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Rebell mit einem Augenzwinkern

Sam Moser ist eine der prägnantesten Stimmen der Schweizer Freiheitsbewegung. Mit seinen scharfsinnigen Protestsongs hat er vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen und Mut gemacht – und nebenbei die Hitparade gestürmt. Wir sprachen mit dem Musiker und Familienvater über Angst und Hoffnung, Erfolg und Freiheit, Wildnis und Zivilisation.

«DIE FREIEN»: Lieber Sam, viele kennen dich dank deinem massnahmenkritischen Hit «S’Mass isch voll». Erzähl uns etwas über deine Musikerkarriere vor Corona.

Sam Moser: Ich nahm mit neun Klavierunterricht, hatte mit 14 die erste Punk-Band, wir spielten Offspring-Covers. Mit meiner Band Deep Trip waren wir mit Nazareth auf Tournee in England und Deutschland. Wir gaben recht Gas, sechs Jahre lang waren wir immer auf Tour mit gut besuchten Konzerten. Nebenbei arbeitete ich als Barkeeper.

Schon vor Corona hast du sehr gesellschaftskritische, melancholische Texte geschrieben. Die Videoclips zu deinen Songs stellen oft die Natur als Kraftort dar, thematisieren den Rückzug in die Wildnis. Ist das dein Gegenrezept zur Zivilisationsverblödung?

SM: Ja, ich denke das ist ein wichtiger Schritt, dass wir aus dieser Digitalisierung heraus und mehr in die Natur gehen. Auch, dass wir versuchen, unsere Nahrung wieder selbst herzustellen oder zumindest den Bezug dazu wieder haben. Mir tut es enorm gut, in den Wald zu gehen, ich gehe jeden Tag. Dort kann ich auftanken, das hat mir auch in dieser Zeit enorm viel Kraft gegeben. Darum habe ich den Clip für meinen neuen Song «Mitenand» im Wald gemacht, nach dem Motto: Wenn alles zusammenbricht, finden wir uns dort wieder, als Jäger und Sammler. (lacht)

«Unsere Angst bringt nur Verderben» singst du in «Mitenand». Es ist klar, dass du damit auf die Ereignisse der letzten drei Jahre anspielst. Kann man die Botschaft auch an die Freiheitsbewegung richten? Auch bei den Massnahmenkritikern gibt es Ängste, Übertreibungen, Fake News …

SM: Es geht beide Seiten an. Angst spaltet immer nur noch mehr. Wir müssen uns irgendwie wieder finden. Die Impfung ist letztlich jedem seine eigene Entscheidung. Aber es gibt für mich einen Unterschied zwischen Leuten, die sich aus Angst impfen liessen oder dem Druck nicht standgehalten haben und solchen, die uns dazu zwingen wollten und uns denunzierten und als Nazis und Schwurbler beschimpften. Ich muss sagen, bei Letzteren bin ich auch auf Abstand, mit denen möchte ich auch nichts mehr zu tun haben. Dazu singe ich in meinem Song: «Wenn es nicht miteinander geht, geht es halt nebeneinander.»

Also keine versöhnlichen Gefühle für Impf-Extremisten?

SM: Nein. Aber es geht ja nicht nur um die Impfung. Das sind Leute, die wahrscheinlich bei jedem Thema so sind – man kann mit ihnen gar nicht diskutieren. Denen sage ich einfach: Geh du deinen Weg und ich gehe meinen. Fertig. Das wird jetzt vielleicht ähnlich werden bei der Digitalisierung: Wenn das so weiter fortschreitet, dass du irgendwo nicht mehr mit Bargeld bezahlen kannst, dann …

von Christian Schmid Rodriguez

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Sam Moser ist Musiker, Sänger und Songwriter. Sein neustes Lied «Mitenand» finden Sie unter lnk.site/mitenand


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Uns ist etwas aufgegeben – nur was?

Die Welt ist im Umbruch. Immer mehr Menschen spüren, dass in dieser Zeit, die so viele Irrungen und Wirrungen mit sich bringt, eine Aufgabe steckt. Aber was ist eigentlich damit gemeint?

Im Gespräch mit einer Frau, nennen wir sie Marie. Sie sagt, sie wisse, dass sie in «dieser Zeit» gebraucht werde. Sie müsse nun denen Mut machen, die Angst hätten. Als «diese Zeit» begann, als immer mehr Menschen der Corona-Panik verfielen, gab es zugleich solche, die sich nicht beirren liessen. Marie gehört dazu. Der Ausnahmezustand war sogar etwas, das, im beflügelnden Sinne, Aufbruch bedeutete. Plötzlich war da ein Sinn, den es so vorher nicht gegeben hatte.

Verlangt «diese Zeit» das vielleicht von uns allen, dass wir darin etwas erkennen, was man mit «meine Aufgabe» oder gar mit «unsere Aufgabe» übertiteln könnte? Kann es Letzteres überhaupt geben? Dass ein Einzelner sich zu etwas berufen fühlt, ist seine ureigenste Angelegenheit, nach der er sich entsprechend ausrichtet. Aber wie regelt das ein Kollektiv? Und zwar ohne dass jemand Anweisung gibt? Denn das wäre die Voraussetzung, oder etwa nicht, sich von dem einen zu befreien, der «es weiss»; sich also herauszulösen aus hierarchischen Strukturen. Ob die Ausgangsbasis, die zu schaffen wäre, um «unsere Aufgabe» anzugehen, bereits die Erfüllung derselben ist?

Uns ist etwas aufgegeben. Die Frage, die sich anschliesst: Wer will da etwas von uns? Etwa ein Gott ? Das setzt seine Existenz voraus, die nicht zu beweisen ist, und die man glauben kann – oder nicht. Leider kann einem sogenannten Gott alles Mögliche untergejubelt werden. In seinem Namen wurden auch Kriege geführt und Menschen getötet.

«Unsere Aufgabe» aber will hell ausgekleidet sein. Darum wussten freilich alle, die im Laufe der Menschheitsgeschichte zu Gräueltaten anzettelten. Wer das Propaganda-Einmaleins beherrscht, dem ist klar, dass man mit der Mission, anderen schaden zu wollen, schwerlich Massen hinter sich versammeln kann. «Unsere Aufgabe» muss also leuchten, selbst wenn sie eigentlich tief in den Abgrund führt. Die Schriftstellerin Marie von EbnerEschenbach erkannte daher richtig: «Es würde viel weniger Böses auf Erden getan, wenn das Böse niemals im Namen des Guten getan werden könnte.»

Wie sicherstellen, dass «unsere Aufgabe» gegen Irrtum immun ist? Wie können wir Gewissheit haben, dass das Gute, das wir meinen, nicht auch seine bösen Nebenwirkungen hat? Wer überhaupt definiert das eine wie das andere?

Es stimmt, dass der Mensch, wie es in Goethes «Faust» heisst, «irrt, solang‘ er strebt». Er wird sich, egal, wonach er sich streckt, immer auch der Anfälligkeit aussetzen, sich zu täuschen. Auch über sich selbst. Da wäre die eigene Eitelkeit, für die man gerne blind ist. «Unsere Aufgabe» schmeichelt uns; die Verführung, sich für die Retter zu halten, ist nicht unerheblich. Dass «unsere Aufgabe» mich braucht, kann schnell verwechselt werden mit: Ich brauche «unsere Aufgabe». Um mich gut zu fühlen. Besser als andere, erleuchteter.

Der lauernde Trug, die zahlreichen Fallstricke sollen uns nicht abhalten, im Gegenteil. Nun kommt es darauf an, wie viel Vertrauen wir haben. In uns. In andere. Die Welt ist im Umbruch, wir sind im Aufbruch. Gewiss ist, dass wir leben. «Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will», formulierte es der grosse Denker Albert Schweitzer. Was bedeutet das in aller Konsequenz? Und wenn das «unsere Aufgabe» wäre, was hiesse das? ♦

von Sylvie-Sophie Schindler

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Sylvie-Sophie Schindler ist philosophisch und pädagogisch ausgebildet und hat über 1500 Kinder begleitet. Als Journalistin begann sie bei der «Süddeutschen Zeitung», danach war sie als Reporterin für zig Magazine tätig. Aktuell publiziert sie unter anderem bei der «Weltwoche». Sie ist Trägerin des Walter-Kempowski-Literaturpreises. Mit ihrem YouTube-Kanal «Das Gretchen» setzt sie sich für den guten Dialog ein.


