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Autor: Kayvan Soufi-Siavash

Nie wieder!

«Freiheit ist das Recht, anderen Leuten zu sagen, was sie nicht hören wollen.» – Wer dieses Orwell-Zitat heute, im besten Deutschland aller Zeiten, in die Tat umzusetzen versucht, muss feststellen, dass recht haben und recht bekommen zweierlei Dinge sind und dass er mit happigen Konsequenzen rechnen muss, wenn er auf sein Grundrecht der freien Meinungsäusserung besteht.

Kaum ist ein regierungskritischer Wortbeitrag online, auch auf einem privaten Social-Media-Kanal, dauert es nicht lange und der Staatsschutz klopft an die Tür, um diese schon Sekunden später unsanft einzutreten. Vollkontakt mit dem eigenen Fussboden ist im Anschluss die nächste Erfahrung, die der bis dahin unbescholtene Bürger mit den vom Staat geschickten Ordnungshütern machen kann. Früher musste man schon unter Terrorverdacht stehen, einschlägiger Waffenschieber sein oder Mitglied einer Drogenbande, um so behandelt zu werden.

Heute, in Faeser-Deutschland, reicht es, wenn die Regierung sich vom Bürger gestört fühlt. Kritik ist in Deutschland weitgehend unerwünscht. Es sei denn, sie betrifft die offizielle Opposition im Inland oder den «Despoten der Woche» im Ausland. Letzterer darf dann mit allen möglichen Herabsetzungen in den Dreck getreten und seiner Menschlichkeit beraubt werden. Ein solches Verhalten ist, entspricht es dem offiziellen Narrativ, sogar ein Karriere-Booster. Schreibe in Deutschland ein völlig verzerrendes Buch über Putin, Orban, Erdogan, Trump oder ganz China und du kannst dich vor Einladungen in die grossen Talkshows zur Primetime nicht mehr retten. Das «Teile und herrsche»-Prinzip der Römer funktioniert immer noch. Ab und an lässt man, übersetzt gesprochen, noch die Löwen rein, um zum Beispiel einen dem Mainstream zum Thema X widersprechenden Gast von parallel geladenen Speichelleckern des Systems öffentlich demontieren zu lassen. Damit das nicht unfreiwillig aus dem Ruder läuft, sieht sich das Opfer immer als Solist auf verlorenem Posten. Während die gekauften Gäste mit mindestens drei Personen in der Überzahl vertreten sind und stets ausreden dürfen, wird dem Opfer vom Talkmaster permanent in die Parade gefahren, um ihn aus dem Konzept oder gar nicht erst zu Wort kommen zu lassen. Werden solche scheinbar offenen Gesprächsrunden nach ihrer Liveübertragung vom mit Gebühren finanzierten Sender ins Netz gestellt, fällt auf, dass die Produzenten solcher Propaganda-Shows stets die Foren schliessen. Nicht im Nachhinein versteht sich, nein, von Anfang an. Der Bürger soll im Nachgang nie die Möglichkeit bekommen, seine Meinung frei zu äussern. Das System hat eine höllische Angst davor, dass die Konsumenten solcher GEZ-Veranstaltungen sich in Massen über das offensichtlich abgekartete Spiel beschweren und vor allem der Einzelne erkennen könnte, dass er mit seiner Erkenntnis doch gar nicht so alleine steht.

Regierungskritik als «Hassverbrechen»

Die aktuelle Bundesregierung erinnert in ihrer Verbohrtheit an das Politbüro aus dem Jahre ’88. Man befindet sich in einem Elfenbeinturm und wünscht keinen Kontakt mehr zu der Gruppe, die sich selbst als das Volk sieht. Um diesem Volk, dem aufmüpfigen Bürger, massenwirksam das Maul zu stopfen, hat die Regierung in Berlin eine neue Form des Verbrechens erfunden: «Delegitimierung des Staates». Legitime Kritik an der Regierung wird so immer häufiger auf die Stufe eines Kapitalverbrechens gehievt. Früher nannte man das schlicht Zensur. Heute ist es die offizielle Methode, um Demokratie zu schützen. Nur vor wem? Den Andersdenkenden?

von Kayvan Soufi-Siavash

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Kayvan Soufi-Siavash ist seit 1986 Reporter, erst beim Privatradio, dann bei ZDF, ARD, Pro 7 und Deutsche Welle. Ab 2011 mit KenFM aktiv, aus dem 2021 apolut.net wurde. 2023 startete sein neues Soloprojekt soufisticated.net.


