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Krieg, Frieden und die Menschheitsfamilie

Dr. Daniele Ganser im Gespräch mit Dr. Marco Caimi

Sei es Ukrainekrieg, 9/11 oder Corona – Dr. Daniele Ganser spricht unbequeme Wahrheiten aus und ist deshalb vielen ein Dorn im Auge. Der erfolgreiche Historiker über die Manipulation der öffentlichen Meinung und das Engagement für den Frieden in Zeiten der Kriegstreiberei.

Marco Caimi: Herzlich willkommen, Daniele Ganser. Du bist nicht nur Referent, sondern auch Buchautor von vier Bestsellern. Du polarisierst sehr stark, «20 Minuten» hat sogar geschrieben, du würdest Lügen erzählen. Was legitimiert dich dazu, «Lügen» zu erzählen?

Daniele Ganser: Es sind keine Lügen, sondern meine Analysen des Ukrainekrieges, die immer wieder schlechte Presse geben. Mein Background ist, dass ich Historiker bin, ich habe eine Doktorarbeit geschrieben über NATO-Geheimarmeen, habe in Basel promoviert, interessiere mich für internationale Politik und habe mich spezialisiert auf verdeckte Operationen der USA. Ebenso habe ich beschrieben, dass die USA 2014 einen Putsch in der Ukraine gemacht haben. Ich nehme an, das ist es, was «20 Minuten» mit Lügen meint. Solche Artikel sind oft diffamierend, da keine Gegenargumente aufgeführt werden.

Ein Begriff, der immer wieder in deinen Ausführungen vorkommt, ist der der Menschheitsfamilie. Was verstehst du darunter?

DG: Alle acht Milliarden Menschen. Ich habe festgestellt, dass in der Geschichte immer wieder Spaltungen aufgetreten sind, Spaltungen in eine sogenannte «Ingroup» und eine «Outgroup». Die Outgroup wurde zuerst verfolgt und dann getötet. Unter Pol Pot in Kambodscha hat man zum Beispiel gesagt, die Oberschicht muss getötet werden. Um herauszufinden, wer zur Oberschicht gehört, hat man festgelegt, dass die, die eine Brille tragen, lesen können, und wer lesen kann, gehört zur Oberschicht. Daraus folgte ein Genozid. Oft ist es das gleiche Muster: Bevor es zu einem Kampf kommt, werden zwei Gruppen gebildet, die sich gegenseitig abwerten. Und genau das versuche ich mit dem Begriff und Modell der Menschheitsfamilie zu verhindern …

von Marco Caimi

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Marco Caimi ist Arzt, Kabarettist und Publizist.

Daniele Ganser ist Historiker, Friedensforscher und Buchautor.


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Warum Sie nicht an einen totalen Zusammenbruch glauben sollten

Es gibt eine grosse Anzahl von Menschen, die auf einen umfassenden, apokalyptischen Zusammenbruch des westlichen Systems warten. Ich behaupte, dass es nicht dazu kommen wird. Und ich hoffe, Sie davon überzeugen zu können, dass ich recht habe.

Das gegenwärtige Risiko ist ein langer, stetiger Rückgang der Lebensqualität, nicht eine Apokalypse. Natürlich wäre eine Apokalypse dramatisch reizvoll: In der Apokalypse bricht alles Verkommene zusammen, alle Geheimnisse werden aufgedeckt, die Wahrheit kommt ans Licht, und wir haben am Ende recht. Das gibt ein ganz schön dramatisches Drehbuch für einen Film ab, aber das wird so nicht passieren in der modernen Welt.

Damit will ich nicht sagen, dass der aktuelle Zustand erhalten bleibt – das wird er nicht. Er wird in die Geschichte eingehen, wie die mächtigen Pharaonen oder das ewige Rom und allenfalls kurz betrauert werden. Die Gründe, weswegen wir – jenseits der Kriegsgebiete – keinen totalen Zusammenbruch erleben werden, sind einfach …

von Paul Rosenberg

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Paul Rosenberg beschäftigt sich seit der ersten Cypherpunk-Ära intensiv mit Kryptografie. Er ist Co-Autor eines Grundlagenpapiers über private digitale Volkswirtschaften und betreibt den anarchistischen Blog Free-Man’s Perspective.


