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Mensch/Person und Staat

Staatsrechtsprofessor David Dürr und Freiheitsrebell Christian Frei im Gespräch: Beide betrachten den Staat als Problem – sie haben aber unterschiedliche Ansätze, wie das Problem überwunden werden soll.

«DIE FREIEN»: Worum geht es bei der Idee «Mensch oder Person»?

Christian Frei: Es gibt den lebendigen Mann und das lebendige Weib. Das ist der Ursprung, wir sind lebend. Die Staaten, die aus gewinnorientierten Firmen bestehen, drängen den Lebenden selbsterschaffene Identitäten auf, die sie «Personen» nennen. Die Person ist aber nur eine Fiktion, sie ist nicht real. Es sind Rollen, die uns aufgedrängt werden, die uns nötigen, denn so können wir lebenden Menschen nicht mehr souverän agieren. Dieser Prozess ist illegal, weil nur der Mensch selber eine natürliche oder juristische Person aus eigenem Willen gründen darf. Geheime Verträge oder solche, die unter Zwang entstehen, sind ungültig.

David Dürr: Die Idee «Mensch/Person» stösst immer wieder an das Thema der Souveränität des Menschen, wofür ich mich besonders interessiere.

Gibt es denn einen rechtlichen Unterschied zwischen Mensch und Person?

DD: Ja, die Unterscheidung zwischen Mensch und Person ist rechtlich real. Als Person sind wir nur eine Nummer im System. Der Unterschied liegt im Umgang; die Person ist nicht auf Augenhöhe. Anderseits gibt es auch den Ansatz der Menschenrechte, bei denen es um den Menschen als solchen geht – oder sagen wir realistischer: gehen sollte. …

von Michael Bubendorf


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Die andere Seite der Wahrheit

Ohne den Völkerrechtsbruch des US-Präsidenten Obama vor acht Jahren hätte es die illegale Militärinvasion Putins vermutlich nicht gegeben.
Am 24. Februar 2022 gab Russlands Präsident Wladimir Putin seiner Armee den Befehl, in die Ukraine einzumarschieren – ein Verstoss gegen das UNO-Gewaltverbot und daher illegal. Fast genau acht Jahre zuvor, am 20. Februar 2014, liess US-Präsident Barack Obama die Regierung in der Ukraine stürzen, um das Land in die NATO zu ziehen. Dieser Putsch ist die Wurzel des Ukrainekrieges. Gleich wie die Invasion von Putin war auch Obamas Verhalten ein Verstoss gegen das UNO-Gewaltverbot und daher illegal. Es wird Zeit, sich nicht länger mit Halbwahrheiten der einen oder der anderen Seite zufriedenzugeben und die Geschichte des Konflikts vollständig und ausgeglichen zu erzählen.

Wir hören nur die halbe Geschichte
Derzeit liest und hört man in den Medien viel über die Invasion von Putin, die zu Recht kritisiert wird. Aber man liest und hört praktisch gar nichts über den Putsch von Obama. Warum wird uns nur die halbe Geschichte erzählt?
Haben die USA wirklich die Regierung in der Ukraine gestürzt? Warum hat das damals fast niemand bemerkt? Und welche historischen Belege gibt es dafür? Solche und ähnliche Fragen erhalte ich derzeit oft.
Als Historiker und Friedensforscher habe ich seit Jahren zu den offenen und verdeckten Kriegen der USA geforscht und in meinem Buch «Illegale Kriege» auch den Putsch in der Ukraine beschrieben. «Es war ein vom Westen gesponserter Putsch, es gibt kaum Zweifel daran», erkannte schon der frühere CIA-Mitarbeiter Ray McGovern.

In Berlin habe ich ein Jahr nach dem Putsch am 10. Mai 2015 einen Vortrag über die Ereignisse in der Ukraine gehalten und dort gezeigt, dass Präsident Obama tatsächlich die Regierung in der Ukraine gestürzt hat. Wer möchte, kann sich den Vortrag hier ansehen.