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Vom Überwinden der erlernten Hilflosigkeit

Die meisten von uns leben in einem Gefängnis. Einem Gefängnis, dessen Gitter sie in allen Bereichen mit zunehmendem Alter immer heftiger spüren, nie aber überwinden können. Es gelingt ihnen einfach nicht.

Die meisten von uns scheitern beim Versuch, den Zwängen, die von aussen vorgegeben werden, zu entkommen. Sie scheitern immer und immer wieder, bis sie eines Tages beschliessen aufzugeben, sich der Gefängnisordnung zu beugen, oder aber auf einen Menschen zu warten, der sie bei der Flucht anführt. Einem Menschen also, der ihnen den fertigen Plan zum Ausbruch vorlegt, sie dann bei der Hand nimmt und in die Freiheit führt.

Die meisten von uns warten ihr Leben lang auf diesen Befreier, doch selbst wenn er kommt und sie beschliessen, dieser Person freiwillig zu folgen, fühlt sich der Ort, an dem sie sich später wiederfinden, alles andere als frei an. Im Gegenteil: Sie finden sich im besten Fall in einer anderen Haftanstalt wieder, meistens wechseln sie aber nur die Zelle innerhalb bekannter Mauern.

So oder so kann für die meisten von uns von einem Ausbruch in die ersehnte Freiheit keine Rede sein. Die meisten von uns enden nach unzähligen gescheiterten Fluchtversuchen in der Resignation, die mittels Dauerkonsum und permanenter Selbstoptimierung den Gefängnishof wie einen Spielplatz mit unendlichen Möglichkeiten wirken lässt. Doch diese Täuschung kann nur aufrechterhalten werden, wenn wir, die Gefangenen, bereit sind, immer mehr Energie in diesen Selbstbetrug zu investieren.

Ein Gefängnis bleibt ein Gefängnis, ganz egal, wie bunt die Farben sind, mit denen wir die Gitterstäbe anmalen dürfen. Und jetzt die gute Nachricht. Es gibt Hoffnung, denn Freiheit existiert. Was nicht existiert, ist die Möglichkeit, echte Freiheit wie eine Dose Cola zu konsumieren.

Freiheit gibt es nicht in Dosen. Freiheit lebt. Sie ist überall und kann von jedem Punkt, zu jeder Zeit erreicht werden. Nötig ist dabei nur eine Überdosis Zuversicht und Mumm. Zuversicht in die Tatsache, dass wir alle frei geboren wurden, auch wenn die meisten von uns sich daran nicht mehr erinnern können. Und Mumm, der in jedem von uns vorhanden ist, aber seine Wirkung nur entfalten kann, wenn wir aufhören zu glauben, Dritte hätten den Schlüssel zu unserer Gefängniszelle. Das ist nicht der Fall.

Wir selber sind im Besitz dieses Schlüssels. Die Macht der gelebten Haftanstalt besteht vor allem darin, uns von dieser Tatsache abzulenken. Die meisten von uns können sich nur an die verschlossene Zelle erinnern, nicht aber an den Moment, als wir sie selber von innen zugeschlossen haben, auf Geheiss von aussen. Wir haben uns selber eingesperrt, und nur wir sind in der Lage, unsere Zelle von innen zu öffnen …

von Kayvan Soufi-Siavash

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Kayvan Soufi-Siavash ist Reporter seit 1986, erst beim Privatradio sowie bei ZDF, ARD, Pro7 und Deutsche Welle. Seit 2011 mit KenFM aktiv, aus dem 2021 apolut.net wurde. In seinem neuen Solo-Projekt soufisticated.net geht es weniger um Politik, als um das, was das Leben wirklich ausmacht – menschliche Begegnung.


