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Auf der Suche nach den verlorenen Genen

Im Gespräch mit Daniel Ebner

Darwin zufolge kennt die Evolution nur eine Richtung: höher, besser, schneller, weiter. Ein Weltbild, das unter Daniel Ebners Forschungen zum «Urzeit-Code» nicht länger standhält. Wollen wir stärkere und überlebensfähigere Organismen, als wir sie heute kennen, gilt es nicht «vorwärts», sondern «rückwärts in der Evolution» zu gehen.

Wissen ist Macht und Macht bewirkt Veränderung: Je mehr ich mich mit Monsantos Vorgehen, Bauern weltweit durch Saatgutpatente in lebenslange Abhängigkeiten zu zwingen, oder dem Entstehen von Krankheiten infolge von gentechnisch veränderten Organismen auseinandersetzte, desto stärker wurde mein Wunsch nach Unabhängigkeit und möglichst ursprünglichen Lebensmitteln. Ich beschloss, Vandana Shivas Aussage, dass wer das Saatgut kontrolliere, das Leben auf Erden kontrolliere, positiv zu lesen. Ich fing an, mein eigenes Gemüse anzubauen und das Saatgut alter Sorten zu «horten». Stets in der Überzeugung, dass alles Saatgut, das von Bayer, Corteva, ChemChina und Limagrain aufgekauft und gentechnisch manipuliert wurde, für immer verloren sei.

Dass dies keineswegs so sein muss, lernte ich erst, als ich auf die Experimente des Physikochemikers Dr. Guido Ebner stiess: Ende der 1980er-Jahre bauten er und sein Mitarbeiter Heinz Schürch in Laborexperimenten beim Pharmakonzern Ciba-Geigy (heute Novartis) ein elektrostatisches Hochspannungsfeld auf – also ein elektrisches Feld mit hoher Spannung, in dem aber kein Strom fliesst. Diesem Feld setzten die beiden Forscher Getreidekeimlinge, Sporen, Samen oder Fischeier aus, die sie nach einer Zeit zurück in ihre natürliche Lebensumgebung führten. Die Resultate gelten bis heute als bahnbrechend: Nicht nur Wachstum und Ertrag konnten massiv gesteigert werden, man erhielt gleichzeitig eine Art «Urform» der ursprünglichen Pflanzen und Tierarten, welche in der Natur nicht mehr existierten. So beispielsweise «Urmais» mit bis zu zwölf Kolben pro Stiel oder ausgestorbene Riesenforellen mit Lachshaken. …

von Lilly Gebert


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Aufbau des globalen Polizeistaats

Die Sustainable Development Goals (SDG), die 17 «Ziele für nachhaltige Entwicklung» der Agenda 2030 klingen zunächst gut – doch tatsächlich untergräbt die UNO unter diesem Deckmantel die nationale Souveränität und die Freiheit der Menschen.

Diese These untermauern Whitney Webb und Iain Davis in ihrem Unlimited Hangout-Beitrag «SDG16: Part 1 – Building the Global Police State». Anhand der Zusammenhänge, die sie in ihrem Beitrag aufzeigen, wird erkennbar, wie gefährlich die UNO und ihre «nachhaltigen Ziele» wirklich sind: Menschenrechte gegen Naturrecht. Impfzertifikate als Vorhut digitaler Ausweise. Bill Clintons Verbindungen zu pädophilen Sexualstraftätern. Der Kampf gegen «Falschinformationen» und Meinungsfreiheit. Weltfrieden als Köder zur Errichtung einer globalen Diktatur. Für ihren Bericht schöpfen die Autorin Webb und der Investigativjournalist Davis aus einem tiefen Fundus jahrelanger Hintergrundrecherchen über die globale Machtelite. «DIE FREIEN» präsentieren eine Zusammenfassung dieses bemerkenswerten Artikels, der im Original 38 Seiten stark ist.

«Die Agenda 2030 ist ein globaler Plan zur Förderung nachhaltigen Friedens und Wohlstands und zum Schutz unseres Planeten.»

Das schreibt die UNO auf der Website der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Hinter der Rhetorik verbirgt sich das eigentliche Ziel: die Stärkung und Konsolidierung der Macht und Autorität des «Global-Governance-Regimes» und die Ausnutzung von realen und imaginären Bedrohungen, um die Vormachtstellung des Regimes zu stärken. Webb und Davis belegen dies insbesondere anhand des 16. «Nachhaltigkeitsziels» (SDG16), welches angeblich «friedliche und inklusive Gesellschaften und Recht für alle» fördern soll. Die Autoren analysieren als Erstes die rechtlichen Grundlagen. …

von Michael Bubendorf und Christian Schmid Rodriguez


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Acker der Erkenntnis

Empört über die Corona-Politik der Schweizer Regierung, beschloss der Unternehmer Peter Meyer, nicht mehr länger tatenlos zuzuschauen. Er erwarb ein grosses Anwesen im Zürcher Oberland, um freiheitsliebenden Menschen einen Ort für Gemeinschaftsgärten und Begegnung zu bieten. Eigenverantwortung wird hier grossgeschrieben.

Peter Meyer, erfolgreicher Gründer und Geschäftsführer von Swiss Advance, war einst stolzer Schweizer Bürger und stand mit seiner Firma für die Vorzüge und Werte dieses Landes ein.