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Selbstermächtigung statt Widerstand

Warum die Heilung unserer Innenwelt der Schlüssel zu einer besseren Welt für alle ist.

In den letzten Jahren sind viele Menschen aufgewacht und haben erkannt, dass der Staat nicht in der Lage ist, verantwortungsbewusst für seine Bürger zu handeln. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es massive Versäumnisse im Bereich der Gesundheitsversorgung und der Krisenbewältigung gibt. Selbstverständlich reicht es nicht aus, den Finger auf die Mängel des Systems zu legen und sich über die verfehlte Politik zu beschweren. Doch was sind unsere anstehenden Aufgaben als Menschen, um eine neue, gesunde und friedliche Gesellschaft zu erschaffen?

Schon kurz nachdem die Corona-Geschichte startete, durchschaute ich, dass hier etwas gehörig nicht stimmte, und ging in den Widerstand. Ich tat so einiges mit dem Ziel, den Menschen die Augen zu öffnen. Unter anderem schrieb ich die Direktorin des BAG an und stellte ihr kritische Fragen, versuchte Mitstreiter zu finden und ein Komitee ins Leben zu rufen, welches der Regierung juristisch einen Riegel vorschieben sollte, habe Einspruch gegen die Steuererklärung erhoben mit der Begründung, dass unsere Steuern illegal und für verschiedene Verbrechen missbraucht würden, und ich habe eine Informationswebseite programmiert und einen Flyer mit QR-Code gedruckt, um aufzuklären und die Widersprüche aufzuzeigen. Begleitet war ich dabei von der starken Hoffnung, dass diese Missstände viele Menschen zum «Aufwachen» bewegen würden. Einige wachten auf, doch lange nicht so viele, wie ich es mir gewünscht hatte.

Nach rund einem Jahr des Widerstands, müde ob der nicht fruchtenden Aufklärungsversuche, der Ignoranz so vieler Menschen und der Verblendung und Unfähigkeit unserer Regierungsmitglieder, beschloss ich, mich innerlich neu auszurichten und verliess den Widerstand. Ich verabschiedete mich von meinem inneren Drang nach Protest. Denn ich erkannte, dass er nur eine vorübergehende Phase im Prozess des Erwachens ist, und er uns im Aussen bestenfalls ein kleines Stück voranbringen würde. Und ich erkannte immer deutlicher die noch vor uns liegende Wegstrecke: Die Reise in unser Inneres.

Schon vor zwei Jahrzehnten begab ich mich auf den spirituellen Weg. Damals wirkte ich viele Jahre in einer gemeinnützigen Organisation für Heilung auf dem geistigen Weg mit. Ich kam in Kontakt mit der geistigen Heilkraft und erlebte die geistige Wirklichkeit in meinem Leben und am eigenen Körper. Vor rund 15 Jahren hörte ich zum ersten Mal die Worte Selbstermächtigung und Schöpferbewusstsein. Sie bewegten mich, und so begann ich immer mehr, mein Innenleben zu erforschen. Mit den Konzepten wie Unterbewusstsein, Weltbilder, dem Unterschied zwischen Glauben und Wissen, war ich bereits gut vertraut. Doch nun entdeckte und beobachtete ich ihr Wirken handfest in meinem eigenen Leben. Ich war erstaunt, welche Auswirkungen Glaubenssätze, unbewusste Ängste sowie unsere Schatten auf unser Leben haben. Schritt für Schritt verschob sich in mir die Grenze zwischen meinem Wachbewusstsein und meinem Unterbewusstsein, immer weiter hinein in das bisher Ungesehene und Unbeachtete.

Seitdem habe ich schon viele destruktive oder behindernde Verhaltensweisen, die in meiner Kindheit entstanden sind sowie Traumata, Ängste und Glaubenssätze in mir durchleuchten und auflösen können. Jedes Mal, wenn mir dies gelang, veränderten sich sowohl mein Lebensgefühl als auch die äusseren Umstände in meinem Leben. Auch in der Partnerschaft konnten wir viele hartnäckige Beziehungsmuster auflösen. Die Lebensqualität, die sich mir dadurch eröffnete, kann mit keinem Geld der Welt erkauft werden.

Mit dieser persönlichen inneren Entwicklung reifte auch die Erkenntnis, dass Widerstand, sowohl innerer als auch äusserer, und in welcher Form er sich auch zeigt, nie das Problem oder den Missstand wirklich lösen wird. Wie heisst es doch so schön: «Wer etwas bekämpft, gibt ihm nur Energie und nährt es.» Für den Widerstand gegen Massnahmen, Korruption, Misswirtschaft, Machtmissbrauch und alle weiteren Aspekte unserer Gesellschaft, welche nicht im Lot sind, bedeutet dies eben Folgendes: Wenn wir Widerstand gegen Personen oder Dinge leisten, anerkennen wir deren Autorität und Macht. Wir gestehen sie ihnen zu und stellen uns unter sie. Die andere Seite spürt dies und fühlt sich in ihrer Macht bestätigt wie auch bestärkt. So schneiden wir uns mental von unserer eigenen uns innewohnenden Macht ab.

Selbstverständlich wird es weiterhin eine wichtige Aufgabe sein, dass wir uns für Recht und Ordnung einsetzen. Doch der wesentliche Punkt dabei ist: Solange wir auf diese Weise unbewusst das Gefühl der Machtlosigkeit zelebrieren, werden wir nie unsere eigene transformative Macht ergreifen können.

Als Bürger eines Staates sind wir der Souverän, für den die Regierung arbeiten sollte. Wir haben ihnen lediglich die Aufgabe der Verwaltung gewisser Aspekte unseres Lebens übergeben. Sie müssten uns dienen und nicht ihren eigenen Interessen oder dem Machterhalt. Doch leider haben viele von uns mit der Übergabe dieses Aufgabenbereichs auch die Eigenverantwortung mit abgegeben. Wenn wir als Menschen in irgendeinem Lebensbereich die Verantwortung komplett abgeben, wird er ausser Kontrolle geraten. Daher ist das Zurückgewinnen einer echten und gelebten Selbstverantwortung, zuallererst für uns selber, die wichtigste Aufgabe unserer Zeit.

Wenn wir diese Eigenverantwortung wieder in uns fühlen, nicht nur erkennen oder verstehen, dann werden sich auch die Umstände im Aussen nach unserem inneren Gefühl richten. Doch dazu bedarf es einer tiefgreifenden inneren Heilung. Denn die Schatten, die in uns unbemerkt wirken, erhalten unsere Gesellschaft so, wie sie aktuell eben noch ist. Nur durch das wahrhaftige Durchleuchten unseres Inneren und der Heilung unserer Schatten werden wir fähig sein, eine komplett andere Gesellschaft zu erschaffen. Eine Gesellschaft, die mit nichts zu vergleichen sein wird, was wir bisher kannten.

Ich möchte meine Vision, in Form einer Hommage an die neuen Menschen, hier teilen. Die «neuen Menschen», die bereits unter uns sind, und zu denen viele noch werden:

Die neuen Menschen spüren, dass wahrer Frieden im Aussen nur dann sein kann, wenn sie den Frieden in ihrem Herzen, in ihrem Denken und in ihrem Unterbewusstsein tragen. Sie wissen, dass echte Freiheit nur in ihrem Inneren beginnen kann. Und dass die inneren Fesseln bestehend aus Ängsten und beschränkenden Glaubenssätzen dieser Freiheit im Wege stehen. Sie arbeiten an ihrem Inneren, sie wollen ihr wahres Sein entwickeln und die daraus geschöpfte Stärke und Kraft allem Leben schenken. Sie wissen, dass es die Selbstverantwortung sowie die Mitverantwortung für die Erde und alle Lebewesen sind, auf dem die neue Menschheit aufbauen wird.