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Krampfhaft am Puls der Zeit?

Die Schule ist bemüht, den Anforderungen des Lebens gerecht zu werden, was bei raschen Veränderungen leicht zu einem «Reformstau» führen kann. Bei vielen Lehrerinnen und Lehrern – meinen Kolleginnen und Kollegen – stellt sich nach und nach ein mir durchaus verständlicher Überdruss ein. Viele sehnen sich danach, einfach wieder einmal so zu unterrichten, wie sie es – als Fachkräfte – für richtig und zeitgemäss halten. Manche fühlen sich bevormundet und in ihrem Schulalltag mehr gestört denn unterstützt oder gar gefördert.

Die ausufernde Bürokratisierung in nahezu allen Lebensbereichen, so auch in der Schule, entpuppt sich mehr und mehr als Übel, das wie ein Krebsgeschwür unkontrolliert wächst. Lehrpersonen berichten mir heute, dass sie nach getaner Arbeit – nebst Nach- und Vorbereitung des Unterrichts – auch noch eine Stunde oder mehr damit verbringen, detaillierte Beobachtungen zu einzelnen Kindern am Computer einzutragen. Über jedes Kind, seine Taten und Untaten, sein Verhalten, seine Leistungen und sein Versagen muss Buch geführt werden. Man weiss ja nie! Sollten Eltern Einwände oder Kritik anmelden, muss mithilfe umfänglicher Dokumentierung darauf reagiert werden können.

Dieses krampfhafte «dem Puls der Zeit» gerecht werden könnte aber in die Irre führen. Ich will an einem Beispiel deutlich machen, was ich meine.

Im Silicon Valley, der Hochburg der weltumspannenden Digitalisierung, leben naturgemäss viele Kinder, deren Eltern in der Computerbranche tätig sind. Was erstaunen mag: Die meisten schicken ihre Kinder nicht in staatliche Schulen. Ausgerechnet in dieser Gegend schiessen seit Jahren Alternativschulen wie Pilze aus dem Boden. So etwa auch eine ganze Reihe von Rudolf Steiner Schulen. Warum?

Menschen, die ihre Arbeitskraft in die Entwicklung digitaler Systeme stecken, legen grossen Wert darauf, dass ihre Kinder – Achtung! – bis zur Vollendung ihres zwölften oder gar vierzehnten Lebensjahres vom Kontakt mit der ganzen Palette elektronischer Geräte (Handy, Laptop, Tablet usw.) bewahrt bleiben.

Wenn man sich nach ihren Motiven erkundigt, erhält man Antworten wie: Das Gefahrenpotenzial (Sucht) übersteigt bei Weitem den pädagogischen Nutzen. Oder: Das zu frühe Eintauchen in diese künstliche Welt entfernt die Kinder vom unmittelbaren Leben. Oder: Kinder lernen, wenn sie sich körperlich bewegen – nicht, wenn sie sitzend einen Bildschirm anstarren. Oder: Der verfrühte Umgang mit technischen Geräten kann die natürliche Entwicklung der Kinder nachhaltig behindern. Ihre Argumente sind durch unzählige Untersuchungen weltweit längst belegt. Erste Länder haben dieser unseligen Entwicklung auch schon den Rücken zugekehrt. Warum hören wir nicht auf sie?

Wenn ich nach dem pädagogischen Nutzen der teuren Geräte im Unterrichtsalltag frage, erhalte ich auch hierzulande ein resigniertes Schulterzucken. Im Sinne von: Das auch noch! Wozu überhaupt? Uns hat niemand gefragt. ♦

von Daniel Wirz

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Daniel Wirz ist Erwachsenenbildner, Buchautor, Vater von fünf Kindern und war 20 Jahre als Lehrer und Mitbegründer an einer Rudolf Steiner Schule tätig.


