in der Informations-, Rüstungs-, Umwelt- oder Gentechnologie – stützen.

Das Weltuntergangsszenario taucht in immer neuen Varianten auf, handelt aber verlässlich von der unumkehrbaren Verwüstung des Planeten oder einer dramatischen Reduzierung der Weltbevölkerung. Um den bevorstehenden Weltuntergang noch rechtzeitig abwenden zu können, müssen Kollateralschäden in Kauf genommen werden – was den Zynismus des Kollektivismus entlarvt, da man damit nichts anderes tut, als Kollateralschäden zu verursachen, während man beteuert, damit Kollateralschäden zu verhindern.

Der alles mobilisierende Kampfbegriff des Kollektivismus lautet «Solidarität». Im Gegensatz zur Liebe, die sich individuell auf Pflanzen, Tiere und Menschen mit individuellen Problemen und Bedürfnissen verteilt, gilt die Solidarität ausschliesslich dem aktuellen Generaltrend, vor dem jedes andere Problem oder Bedürfnis zurückzustellen ist. Mit anderen Worten: Wo Solidarität eingefordert wird, hat Liebe keinen Platz mehr.

Wer sich also den Vorwurf gefallen lassen muss, unsolidarisch zu sein, darf sich als Hoffnungsträger einer besseren Zukunft wähnen. Weil er offensichtlich nicht einer grassierenden Ideologie verfallen ist und sich damit die Fähigkeit bewahrt hat, seine Liebe nach den individuellen Bedürfnissen von Menschen und Umwelt in seiner Nähe auszurichten. ♦

von Andreas Thiel


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Das Selbsteigentum des Menschen

Eigentum ist die Strategie der Dinge dieser Welt, um dafür zu sorgen, dass es ihnen gut geht.

Es sind nicht die Menschen, die im Zug ihrer Sesshaftwerdung die Dinge der Welt zu ihrem Eigentum gemacht haben; es sind die Dinge dieser Welt, die in millionenjähriger Evolution die Funktion des Eigen-tums entstehen liessen. Natürlich geschah dies nicht planmässig – Evolution kennt keine Handlungspläne –, sondern es geschah, weil es sich bewährt hat; weil es den Dingen guttat, einen Eigentümer und damit einen fürsorglichen Paten zu haben. Patenfürsorglichkeit gab es lange nicht auf der Erde, sie musste zuerst noch entstehen.

Emergenz von Subjektivität

Sie entstand erst mit dem Aufkommen hochentwickelter Organismen, deren Steuerungsorgane etwas völlig Neues auftauchen liessen, nämlich Bewusstsein und damit Subjektivität. Das ist das Ich-Gefühl, das Sie, liebe Leserin und lieber Leser, täglich von morgens bis abends und nachts im Traum bei sich haben; und dies (im Sinn des Wortes) derart selbstverständlich, dass Ihnen kaum bewusst wird, dass es nicht einfach da ist, sondern auf höchst komplexe Weise von Ihren Nerven- und sonstigen Steuerungssystemen laufend abgesondert wird.

Was diese Subjektivität ausmacht, ist nicht einfach die Steuerung von Entscheidungen, Handlungen, Körperbewegungen, sondern zusätzlich die Ausdifferenzierung eines Ichs mit dem Effekt, dies alles als eigene Entscheidungen, eigene Handlungen, Bewegungen des eigenen Körpers zu empfinden. Je leistungsfähiger dieses Ich im Lauf der Evolution wurde, je raffinierter es Wissen in Zukunftspläne umsetzte, je genialer seine technischen Erfindungen wurden, desto besser erging es dem von ihm als eigen gefühlten Körper. So profitieren Sie heute davon, dass es eine Instanz gibt, die Ihren Körper aufmerksam, geschickt, vorausschauend, sicher an den Klippen dieser Welt vorbeisteuert.

In einschlägigen Fachgebieten – etwa der Evolutionsbiologie, Anthropologie, Kognitionswissenschaft, Soziologie – ist man sich einig, dass Bewusstsein im Sinn subjektiv konnotierter Wahrnehmung nicht schon immer da war und nur darauf gewartet hätte, bis sich ein genügend entwickeltes Gehirn finden würde, es aufzunehmen; so, wie wenn ein definiertes Software-Konzept nur noch darauf wartet, bis der dafür notwendige Quanten-Computer konstruiert ist. Bewusstsein entstand vielmehr dadurch, dass ein Nerven- und Steuerungssystem aufgrund spontaner Mutationen Bewusstsein zur Entstehung brachte, als neues Phänomen «auftauchen» liess und, soweit es sich für den damit ausgestatteten Organismus bewährte, aufrecht hielt.