Der Ruf aus ihrem Inneren treibt sie an, selber die Menschen zu sein oder zu werden, auf die sie gewartet haben. Sie haben sich der Wahrheit verschrieben. Kompromisslos, ohne Wenn und Aber. Sie sind bereit, ihr Weltbild jederzeit zu korrigieren oder zu ergänzen, wenn sie dies als notwendig erkennen. Sie entledigen sich ihres Eigendünkels, sie wollen keinen Nimbus um sich herum erschaffen, um vor anderen höher dazustehen. Sie begegnen jedem Menschen auf Augenhöhe und von Herz zu Herz. Ungeachtet ihrer Fähigkeiten, ihrer Bildung, ihrer Titel, ihres Besitzes oder ihres gesellschaftlichen Status. Und doch sind sie sich ihrer Stärken bewusst und sie lassen sie erstrahlen. Und auch vor ihren Schwächen verstecken sie sich nicht.

Sie erkennen, dass Wissen und Informationen nur dann einen Wert haben, wenn sie gelebt, gefühlt oder als solche erkannt werden: Sie streben nach Weisheit und lassen sich nicht mehr manipulieren. Kognitive Konzepte und vermeintliches Wissen bedeuten für sie nichts, wenn sie es nicht mit ihrem Leben in direkte Verbindung bringen können. Sie verschwenden keine Energie mehr mit dem Bekämpfen der Dornen. Denn sie wissen, dass die neue Saat früher oder später über die Dornen emporwachsen wird. Ihre Begegnungen sind bewusst. Wenn sie sprechen, dann wollen sie geben. Sie freuen sich, bewussten Menschen zu begegnen und schöpfen daraus ihre Energie und Zuversicht. Sie wissen, dass echte Begegnung und Austausch der Nährboden der neuen Saat sind.

Sie streiten nicht ums Recht haben. Denn sie wissen, dass ihre Sicht der Dinge nur ein begrenzter Blick auf die Wirklichkeit darstellt. Deshalb sind sie offen für neue Perspektiven und nehmen jeden neuen Impuls dankbar an. Und trotz der Vielfalt an Fähigkeiten und Sichtweisen, die sie nie selber alle besitzen oder einnehmen können, verneigen sie sich vor ihr im Wissen, dass sie selber ein unverzichtbarer Teil dieses Ganzen sein dürfen.

Die neue Menschheit ist am Entstehen. Die neuen Menschen sind bereits da und es werden immer mehr. Sei auch Du Teil davon. ♦

von Oliver Wittwer

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Oliver Wittwer ist diplomierter Physiker und Doktor der Naturwissenschaften, Gründer, IT-Berater, Bewusstseinsforscher, Visionär, Autor und Speaker.

provisions.ch


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Ein Arzt der leisen Töne

Denis Beyer arbeitet als Hausarzt in Muotathal. Er findet, dass wir von der Erwartungshaltung «Herr Doktor, machen Sie mich gesund!» wegkommen und mehr Eigenverantwortung übernehmen sollten.

Eine kurvenreiche Strasse führt durch den Wald, vorbei an Felsen. Die Bergspitzen, die langsam sichtbar werden, sind weiss gepulvert. Rauch steigt aus den Kaminen und mischt sich mit der kalten Luft. Die Strassen sind menschenleer. Um das Tal hier, durch das die 30 Kilometer lange Muota fliesst, und seine Bewohner ranken sich viele Geschichten und Mythen – hier wird gejuuzt, getrychelt und vorausgeschmöckt.

Einer der 3468 Einwohner (Stand 2021) der Gemeinde Muotathal heisst Denis Beyer. Der 43-jährige Ostschweizer wohnt und arbeitet seit rund drei Jahren hier. Eigentlich hatte er im Engadin als Hausarzt tätig sein wollen. Dass sich dieser langgehegte Traum nicht erfüllte, war für ihn anfangs eine «grosse Tragödie». Doch das Schicksal wollte es eben anders, wie er erzählt.

So kam es, dass er eine Blindbewerbung an Matthias Gauger, denInhaber der Praxis für Allgemeinmedizin inMuotathal, schickte. Wie Beyer erfuhr, suchte Gauger zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nach einem Ersatz für einen pensionierten ärztlichen Mitarbeiter. «Eigentlich war die Frist, die Matthias Gauger festgelegt hatte, um einen neuen Mitarbeiter zu finden, bereits abgelaufen – es stand sogar die Frage im Raum, ob die Praxis aufgelöst werden sollte –, aber dann kam eben ich mit meiner Blindbewerbung.»

Dass er ins Muotathal gezogen sei, sei im Nachhinein betrachtet das Beste, was ihm passieren konnte, findet Beyer heute. Gemeinsam mit dem zehnköpfigen Praxisteam sorgt er seit Herbst 2019 dafür, dass die medizinische Grundversorgung in der Gemeinde sichergestellt wird.

«Durch die Kraft der vielen kann viel Gutes entstehen.»

Die vergangenen drei Jahre waren für Beyer nicht leicht, aber lehrreich: «Die Pandemie hat mir gezeigt, dass wir unsere Gesundheit wieder selbst in die Hand nehmen sollten.» Ein Aha-Erlebnis hatte er, als die Muotathaler Arztpraxis aufgrund mangelnden Testangebots im Kanton beim Aufbau von vier Testzentren in der Region mitwirkte. Gemäss Beyer konnten für dieses Projekt innert kürzester Zeit 200 Freiwillige zusammengetrommelt werden. Jugendlichen war es daraufhin möglich, sich zum Selbstkostenpreis testen zu lassen. «Durch die Kraft der vielen kann viel Gutes entstehen.»

Beyer erzählt von einem weiteren Projekt, das «langsam heranreift». Es handelt sich dabei um ein medizinisches Versorgungsnetzwerk, das nach dem Prinzip der Nachbarschaftshilfe funktionieren soll. Ziel ist es, dass ehrenamtliche Helfer aktiviert werden können, wenn Hilfe benötigt wird. Etwa wenn Personen, die ihre pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause betreuen, eine Entlastung brauchen. Beyer kann sich beispielsweise vorstellen, dass sich nachbarschaftliche Sitzwache-Pools bilden können. Dabei sollen vor allem auch Laien zum Zug kommen, die vom Erfahrungsschatz medizinischer Fachleute lernen. Das medizinische Versorgungsnetzwerk soll Bürger zum eigenen Handeln bewegen, wie Beyer erklärt.

Das Gesundheitssystem sei nicht mehr so nahe bei der Bevölkerung, findet der Arzt. «Die Medizin muss sich vom digitalen Korsett befreien und wieder zur Menschlichkeit zurückfinden», sagt er und fügt an: «Auch sollten wir die Erwartungshaltung ‹Herr Doktor, machen Sie mich gesund!› überdenken und wieder mehr Eigenverantwortung übernehmen. Wussten Sie, dass im alten China Ärzte nur bezahlt wurden, wenn ihre Patienten gesund waren?»

Telefonanrufe aus der ganzen Schweiz

Er sei froh, dass bei Themen rund ums Coronavirus nicht mehr wie einst die Emotionen überhandnähmen, sondern die Sache vermehrt mit einem nüchternen Blick beurteilt werde, so Beyer. Die Pandemie verbindet er vor allem mit Telefonklingeln: «Am Praxisempfang läutete das Telefon praktisch den ganzen Tag, und das bei drei offenen Leitungen. Hatten wir mal den Anrufbeantworter für 20 Minuten drin, kam es teilweise zu über 80 Anrufen in der Abwesenheit.» Dass die Drähte so heiss liefen, hatte seinen Grund: Es sprach sich schnell herum, dass in der Muotathaler Praxis keine Covid-19-Impfungen verabreicht werden. Dies führte gemäss Beyer unter anderem dazu, dass Personen aus verschiedenen Kantonen ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt wechseln und in die Muotathaler Praxis kommen wollten. Einige Bürger hätten wohl wegen der Corona-Massnahmen das Vertrauen in ihre bisherige Gesundheitsversorgung verloren, vermutet der 43-Jährige. Die Praxis hatte aber schon damals einen Aufnahmestopp für Menschen ausserhalb des Tals.