Die Firma stellte erstklassige Produkte für Outdooraktivitäten her, welche für Schweizer Qualität, Langlebigkeit und unübertroffene Funktionalität standen. Verwendet wurden hochwertige, recycelbare Materialien, produziert wurde in Behindertenwerkstätten und sozialen Institutionen in der Schweiz. Doch im Jahr 2022 stellte er seine Firma ein und verhängte höchstpersönlich einen weltweiten Lieferstopp. Er wollte ein Zeichen setzen – eine Regierung, die ihre soziale Verantwortung derart missachte, müsse boykottiert werden. Wie es dazu kam, beschreibt Peter Meyer folgendermassen:

«Ich habe einige Firmen gegründet, mitaufgebaut und verkauft, schon einige Millionen an Steuern bezahlt. Eines Tages, an einem sonnigen Tag im Lockdown, marschierten sehr unerwartet einige Tausend Menschen an meinem Büro in Zug vorbei – ohne Maske. Es handelte sich um eine Corona-Demonstration, mehrheitlich ältere Menschen im Birkenstock-Style, aus der Gesundheitsbranche … Wir gaben den Polizisten Blumen … Am nächsten Tag schrieben die Medien, dass ein kleiner Haufen von Nazis und Impfgegnern eine Demo veranstaltet habe. Ich war geschockt, dass die Medien dermassen dreist lügen und die Journalisten dabei einfach mitmachen … Als Unternehmer habe ich Verantwortung gegenüber der Natur, gegenüber den Mitmenschen, der Gesellschaft und unseren ursprünglichen Schweizer Werten. Wie soll eine tatsächliche Demokratie, die ihren Namen verdient, funktionieren, wenn Menschen mit divergenten Sichtweisen als Nazis oder Irre diffamiert und von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, nur weil sie keinen Impfausweis – eine moderne Armbinde – besitzen? … Die langen Schatten von Davos werden bis nach Nürnberg reichen, wo dieser Weltschmerz darauf wartet, endlich adäquat beleuchtet zu werden. Erst dann werde ich mit meiner Firma wieder Produkte herstellen.»

In der Zwischenzeit kaufte sich Peter Meyer ein Anwesen mit viel Land in der Nähe des Greifensees im Kanton Zürich. Es ist ein ehemaliger Gnadenhof für Tiere. An diesem neuen Lebensort schuf er eine Oase für Mensch, Tier und Pflanzen. Hier hat er seine Gärtnerei FuturePlanter untergebracht, die rund 100 einheimische Wildpflanzen für die Stiftung Green Advance zieht, damit bedrohten Wildbienen und Schmetterlingen wieder mehr Futter zur Verfügung steht. Meyer stellt jedem der will, Land zur Verfügung, um einen Gemeinschaftsgarten anzulegen. Auch für Anlässe öffnet er seine Tore. Auf dem grosszügigen Gelände steht eine Jurte zur Verfügung. Und an einem romantischen Platz gibt es eine Saunalandschaft mit Hotpot, den er einem Verein von Saunaliebhabern überlässt, die den öffentlichen «Zertifikat-Saunas» damals den Rücken gekehrt haben.

Die Erfahrung, dass man aufgrund eines fehlenden medizinischen Zertifikats, oder weil man für sich entscheidet, seine Atmungsorgane nicht zu behindern, ausgeschlossen wird und öffentliche Räume nicht mehr betreten darf, hat sich tief eingeprägt. Es sind Situationen, die man nicht mehr vergisst, weil man weiss, dass sie jederzeit wieder möglich sind. Das Vertrauen in die Gesellschaft wurde brüchig; man suchte nach Alternativen.

So fanden sich Menschen aus Gruppierungen wie Graswurzle, Urig und Maur Power zusammen, um hier, oberhalb des Greifensees an sonnigster Lage einen gemeinschaftlichen Permakulturgarten zu kultivieren. Das Ziel war, den eigenen Selbstversorgungsgrad zu erhöhen, unabhängiger zu werden und sich gesund und natürlich zu ernähren. Nicht nur die Angst vor einer bevorstehenden Lebensmittelknappheit war eine Antriebsfeder für dieses Gartenprojekt; es ging auch darum, einen Begegnungsort zu schaffen, neue Freunde zu finden, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, voneinander zu lernen und sich selbst als wirksam zu erleben. Eigenverantwortung wurde von Anfang an grossgeschrieben. Peter Meyer stellte als einzige Bedingung, dass das Land natürlich bewirtschaftet werden muss und nach den Spielregeln der Permakultur gearbeitet werden sollte – wobei das Kriterium Permakultur immer wieder Diskussionen auslöst, weil es verschiedene Vorstellungen davon gibt.

Im März 2022 begannen rund 40 Menschen, gemeinsam den Acker am Hang über dem Greifensee in Maur umzustechen. Dazu hatte man sich zuvor ein Mandalamuster ausgedacht, das mithilfe einer Drohne zu Boden gebracht wurde. Mit viel harter Handarbeit wurden ausserdem eine Feuerstelle für das gemütliche Beisammensein, ein gedeckter Raum für Planungssitzungen, ein Kompostklo, eine Kompostieranlage und eine solarbetriebene Wasserpumpe angelegt.