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Eine Quelle, der er vertraut

Zwei Jahre lang widmete sich der Künstler Ferdinand Gehr ausschliesslich dem Nachdenken – in dieser Zeit der Introspektion wurde angelegt, was er während der folgenden 70 Jahre entfalten konnte.

Vom Werk des Malers Ferdinand Gehr (1896 – 1996) kennen viele die Bilder von Blumen und Äpfeln, da sie hunderttausendfach als Postkartenmotive verwendet wurden. Diese Aquarelle zu malen, bezeichnete Gehr einmal als sein «Hobby». Eindrücklicher wirken seine Landschaften (erdnahe oder auch traumhafte), Porträts, Farbholzschnitte, Glas-, Wand- und Tafelbilder, in denen Mystisch-Überzeitliches sich mit Naturhaftem verbindet.

Die Kontinuität seines während sieben Jahrzehnten entstandenen Schaffens war ihm auch deshalb möglich, weil seine Frau Mathilde (1907 – 1986) ihm alles abnahm, was nicht unmittelbar mit seiner künstlerischen Tätigkeit zu tun hatte. Zudem stand ihm, ab 1961, das erstgeborene seiner fünf Kinder, die Tochter Franziska, bei der Ausführung zahlreicher Wand- und Deckenbilder als Assistentin zur Seite. Auch seine Wandteppiche von zum Teil riesigem Format wurden von ihr ausgeführt.

Sie, die Textilkünstlerin Franziska Gehr (*1939), öffnete mir an einem unvergesslichen Sommertag das Atelierhaus in Altstätten. Ich durfte dort Werke ihres Vaters fotografieren, und mir von einer sehr speziellen Phase in seinem Leben erzählen lassen.

Zwischen 1924 und 1926 schien Gehr unproduktiv zu sein. Die Eindrücke vom modernen Kunstschaffen, die er während seiner Studien in Florenz und Paris erhalten hatte, waren derart reich, dass er eine Zeit des innerlichen Verarbeitens benötigte. Es entstand eine Situation, die man sich in ihrer Sonderbarkeit, sogar Peinlichkeit vorstellen muss: Dieser nicht mehr ganz junge Mann widmete sich, trotz einer abgeschlossenen Berufslehre als Textilentwerfer, jahrelang ausschliesslich dem Nachdenken! Er malte nicht – er tat «nichts» …

von Manfred E. Cuny


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Piraten

Die unbeugsamen Sozialreformer des 17. Jahrhunderts

Die Geschichte ist geprägt von Menschen, die aus der Norm ausbrechen, von Rebellen und Renegaten, die sich gegen die Eliten stellen und dadurch die Gesellschaft voranbringen. Auch die Piraten waren vielmehr Sozialreformer als kriminelle Mörder und Räuber. Viele ihrer Errungenschaften bestehen bis heute fort.

Stellen Sie sich vor, Ihre Freiheiten werden durch die Allmacht des Staates erstickt. Ihre Hoffnungen auf sozialen Aufstieg sind zunichtegemacht. Sie leben in ständiger Angst vor staatlichen Repressalien. So sah das Leben der meisten Menschen im 17. Jahrhundert aus. Einige jedoch, die mutig genug waren, die Ketten der Gesellschaft zu sprengen, fanden sich als Gesetzlose wieder. Von den Herrschenden gehasst, waren sie Vorreiter einer revolutionären Bewegung – der Aufklärung. Sie waren echte social justice warriors. Die Rede ist von den Piraten des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts.

Ein freies Leben auf hoher See

Die Piraten praktizierten die ersten Formen der Demokratie. Im Gegensatz zur autoritären Struktur der königlichen Marine wählten die Piraten ihre Kapitäne und Quartiermeister selbst. Die Macht war gleichmässig verteilt, und jeder Pirat hatte das Recht, seine Meinung zu äussern. «Jeder Mann hat eine Stimme in den Angelegenheiten von Wichtigkeit», schrieb der Pirat Captain Bartholomew Roberts. In Madagaskar, wo sich damals viele Piraten niedergelassen hatten, wurde die demokratische Herrschaftsform, die sich auf See bewährt hatte, ebenfalls praktiziert. Und zwar mit den gleichen Rechten für alle Männer und Frauen.