Beyer und Gauger hatten während der dritten Corona-Welle im Frühjahr 2021 ein 22-seitiges Dokument verfasst, in dem sie darlegten, weshalb sie in der Praxis keine Covid-19-Impfungen anbieten. Dieses sei «unausgewogen», befand das Amt für Gesundheit und Soziales des Kantons Schwyz. Mittlerweile ist das Dokument nicht mehr auf der Website der Praxis abrufbar, allerdings ist eine abgeänderte und aktualisierte Version vorzufinden.

In Beyers Augen ist das Zulassen von Meinungsvielfalt «ein Zeichen einer gesunden Gesellschaft». Den Mitmenschen zuhören, ihre Ängste und Sorgen wahrnehmen und versuchen, die verschiedenen Blickwinkel zu verstehen, das sei das Gebot der Stunde, findet der Arzt.

Beyer ist ein Mann der leisen Töne – das Geschrei der Empörer hat er nicht nötig: «Seine Meinung fein dosiert zu äussern bringt mehr, als zu wettern.» Beyer ist differenziert, nicht radikal: «Als Hausarzt habe ich SARS-CoV-2 sehr gut kennengelernt. Wenn es zu Komplikationen kam, waren diese schwerwiegender als bei einer herkömmlichen Grippe – dies vor allem bei der Delta-Variante.» Der 43-Jährige hinterfragt und blickt über den Tellerrand: «Ich kann die Sichtweise der Spitalärzte nachvollziehen und habe Verständnis dafür, dass viele von ihnen in der Covid-19-Impfung die Lösung sahen.» Dass ein Intensivmediziner in der Stadt eine andere Sicht als ein Hausarzt im Tal haben könne, liege auf der Hand. Es spiele eben immer eine Rolle, aus welchem Blickwinkel die Lagebetrachtet werde. «Aus meiner Sicht waren aber viele Massnahmen nicht verhältnismässig, und das habe ich damals auch öffentlich kundgetan.»

«Diese Erfahrung war sehr heilsam.»

Beyer ist bedacht, andere Standpunkte zu verstehen – das war aber nicht immer so. Doch von vorn: Beyer war 21 Jahre alt – «ich war noch grün hinter den Ohren» –, als er sich entschied, die vierjährige Ausbildung in Homöopathie zu machen. Dazu bewogen habe ihn vor allem ein Erlebnis aus der Kindheit. Er sei damals sehr kränklich gewesen, habe unter anderem an chronischer Mittelohrentzündung gelitten. Antibiotika, die in jener Zeit grosszügig verschrieben worden seien, hätten bei ihm kaum Wirkung gezeigt, die homöopathischen Mittel hingegen schon.

«Nach der Homöopathie-Ausbildung musste ich feststellen, dass ich immer noch grün hinter den Ohren war; ich fragte mich, ob ich den Patienten wirklich schon gerecht werden konnte.» Es war in Indien – Beyer hospitierte dort –, als ihm ein homöopathischer Arzt empfahl, noch Medizin zu studieren, was er dann auch tat. «Während des Medizinstudiums musste ich mir eingestehen: Aha, es gibt verschiedene Sichtweisen! Es ist gut, wenn ich die Glaubenssätze, die ich aufgebaut habe, überdenke – diese Erfahrung war sehr heilsam.»

Beyer ist es ein Anliegen, das Pro und Kontra einer Sache abzuwägen – er ist kein Arzt, der voreilig handelt. Der 43-Jährige erinnert sich an den Start der Impfkampagne: Eigentlich hatte sich die Praxis bereits bei der Ärztegesellschaft fürs Impfen angemeldet – «wir wollten kein Spaltkeil sein». Doch dann kam es zu den zwei Impfvorfällen in Österreich, die vor rund zwei Jahren für Schlagzeilen sorgten: Zwei Krankenschwestern liessen sich mit dem Vakzin von AstraZeneca impfen. Während die eine zehn Tage nach der Impfung starb, landete die andere aufgrund einer Lungenembolie im Spital. Bei Beyer kamen viele Fragen und grosse Zweifel bezüglich der globalen Impfstrategie auf. Vor allem die «mangelhafte Produktüberwachung» und die «undifferenzierte Nutzen-Risiko-Abwägung auf die gesamte Bevölkerung» machten ihn stutzig.

«Ich bin froh, dass wir damals entschieden haben, keine Patienten in unserer Praxis zu impfen», sagt Beyer. Bilanz über die Corona-Pandemie zu ziehen, masse er sich aber nicht an – diese Analyse überlasse er den Geschichtsschreibern. Die Pandemiejahre hätten ihn viel Energie gekostet. Was ihm besonders zu denken gab: «An gewissen Tagen habe ich mich dabei erwischt, wie ich auf die Uhr geschaut und mich dann jeweils gefreut habe, wenn schon bald Feierabend war.» Er sei gleichgültigergeworden, sagt Beyer, das zu erkennen habe ihm innerlich sehr wehgetan.

Wieder ins Lot gebracht hat ihn ein einmonatiger Offline-Urlaub in Asien. Während seiner Auszeit ging er viel in die Stille und lebte enthaltsam: «Stillwerden und Fasten – sei es bezüglich Nahrung oder bezüglich Sinnesreize –, diese wichtigen Bestandteile in meinem Leben sind für mich der Schlüssel zum Heilwerden.» Er wolle sich hier auf der Erde nicht ausleben, sagt Beyer, vielmehr wolle er so leben, dass er seinen Daseinszweck erfüllen kann.

Janis Joplin aus der Jukebox und Schwyzerörgelimusik

Beyer sucht das innere Licht, nicht das Rampenlicht. Lärm und zu viele Reize täten ihm nicht gut; er sei ein «eher zivilisationsscheuer Mensch» und habe es gerne, wenn es am Abend dunkel und still ist. «Ich muss zugeben, dass ich schon ein bisschen ein Eigenbrötler bin», sagt Beyer. Klar gebe es hier in Muotathal hin und wieder Dorfgerede, aber die Menschen würden so akzeptiert werden, wie sie sind. «Wenn im Gasthaus Hölloch ein Älpler, ein Gemeinderatsmitglied und ein Typ aus der Metal-Szene zum gemeinsamen Jass aufeinandertreffen – im Hintergrund läuft Musik von Janis Joplin, später spielt ein weiterer Gast Schwyzerörgeli –, dann ist das doch wahrlich gelebte Vielfalt, nicht?»

Auf der kurvenreichen Strasse geht es schliesslich wieder zurück ins Unterland – weg von der Stille, rein in den Trubel. Die unzähligen Lichter der Städte flackern aus der Ferne. Das Muotathal leuchtet auch ohne Lichter – seine Urigkeit, seine Eigenheiten und die bunte Mischung von Charakteren verleihen ihm eine aussergewöhnliche Leuchtkraft. ♦

von Luisa Aeberhard

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Dr. med. Denis Beyer ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH mit Ausbildung in klassischer Homöopathie. Er ist als Hausarzt in Muotathal im Kanton Schwyz tätig.


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Auf Freiheitsmission

Habe ich mir das selbst ausgesucht, mich bewusst dafür entschieden? Oder war es Schicksal und ich habe einfach den für mich vorgesehenen Pfad beschritten? Wie es dazu kam, dass ich mich mit Haut und Haaren für die Freiheit einsetze und diese Lebensaufgabe sogar zu meinem Beruf gemacht habe, weiss ich selbst nicht so genau.

Es war vermutlich eine Kombination aus beidem: Meinen (genetischen, astrologischen, erziehungsbeeinflussten …) Vorprägungen, die dafür verantwortlich waren, dass ich den Freiheitswillen mit der Muttermilch aufgesogen hatte. Und meiner Lebenserfahrungen als mündiges Wesen sowie die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Liberalismus als Reaktion auf die in der Schule versuchte Indoktrination mit offensichtlich fehlgeleitetem etatistischen Gedankengut, das ich schon damals als unvereinbar mit der Lebenswirklichkeit empfand.