Konfrontation der Atommächte
Der Ukrainekrieg ist ein besonders delikater internationaler Konflikt, weil sich hier die USA und Russland gegenüberstehen, die beide über Atomwaffen verfügen. Wie bei der Kubakrise spielen beide Seiten mit verdeckten Karten und versuchen, die Ukraine in ihren Einflussbereich zu ziehen.
Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion erklärte die Ukraine 1991 ihre Unab­hängigkeit von der Sowjetunion. Die Schwäche von Moskau gab Washington erstmals die Chance, den US-Einfluss auf Osteuropa auszudehnen und die früher von Moskau kontrollierten ehemaligen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes in die NATO aufzunehmen.

Die NATO-Osterweiterung und der Gipfel von Bukarest
Obschon die USA gegenüber Russland versprochen hatten, die NATO werde sich nicht ausdehnen, geschah genau dies. Polen, Tschechien und Ungarn wurden im Jahre 1999 NATO-Mitglieder. Und beim NATO-Gipfel in der rumänischen Hauptstadt Bukarest im April 2008 erklärte US-Präsident George Bush, man werde auch die Ukraine in die NATO aufnehmen. Russland war erzürnt, denn die Ukraine grenzt direkt an Russland. Und auch in den USA gab es mahnende Stimmen. «Man stelle sich die Empörung in Washington vor, wenn China ein mächtiges Militärbündnis schmiedete und versuchte, Kanada und Mexiko dafür zu gewinnen», warnte der amerikanische Politologe John Mearsheimer von der Universität Chicago. Gemäss Mearsheimer hat der Westen die Russen unnötig provoziert und ist daher schuldig an der Krise in der Ukraine.

Senator John McCain auf dem Maidan
Auf dem Maidan, dem zentralen Platz der ukrainischen Hauptstadt Kiew, demonstrierten Ende 2013 immer mehr Menschen gegen die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch und Premierminister Nikolai Asarow. Der bekannte Exboxweltmeister Vitali Klitschko führte die Demonstrationen an und hielt in enger Absprache mit den USA flammende Reden. In dieser angespannten Lage flog der einflussreiche US-amerikanische Senator John McCain in die Ukraine und besuchte am 15. Dezember 2013 Klitschko und das Protestlager auf dem Maidan. Der US-Senator ermunterte die Demonstranten, die ukrainische Regierung zu stürzen. Man stelle sich die Empörung in Washington vor, wenn ein bekannter russischer Parlamentarier nach Kanada fliegen würde, um dort Protestierende in der Hauptstadt Ottawa zu unterstützen, die kanadische Regierung zu stürzen. Genau das taten die USA in der Ukraine.

Die US-Botschaft in Kiew koordiniert die Proteste
Die Anführer der Proteste auf dem Maidan gingen in der US-Botschaft ein und aus und holten sich dort ihre Befehle. Einige Demonstranten waren bewaffnet und gingen gewaltsam gegen die Polizei vor. «Die Amerikaner forcierten erkennbar die konfrontative Entwicklung», erinnert sich Premierminister Nikolai Asarow, der gestürzt wurde.
In der US-Botschaft in Kiew war es US-Botschafter Geoffrey Pyatt, der die Demonstranten unterstützte und dadurch die Ukraine destabilisierte. Botschafter Pyatt war in direktem Kontakt mit Exboxer Klitschko. Die gut organisierte Demonstration auf dem Maidan wurde immer grösser und die Spannungen in Kiew nahmen zu.
Auch der heutige US-Präsident Joe Biden war direkt in den Putsch involviert, da auch er die Demonstration auf dem Maidan unterstützte. Im Dezember 2013 rief Biden, damals Vizepräsident unter Obama, in der Nacht Präsident Janukowitsch an und drohte ihm mit Strafen, wenn er den Maidan durch die Polizei räumen lasse. Janukowitsch hat daraufhin die geplante Räumung zurückgezogen.