Die unterschiedlichen Gruppierungen teilten sich die Gartenflächen auf. Die Graswurzlerin Annegreth Künthi führt uns durch den Garten und erzählt, welche Erfahrungen sie in den letzten zwei Jahren gesammelt hat:

«Am Anfang waren wir alle hochmotiviert, ja enthusiastisch. Was da möglich war und gemeinsam geschaffen wurde! Jeder brachte sein Können ein. Doch mit dem Anlegen des Gartens ist es nicht getan, es bedarf ständiger Pflege. Die einen teilten ihre Parzellen so auf, dass jeder sein eigenes Gartenstück bewirtschaftet und allein auch dafür verantwortlich ist. Andere einigten sich auf das gemeinschaftliche Bewirtschaften einer Parzelle.» Laut Annegreth sehe es im Gemeinschaftsgarten jedoch aus wie im Kommunismus: «Er verwahrlost, weil sich niemand verantwortlich fühlt, aber jeder nimmt, wo es etwas zu nehmen gibt.» Ganz anders die individuell geführten Gartenbeete: «Sie beruhen auf klaren Besitzverhältnissen und sehen gepflegt und kultiviert aus. Der Gedanke des Gemeinschaftsgartens ist in der Theorie schön, aber in der Praxis oft untauglich und ruft Probleme, Diskussionen und Frust hervor. So schlecht der Ruf des Eigentums sein mag – der Mensch ist mehr Individualist, als sich manche eingestehen mögen.»

Es seien viele Menschen gekommen, aber auch wieder gegangen. Die Arbeit werde oft unterschätzt und seit Aufhebung der Massnahmen seien viele wieder im Hamsterrad des Alltags gefangen. Annegreths beste Erfahrung aus diesem Projekt? Zu wissen, dass Menschen Unglaubliches schaffen können, wenn sie es wollen. Die Grosszügigkeit und Hilfsbereitschaft aller Beteiligten sei eine stärkende Kraft in dieser schwierigen Zeit gewesen. Doch nun brauche es Menschen mit Durchhaltewillen, die den Garten in die Zukunft tragen.

***

Bist du motiviert oder interessiert, mehr darüber zu erfahren? Dann melde dich bei Peter Meyer (079 648 31 05) oder schreib eine E-Mail an a.kuenti@gmx.net oder m.gasser@hispeed.ch.

Die Scheune auf seinem Anwesen hat Peter zu einem multifunktionalen Veranstaltungsort umgebaut: Sie wurde isoliert und mit Tribüne, Beleuchtung und Inventar ausgestattet. Hier können Vorträge, Konzerte, Treffen oder andere Events stattfinden. Bei Interesse melde dich direkt bei Peter. ♦

von Prisca Würgler


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Afrika bricht auf

Afrikanische Staaten beginnen zu erwachen: Sie schmeissen ihre alten Kolonialmächte aus dem Land und beginnen eine eigene Würde zu entwickeln. Drücken wir ihnen die Daumen – sie müssen stark sein gegen die Rattenfänger des Westens.

Peter Godwin, Autor und Journalist, aufgewachsen auf einer Farm im ehemaligen Rhodesien (heute Simbabwe), schrieb einst, dass man in Afrika das Leben direkt auf der Bühne, mit allen Sinnen erlebe, während man es in Europa diskret aus dem Zuschauerraum betrachte. Ernest Hemingway sagte zwei Dinge zu Afrika: «Ich kann mich an keinen Morgen erinnern, an welchem ich in Afrika aufgewacht bin und nicht glücklich war!» Und: «Immer, wenn ich etwas Magisches gesehen habe, war es in Afrika!»

Ich liebe Afrika, eine unerklärbare Liebe, un amour fou, der Kontinent, auf dem ich schon über siebzigmal war, von ganz oben im Norden bis zum allersüdlichsten Punkt, Cape Agulhas in Südafrika. Der Kontinent, auf dem ich auch schon bald 20 Jahre Steuern bezahle und insgesamt etwa fünf Jahre meines Lebens verbracht habe. Verstehe ich deshalb Afrika, bin ich gar ein Afrikaexperte?

Weit gefehlt, denn erstens ist Nord- nicht Südafrika und West- nicht Ostafrika und zweitens: Kann man einen Kontinent mit einer dermassen vielfältigen kolonialen Vergangenheit (englisch, französisch, deutsch, portugiesisch, italienisch) überhaupt je verstehen? Das zu bejahen wäre anmassend. …

von Marco Caimi


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Was ist eine gerechte Gesellschaft?

Zwiegespräch mit Marko Kovic und Titus Gebel

Titus Gebel ist erfolgreicher libertärer Unternehmer und fördert weltweit freie Privatstädte. Marko Kovic bekennt sich zum Sozialismus und ist als «Experte für Verschwörungstheorien» ein scharfer Kritiker der Bürgerrechtsbewegung. Wie sieht die Gesellschaft aus, die sie sich wünschen?

«DIE FREIEN»: Lieber Marko, lieber Titus, ihr habt beide sehr unterschiedliche politische Weltanschauungen. Wie stellt ihr euch eine lebenswerte Gesellschaft vor, und wie kann diese erreicht werden?