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Jeder Mensch hat nur zwei Leben

Was ist meine Aufgabe? Das ist eine sehr gute Frage, die sich wohl die meisten Menschen erst stellen, wenn sie in eine Krise geraten, einen Schicksalsschlag erlitten haben oder Nahtoderfahrungen überlebt haben. In meinem Fall habe ich mir diese Frage schon mit etwa sechs Jahren gestellt und die Antwort darauf erst weniger intellektuell, denn durch mein Handeln selber gegeben.

Mit sechs Jahren flog meine damalige Familie auseinander und ich erlebte ein jähes Ende meiner Kindheit. Mein Vertrauen in Eltern als Vorläufer von Institutionen oder dem Staat wurde bis ins Mark erschüttert. Seit dieser Zeit empfinde ich mich als Rebell und orientierte mich an Rebellen. Aber was sind Rebellen?

Für mich sind es Personen, denen es nicht gegeben ist, als Opportunist leben zu können. Rebellen müssen einfach dort den Mund aufmachen, wo Unrecht geschieht. Sie müssen sich einmischen, auch wenn das ihrer persönlichen Karriere wenig förderlich ist. «Meine» Rebellen verstehen Freiheit nicht dahingehend, dass sie tun können, was sie wollen, sondern dass sie nicht tun müssen, was sie nicht wollen. «Meine» Rebellen sind bereit, für ihre Ideale zu leiden. Einen Preis zu bezahlen. Sie sind bereit, für ihre Ideale zu sterben, aber nie darauf aus, ihre Ideale Dritten aufzuzwingen.

Meine Aufgabe ist es, die Menschen um mich herum daran zu erinnern, dass sie frei sind. Sie wurden frei geboren und haben das Recht, frei zu entscheiden. Ihr Massstab sollte ihr innerer Kompass sein, ihr Gewissen. Der Mensch weiss, was richtig und was falsch ist. Er spürt, wenn etwas gerecht oder im höchsten Masse ungerecht ist. Der Mensch lernt aber auch sehr schnell, dass zwischen Anspruch an sich und tatsächlichem Alltag oft ein himmelweiter Unterschied ist. Viele von uns fristen ihr Dasein als Opportunisten wider Willen. Sie wurden über den Angst-Hebel an eine zutiefst bigotte Gesellschaft angepasst und sind im Kern sehr unglücklich damit. Meine Aufgabe ist es, mich selber und damit andere zu erinnern, dass ein anderes, ein wahrhaftigeres Leben möglich ist. Ein Leben, bei dem jeder Tag der letzte sein kann, ohne dass man das Gefühl hätte, mein Leben hatte mit dem, was ich leben wollte, gar nichts zu tun. Ich habe am Leben vorbei gelebt.

Meine Aufgabe für mich besteht darin, mich immer wieder an «meine» Rebellen zu erinnern, ihren Mut, ihre Aktionen, ihre Berufung, ihre Spiritualität. Seit 1986 mit einem Presseausweis «bewaffnet», habe ich mich immer von Menschen, die mir imponierten, leiten lassen: Malcom X, Rosa Parks, Abie Nathan, Martin Luther King, Rudi Dutschke, Georges Gurdjieff, Jesus von Nazareth, Eugen Drewermann, Noam Chomsky, Howard Zinn, Daniel Ellsberg, Emma Goldman, Bruno Gröning, Bertold Brecht, Muhammad Ali, Sidney Poitier, Franz Jägerstätter, Khalil Gibran, Julian Assange Edward Snowden. Catweazle! Sie alle haben mein Tun, meine Art, das Leben zu hinterfragen und zu interpretieren, zu arbeiten, stark, um nicht zu sagen im Wesentlichen, geprägt. Bis heute.

Das Leben, so sehe ich es, kann nur dann als Erfüllung erlebt werden, wenn der Einzelne bereit ist, seinen eigenen Weg zu riskieren. Für eine höhere Sache. Eine Überzeugung. Ein Ideal. Sei du selbst, sonst ist es ein anderer. Aber finde vor allem heraus, wer du selbst bist!