So wie sich optische, akustische, haptische oder andere Wahrnehmungsorgane darin bewähren, die Umwelt nicht erst dann zu erfahren, wenn man mit ihr kollidiert, so bewährt sich subjektives Bewusstsein mit einer geradezu genial funktionierenden Aussenstation, sozusagen einem Hochsitz, von dem aus sich ein weiter und damit reflektierender Blick auf den eigenen Organismus und dessen weiteren Kontext eröffnet. Solch spektakuläre Fähigkeiten setzen entsprechend leistungsstarke Hardware voraus. Die Grosshirnrinde des Homo sapiens ist ein besonders bemerkenswertes Beispiel. Sie ist nicht etwa der Sitz des Ich-Bewusstseins, aber sie verarbeitet aufgenommene Informationen derart virtuos, dass daraus dieses sehr spezielle Gefühl von Subjektivität aufkommt.

Subjektivität lässt sich also nicht mit Händen greifen, sondern rein subjektiv fühlen, doch ändert dies nichts an seiner Wirklichkeit; Wirklichkeit im Sinn des Wortes – und wie es wirkt! Es macht den Menschen zum Menschen, nicht nur für sich selbst, sondern auch im gesellschaftlichen und nicht zuletzt rechtlichen Kontext. …

von Prof. Dr. iur. David Dürr


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Der Hüter des Urgetreides

Der bald 70-jährige Hanspeter Saxer tut, was er liebt: Er hütet das Urgetreide. Über 100 Sorten zählen heute zu seinem Schatz.

Sie tragen so schillernde Namen wie Purpur Weizen, Waldstaudenroggen, Valser Gerste oder Huron, eine der Lieblingssorten des grossherzigen Berner Oberländer Sämanns. Denn mit dem Huron-Weizen hatte vor über 40 Jahren seine leidenschaftliche Reise und sein unermüdlicher Einsatz für Biodiversität und Sortenvielfalt begonnen.

Es war im Schwarzwald auf dem biologisch-dynamisch bewirtschafteten «Goldenhof» in Urberg auf 1000 Metern, wo der junge Hanspeter Saxer einen Narren am Urweizen Huron frass. Sein Lehrmeister Franz Karl Rödelberger, ein Schweizer, hatte damals einige Körner dieser von den Äckern verschwundenen Urweizen-Sorte im Walliser Mattertal auf einem Getreidespeicherboden zwischen den Holzlatten aufgestöbert und mit in den Südschwarzwald genommen. Er hütete sie wie seinen Augapfel, baute sie an und vermehrte sie.

In den Kriegsjahren war Huron in der Schweiz einst das Getreide überhaupt. Das aus Kanada stammende Korn hatte neben der Sorte Manitoba die beste Backqualität. «Dieser Huron stand in einem herrlich wogenden Felde da», erinnert sich Hanspeter Saxer mit glänzenden Augen an seine Lehrzeit auf dem Goldenhof zurück, wo Handarbeit noch Trumpf war. «Wir bewirtschafteten zirka 90 Hektaren Land. Aber nicht mit riesengrossen Traktoren. Nein, es waren die kleinen, ausdauernden Norweger-Pferde.

Und auf den Weiden grasten keine Hochleistungskühe, sondern die früher dort heimischen Hinterwälder-Kühe, eine kleine genügsame Zweinutzungs-Rinderrasse.» Es war ein Hof, wo man den Schweiss der arbeitenden und schnaubenden Pferde noch roch und das Pferdegeschirr leise klirrte, wo man statt des Dieselmotorengeknatters überall das Summen der Bienen und das trillernde Pfeifen der Vögel vernahm, und wo man manchmal auch die Menschen fröhlich und singend erlebte – trotz der oft schweren Arbeit. …


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Briefwechsel mit Patrick Jetzer

Lieber Patrick.

Du bist ein Mann der ersten Stunde. Früh hast Du Dich mit klarer Kante gegen die Corona-Massnahmen und die völlig übertrieben dargestellte Gefährlichkeit des Virus positioniert und dadurch auch Deinen sicherlich sehr gut bezahlten Job in der Pharma verloren. Du hast ein Buch geschrieben – «Corona Fakten Check» –, welches 2020 erschien, ganz zu Beginn der Krise. Ich schätze Deine Ecken und Kanten, mit denen Du Deinen Weg in aller Konsequenz gehst und auch mich mit Deiner Direktheit gelegentlich vor den Kopf gestossen hast, wofür ich Dir dankbar bin. Gelegentliche Stösse gegen den Kopf können das Denkvermögen durchaus anregen, solange sie nicht zu heftig ausfallen, wie es bei gewissen Boxerbrüdern zu beobachten ist.

Du bist kritisch, unbequem und vor allem ein Macher. Wären alle Schweizer so wie Du, hätten die Menschen in diesem Land die Machthaber mindestens verlacht angesichts ihrer viralen Drohkulisse, eine Coronakrise hätte in der Schweiz nicht stattgefunden. Da aber nicht alle so sind wie Du, hast Du Dich weiter engagiert und bist früh dafür eingetreten, dass wir die Machthaber auswechseln – und hier trennen sich unsere Wege. Nicht etwa deshalb, weil es höchst fraglich ist, ob es dem von Dir massgeblich mitinitiierten Verein «Aufrecht Schweiz» gelingen kann, in die politischen Ämter vorzudringen. Erste Wahlergebnisse fallen ernüchternd aus, nach den Wahlen im Kanton Bern war auf der Aufrecht-Website von einem «Ergebnis im Bereich der realen Erwartungen» zu lesen, aber bei einem Wähleranteil von 3 % müssen wir eher von einem sang- und klanglosen Untergang reden. Ihr habt das probiert und ihr habt es mit den besten Absichten getan – aufrecht eben. Aber ihr seid auf dem falschen Weg.