Gleichberechtigung und Lohngleichheit waren den Piraten wichtig. Trotz ihres raubeinigen Images waren sie den sozialen Normen ihrer Zeit weit voraus. Jeder Pirat erhielt, unabhängig von Rang oder Herkunft, einen fairen Anteil an der Beute. Sogar eine Art Unfallversicherung gab es an Bord, die die Männer im Falle von Verletzungen absicherte. In Captain Morgans Leitbild war die Höhe der Entschädigungen festgelegt: «für den Verlust eines rechten Armes sechshundert spanische Dollar; für den Verlust eines linken Armes fünfhundert spanische Dollar; für ein rechtes Bein fünfhundert; für das linke Bein vierhundert; für ein Auge hundert spanische Dollar; für einen Finger der Hand die gleiche Belohnung wie für das Auge».

Piratinnen, Inklusion und mehr

Die Piraterie öffnete auch Frauen Türen. Piratinnen wie Anne Bonny und Mary Read kämpften Seite an Seite mit Männern und waren genauso gefürchtet. Sie waren Protofeministinnen, die nicht nur forderten, sondern den Tatbeweis erbrachten.

In der Piraterie spielte es keine Rolle, wer sie waren, welche Hautfarbe, Religion sie hatten oder woher sie kamen. Arme, Reiche, Behinderte, alle wurden an Bord aufgenommen. Es war eine Gemeinschaft, die Inklusion und Vielfalt förderte. Ja, sogar gleichgeschlechtliche Ehen waren bei Piraten akzeptiert, in Form der matelotage, einem Bund zwischen zwei Männern, der eine weitreichende gesellschaftliche und finanzielle Partnerschaft darstellte.

«Strangulation durch Regulation»

Die Piraten setzten sich gegen die «Strangulation durch Regulation», gegen sinnlose Regeln und Gesetze zur Wehr. Dadurch wurden die Piraten zu einer Bedrohung für die Herrschenden. Nicht wegen ihrer kriminellen Aktivitäten, sondern wegen der sozialen und politischen Ideale, die sie repräsentierten. Tatsächlich arbeiteten die Regierungen selbst oft mit Freibeutern – nichts anderes als lizenzierte und steuerzahlende Seeräuber – zusammen, um ihre politischen und militärischen Ziele zu erreichen. Am meisten fürchteten sie die Piraten jedoch, weil sie Demokratie und Gleichheit symbolisierten.

Die Piraten stellten das starre hierarchische Herrschaftssystem infrage und verkörperten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, lange bevor diese Werte mit der Aufklärung und der Französischen Revolution populär wurden. Die Autoritäten befürchteten, dass ihre Praktiken und Ideale das Verlangen des «Volkes» nach ähnlichen Rechten und Freiheiten wecken könnte. Die Piraten waren eine konkrete, lebendige und bedrohliche Alternative zur «moralischen Ordnung». In den Worten des Piraten Samuel Bellamy: «Sie schelten uns Schurken und Banditen; doch ich bin ein freier Prinz und habe so viel Autorität, Kriege zu führen, wie jener, der einhundert Segel und eine Armee auf dem Lande hat.»

Die Befürchtungen der Herrschenden waren nicht unbegründet. Denn die sozialen und politischen Veränderungen, für die die Piraten standen, beeinf lussten die Ideen der amerikanischen und französischen Revolution und trugen massgeblich zur Entstehung moderner Demokratien bei.

Meister des Brandings und des Storytellings

Die Piraten waren nicht nur auf dem Wasser, sondern auch in der Kunst des Brandings und des Storytellings versiert. Die berüchtigte Piratenflagge, bekannt als «Jolly Roger», war mehr als nur ein gruseliges Symbol – sie war ein effektives Marketinginstrument, das noch heute allen bekannt ist. Mit dem Bild des weissen Totenschädels auf schwarzem Grund sendeten die Piraten eine klare Botschaft an ihre potenziellen Opfer: «Gebt auf oder stellt euch den Konsequenzen.»