Keine Ahnung also, ob ich meine Mission selbst gewählt habe oder ob sie mir «gegeben» wurde. Im Grunde spielt das auch gar keine Rolle. Denn ich fühle mich in meinem Tun allein meinen inneren Werten verpflichtet, meinem inneren Kompass und Gewissen. Diese inneren Sensoren signalisieren mir, was gut und was böse, welches Handeln richtig und welches falsch ist. Ich fühle mich daher nicht fremdbestimmt. Ich vertraue darauf: Wenn mir jemand oder etwas ein falsches Wertesystem eingepflanzt hätte, das destruktiv und zerstörerisch ist, so wären mein Gewissen und meine Vernunft in der Lage, diesen Irrtum aufzudecken. Dann könnte ich meine Überzeugungen hinterfragen und adjustieren. Darauf vertraue ich, weil ich nach reiflicher Auseinandersetzung mit gewissen Themen auch schon meine Ansichten geändert habe. Zum Beispiel war ich einmal der Meinung, dass die Ausgabe von Geld eine Staatsaufgabe sei und habe sogar viele Monate an einer entsprechenden Volksinitiative mitgearbeitet, bis ich realisierte, dass dies ein Holzweg ist und Geld besser dem freien Markt überlassen werden sollte.

Die Erfahrung, dass ich meine Ansichten auch revidieren kann, spräche eher dafür, dass mir mein Freiheitsimpuls nicht «gegeben» wurde, sondern ich ihn erlernt habe. Dies macht mir Hoffnung: Konnte ich ihn erlernen, so ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass andere ihn auch erlernen können. Es mag starke Mechanismen geben, die jemanden dazu bringen, an seinen fehlgeleiteten Glaubenssätzen festzuhalten. Etwa, wie sehr die eigene Identität von dieser Meinung abhängt oder wie stark man in seiner Kindheit traumatisiert wurde. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen. Mein eigenes Beispiel und viele weitere Beispiele in meinem Umfeld zeigen, dass es nicht unmöglich ist, seine Mitmenschen durch entsprechende Überzeugungsarbeit von falschen Denkmustern, Ideologien und Glaubenssätzen abzubringen. Die Prinzipien für ein friedliches, freiheitliches und prosperierendes Zusammenleben aller Menschen können entdeckt und verinnerlicht werden.

Warum es sich zu kämpfen lohnt

Das Schöne am Liberalismus, für den ich mich mit Herzblut einsetze, ist ja, dass er die Menschen nicht dazu zwingt, ihre Ideale aufzugeben, die sie zuvor als Sozialist oder als Konservativer gepflegt haben. Der Liberalismus lässt Raum für alle möglichen Modelle des Zusammenlebens. Einzige Voraussetzung: Man lässt den anderen in Ruhe und geht nicht mithilfe von Gewalt (auch nicht der Staatsgewalt) gegen Andersdenkende oder Andersartige vor. Wenn also beispielsweise Sozialisten in einer WG oder einem Dorf zusammenleben wollen, wo alle, die freiwillig mitmachen, alles mit allen teilen, so ist das im Liberalismus erlaubt. Dasselbe gilt für Konservative, die in ihrer Religionsgemeinschaft und in traditionellen Familienstrukturen leben wollen. Oder die libertäre Community, in welcher Eigentumsrechte zu Hundert Prozent geschützt sind und jeder selbst entscheiden darf, was mit den Früchten seiner Arbeit geschehen soll. Im Liberalismus ist Platz für alle da.

Die einzige Voraussetzung ist, dass auf politischer Grossebene alles offenbleibt bis auf den einklagbaren Schutz von Eigentum, Leib und Leben, damit sich in dezentral-föderalistischer Weise alles auf tieferen Ebenen regeln lässt. Das ist der einzig nötige Konsens, um Frieden, Selbstbestimmung und Zufriedenheit für alle zu ermöglichen. Es braucht dafür keinen «neuen Menschen», keine Zwangsumerziehung, keine international abgestimmte «Agenda 2030» und auch keinen «Great Reset», der uns top down aufgestülpt wird. Alles, was wir brauchen, ist ein bisschen Toleranz für die Tatsache, dass es andere Menschen und Communities gibt, die eine andere Lebensweise pflegen. All dies im Bewusstsein darum, dass diese Toleranz auch die eigene Community vor Angriffen anderer schützt, denen unsere Lebensweise nicht zusagt. Wie es Ludwig von Mises so schön gesagt hat: «Ein freier Mensch muss es ertragen können, dass seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für richtig hält, und muss sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach der Polizei zu rufen.» Insofern habe ich Hoffnung, dass der Liberalismus als grossartige Vision vielen Menschen vermittelbar und Frieden auf dieser Welt möglich ist.

Wann ist meine Mission erfüllt?

Wäre meine Aufgabe erledigt, wenn wir uns auf diesen Konsens einigen könnten und der Liberalismus eingeführt wäre? Die Geschichte zeigt uns leider, dass die Aufgabe, für die Freiheit zu kämpfen, nie beendet ist – egal wie weit man es zwischenzeitlich gebracht haben mag. Die Fackel der Freiheit muss stets an die nächste Generation weitergegeben werden, sonst erlischt sie.

Das hat auch mit unseren Reflexen zu tun, die wir wohl noch von unseren Vorfahren geerbt haben. Die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte lebten wir nicht in einer anonymen Grossgesellschaft mit globaler Arbeitsteilung wie heute, sondern in überschaubaren Stammesgesellschaften. Der Kollektivismus, und nicht der Individualismus, war in über 99 Prozent der Menschheitsgeschichte unsere dominante Organisationsform. Das hat sich vermutlich tief in unser genetisches Material eingeprägt. Es gab und gibt immer wieder Rückfälle in dieses Stammesdenken, in barbarisches Herdenverhalten. Der Rassismus des Nationalsozialismus und der Klassismus in kommunistischen Ländern sind zwei tragische Beispiele dafür. Die Aufklärung über unsere Wurzeln, das Bewusstmachen unserer intuitiven Kollektivismusreflexe und das Aufzeigen funktionierender Mechanismen einer freien, wohlhabenden und friedlichen Gesellschaft werden vermutlich die bleibenden Aufgaben der liberalen Aufklärungsbewegung sein.

Ist es Zeit, das Handtuch zu werfen?

Freiheitsaktivisten haben es derzeit nicht leicht. Die cancel culture macht ihnen das Leben schwer. Angriffe gegen Leib, Leben und Eigentum von Andersdenkenden, Skeptikern und Hinterfragern mehren sich. Tröstlich ist, dass es nicht das erste Mal in der Geschichte ist, dass Freiheitsfreunde unterdrückt werden und es auch unsere liberalen Vorfahren irgendwie geschafft haben, das Pendel nach kollektivistischen Exzessen zu stoppen und es zumindest phasenweise wieder in die andere Richtung sausen zu lassen. Wieso sollte uns das nicht auch gelingen?

Es braucht jeden Einzelnen von uns, der jeder in seinem spezifischen Umfeld den nötigen Einsatz leistet. Wir dürfen nicht verzagen, nur weil wir aktuell keine Mehrheiten haben. Nassim Taleb zeigt in seinem Buch «Skin in the Game» auf, dass es keine Mehrheiten braucht, um den Lauf der Dinge zu verändern. Eine aktive und entschlossene Minderheit reicht dazu vollkommen aus. Wir haben also allen Grund, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. ♦

von Olivier Kessler

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Olivier Kessler ist Direktor des Liberalen Instituts in Zürich.


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Sag mir, wo ihr alle seid

Ganz hinten im Bus sitze ich, wir fahren am Thunersee entlang. Leiser Regen fällt auf die Windschutzscheibe. Ein Tag im grauen Frühsommer 2017. Ein paar Reihen vor mir sitzt ein Mensch, ganz klein zusammengekauert.

Oberhofen. Der kleine Mensch steht auf, schaut in meine Richtung, steigt aus. War es ein Nicken, ein Erkennen, ein Gruss? Ich grüsse zurück: «Salü Polo!» Nicht lange später ist er gegangen. Für immer. Der grosse Polo Hofer. Nur zwei Jahre älter als ich heute bin. Nun ist es fünf Jahre her, seit ich von seinem Tod erfahren habe.