Die fünf Milliarden Dollar von Victoria Nuland
Im US-Aussenministerium war Victoria Nuland für den Putsch verantwortlich. Nuland war unter US-Aussenminister John Kerry als stellvertretende Aussenministerin eine hochrangige Mitarbeiterin von Präsident Obama. Unter Präsident Donald Trump verlor Nuland an Einfluss, wurde aber von Präsident Joe Biden wieder als Staatssekretärin ins Aussenministerium berufen. In der Ukraine wollte Nuland Premierminister Nikolai Asarow und Präsident Viktor Janukowitsch stürzen, um das Land in die NATO zu ziehen, wie es am Gipfel von Bukarest beschlossen worden war. Die Anführer der De-monstration auf dem Maidan holten sich in der US-Botschaft nicht nur ihre Befehle, sondern auch ihre Bezahlung.
Im Dezember 2013, zwei Monate vor dem Putsch, hatte Nuland in einem Vortrag erklärt: «Wir haben mehr als fünf Milliarden Dollar investiert, um der Ukraine zu helfen, Wohlstand, Sicherheit und Demokratie zu garantieren.» Das führte auch in den USA zu Kritik. Der frühere US-Kongressabgeordnete Ron Paul fragte öffentlich: «Wir haben gehört, wie die stellvertretende US-Aussenministerin Victoria Nuland damit geprahlt hat, dass die USA fünf Milliarden Dollar für den Regimewechsel in der Ukraine ausgegeben haben. Warum ist das okay?»
Dass ein Teil der Demonstranten in der Ukraine bezahlt wurde, war damals ein offenes Geheimnis. «Es gibt Leute wie den US-Milliardär George Soros, die Revolutionen finanzieren. Soros hat auch den Maidan unterstützt, hat dort Leute bezahlt – die haben in zwei Wochen auf dem Maidan mehr verdient als während vier Arbeitswochen in der Westukraine», erklärte die Ukraine-Expertin Ina Kirsch gegenüber der «Wiener Zeitung». «Es gibt genügend Belege dafür, dass sowohl auf dem Maidan als auch auf der Gegenveranstaltung, dem ‹Antimaidan›, Leute bezahlt wurden», so Ina Kirsch, die in Kiew vor Ort war. «Es gab Preise für jede Leistung. Ich kenne Leute, die haben morgens auf dem Antimaidan bei der Gegendemo abkassiert, sind dann rüber auf den Maidan und haben dort nochmals kassiert. Das ist in der Ukraine ja nichts Ungewöhnliches.»

«Fuck the EU»: Das Telefonat vor dem Putsch
Der zentrale Beweis für die Beteiligung der USA am Putsch in der Ukraine ist ein abgehörtes Telefongespräch zwischen Victoria Nuland und Botschafter Geoffrey Pyatt, das diese am 7. Februar 2014 führten, nur wenige Tage vor dem Putsch.
Nuland sagt im Telefongespräch, wer in der Ukraine nach dem Putsch die neue Regierung bilden sollte. «Ich denke nicht, dass Klitschko Teil der neuen Regierung sein sollte, ich glaube, das ist nicht nötig und keine gute Idee», bestimmt Nuland. «Ich denke, Jazenjuk ist der richtige Mann, er hat die notwendige Erfahrung in Wirtschaft und Politik.» 
Tatsächlich wurde Arsenij Jazenjuk nach dem Putsch Premierminister in der Ukraine. Vitali Klitschko musste sich mit dem Posten des Bürgermeisters von Kiew zufriedengeben. Dies beweist, dass Victoria Nuland für die USA den Putsch plante und erfolgreich durchführte. Ban Ki-moon von der UN «könnte helfen, das wasserfest zu machen, und weisst du was, fuck the EU», sagte Nuland im abgehörten Gespräch wörtlich, was bei Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einiger Empörung führte.

Scharfschützen lassen die Lage am 20. Februar 2014 eskalieren
Ende Februar eskalierte die Situation auf dem Maidan. Am 20. Februar 2014 kam es zu einem Massaker, als nicht identifizierte Scharfschützen aus verschiedenen Häusern auf Polizisten und Demonstranten schossen, es gab mehr als 40 Tote. Chaos brach aus. Sofort wurden die amtierende Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch und seine Polizeieinheit Berkut für das Massaker verantwortlich gemacht, obschon diese kein Interesse daran hatten, dass die Lage eskalierte, da sie sich ja nicht selber stürzen wollten. «Die Welt darf nicht zuschauen, wie ein Diktator sein Volk abschlachtet», kommentierte Vitali Klitschko, der die Regierung stürzen wollte, im deutschen Boulevardblatt «Bild».
Der Regime Change war erfolgreich: Präsident Janukowitsch wurde gestürzt und floh nach Russland. Er wurde durch den Milliardär Petro Poroschenko ersetzt, der als Präsident umgehend erklärte, er wolle die Ukraine in die NATO führen.