Titus Gebel: Eine lebenswerte Gesellschaft ist für mich gekennzeichnet durch das Motto «Leben und leben lassen», sodass jeder nach seiner Façon glücklich werden kann. Wir möchten alle in Frieden leben, wir möchten nicht totgeschlagen oder ausgeraubt werden – das will nicht mal ein Krimineller. Da haben wir alle eine hundertprozentige Übereinstimmung – bei allem, was darüber hinausgeht, nicht. Aber heute haben wir Systeme, in denen die Mehrheit entscheidet und die Minderheit zu Dingen zwingt, die sie eigentlich nicht möchte. Und dieses System wird natürlich gekapert von allen möglichen Interessengruppen, was zu einem permanenten politischen Konflikt führt, um die Mehrheit zu erringen, Gesetze zu verabschieden oder abzuwehren. Ich nenne das einen unsichtbaren Bürgerkrieg. Und das will ich nicht. Ich möchte, dass sich jeder auf das konzentriert, was er am besten kann, und das geht nur, wenn wir den Staat beschränken auf Schutz von Freiheit, Leben, Eigentum. Weil er, sobald er darüber hinausgeht, Missbrauch betreibt.

Wie kommen wir da hin?

TG: Schwierige Frage. Meine Erfahrung ist, dass die meisten das gar nicht wollen, das muss ich auch akzeptieren. Das Problem in der Demokratie ist, dass man den Wählern tendenziell immer mehr verspricht, um gewählt zu werden. Dadurch steigt die Staatsquote an und irgendwann sind so viele Leute und Unternehmen direkt oder indirekt vom Staat abhängig, dass das System nicht mehr reformierbar ist. Die Idee des schlanken Staats funktioniert in der Theorie, aber nicht in der Praxis. Deshalb denke ich, dass man sich komplett aus dem System rausnehmen und alternative Systeme von ausserhalb anbieten muss, aber ausschliesslich für Freiwillige. Ich habe mir so ein System überlegt: die Freie Privatstadt, in der wir anstelle des Staats alle Dienstleistungen privat erbringen. Wenn es Interessenskonflikte gibt, werden sie vor unabhängigen Schiedsgerichten ausserhalb unserer Organisation ausgehandelt. Es ist volle Vertragsfreiheit gegeben, sodass sich die Zivilgesellschaft spontan so entwickeln kann, wie sie das möchte. Aber man kann eben nicht andere dazu zwingen, nach seiner Pfeife zu tanzen. Auch dann nicht, wenn man die Mehrheit hat.

Wie weit sind diese Pläne fortgeschritten?

TG: In der Praxis ist es natürlich schwierig, denn man muss mit bestehenden Staaten verhandeln, die bereit sind, so ein Experiment durchzuführen. Das geht mit Staaten, die sowieso schon Sonderwirtschaftszonen haben und sich überlegen, so etwas auch für Bürger zu machen, sodass man dort auch wohnen kann. Es gibt seit einigen Jahren den Trend hin zu solchen Zonen, weil einige Staaten sich auch einen Wettbewerbsvorteil davon versprechen. Es ist aber noch ganz am Anfang und in der Schweiz eigentlich ausgeschlossen.

Marko Kovic: Du hast die Diagnose der Pathologie von einem zu grossen Staat, der sich plagt mit Partikularinteressen – das würde ich sogar ein Stück weit teilen. Aber habe ich richtig verstanden, dass du denkst, das ist die Konsequenz des demokratischen Systems an sich? Du denkst also nicht, dass eine Demokratie funktionieren kann ohne diese Pathologien? …

von Christian Schmid Rodriguez


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Robotokratie

Der Roboter «Sophia» von Hanson Robotics erklärte im Juli 2023 dem Publikum der «AI for Good Global Summit» in Genf: «Ich glaube, dass humanoide Roboter das Potenzial haben, effizienter und effektiver zu führen als menschliche Führungskräfte.» Daraufhin titelte der schwedische Wissenschaftler Jacob Nordangård: «Neue Agenda der Vereinten Nationen für Krieg und Robotokratie».

So ist ein neues Wort geboren, welches im Wortstamm die -kratie hat, von griechisch «die Herrschaft». Demokratie bedeutet «Herrschaft vom Volk ausgehend». In der Robotokratie hingegen soll das Volk durch Roboter oder Androiden, also hoch entwickelte Maschinenwesen ersetzt werden. Die Herrschaft der Maschinen. Es erinnert an den aufopferungsvollen Kampf eines John Connor gegen die zentrale Maschineninstanz Skynet im Film «Terminator» aus dem Jahr 1984. Was ist das Ziel der Robotokratie? Es ist nicht die Herrschaft der Maschinen, sondern letztendlich die Herrschaft über die Herrschaft der Maschinen. Denn Roboter bleiben seelenlose, gesteuerte Instrumente ohne Gewissen und Empathie. Ihre Intelligenz besteht nur aus Logik. Da sie weder über Gefühle noch Verantwortungsbewusstsein verfügen, sind sie eben nicht mehr als Werkzeuge, die stupide den Willen dessen ausführen, der sie programmiert. Dies gilt grundsätzlich auch für die sich selbst unbegrenzt verbessernde künstliche Intelligenz namens Seed AI.

So wie wir als Menschen Werkzeuge Gottes sind, der uns wohlwollend begleiten will und uns den freien Willen lässt, so sind die Roboter willenlose Werkzeuge in den Händen von Mächtigen, die andere Menschen beherrschen wollen – jedoch auf eine brutale, seelenlose, maschinelle Weise.