Viele der anderen Grossen, die mich in irgendeiner Form seit meiner Kindheit begleitet haben, sind nicht mehr da. Es sind nicht nur berühmte Namen wie Polo, Mani Matter, Endo Anaconda, John Lennon, Martin Luther King, Nelson Mandela und viele mehr.

Sie heissen Beat Stähli, mit seinen wundervoll kraftstrotzenden Skulpturen. Werner Hostettler, der Tausende mit seinen Geschichten in Lokalzeitungen zu berühren verstand. Daniel Laroche, aus dem gleichen Metier, ein Regisseur und oft unterschätzter, überragender Geist. Michel Biedermann und seine unvergessliche Klarinette, seine ansteckende Begeisterungsfähigkeit. Dann die wundervolle Moni Linder, die von ihrem Pferd geworfen wurde – mit wenig mehr als 30 Jahren. Mein wunderbarer Grossvater und seine grosse, von viel Liebe erfüllte Frau. Sie alle sind gegangen.

Und ihr fehlt mir.

Gerade heute, wo ich und viele andere euch so nötig gehabt hätten. Mit eurer Gradlinigkeit, eurem wachen Geist, euren Emotionen und eurer Empathie. Wie hätten wir euch heute doch so nötig …

von Herbert Schweizer


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«Selbstversorgung ist pure Freiheit!»

Maria Rösingers Permakulturgarten in Degersheim ist eine Zauberwelt! In ihrem 1200 Quadratmeter grossen Gartenparadies wachsen Mais, Kartoffeln, Hirse, Reis, Roggen, Linsen, Süsskartoffeln und zahlreiche Gemüsesorten, die es ihr und ihrem Mann ermöglichen, sich ganzjährig selbst zu versorgen. In gutbesuchten Kursen gibt Maria ihr Wissen weiter.

Eigentlich wollten sie und ihr Mann Lorenz damals ja mit dem Velo von Schönengrund im Kanton Appenzell Ausserrhoden nach China radeln, doch dann landeten sie nur eine knappe Velostunde Fahrt entfernt in Degersheim, Sankt Gallen, wo sie ihre Zelte aufschlugen – oder genau genommen ein altes Holzhaus inmitten von viel Grün erwarben und liebevoll renovierten. Während des Umbaus deponierten sie alle Möbel im Stall und wohnten derweil in Zelt und Wohnwagen. Die ersten Hochbeete kultivierte Maria schon während des Umbaus. Und eineinhalb Jahre nach dem Einzug, als sie die Umgebung mit den Windrichtungen, den Wasserläufen und den Sonnengang kannten, pflanzten sie die ersten Bäume und verwandelten ihren Landsitz Stück um Stück in ein bezauberndes Paradies. Von dessen Früchten und Erträgen konnten sie sich fortan selbst versorgen – auch durch den Winter. Einzig Salz, Mehl und Öl kauft Maria noch ein. Mit der Zeit gesellten sich noch Schafe und Hühner hinzu, so dass der Speiseplan unterdessen mit Lammfleisch, Schafskäse und frischen Eiern ergänzt wird. «Meine Hühner können tagsüber draussen frei rumlaufen», erzählt sie, «Freiheit ist für mich etwas so Wichtiges!»

Maria ist Naturpädagogin und Permakultur-Designerin. Zuvor arbeitete sie zehn Jahre lang als Primar- und Oberstufenlehrerin. Nach dem Schulalltag wurden die Wunder der Natur zu ihrer Schulungs- und Wirkstätte. Im Selbststudium und im Diplomlehrgang «Permakultur Designer» vertiefte sie sich in die Geheimnisse der Permakultur. Diesen reichen Wissensschatz gibt sie nun an ihren Kursen mit viel Liebe und Begeisterung weiter.

Besucher des kleinen Idylls sind von ihrem Gartenparadies meist ebenso begeistert wie von ihr selber. Fast wie eine Elfe führt die hellfühlende Maria durch ihren Zaubergarten und zeigt auf, wie Mensch, Fauna, Flora miteinander verwoben sind, wie die Natur und die Naturwesen zusammenwirken und wie alles miteinander im Einklang steht. Die Rückmeldungen der Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer sprechen Bände: «An diesem Selbstversorgerkurs von Maria sollte jeder im Leben einmal teilgenommen haben. Wir wurden reichhaltig beschenkt, danke!» «Der Permakulturkurs von Maria hat mich vom ersten Kursabend an verändert. Eigentlich wollte ich einfach mein Wissen etwas auffrischen, erweitern und etwas dazulernen. Doch wie Maria ihre Wörter wählt … wie viel Liebe und Wachstum sie überall und in allem spürt und wahrnimmt, ist herzberührend.» «Zu erfahren, wie Permakultur gelebt wird, macht es für mich fassbar und motiviert zum Nachahmen.»

Doch was ist Permakultur überhaupt? Die naturnahe Bewirtschaftungsweise ist sozusagen der konsequentere Bio-Landbau. Permakultur verschreibt sich dem achtsamen Umgang mit der Erde und den Menschen und berücksichtigt mit nachhaltigen Kreislaufsystemen auch die Begrenztheit der Ressourcen. Der Begriff Permakultur leitet sich ab von «permanent agriculture»; zu deutsch «dauerhafte Landwirtschaft». Ziel ist es, den Garten Eden wiederherzustellen – für alle, Mensch, Tiere und Pflanzen. Kurz: Permakulturisten arbeiten mit und nicht gegen die Natur, wie es ihr Gründervater, der mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnete Bill Mollison vor rund 50 Jahren formulierte. Der Australier entwickelte zusammen mit David Holmgren die nachhaltige Bewirtschaftungsform als Antwort auf die ökologisch verheerende Art der heutigen industriellen Landwirtschaft, in der Monokulturen mit schwerem landwirtschaftlichem Gerät und grossen Mengen fossiler Rohstoffe beackert werden, wo Pestizide, Fungizide und Herbizide zu einem grossen Verlust an Tier- und Pflanzenarten führen und Böden und Wasser verschmutzen – womit am Ast gesägt wird, auf dem der Mensch sitzt.

Maria Rösinger geht diesen anderen Weg konsequent. Schon als Kind verbrachte sie jede freie Minute in der Natur, zog als «Indianer» in die Abenteuer und spielte mit den «Unsichtbaren», wie sie die Naturwesen damals nannte. Als Erwachsene zog es ihr in Sachen Permakultur so richtig den Ärmel rein, «weil die Permakultur so viele Systeme kennt, die uns Gärtnern die Arbeit um so einiges erleichtern können. Wozu noch Pflanzen tränken oder ständiges Unkraut jäten, wenn es auch anders geht, dabei sogar noch grössere Ernten rausspringen und sich der Garten ganz nebenbei zu einem artenreichen Naturparadies entwickeln kann?» Und das Tüpfchen auf dem i: Dank dem Gärtnern nach den Prinzipien der Permakultur können sich Maria und Lorenz auch noch mit wenig Kraftaufwand das ganze Jahr über selbst versorgen. Was will man mehr?

Inzwischen hat das Gartenprojekt sogar noch grössere Kreise gezogen. Maria hatte sich mehr Gemeinschaft gewünscht und ihren Wunsch den Naturgeistern und Engeln zugeraunt. Kurze Zeit später eröffnete sich auf dem Nachbargrundstück die Möglichkeit, zusammen einen Landblätz zum Gemeinschaftsgarten umzugestalten. Seither baut sie gemeinsam mit Interessierten aus der Umgebung an, man hegt, pflegt und erntet auch miteinander. Und es hat genug für alle. Die Natur verschenkt sich in einer solchen Überfülle! ♦

***

Selbstversorgung durch Permakultur

Möchtest du dich selber versorgen mit dem, was in deinem Garten wächst? Oder erste Schritte in diese Richtung wagen? An Kursen vor Ort sowie in Online-Kursen führt Maria Rösinger Interessierte in die Geheimnisse der Selbstversorgung mithilfe von Permakultur ein. Nebst den Permakulturprinzipien nach David Holmgren vermittelt sie Permakulturplanung für das eigene Gartensystem nach Teepur, Bodenkunde mit Terra Preta, Anzucht, Auspflanzung, Mischkulturen, Fruchtfolge, Mulchen und Kompostieren, Kräuterkunde, Wissenswertes über Hochbeete und die «drei Schwestern», Wintergärtnern, Herstellung von Pflanzenmilch, Selbstversorgerrezepte und vieles mehr. Die Kurse starten im Frühling 2023. Näheres erfährst du unter permaria.ch


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The Show must go on!