Obama spricht über den Putsch
Ein Jahr nach dem Putsch hat US-Präsident Obama mit CNN über den Machtwechsel in der Ukraine gesprochen, dabei aber die Rolle der USA verschleiert. «Putin wurde durch die Proteste auf dem Maidan auf dem falschen Fuss erwischt», sagte Obama. «Janukowitsch ist geflohen, nachdem wir einen Deal zur Machtübergabe ausgehandelt hatten.» Dass Obama tatsächlich die Regierung in der Ukraine gestürzt hatte, erfuhren die Zuschauer von CNN nicht.

Putin spricht über den Putsch
Aber die Russen wussten, dass die USA den Putsch organisiert hatten, und waren sehr verärgert. «Ich glaube, dass diese Krise willentlich geschaffen wurde», sagte Präsident Putin gegenüber der italienischen Zeitung «Corriere della Sera». Die NATO-Länder hätten den Putsch verhindern können, zeigte sich Putin überzeugt.
«Wenn Amerika und Europa zu jenen, die diese verfassungswidrigen Handlungen begangen haben, gesagt hätten: ‹Wenn ihr auf eine solche Weise an die Macht kommt, werden wir euch unter keinen Umständen unterstützen. Ihr müsst Wahlen abhalten und sie gewinnen›, dann hätte sich die Lage völlig anders entwickelt.»

Die Sezession der Krim
Präsident Wladimir Putin hatte nicht die Absicht, die Ukraine kampflos aufzugeben. Unmittelbar nach dem Sturz von Janukowitsch gab er in den frühen Morgenstunden des 23. Februar 2014 den Auftrag, mit der «Rückholung» der Krim zu beginnen. Russische Soldaten in grünen Uniformen ohne Abzeichen besetzten am 27. Februar 2014 alle strategischen Punkte in Simferopol, der grössten Stadt auf der Halbinsel Krim.
Schon am 16. März 2014 stimmten 97 Prozent der Bevölkerung der Krim für den Austritt aus der Ukraine und den Anschluss an Russland. Seither gehört die Halbinsel Krim nicht mehr zur Ukraine, sondern zu Russland.
Weder die USA noch Russland haben sich im Ukrainekrieg an das Völkerrecht gehalten. Zuerst brach Obama das Völkerrecht mit dem Putsch am 20. Februar 2014. Als Reaktion darauf brach auch Putin das Völkerrecht mit der Besetzung der Krim am 23. Februar 2014. Die Besetzung der Krim durch Russland «war ein Bruch geltenden Völkerrechts (…) die völkerrechtliche Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine wurden missachtet», erklärt Dieter Deiseroth, früher Richter am Bundesverwaltungsgericht. Der Westen kritisierte Putin nun scharf, obschon er selbst «in zahlreichen Fällen immer wieder gegen geltendes Völkerrecht verstossen hat und verstösst (Kosovo, Irak, Afghanistan, Libyen, Drohnenkrieg, Guantanamo et cetera), was seine Glaubwürdigkeit schwer beschädigt hat».

Der Donbas spaltet sich ab
Nach dem Putsch in Kiew und der Sezession der Krim stürzte die Ukraine in einen Bürgerkrieg. Der neue Premierminister Arsenij Jazenjuk versuchte mit der Armee, dem Geheimdienst und der Polizei, das ganze Land unter seine Kontrolle zu bringen. Doch nicht alle Soldaten, Polizisten und Geheimdienstmitarbeiter folgten den Weisungen der Putschregierung. Im an Russland angrenzenden russischsprachigen Osten der Ukraine erklärten die Bezirke Donezk und Lugansk, dass sie die Putschregierung in Kiew nicht anerkennen würden. Die Separatisten besetzten Polizeistationen und Verwaltungsgebäude und argumentierten, die neue Regierung habe keine Legitimität, da sie auf illegalem Wege an die Macht gelangt sei.
Premierminister Jazenjuk wies dies vehement zurück und erklärte, alle Separatisten seien Terroristen. CIA-Direktor John Brennan flog nach Kiew, um die Putschisten zu beraten. Am 15. April 2014 begann die ukrainische Armee mit Unterstützung der USA ihren «Antiterror-Sondereinsatz» und griff die Stadt Slawjansk im Bezirk Donezk mit Panzern und Schützenpanzern an. Damit begann der ukrainische Bürgerkrieg, der in acht Jahren mehr als 13000 Tote forderte und am 24. Februar 2022 zur illegalen Invasion durch Putin führte.