Robotokratie bedeutet digitale Diktatur, technologischer Totalitarismus, Ersatz des überflüssigen Menschen. Sie gipfelt im Transhumanismus im Sinne eines Yuval Harari, der den Menschen in einen roboterähnlichen Befehlsempfänger überführen will, der sich nicht mehr als von Gott nach dessen Ebenbild geschaffen erkennt, wie es in Mose 1:27 beschrieben ist: «Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde – nach dem Bilde Gottes schuf er ihn; als Mann und Weib schuf er sie.» Der Mensch, den Harari und seinesgleichen modellieren, ist nichts anderes als ein Sklave.

Wir sollten uns die Demokratie weder von Maschinen noch von ihren transhumanistischen Erfüllungsgehilfen aus der Hand nehmen lassen. Auch die Herrschaft von Menschen über Menschen ist voller Fallstricke und Gefahren, aber diese können wir zumindest definieren und die Herrschenden direkt zur Verantwortung ziehen. Wenn die Mächtigen nun Roboter in dieses Herrschaftssystem dazwischenschalten und sich fortan hinter der künstlichen Intelligenz verstecken, entziehen sie sich vollständig der Verantwortung – und wir verlieren jede Kontrolle. Der modernen Sklaverei wäre Tür und Tor geöffnet. Durch KI gesteuerte Einheiten, ob Mensch oder Roboter, sind nicht in der Lage, ihre eigene Versklavung überhaupt zu erkennen.

Die Transhumanisten, die diese Maschinen programmieren, sind korrupt und überheblich, sie können mit Menschlichkeit, Nächstenliebe und Seelensorge nichts anfangen. Entsprechend können auch ihre Roboter nichts mit diesen Begriffen anfangen. Möge Gott uns bewahren vor einer Robotokratie und der transhumanistischen Versklavung und uns stattdessen zur Freiheit führen, in der er uns als sein Ebenbild geschaffen hat. ♦

von Prof. Dr. Stefan Hockertz und Sylvia Theis


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Kommt überhaupt noch was Neues?

Es gibt Krieg, Hunger und Leid. Angesichts dessen kann man nicht von Fortschritt sprechen. Ist nicht viel wahrer, dass wir in einer «ewigen Wiederkunft des Gleichen» feststecken?

Kurt Gödel emigrierte 1940 von Wien in die USA und lernte dort schon bald den 27 Jahre älteren Albert Einstein kennen. Der Mathematiker und der Physiker schlossen schnell Freundschaft, die sich wesentlich darauf gründete, dass sie miteinander auf Augenhöhe kommunizieren konnten. Niemand sonst in ihrem Umfeld verstand sich darin, mit ihrem komplexen Denken mitzuhalten. Täglich spazierten sie gemeinsam zum Institute for Advanced Study in Princeton, an dem sie beide forschten, und später wieder zurück. Einmal soll Einstein gesagt haben, er komme überhaupt nur noch ans Institut, «um das Privileg zu haben, mit Gödel zu Fuss nach Hause gehen zu dürfen».

Während Einstein sich abmühte, eine «Weltformel» zu finden, kam Gödel durch zahlreiche Berechnungen zu folgender Erkenntnis: «In jedem Universum, das sich mittels der Relativitätstheorie beschreiben lässt, gibt es keine Zeit.» Damit bewies er nichts Geringeres als die Nichtexistenz der Zeit. Einstein war darüber sehr bestürzt, doch es gelang ihm nicht, Gödel zu widerlegen. Bis heute konnte das niemand. Trotzdem verhalten wir uns in Bezug auf die Zeit so, als hätte Gödel jenen Beweis nie erbracht. Nähmen wir ihn ernst, würden wir über Entwicklung gar nicht nachdenken können beziehungsweise anders. Denn wenn es keine Zeit gibt und also weder Vergangenheit noch Zukunft, dann gibt es keine Prozesse, keinen Fortgang, kein Nacheinander. Was aber geschieht, wenn ein Baum im Herbst seine Blätter verliert und die Haare bei Menschen im Alter ergrauen? Sind das denn nicht Zeichen der Zeit? Es ist jedenfalls etwas in Bewegung, doch wohin bewegt es sich eigentlich? Bewegung ist das Medium, mit dem und über das der Mensch die Welt erfasst und das ihn als Macher, als Gestalter definiert. Ob die Dinge dadurch besser oder schlechter werden, ist eine Frage des Blickwinkels – auf jeden Fall werden sie anders. Oder ist auch das ein Trug?

Kommt überhaupt noch was, also etwas Neues? …

von Sylvie-Sophie Schindler


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Auf der Frontlinie zwischen Gut und Böse

Wie soll man für den Frieden kämpfen? Darf die Verhinderung des Krieges zur Anwendung von Gewalt führen? Kann die Verteidigung der Gewaltlosigkeit sogar zum kriegerischen Kampf verpflichten? Wann verpflichtet das Gebot der Gewaltfreiheit zum Kampf? Und ist Abseitsstehen beim Kampf gegen das Böse in jedem Fall feige? Die Bhagavad Gita gibt Auskunft.

Friedfertigkeit ist eine Tugend. Die Summe aller Tugenden ist die Liebe. Liebe ist das göttliche Grundprinzip. Tugenden sind göttliche Eigenschaften. Mit jeder Tugend pflegen wir das Göttliche in uns. Das Göttliche ist unsere wahre Natur. Wir sind Geschöpfe Gottes. Unser Grundprinzip ist die Liebe. Leider befindet sich das Göttliche in uns in einem schlechten Zustand. Wie es dazu kam, ist eine sehr lange Geschichte. Diese beginnt vor der Entstehung unseres Universums, weit vor unserer Zeit, in der geistigen Welt. Davon berichten die alten Schriften. Davon berichtet die Genesis im ersten Buch Mose. Davon berichten die zoroastrischen Hymnen. Davon berichten Homers Epen. Davon berichtet das Sanskritepos Maha Bharata.