Diese Strategie war erfolgreich. Die schiere Präsenz der Piratenflagge reichte oft aus, um ein Handelsschiff zur Kapitulation zu bewegen, ohne dass ein einziger Schuss abgegeben wurde. In diesem Sinne waren die Piraten weniger gewalttätig, als gemeinhin angenommen wird. Sie bevorzugten es, Kämpfe zu vermeiden und stattdessen auf die Macht ihrer Reputation zu setzen. Das entspricht der Lehre des chinesischen Strategen Sun Tzu, der sagte: «Das höchste Ziel des Krieges ist es, den Feind ohne zu kämpfen zu besiegen.»

Im Vergleich zu den brutalen Bedingungen und drakonischen Strafen bei der königlichen Marine oder der Handelsmarine, war das Leben unter dem «Jolly Roger» bedeutend angenehmer. Die Piraten praktizierten ihre eigenen Formen der Disziplin und Gerechtigkeit, die weitaus fairer und humaner waren als das, was in der restlichen Gesellschaft praktiziert wurde.

Was wir heute von den Piraten lernen können

Die Piraten waren sicher nicht perfekt, und aus heutiger Sicht auch gewalttätig. Aber sie waren auch Revolutionäre, die für Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit kämpften. Viele der Errungenschaften der Piraten sind für uns heute selbstverständlich, doch sie waren ihrer Zeit weit voraus.

Was können wir heute von den Piraten lernen? Vielleicht ist es ihre Bereitschaft, Normen infrage zu stellen und Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Vielleicht ist es ihre Fähigkeit, eine inklusive Gemeinschaft aufzubauen, die auf Gleichberechtigung und Gerechtigkeit basiert.

Die Piraten hatten den Mut, das unfaire System zu hinterfragen, sich von dessen Ketten zu befreien und ihre eigene Gesellschaft, basierend auf Gleichheit und Demokratie, zu erschaffen. Und sie taten dies trotz der Gefahr, als Verbrecher zu gelten und wenn immer möglich durch den Staat publikumswirksam an den Galgen gebracht zu werden.

Die Lektion, die wir aus der Geschichte der Piraten lernen können, ist, dass Veränderung oft von den Mutigen und den Ausgegrenzten ausgeht. Es sind diejenigen, die sich trauen, die Regeln zu brechen und gegen den Status quo zu rebellieren, die echte Veränderungen bewirken können.

In einer Welt, die zwar permanent von Gleichheit, Inklusion und Toleranz spricht, sich aber zunehmend spaltet, in der die Toleranz gegenüber Andersdenkenden immer mehr abnimmt und die Grundlagen für eine freie demokratische Gesellschaft zunehmend geschwächt werden, könnten wir von etwas mehr Piratengeist in uns allen profitieren. Wir sollten uns trauen, Regeln infrage zu stellen, die keinen Sinn ergeben. Wie sollten uns auch trauen, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen und für eine inklusive und gerechte Gesellschaft einzustehen. Vielleicht sollten wir ein bisschen mehr Pirat sein. Denn in den Worten von Pirat Edward Teach, besser bekannt als Blackbeard: «In einer Welt voller Thronen und Kronen ist Freiheit unser grösstes Gut.» ♦

von Mathias Müller

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Mathias Müller ist Berufsoffizier in der Schweizer Armee. Er hat Arbeits- und Organisationspsychologie und Medienwissenschaften studiert und sitzt seit 2014 für die SVP im Grossen Rat des Kantons Bern. Sein neustes Buch «Piraten. Die Kunst, Grenzen zu überwinden» (110 S., 15 Fr.) kann bei mathias.mueller@bluewin.ch bestellt werden.


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Der Regierung vertrauen?

Auf keinen Fall.

Obwohl ich im Westen Deutschlands sozialisiert bin, habe ich einen Seismografen in mir ausgebildet, wie ihn auch die Menschen aus der DDR haben dürften. Das habe ich meinen Eltern zu verdanken, die aus dem tschechoslowakischen Kommunismus geflohen sind.

Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, standen auch die Menschen in der Tschechoslowakei unter dem Schock der deutschen Besetzung durch Hitler. Man strebte möglichst schnell eine neue Staatsgründung an, deren erste Weichenstellungen bereits im Exil erfolgt waren. Dazu gehörte unter anderem die Annäherung zwischen den Kommunisten und den restlichen Linksparteien. Bereits im Regierungsprogramm von 1945 liess sich der kommunistische Einfluss erkennen, der sich immer weiter ausdehnte. Am 25. Februar 1948 ereignete sich schliesslich der bekannte «Februarumsturz». Es war der Beginn der Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei.

Wenige Monate später wird in einer tschechoslowakischen Kleinstadt ein Mädchen geboren, das eines Tages mich auf die Welt bringen wird – meine Mutter. Ihr Vater ist Schreiner, ihre Mutter kümmert sich um die drei Kinder, sie leben in einem hübschen kleinen Haus, in dessen Nähe ein Fluss vorbeiführt. In der Nachbarschaft bellen Hunde, nachts leuchtet am Schulgebäude eine riesige Uhr. Meine Mutter ist ein aufgewecktes Kind mit blondem Pferdeschwanz, sie stellt viele Fragen, sie lacht viel, sie ist der Liebling ihres Vaters. Ins Ballett geht sie besonders gerne, der Unterricht findet in einem Schloss statt, das irgendwann in Feuer aufgeht – man vermutet einen Anschlag. Meine Mutter weint, als sie davon erfährt. Später wird sie mir erzählen, dass sie in ihrer Kindheit immer Angst hatte vor «den Kommunisten».

Man habe seine Meinung nie frei sagen können, man habe nie gewusst, ob jemand einen belauerte …

von Sylvie-Sophie Schindler

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Sylvie-Sophie Schindler ist philosophisch und pädagogisch ausgebildet und hat über 1500 Kinder begleitet. Die Journalistin ist Trägerin des Walter-Kempowski-Literaturpreises und publiziert unter anderem bei der Weltwoche.


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Der aufrechte Mensch

Was bedeutet es, in sich selbst verwurzelt zu sein?

Der Physiotherapeut Berino Schmid hat die Behandlungsmethode «Gravity Rebalancing» entwickelt. Sie soll den Menschen helfen, sich mittels der Schwerkraft sowohl ins körperliche als auch ins seelische Lot zu bringen.

«DIE FREIEN»: Lieber Herr Schmid, bevor wir darauf eingehen, was «bewusstes Einpendeln in der Schwerkraft» bedeutet, würde ich Sie gerne fragen, wie Sie zu diesem Thema gekommen sind. Gab es einen Wendepunkt in Ihrem Leben, an dem es vielleicht auch Ihnen an «Mitte» gefehlt hat?

Berino Schmid: Nach dieser Tiefe und diesem Fundament habe ich eigentlich mein Leben lang gesucht. Ich habe immer gewusst: Da gibts mehr als das, was wir glauben zu sein. Diese Suche begann bei mir schon sehr früh und das erste Mal bin ich damit auf meiner Weltreise in Kontakt gekommen. Auf dieser habe ich mehrere Heiler kennengelernt. Auf Bali hatte ich das Erlebnis, dass mir jemand die Hände aufgelegt hat und nach zwei Stunden war mein Fieber verschwunden. Das, und die Ausbildungen, die ich dann gemacht habe, hat mich schon sehr geprägt.

Was genau waren das für Ausbildungen?

BS: Die gingen in die verschiedensten Richtungen: von Reflexzonenmassagen über Physiotherapie, Osteopathie, Yoga, Meditation, Quantenphysik bis hin zur Zwei-Punkt-Methode oder dem Entwickeln eigener Mudras, den symbolischen Handgesten aus Indien. Dabei war mein Ansatz immer der, dem eigenen Denken und Fühlen näherzukommen. Schlicht und einfach, weil ich weiss, wie sehr unser körperliches Wohlbefinden davon abhängig ist …

von Lilly Gebert


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Die Permakrise

Permafrost liegt vor in dauerhaft gefrorenen Böden in polaren Gebieten und Gebirgen. Auch findet sich im Brockhaus (1998, 20. gebundene Auflage) der Begriff Permakultur. Er bedeutet dauerhafte Landwirtschaft. Das Neuwort «Permakrise» sucht man in der Enzyklopädie vergebens.