Der Putsch in Kiew gibt Putin kein Recht, in der Ukraine einzumarschieren und damit das Völkerrecht zu brechen. Aber wenn wir im Westen den Putsch von 2014 ignorieren, werden wir den Ukrainekrieg nie verstehen können. ♦

von Daniele Ganser
erstmals erschienen im Rubikon, 12.3.2022 (online)
Credit (Photo): Michael Peter


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Die Rückkehr des Todes

Der Tod ist das grosse Tabu unserer Gesellschaft. Diese Behauptung stellte der Soziologe Jean Ziegler 1975 in seinem Buch «Die Lebenden und der Tod» auf. Ein halbes Jahrhundert später gilt festzuhalten: Zieglers These hat durch die vergangenen zwei Jahre an Dringlichkeit gewonnen, denn in der Konfrontation mit etwas potenziell unkontrolliert Gefährlichem offenbart sich, welche Werte wirklich zählen.

Die pandemiepolitischen Überreaktionen erfolgten vielfach in einem irrationalen, aktivistischen Panikmodus. Erklären lässt sich dies mitunter dadurch, dass sich etwas verdrängt Geglaubtes – der Tod – seinen Weg aus der Dunkelkammer des kollektiven Gedächtnisses bahnte und sich in direkter Konfrontation für jeden Einzelnen als omnipräsentes Risiko offenbarte.

Viele Menschen in westlichen Staaten, die während der vergangenen 70 Jahre ohne Kriegserfahrung aufgewachsen sind, verspürten in der allgemeinen Hysterie womöglich zum ersten Mal in ihrem Leben die Angst vor dem Tod. Diese Angst schaltete jedes kritische Nachdenken über das Geschehen aus, und sie legte eine tiefsitzende Pathologie unserer Kultur frei.

Die Politik behauptete zwar, Leben zu retten. Damit meinte man jedoch eine reduzierte Auffassung von Leben, eine, die sich auf das nackte biologische Leben (Giorgio Agamben) beschränkt. Dieses allein hat aber keinen sinnvollen Inhalt. Es ist absurd zu behaupten, Leben retten zu wollen, wenn dabei dessen Sinn zerstört wird.

Diese Reaktion zeugt von unserem inexistenten Verhältnis zum Tod, dem blinden Fleck in unserer Kultur. Pathologisch ist dies deswegen, weil der Tod eine Konstante des Lebens darstellt und ein integrativer Teil desselben ist. Das ist gewiss – doch wir verleugnen es.

Die Rückkehr des Todes erscheint derart bedrohlich, weil wir ihn abspalten. Der Tod zwingt uns, über die Sinnhaftigkeit oder Sinnlosigkeit unseres eigenen Lebens nachzudenken. Das Gutheissen repressiver Massnahmen dürfte nicht zuletzt darin gründen, dass man auch dieser Aufgabe aus dem Weg gehen will. Der moderne Mensch ist unfähig, sich mit sich selbst zu beschäftigen, oder wie es Blaise Pascal formulierte: «Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.»

Die Angst – die zur politischen Manipulation missbraucht wird – liesse sich reduzieren, wenn wir zu akzeptieren lernen würden, dass menschliches Leben befristet ist. Denn das Bewusstsein über die eigene Endlichkeit macht unser Leben einzigartig, eben weil nichts wiederkehrt und jeder Moment eigen ist. Das Schöne liegt im Vergänglichen.

Als Abwehr einer akuten Lebensgefahr kann Angst nützlich sein. Doch sie darf nicht zum permanenten Zustand werden. Eine während zwei Jahren immer weiter eskalierende Drohkulisse hat nichts mehr mit einem affektiven Schutz zu tun. Vielmehr mündet die Verdrängung des Todes in Gewalt – auch rhetorischer, symbolischer und psychischer – gegenüber vermeintlichen Sündenböcken, die als physische Manifestation der Todesgefahr gesehen werden.