Ihr habt geglaubt, dass ihr den Anteil jener Wähler für Euch gewinnen könnt, die bei den Covid-Referenden auf unserer Seite waren. Dabei habt ihr zwei Dinge ausser Acht gelassen: Erstens sind viele Menschen, die gegen das Covid-Gesetz stimmten, nicht automatisch auf unserer Seite und werden weiterhin für ihre bisherigen «Volksvertreter» stimmen. Zweitens haben wir bei den Covid-Abstimmungen eine massive Mobilisierung unpolitischer Menschen erreicht, die zur vierthöchsten Wahlbeteiligung seit Einführung des Frauenstimmrechts führte. Es sind Menschen, die sich normalerweise nicht für den korrupten, durch und durch verdorbenen Politzirkus interessieren und sich nach diesen Abstimmungen wohl endgültig von der Idee verabschiedet haben, dass eine Mehrheit über eine Minderheit bestimmen darf. …

von Michael Bubendorf


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Die Wiederentdeckung der Schweiz

Swissness auf allen Kanälen: Die Schweizerinnen und Schweizer entdecken ihr Land – weil sie spüren, dass es ihnen abhanden kommt.

Im August haben zwei Schweizer Musiker etwas geschafft, was bisher nur Megarockstars aus dem Ausland gelungen ist: Die beiden Mundartrocker Gölä und Trauffer füllten das Zürcher Letzigrundstadion an zwei Abenden hintereinander bis fast auf den letzten Platz. 80’000 begeisterte Zuschauerinnen und Zuschauer aus der ganzen Schweiz feierten zweimal zwei Stunden lang unsere schweizerische Musikkultur, sangen aus vollen Kehlen Trauffers «Fräulein Marti» und Göläs «Schwan so wyss wiä Schnee» und verabschiedeten die Büetzer Buebe mit einem Applaus, der nicht enden wollte.

Sie applaudierten den Musikern, den Tänzerinnen und Tänzern, den Choreografen und all den andern, die mitgewirkt hatten – aber sie spendeten auch der Schweiz Applaus. Ihre Begeisterung galt auch der Eigenart unseres Landes, der Haltung: So machen wir es, und wir machen es gut. An diesen zwei Abenden waren 80’000 Menschen stolz auf die Schweiz. Und die Unzähligen, die so wie ich das Konzert später am Bildschirm sahen, waren es auch.

Nur eine Woche danach pilgerten 400’000 Menschen nach Pratteln an das vier Tage dauernde Eidgenössische Schwing- und Älplerfest. Nie zuvor hatte der traditionelle Anlass so viele Besucher erlebt. Es war ein einziges, alle bisherigen Dimensionen sprengendes Volksfest, und es gab keinen einzigen grösseren Zwischenfall. Auch hier feierten die Menschen nicht nur die Kämpfer im Sägemehl, sondern das eigentümlich Schweizerische dieses uralten Brauchtums. Wo sonst in einem kleinen Land kommen so viele Menschen zusammen, bloss um Männern zuzusehen, die sich an den Hosen zu Boden reissen oder einen 83 Kilogramm schweren Stein – den Unspunnenstein – so weit wie möglich von sich stossen?

Das sind nur zwei herausragende Superlative der letzten Monate für eine Entwicklung, die seit Jahren anhält und immer neuen Höhepunkten entgegentreibt: die unaufdringliche Begeisterung eines Volkes für die Sitten und Bräuche des eigenen Landes. In Scharen strömen die Schweizerinnen und Schweizer an die jährlichen Alpabzüge, wenn die Sennen im September mit ihren blumenbekränzten Kühen von den Bergen herunterkommen. Zu Tausenden schwärmen die Wanderfreudigen Wochenende für Wochenende in die Wandergebiete aus, besetzen die letzten Plätze in den Bergrestaurants und die letzten freien Betten in den Alpenclubhütten. Und wohin wir auch unsere Blicke wenden: auf Werbeplakaten, im Fernsehen, in den gedruckten Medien – überall wird die Pracht der Berge und Seen grossformatig und farbenfroh abgebildet, überall wird mit der Schweiz geworben, überall wird Reklame gemacht mit Bündner-, Glarner- und Walliserdeutsch, überall wird im Fondue gerührt, überall flattern und prangen Schweizerkreuze in Stadt und Land, vor bald jedem Haus, überall tönen die Glocken der Trychler, die Alphörner und die Juchzer …

von Nicolas Lindt


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