Am 27. September 2022 spricht Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, in seiner Erklärung von ei-ner «Permakrise» und sagt: «Ich würde die Definition einer Permakrise jedoch gerne über den Klimawandel, Infektionskrankheiten und Krieg hinaus erweitern … Ich spreche von nichtübertragbaren Krankheiten – einschliesslich Krebs, Herzerkrankungen, alkohol- und tabakbedingten Krankheiten und der Adipositasepidemie.»

Der Begriff «Permakrise», also der Zustand einer Dauerkrise, ist eine von mehr als 600 neuen Wortschöpfungen, die seit 2019 im Zusammenhang mit der Corona-Periode Eingang in unseren Sprachgebrauch und damit auch in unser Denken finden sollen. Krise nicht mehr als vorübergehende herausfordernde Periode und Höhe- bzw. Wendepunkt einer gefährlichen Konfliktentwicklung, sondern als permanenter Bestandteil einer neuen Normalität.

Unser Leben soll im Zustand der Permakrise verharren. Sie stecken uns in düstere Zugwaggons, die ohne Führer und ohne Fahrplan durch die undurchsichtigen Systeme der stickigen Tunnel fahren. So verlieren wir jede Orientierung und warten verzweifelt darauf, dass «die da oben» mit einer Taschenlampe durch einen Spalt leuchten und uns einen Zettel mit neuen Anweisungen zustecken, die wir in permanenter Krisenangst gierig und unkritisch aufsaugen und umsetzen.

Seit Jahrtausenden sind die Menschen mit einzelnen oder komplexen Krisen konfrontiert worden. Schon im Alten Testament erfahren wir etwas über den gemeinsamen Umgang mit Plagen (3. Mo 13,12-13), Hungersnöten (1. Mo 12,10) und Kriegen (2. Mo 1,10). Sie gehören seit jeher zu den Realitäten des Lebens. Und immer haben Zeiten der Erholung, der Freude und der Zuversicht im Wechsel dazu überwogen. Aus diesem durch Erfahrung geprägten Bewusstsein heraus entwickelten sich wirksame Mechanismen, die es den Menschen ermöglichten, individuelle und gesellschaftliche Krisen zu überwinden (Röm 12,21; 3. Mo 23) und das Wissen darüber durch Tradition und Überlieferung weiterzugeben.

Sind wir seit 2019 tatsächlich einen Schritt weitergekommen in der Überwindung einer Permakrise, die uns wie ein plötzlicher Blitzschlag getroffen hat? Erschaffen wir nicht gerade einen Permakrieg durch Waffenlieferungen in Krisengebiete? Oder eine Permagesundheit für wenige, auf Kosten der Schwächsten, der Kinder und der alten Menschen, die an der Traurigkeit und Isolation erkranken?

Eine Permakrise lässt keinen Aufarbeitungs- und Lernprozess zu, der für ein nachhaltiges Krisenmanagement unerlässlich wäre. Natürlich lösen die grossen Krisen der Neuzeit, Viruspandemien, Klimaerwärmung, Kriege und Energiemangel, transgenerational bedingte Urängste aus. Der Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser sagte bei einem Vortrag in Dortmund: «Warum nicht einmal eine Krise auslassen?» Eine vom Regime gewollte Permakrise soll uns kein Entkommen mehr ermöglichen, kein «Fürchtet Euch nicht». Dies aber ist unerlässlich zur Bewältigung von Krisen, unerlässlich, um aus Krisen zu lernen und unseren Kindern Stütze und Halt zu sein in kommenden Krisen.

Deshalb dürfen wir uns keine Permakrise einreden lassen. ♦

von Prof. Dr. Stefan Hockertz und Sylvia Theis

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Prof. Dr. Stefan Hockertz ist Pharmakologe und Toxikologe und hat jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Impfstoff-Zulassung.

