Fragebogen an Franzobel

Wann fühlten Sie sich das letzte Mal so richtig frei?

Ich war gerade in Qaanaaq, Nordgrönland, wo die Menschen vor allem von dem leben, was das Meer hergibt, Robben, Wale, Walrösser, die mit Kajaks und Harpunen gejagt und dann auf Schollen zerteilt werden. Dort leben 500 Menschen und es gibt im ganzen Ort nur Plumpsklos. Keine Restaurants, kein Bankomat. Krank werden will man da nicht, aber die Landschaft ist atemberaubend. Selten zuvor sind mir die Themen der Medien so nichtig vorgekommen. Ich bin Künstler geworden, um frei und selbstbestimmt leben zu können, aber in Nordgrönland und der Wüste Algeriens durfte ich noch einmal eine völlig andere, naturverbundene Freiheit kennenlernen.

Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?

Eine Mischung aus Tom Waits und meinem Vater. Je nach Beleuchtung bin ich mal mehr, mal weniger zufrieden. Stolz ist mir fremd, aber etwas Eitelkeit ist schon vorhanden, weshalb ich mit meinem Äusseren nie zufrieden war. Für mein Leben aber bin ich dankbar, weil da gilt, was ein Freund einmal über mich gesagt hat: Du bist wie der Obelix als Kind in den Zaubertrank gefallen, ein Franzobelix.

Ihre erste Kindheitserinnerung?

Meine Eltern waren Häuslbauer, weshalb ich in jungen Jahren viel bei meinen Grosseltern gewesen bin. Einmal habe ich Oma und Opa gesagt, dass ich jetzt mit ihrem Auto nach Hause fahre. Die beiden haben gelacht. Ich, damals vier oder fünf, bin in den vor dem Haus geparkten VW-Käfer gestiegen und habe den steckenden Zündschlüssel gedreht. Die Strecke war ich zuvor ein paar Mal im Kopf abgefahren. Wo das Gaspedal war, wusste ich. Zum Glück war der Rückwärtsgang drinnen. Das Auto machte einen Hüpfer und landete im Hauseck. Die Grosseltern kamen angestürmt, waren aber froh, dass mir nichts passiert ist. Das abgeschlagene Hauseck liessen sie nie ausbessern.

In welcher Rolle fühlen Sie sich am wohlsten?

Als Zuhörer und Beobachter. Mich interessieren Menschen und die Natur. Ich will niemanden belehren, überzeugen oder Recht haben. Mir reicht es, wenn ich etwas Neues erfahre, da bin ich ziemlich egoistisch. Ich bin keiner von denen, die nur von der Vergangenheit erzählen, weil ich immer noch versuche, ganz in der Gegenwart zu leben.

Politik ist …?

Eine Bühne für Selbstdarsteller. Diesen Menschen misstraue ich zutiefst – egal, welcher Partei sie angehören. Politik ist ein schmutziges Geschäft, und seit es die unsozialen sozialen Medien gibt, auch ein verlogenes. Wer sich darauf einlässt, verliert seine Seele. Früher wollten Politiker etwas bewegen, aber heute geht es nur noch um den Kontostand …


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