Interview mit Fredy Knie junior

Es war pures Glück, das sich unter dem Zirkuszelt ausbreitete. Als sich bei der Schlussrunde gut 2100 Zuschauer zu einer Standing Ovation erhoben und der Applaus nicht abklingen wollte, war die Freude über die unersetzlichen Zirkusmomente zu spüren. Mit strahlenden Augen und einem gewinnenden Lachen liessen mich die Artisten an ihrem Stolz über die atemberaubende Show teilhaben.

Tief ergriffen fühlte ich mich, geborgen und verbunden inmitten von tausenden von Menschen, als Teil von etwas Grossem. Dieses Gefühl hatte ich lange nicht mehr erlebt. Dabei zu sein, wenn alle den Atem anhalten und mitfiebern, Auge in Auge mit den Artisten zu sein, den Luftzug ihrer Trapezkünste zu spüren und gemeinsam über die Missgeschicke der Komiker zu lachen – das sind elementare Erlebnisse, die kein Bildschirm ersetzen kann.

Scharen von Menschen, vom Kleinkind bis zur Grossmutter, standen Schlange am Zuckerwatte-Automaten, beim Wurststand oder vor den WCs. Menschliche Nähe war hier unausweichlich. Während drei Stunden fanden so viele Leute auf engstem Raum auf angenehme Weise zusammen. Es war schön, wieder einmal solche verbindenden Momente zu erleben: Wenn Tausende von Händen zu den gelungenen Kunststücken klatschen, tausend heitere Seelen über die Clowns lachen, wenn zur Musik die Lichter der Handys in der Luft hin und her schweifen und der Duft von Popcorn um meine Nase streichelt, dann entsteht eine wunderbare Stimmung, die sich wie Samt um mein Bewusstsein legt.

Hier werden Emotionen verkauft. Dieses Metier versteht die Familie Knie wie niemand anderes. Kinder wie Erwachsene erleben hier, was Menschen gemeinsam schaffen können. Schaffen im Sinne künstlerischer Herausforderungen; schaffen aber auch im Sinne autonomer Unternehmensführung. Rund 150 Mitwirkende jeden Alters, aus verschiedenen Nationen und Kulturen, mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Gesinnungen arbeiten unter einem Zirkuszelt zusammen – ein echtes Kunststück. Tradition erhalten und gleichzeitig mit der Zeit gehen – wie ist dieser Spagat machbar? Ich wollte von Fredy Knie junior wissen, was die Zirkusfamilie Knie zusammenhält und was das Geheimnis ihrer Erfolgsgeschichte ist. Ich traf den pensionierten Zirkusdirektor in Rapperswil im Kanton Zürich im legendären Medienwohnwagen zum Interview.

«DIE FREIEN»: Herr Knie, mit dem Hochseilakt in einer offenen Arena wurden die vier Brüder Knie aus Österreich nach dem Ersten Weltkrieg in der Schweiz bekannt. Einem Hochseilakt gleicht auch die Herausforderung, über 100 Jahre als Zirkus in einer derart spannungsgeladenen Gesellschaft zu bestehen.

Fredy Knie junior: Ja, über 100 Jahre ein Familienunternehmen aufrechtzuerhalten, das muss erst mal jemand nachmachen. Wir sind durch schwierige Zeiten, wie den Zweiten Weltkrieg. Es war immer ein Auf und Ab, das wird es auch bleiben …

von Prisca Würgler


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Die Zivilisation am Leben erhalten

Viele von uns sind in dem Glauben aufgewachsen, dass die Demokratie die beste aller möglichen Welten biete, aber dieses angenehme Versprechen hat sich ganz offensichtlich als falsch erwiesen. Herrschaft taugt nicht als Quelle eines ehrlichen und menschengerechten Lebens; sie taugt nur dazu, immer noch mehr Herrschaft – also Zwang – hervorzubringen. Und da leider niemand ausser uns da ist, um die Zivilisation zu pflegen, müssen wir das tun.

Das heutige Herrschaftsmodell

Es gibt zwei Grundmodelle, wie eine zivilisierte, menschengerechte und vertrauensvolle Lebensweise hervorzubringen sei:

  1. die Zivilisation im Menschen pflegen
  2. den Menschen die Zivilisation aufzwingen

In der guten alten Zeit begnügten sich Regierungen mit der Abwehr äusserer Bedrohungen und überliessen es den Religionen und Philosophien, die Zivilisation in der Bevölkerung zu kultivieren.

Doch seit den 1970er-Jahren haben wir eine feindliche Übernahme der Moral erlebt; die Durchsetzung moralischer Normen durch den Staat, indem alles reguliert und kriminalisiert wurde. Gemäss diesem Modell muss der Staat die korrekte Sprache und ordentliche Sexualpraktiken durchsetzen; er muss die Erbsünde des Rassismus bestrafen und unterdrücken; er muss grüne Politik erzwingen, um die Apokalypse abzuwenden … der Staat muss eine Bedrohung nach der anderen beseitigen, um uns zu guter Letzt ins gelobte Land zu führen.

Der Weg der Herrschenden ins Paradies besteht darin, immer mehr Zwang auszuüben. Und viele Menschen glauben gerne an solche Fantasien, da sie nicht erkennen, welchen hohen Preis sie dafür bezahlen. An diesem Punkt stehen wir heute.

Was also sollen wir tun?

Wir müssen nach eigenem Willen und aus eigener Initiative handeln. Die gute Nachricht ist, dass wir genau das bereits tun. Und es zeigt sich, dass wir wirklich gut darin sind …

von Paul Rosenberg

***

Paul Rosenberg beschäftigt sich seit der ersten Cypherpunk-Ära intensiv mit Kryptografie. Er ist Co-Autor eines Grundlagenpapiers über private digitale Volkswirtschaften und betreibt den anarchistischen Blog «Free-Man’s Perspective».

Am 20. Februar 2023 erschienen auf freemansperspective.com. Ins Deutsche übersetzt von Michael Bubendorf.


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Gesund ohne kranke Kasse

Stefan Häsler folgt lieber seinem gesunden Menschenverstand, als ein krankmachendes «Gesundheitswesen» zu unterstützen. Der 51-jährige Schreiner und Arbeitsagoge hat den Glauben an die Schulmedizin verloren und die obligatorische Krankenkasse aufgegeben.

«DIE FREIEN»: Stefan, du hast Ende 2022 deine obligatorische Krankenversicherung gekündigt, aus Gewissensgründen. Deiner Kündigung hast du ein «Glaubensbekenntnis» beigelegt, in dem du dich auf die verfassungsmässig garantierte Glaubensfreiheit berufst. Wie ist es dazu gekommen?

Stefan Häsler: Den ersten Versuch, aus der Krankenkasse auszutreten, startete ich schon 2021. Auf die Idee gebracht hatte mich der Künstler Daniel Ambühl, der argumentierte, dass man Ungeimpfte in den Spitälern nicht mehr gleich behandelte und somit das Obligatorium nicht mehr gerechtfertigt sei. Ich gab die Kündigung so ein, sie antworteten, das könne ich nicht tun, sie seien ja nicht verantwortlich für die Situation in den Spitälern. Also bezahlte ich die Jahresprämie nochmals, merkte aber, dass es für mich nicht stimmt. Beim zweiten Mal berief ich mich auf die Glaubensfreiheit und legte dem Schreiben mein Glaubensbekenntnis bei. Darauf erhielt ich keine Bestätigung, aber auch keine Rechnung. Vor einem Jahr war die Mahnung sehr rasch gekommen. Nun habe ich seit Dezember 2022 nichts mehr gehört. Allerdings haben sie mir auch für die Unfallversicherung keine Rechnung mehr geschickt – obwohl ich die eigentlich behalten wollte, weil ich fand, dass sie im Rahmen dessen ist, was sie ungefähr kosten darf. Aber ich bin nun lieber gleich aus dem Ganzen raus, statt jetzt noch nachzufragen, ob sie mir dafür eine Rechnung schicken. (lacht)

In deinem Glaubensbekenntnis argumentierst du, das Gesundheitswesen sei ein verbrecherisches System, das du nicht mehr unterstützen kannst.