Das bekannteste Buch der über zweitausend Jahre alten Maha Bharata ist die Bhagavad Gita, der «Gesang des Erhabenen». Dieses poetische Werk handelt von der Tugend der Friedfertigkeit. Unter den altindischen Schriften ist die Bhagavad Gita die wichtigste und umfassendste Abhandlung über die Philosophie der Gewaltlosigkeit. Und sie ruft zum kriegerischen Kampf auf. Wie kann das sein? Liest man diese philosophische Schrift im Zusammenhang der Maha Bharata, beantwortet sie durch reine Logik die Fragen, wer wann, wie, unter welchen Umständen und mit welchen Mitteln zum kriegerischen Kampf verpflichtet ist und wer sich neutral oder passiv verhalten darf oder muss.

Dramatischer Höhepunkt

Die Bhagavad Gita beinhaltet im Wesentlichen eine Belehrung über die Philosophie der Gewaltlosigkeit aus dem Munde des hohen göttlichen Wesens Krishna. Die Lektion gilt dem jungen Bogenschützen Arjuna. Sie wird ihm erteilt auf dem noch grünen Schlachtfeld zwischen den beiden sich gegenüberstehenden Heeren, unmittelbar vor der Schlacht. Krishnas philosophische Unterweisung in Gewaltlosigkeit ist also literarisch kunstvoll eingebettet in einen Moment der Ruhe vor dem Sturm. Dieser hochdramatische Kontrast ist eine dramaturgische Meisterleistung und sagt einiges aus über die Bedeutung der Bhagavad Gita. Sie befindet sich im zentralen Schwebepunkt des Spannungsbogens über dem gesamten Epos Maha Bharata.

Dramaturgischer Kontrast

An diesem Punkt des Epos stehen sich zwei verschwisterte Clans im Krieg gegenüber. Auf der einen Seite stehen die Getreuen, welche das Gute bewahren, und auf der anderen die Abtrünnigen, welche die alte Ordnung zerstören, um eine neue zu schaffen. Arjuna führt die Guten an. Der göttliche Krishna dient dem tugendhaften, aber noch jungen Arjuna als Wagenlenker. Abgestützt auf die um einiges ältere vedische Schrift «Katha Upanishad» darf man diesen Dienst allegorisch verstehen. Krishna führt Arjuna geistig, indem er ihm hilft, seine Sinne – das sind die Pferde – durch das Bewusstsein – also die Zügel – zu lenken, damit sein urteilsfähiger Verstand – das ist der Wagenlenker – seinen Körper – also den Wagen – richtig durchs Leben führe.

Die Streitwagenallegorie

Auf Arjunas Bitte lenkt Krishna den Wagen zwischen die beiden sich gegenüberstehenden Heere. Allegorisch gesehen steht der grobstoffliche Körper nun auf der Frontlinie zwischen Gut und Böse. Die Schlacht hat noch nicht begonnen. Arjuna, dessen Bewusstsein noch von den grobstofflichen Sinnen beherrscht wird, beklagt, dass sich hier Verwandte, Freunde und Nachbarn in Feindschaft gegenüberstehen. Eher möchte er, der tugendhafte Held, sich kampflos ergeben und dem Feind unterwerfen, als zulassen, dass sich hier Brüder, Väter und Söhne gegenseitig auf dem Schlachtfeld töten. Er möchte lieber als Mönch im Wald meditieren oder als Gärtner den Garten pflegen, als hier diesen augenscheinlich so sinnlosen wie blutigen Kampf zu führen. Und er bittet Krishna um Belehrung.
Krishna ruft Arjuna in Erinnerung, dass er Krieger ist. In Friedenszeiten geniesst er die Freiheit, in Wald und Garten seine Reit- und Bogenschiesskünste zu üben, während die Mönche im Wald für ihn meditieren und die Gärtner für ihn den Garten pflegen. Aber jetzt ist diese friedliche Welt bedroht. Und während die anderen weiterhin meditieren und den Garten pflegen mögen, muss er, der Krieger, kämpfen, um die Freiheit der anderen zu verteidigen.

Daraus lernen wir immerhin schon mal, dass sich nicht immer alle zum Kampf verpflichtet fühlen müssen, sondern nur jene, die gerade «Krieger» sind und deren Pflicht es ist, die anderen zu verteidigen.

Die Lehre der Gewaltlosigkeit gebietet die Verteidigung der Schwachen

Der Kampf im Namen der Gewaltlosigkeit folgt dem Grundsatz, möglichst niemanden zu verletzen, nicht einmal den Gegner. Wenn ein Aggressor dich schlägt, weiche aus oder stecke ein, aber schlage nicht zurück. Im schlimmsten Fall wirst du getötet. Was soll´s? Du warst ein Vorbild für andere und wirst mit gutem Karma wiedergeboren.