Das ist meine Aufgabe, und die versuche ich zu erfüllen. Nicht, damit Dritte es bemerken und ich Follower generiere, sondern weil ich das Abkommen von diesem Pfad, meinem Weg, als verschwendetes Leben interpretiere.

Es gibt einen grossen Unterschied zwischen Haltungsjournalismus und Journalismus mit Haltung. Ich bevorzuge Letzteres und lehne Ersteren ab. Haltung bedeutet, sein Handwerk zu beherrschen, in meinem Fall die Sprache, sich aber nie zum Hofberichterstatter machen zu lassen. Ich mag es nicht, Teil einer Gruppe zu sein, wenn der Preis dafür darin besteht, seine Ideale wie Mode zu wechseln. Zeitgeist-Journalismus. Das führt zum politischen Klimawandel und der ist zu 100 Prozent menschengemacht.

Das Ergebnis erleben wir auf allen Ebenen. Pervertierte Demokratie. Eine Simulation von Demokratie, bei der ihre wichtigste Eigenschaft, Toleranz, als politisch nicht korrekt gilt, wenn das Gegenüber nicht zu 100 Prozent mit den persönlichen Überzeugungen übereinstimmt. Wir reden nur noch mit denen, mit denen wir einer Meinung sind und verlangen, dass alle anderen ausgegrenzt werden. Wer diese Entwicklung nicht mitträgt, wird bekämpft, diffamiert, isoliert. Immer mit dem Ziel, ihn in den ideologischen Gleichschritt zu zwingen. Meine Aufgabe ist es, mich diesem Gleichschritt zu widersetzen, und das tue ich. Seit ich sechs bin.

Der schöne und der wahre Grund? Der schöne, weil ich mir nichts gefallen lasse, nur um meine Ruhe zu haben oder weil ich zu schwach bin, mich aufzulehnen. Der wahre? Weil ich mir dieses Leben ausgesucht habe. Da hat sich nichts ergeben, das war so gewünscht. Es geht dem Menschen, auch wenn er es oft nicht verstehen kann, um eben jene Erfahrung, die ihn am meisten schmerzt. Ich kann diese Behauptung, mehr eine innere Beobachtung, nicht beweisen, und sie ist im juristischen Sinne, im Sinne von dem, was wir als gerecht empfinden, nicht zu erklären, ohne sich schnell um Kopf und Kragen zu reden, und dennoch spüre ich, dass diese meine Beobachtung eine tiefe Weisheit in sich trägt. Sie ist da. Aber nicht von mir. Ich habe sie für mich entdeckt, aber nicht erfunden.

Was möchte ich? Ich möchte nie vergessen, dass jeder Mensch nur zwei Leben habt. Das erste beginnt, wenn der Mensch erkennt, dass er nur ein Leben hat. Diese Erkenntnis wird von mir in regelmässigen Abständen vergessen. Wenn ich massiv attackiert werde, wenn ich mich übernommen habe, wenn ich zu lange auf dem Gas gestanden habe. Mein Aufgabe ist es, mich in Demut zu üben. Nie den Respekt zu verlieren. Nicht mal vor Leuten, die ich verachten «dürfte». Das ist schwer. Ich kenne Menschen, die mir helfen, mich immer wieder an meine Ideale zu erinnern. Dann justiere ich nach. ♦

von Kayvan Soufi-Siavash

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Kayvan Soufi-Siavash ist seit 1986 Reporter, erst beim Privatradio, dann bei ZDF, ARD, Pro 7 und Deutsche Welle. Seit 2011 mit KenFM aktiv, aus dem 2021 apolut wurde. 2023 startet sein neues Solo-Projekt Soufisticated, in dem es weniger um Politik und mehr um die menschliche Begegnung gehen wird – um das, was das Leben wirklich ausmacht. Parallel arbeitet Kayvan am Apollo Campus, eine Stiftung, die vor allem wissenschaftliche Vorträge publizieren wird. Das wird spannend.


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