SH: Wenn man schaut, wie viele Nebenwirkungen von Medikamenten für Todesfälle verantwortlich sind, muss man zum Schluss kommen: Eigentlich kommt man besser weg ohne Schulmedizin. Das muss nicht heissen, dass sie nicht auch ihre Berechtigung und Stärken hat, beispielsweise bei einem Unfall. Aber im grossen Ganzen ist es ein Geschäftsmodell, bei dem Profit und nicht das Wohl des Menschen im Zentrum steht.

Hast du das schon vor Corona so kritisch gesehen?

SH: Corona hat mir einfach den Rest gegeben. Ich bin eigentlich schulmedizingläubig aufgewachsen, das war für mich das Normale und Gute. Aber es begann langsam zu bröckeln. Ich lernte immer mehr Menschen kennen, die alternative Behandlungen wählten, die besser waren und weniger teuer: bei Krebs, bei Arthrose, bei Kniegelenkbeschwerden. Das hat sich alles gehäuft, schon vor Corona. Ich begann mich mit Gesundheitsthemen auseinanderzusetzen und merkte: Alle Alternativmediziner sagen das Gleiche – dass ihre Methoden behindert, Behandlungen verboten werden und so weiter. Und das ist ja höchst unwissenschaftlich. Wenn man sieht, dass es so viel aus der Naturmedizin gibt, das über Jahrtausende entwickelt wurde und sich bewährt hat, und dann einfach rausgekippt wurde – da merkt man einfach, dass es ums Geld geht, nicht ums Helfen …

… und so ist dein Glaube ans Gesundheitssystem ins Wanken geraten?

SH: Ja. Lustigerweise, als die Krankenversicherung obligatorisch wurde 1996, hiess es, sie werde günstiger für alle. Schon damals hatte ich irgendwie ein ungutes Gefühl. Denn wenn etwas obligatorisch ist, kommt richtig viel Geld rein. Corona hat jetzt vieles gezeigt, das vorher schon schiefgelaufen ist: Die ganze Manipulation über die Medien, das Schlechtmachen von natürlichen Mitteln durch die Pharma … es wird seit mehr als Hundert Jahren vor Heilpflanzen gewarnt, obwohl sie wissen, dass die ganze Chemie viel mehr Nebenwirkungen hat.

Nun stehst du ohne Kranken-, aber auch ohne Unfallversicherung da. Das bedeutet, dass du auch bei einem Unfall völlig auf dich allein gestellt bist.

SH: Naja, allein gestellt stimmt nicht unbedingt – das Gesundheitswesen funktioniert ja auch ohne Kasse. Aber es ist klar, dass ich die Kosten der Dienstleistungen, die ich annehmen würde, übernehme. Ich sehe mich als Kunde, nicht als Patient. Ich befasse mich mit Gesundheit und den verschiedenen Möglichkeiten und kaufe von der Schulmedizin das ein, was ich will. Aber es gibt immer weniger, das ich dort einkaufen möchte. (lacht)

In einem Worst-Case-Szenario könnten die Kosten aber schnell mal horrend werden. Macht dir das Sorgen oder denkst du positiv, dass es gar nie dazu kommen wird?

SH: Klar, die Möglichkeit besteht, aber die Wahrscheinlichkeit ist relativ klein. Das ist jetzt einfach ein Risiko, das ich auf mich nehme. Es ist eher selten, dass man als Normalbürger etwas nicht tragen kann – bei einer Querschnittslähmung oder Ähnlichem. Da hätte ich jetzt auch keine Lösung. Aber ich habe eine Patientenverfügung geschrieben für meine Frau, damit sie wüsste, an wen sie sich im schlimmsten Fall wenden muss. Wir haben keine Kinder, es betrifft nur meine Frau. Sie selbst ist sicherheitsbedürftiger, akzeptiert aber meinen Weg.

Kämst du mit deinem Glaubensbekenntnis juristisch durch, wenn die Krankenkasse dich betreiben würde?

SH: Ich habe mir meine Gedanken dazu gemacht. Ich denke, dass es juristisch stimmt, weil die Bundesverfassung über dem Krankenversicherungsgesetz steht. Und für mich ist es offensichtlich, dass die Krankenkasse eine kriminelle Organisation ist, die man gar nicht finanziell unterstützen darf, das ist im Strafgesetzbuch geregelt. Aber wie wir wissen, wurde das Gesetz letztlich geschrieben, um die Grossen zu schützen, und die können am Ende machen, was sie wollen. Insofern ist mir auch klar, wenn die anfangen, mit Paragrafen auf mich loszugehen, dann … Ich mag mich auch gar nicht mit Paragrafen auseinandersetzen. Ich baue nicht darauf, sondern auf den gesunden Menschenverstand. Ich habe einfach gemerkt: Wenn ich da weiterhin mitmache, tue ich etwas, zu dem ich nicht stehen kann. Wir tun so vieles, nur weil man uns mit irgendwelchen Paragrafen dazu zwingt. Aber ich finde, wir müssen das tun, was wir aus unserem Innersten heraus verantworten können.

Hast du die Krankenversicherung rein aus moralischen und ethischen Gründen gekündigt, oder auch aus finanziellen Gründen?

SH: Es macht auch finanziell keinen Sinn für mich. Bei meiner Prämie und Franchise – bevor ich einen Franken sehen würde, sind 4000 Franken weg. Jetzt kann man rechnen, wie viel ich in zehn Jahren einzahle. Ich war auch noch nie so krank, dass ich die Krankenkasse gebraucht hätte.

Hinterfragst du auch die Steuern? Sind die für dich gerade noch akzeptabel? Oder das Nächste, was du aufgeben willst?

SH: Die Steuern zahlen meine Frau und ich zusammen und da muss ich einen Weg finden, der für uns beide gangbar ist. Aber das ist eine Herausforderung. Wenn ich sehe, dass wir immer noch im Notrecht regiert werden und wie viele Lügen verbreitet und Hetze betrieben wurde, wie viele Menschen gezwungen wurden, sich zu spritzen – die Lage ist eigentlich so kriminell, dass man sagen müsste: Laut Strafgesetzbuch dürfte man diesen Verein gar nicht mehr unterstützen, sonst macht man sich selbst strafbar. Das sieht meine Frau bis zu einem gewissen Grad auch ein, aber sie ist beim Kanton angestellt und würde dann ihrerseits in einen Gewissenskonflikt geraten. Da versuche ich einen Weg zu gehen, der für beide stimmt.

Empfindest du es als Befreiungsschlag, dich aus dem System herauszunehmen?

SH: Ja, ich habe allgemein Erfahrung damit, mich aus dem System herauszunehmen. Ich habe schon mal ein Jahr in einem Kloster verbracht. Als Kind war ich in einem Krisengebiet im Libanon. Dort sah ich, wie die Menschen ums tägliche Überleben kämpften. Und hier in der Schweiz machen wir uns Gedanken darüber, was in 30, 40 Jahren ist, bauen uns unsere Angstgebäude auf – dabei braucht es eigentlich so wenig zum Leben.

Fazit: Für eine gesunde Gesellschaft braucht es mutige Menschen, die sich nicht mit Drohkulissen erpressen lassen.

SH: Ja, es fängt bei jedem Einzelnen an. Wenn man das System reformieren will, muss es unten anfangen. Von oben geht es nicht. ♦

von Christian Schmid Rodriguez


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