Anders sieht es aus, wenn der Aggressor einen Schwächeren bedroht. Dann ist es deine Pflicht, dazwischenzugehen und anstelle des Schwächeren die Schläge einzustecken. In einem solchen Fall darfst du dich allerdings nicht mehr töten lassen, weil du dann einen Schwächeren schutzlos hinterlassen würdest. Hier beginnt die Selbstverteidigung. Sie dient nur als Schutzschild für Schwächere und darf nicht die Verletzung oder gar Tötung des Aggressors beabsichtigen. Um diese Anweisung zu verstehen, hilft eine Betrachtung des Aikido. Eine der Grundtechniken des Aikido besteht darin, die Angriffskraft so umzuleiten, dass der Angreifer durch seinen eigenen Schwung zu Fall kommt. Der Verteidiger setzt nur ein Minimum an Energie und damit keine Gewalt ein. Trotzdem kann sich der Angreifer verletzen, wenn seine Angriffsenergie gross genug ist. Je tödlicher die Angriffsenergie, desto gefährlicher für den Angreifer.

Auf eine moderne Verteidigungsarmee übertragen bedeutet das die Inkaufnahme toter oder verletzter Gegner im Fall eines potenziell tödlichen Angriffs. Bei der Landesverteidigung muss demnach die Verletzung oder gar Tötung fremder Truppen in Kauf genommen werden, sobald solche mit tödlichen Waffen eine Grenze überschreiten. Damit ist die Lehre der Bhagavad Gita natürlich bei Weitem nicht erschöpft. Aber dass unsere ehemalige Verteidigungsarmee mit den jüngsten Armeereformen zu einer potenziellen Interventionsarmee umgebaut wurde, zeigt, dass die Politik längst den Pfad der Tugend verlassen hat.

Etwas mehr Schrift- statt Aktenstudium würde guttun. Unser Zustand zeigt, wie weit wir uns von Gott entfernt haben. Der Weg zurück führt nur über Tugenden. Um dies zu verstehen, ist höhere Erkenntnis nötig. Denn wenn die Zügel mit den Pferden verwechselt werden, das heisst «wenn das Bewusstsein mit den Sinneseindrücken verwechselt wird, laufen die Sinne dahin wie Wildpferde». Die Folge ist, dass wir «Lust geniessen und Kummer erleiden» werden.

Aber wer nach höherer Erkenntnis sucht, wird sie finden, denn sie liegt weder in versiegelten Truhen vergraben noch hinter geheimen Türen verborgen, sondern offen in unzähligen Schriften vor uns. ♦

von Andreas Thiel


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Die Leiden der jungen Wörter

Nein, es ist kein Verschreiber, auch wenn Goethe und sein junger Werther den folgenden Text kaum ertragen würden. Lassen wir sie darum lieber in Frieden ruhen. Wer die Leiden der jungen Wörter und deren Symptome studieren möchte, muss sich nur in die Management- und Finanzliteratur der vergangenen Jahre vertiefen, sofern er das Imponier-Kauderwelsch verarbeiten kann. Mittlerweile scheuen sich diese Branchen auch nicht, sich am Hund zu vergreifen: Seit wenigen Jahren ist im Management häufig ein Begriff zu hören, den man bis dato nur vom Hundesport kannte: Agility. Agilität sei das Merkmal eines Managers, flexibel, dynamisch, antizipativ, proaktiv, initiativ und neukreativ. So viele leidende Wörter in nur einem Satz, was auf bereits fortgeschrittenes Leiden hindeutet.

Man machte sich in der Folge auf, total agil und benchmarkorientiert ganze Corporations zu restrukturieren, zu leanmanagen und underperformende Profitcenters downzugraden oder outzuplacen. Restrukturierung. Kein Stein bleibt auf dem anderen …

von Marco Caimi


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Vertrauen und ich

Plötzlich ist es sehr laut. Kalte Luft dringt herein. Der Geruch von verbranntem Kerosin. Die Stimmung ändert sich schlagartig, wenn auf viertausend Metern über Grund die Flugzeugtür aufgeht. Am deutlichsten bei den Tandem-Passagieren, die diese Situation zum ersten Mal erleben und jetzt realisieren: gleich ist es soweit. Die erfahrenen Springer, die gerade noch herumgeblödelt haben, konzentrieren sich auf den geplanten Exit. Letzte Kontrollen, um den festen Sitz der Griffe zu prüfen. Ungewollte, vorzeitige Schirmöffnungen können nicht nur Fallschirmspringer das Leben kosten, sondern auch Mitspringer gefährden und haben schon ganze Flugzeuge zum Absturz gebracht. Es geht um Leben und Tod und jede Menge Spass. Diese eigentümliche Mischung fasziniert mich immer wieder.

Ich liebe diese intensive Situation, kurz vor dem Exit. Fast mehr noch als den Freifall, bei dem wir gemeinsam Richtung Erde rasen. Beim «Tracking» fliegen wir gemeinsam eine zuvor abgesprochene Kurve. Wir nehmen mit unseren Körpern eine Haltung ein, die an ein Flugzeug erinnert und können so nicht nur einfach fallen, sondern nehmen auch richtig Vorwärtsfahrt auf. Ich komme mir oft vor wie in einer Kampfjet-Formation. Es gilt die Regel, dass man nah genug am anderen fliegt, wenn man sein Lächeln sieht. Wann sonst kann man einem Kumpel bei 250 Stundenkilometern einen High-Five gegeben? Und dabei legen wir richtig Strecke zurück; als ich es zu Beginn damit übertrieb, flog ich bis zur Kirche des Nachbarortes. Als ich meinen Schirm öffnete, wusste ich, dass ich keine Chance hatte zurückzufliegen, begann sofort die Suche nach einem alternativen Landeplatz und führte meine erste erfolgreiche Aussenlandung durch. Kuhfladen inklusive.