Sylvia Theis ist diplomierte Betriebswirtin und Co-Geschäftsführerin eines Schweizer Unternehmens des Gesundheitswesens.


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Bruno Gröning und die Säulen des Vergessens

Das menschliche Gedächtnis beruht auf Vertrauen, nicht auf Zweifel. Ob und wie lange wir uns an etwas erinnern, hängt von der Übereinstimmung mit unserem bisherigen Weltbild ab. Was aber bedeutet es, wenn wir immer nur dem vertrauen, woran wir schon glauben?

Ein Phänomen, das aufgrund eben jenes Zerwürfnisses von Realität und Wirklichkeit beinahe gänzlich aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden ist, heisst Bruno Gröning. Am 3. Mai 1906 als viertes von sieben Geschwistern in Danzig geboren, erregte der gelernte Zimmermann in den 1950er-Jahren weltweites Aufsehen als «Wunderheiler». Dabei traf sein «von Gott gesandter Heilstrom» nicht nur die Wurzel vieler Krankheiten, sondern auch den Nerv der Zeit: Die gleichzeitige Not und Hoffnung vieler Menschen, nach einer Zeit der Verwirrung, in der die materiellen und seelischen Schäden des Krieges noch lange nachwirkten, wieder Hilfe und Heilung zu erlangen. Doch während die einen schlichtweg dankbar waren, von ihren Leiden befreit worden zu sein, galt die Unerklärlichkeit von Grönings Heilerfolgen für die anderen als Grund, eben diesen ein Ende zu bereiten. Auf wenige Monate des Aufatmens folgten Jahre der Unterdrückung und des Rufmordes …

von Lilly Gebert


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Vertrauensverlust

Das grosse Loslassen

Mit dem Vertrauen ist es so eine Sache. Man hat es oder man hat es eben oft nicht. Die Psychologie hat da schnell ihre Erklärungen. «Finde den Fehler in der Kindheit», heisst es da oft in Therapien. Und oft landet man allzu schnell bei der Ursache eines angeblich frühkindlichen Traumas, das verhindert, sich auf Menschen oder auch das Leben einzulassen. Dass diese Begründung nicht immer zutrifft, sieht man an der heutigen Zeit.

Was aktuell passiert, ist eine recht eigentümliche Erscheinung. Menschen verlieren reihenweise das Vertrauen – flächendeckend, wenn man so sagen will – in vieles oder vielleicht in alles gerade: in Wissenschaft und Politik, in Institutionen, öffentliche Medien, in Banken und Konzerne, sogar in die Nahrungsmittel auf dem Teller oder die medizinischen, teils zweifelhaften Unterstützungen der letzten Jahre. Ja, selbst die einstige Stütze unserer Gesellschaft, Rückzugsort und Höhle in aller Not, die Familie, demontiert sich geradezu in Windeseile. Man findet keine Zuflucht mehr, keinen Rückhalt, dort wo man es in Sippe und Freundeskreis gewohnt war.

Dekadente Prozesse überall, sie marodieren inzwischen Werte, Ethik und was uns lieb, teuer oder heilig war. Man wähnt sich inzwischen auf einer «einsamen Insel» mit seinem guten alten Hausverstand und der Idee, noch Hüter einer gesunden Einschätzung zu sein, während im Aussen die Grundfesten jeder Moral und jedes prosozialen Gefüges verschwinden. Der Letzte dürfte nun inzwischen ins Grübeln gekommen sein, ob die sakrosankte Bühne der Medizin, die heilige Kuh der Wissenschaft, die Unantastbarkeit der Kirche, die Verehrungswürdigkeit der Alma Mater, die Verlässlichkeit der Politik nicht gerade bröselt, wie mürbe gewordener Sandstein …

von Susanne Lohrey

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Susanne Lohrey ist Kommunikationstrainerin und Coach. Sie kommentiert die aktuellen gesellschaftlichen Umwälzungen regelmässig aus einer psychologischen Perspektive. Ihr Telegram-Kanal: t.me/lohreytraining


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