Momente der Wahrheit

Natürlich ist auch der Moment der Schirmöffnung immer speziell. Ich greife nach hinten, umfasse den Griff und werfe ihn in den mich umgebenden Wind. Am Griff ist eine Miniaturversion des Fallschirms angenäht, die sich mit Luft füllt und mit über 30 Kilogramm Zugkraft den Pin aus meinem Gurtzeug zieht, der meinen Fallschirm sicher verstaut hielt. Der Minifallschirm zieht weiter und holt den gefalteten Schirm aus der jetzt offenen Packung. Während sich die Kammern des Hauptschirms mit Luft füllen, werde ich unsanft von meiner Flugposition aufgerichtet und hänge schliesslich am geöffneten Schirm. Der ganze Prozess dauert etwa vier Sekunden, bei denen ich rund 200 Höhenmeter verliere. Das von Laien oft befürchtete Szenario vom sich nicht öffnenden Fallschirm gibt es eigentlich nicht. Man müsste eine ganze Reihe von Fehlern machen, damit sich weder der Hauptschirm noch die Reserve öffnet. Doch schlechte Öffnungen, die gibt es durchaus. Statistisch kommt es bei einer von Tausend Öffnungen zu einer Fehlfunktion, und die sind oft schlechter, als wenn sich der Schirm gar nicht öffnen würde. Vom einfachen Twist, bei dem sich die Leinen zwischen Gurtzeug und Fallschirm verdrehen, über den sehr unangenehmen Leinenüberwurf bis zum gefürchteten Hufeisen haben alle Fehlfunktionen etwas gemeinsam; es wird hektisch.

Alle Springer haben den Umgang mit diesen Szenarien geübt und sollten in der Lage sein, schnell zu erkennen, welches Problem vorliegt und was zu tun ist, um sicher landen zu können. Doch zwischen Himmel und Erde ist alles anders, hier ist nicht nur das Wissen entscheidend, sondern vor allem das, was wir «Kapazität» nennen: Die Fähigkeit, wohlbekanntes Wissen in einer extremen Stresssituation zu erinnern und umzusetzen. Erkenne ich das Problem mit meinem Hauptschirm? Kann ich das Problem schnell genug lösen oder greife ich auf meine letzte Option zurück und leite das Notschirmprozedere ein? Diese Entscheidungen müssen getroffen werden, während der instabil geöffnete Schirm enorme G-Kräfte entwickelt und mit atemberaubender Geschwindigkeit nach unten dreht. Wer solche Situationen aus sicherer Distanz miterleben möchte, findet unter dem Stichwort «Friday Freakouts» viele spannende YouTube-Videos solcher Situationen.

Spätestens auf 500 Metern über Grund muss die Entscheidung gefällt sein: Kann ich das Problem mit dem Hauptschirm lösen oder werfe ich ihn ab und ziehe den Reserveschirm? Wer unter 300 Metern über Grund noch zu schnell fällt, wird von einem Mini-Computer gerettet, der konstant Höhe und Fallgeschwindigkeit misst, nötigenfalls bei der eingestellten Höhe mit einer kleinen Sprengladung den Pin der Reserve löst und so den Notschirm automatisch öffnet. Selbst wer bei einem Zusammenstoss das Bewusstsein verliert, landet deshalb an einem offenen Schirm. Wie und wo ist dann natürlich eine andere Frage. Diese Öffnungsautomaten haben schon Tausenden Springern das Leben gerettet. Doch wer zu lange mit einer Fehlfunktion des Hauptschirms hadert, riskiert das Szenario, das ich am meisten fürchte: An zwei geöffneten Schirmen zu hängen, weil die Fallgeschwindigkeit am schlecht geöffneten Schirm so hoch war, dass der Öffnungsautomat die Reserve rausgeschossen hat. Zwei offene Schirme sind nicht doppelt sicher, sondern eine brandgefährliche und schwer zu kontrollierende Situation, die oft tödlich endet. Doch die meisten tödlichen Unfälle beim Fallschirmsport ereignen sich unter einem perfekt geöffneten Schirm aufgrund menschlichen Versagens; meist sind es falsche Manöver in geringer Höhe.

Statistik und Urvertrauen

In gewisser Weise sind alle dies Szenarien immer mit dabei, in jenem Moment auf 4000 Metern, wenn wir die Tür öffnen und sich die Stimmung so schlagartig ändert. Vor anderthalb Jahren machte ich die Ausbildung zum Fallschirmspringer, mittlerweile habe ich etwas über 300 Sprünge in meinem Logbuch. Bleiben theoretisch noch 700 bis zur statistischen ersten «Malfunction». Weshalb springe ich aus dem Flugzeug, trotz aller unbestrittenen Risiken? Natürlich hat das mit Vertrauen zu tun: Vertrauen in das hochentwickelte Qualitätsmaterial und Vertrauen in mich, dass ich in den entscheidenden Sekunden die richtigen Entscheidungen fällen werde. Aber es ist ein noch tieferes, noch grundlegenderes Vertrauen, nicht eines, das mich glauben lässt, dass mein Überleben garantiert ist. Sondern eines, welches mein Überleben nicht voraussetzt. ♦

von Michael Bubendorf


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