Es ist diese verdrängte Angst vor dem Tod, die es verunmöglicht, zum Leben zurückzukehren. Wir werden lernen müssen, mit dem Tod zu leben. Es scheint, als gäbe es zum jetzigen Zeitpunkt zwei Möglichkeiten, mit dieser Tatsache umzugehen.

Die technologische Verwaltung

Die transhumanistische Ideologie gibt vor, die biologische Existenz technologisch konservieren zu können. Diesen Glauben hat man der Menschheit in den vergangenen zwei Jahren schmackhaft zu machen versucht. Doch ein Glaube, der uns von fremden Autoritäten aufgezwungen wird – ein Dogma –, kann keine Befreiung und auch keine Erlösung sein. Dogmen haben in der Geschichte der Menschheit noch nie dem Einzelnen genützt. Diese Zweckreduktion des Lebens kann keine Zukunft haben, denn die menschliche Existenz besteht nicht nur aus rationalistischem Kalkül, sondern zum Beispiel auch aus Intuition oder moralischem Gewissen. Diese Fundamente der menschlichen Existenz sind nicht eingrenzbar, und auch dies gilt es auszuhalten.

Die Transhumanisten sehen im Menschen bloss eine vergängliche Apparatur, die schwach ist und überwunden werden muss. Aber dieses Evolutionsnarrativ haben sie sich selbst konstruiert. Dabei geht verloren, dass sich mit dem Bewusstsein über die eigene Endlichkeit auch die Einsicht entwickeln kann, sein Leben sinnvoll gestalten zu müssen. Das transhumanistische Ziel des ewigen Lebens nimmt dem Leben seinen Zusammenhang und seinen Sinn. Dabei ist das Leben für den Menschen nicht vom Sinn zu trennen, ohne dass er zum Tier degradiert wird.

Diese Wahnvorstellung des ewigen Lebens speist sich aus der Angst vor dem Tod und dessen Verdrängung. Man glaubt, dieser Angst mit technologiebasierter «Human Augmentation» begegnen zu können. Die transhumanistische Heilslehre schöpft ihre Suggestionen aus der Komplexität der heutigen Welt und zielt darauf ab, Menschen ein verwaltetes, delegiertes Leben führen zu lassen.

Im politischen Feld ist mittlerweile offenkundig, dass der Staat sich heute in diese Richtung bewegt. In seiner technokratischen und expertokratischen Massnahmen-Manie war nicht zu erkennen, dass man bereit ist, die individuelle Lebensgestaltung zu respektieren. Auch ein sinnhaftes politisches Ziel war nicht zu identifizieren. Der Sinn fehlte überhaupt gänzlich. Diese ultimative Rechtfertigung aller Repressalien trieb sich so selbst ad absurdum. Doch durch das kollektive Bedürfnis nach Sicherheit sah sich der Staat legitimiert, den Wert des biologischen Überlebens absolut – und damit totalitär – zu setzen.

Doch über den Wert des Lebens kann keine Politik entscheiden; dies muss ein offener Prozess auf individueller und gesellschaftlicher Ebene bleiben. Im Kosmos Platons ist der Mensch nicht das Beste, hat aber eine ewige Seele, die ohnehin unsterblich ist. Wer wie die Transhumanisten selbst Hand am Schicksal anlegen will, wird überheblich. Auf die Hybris folgt die Ernüchterung.

Die aufgeklärte Selbstbestimmtheit

Die andere Möglichkeit fusst in einer radikalen Selbstreflexion, die zu Selbsterkenntnis führt. Es ist im Kern ein aufklärerischer Gedanke, ein Bekenntnis dazu, dass niemand anderes als der Einzelne selbst den Sinn seines Lebens bestimmen kann. Dieser Sinn kann seine Entfaltung auf verschiedene Weise finden: zum Beispiel im Glauben, in der Spiritualität. – Es ist die Verantwortung jedes Einzelnen, sein Koordinatensystem zu kennen, zu überprüfen und anzupassen. Diese Aufgabe scheint unumgänglich zu sein. Anthropologische Erkenntnisse legen nahe, dass ein Glaubenssystem jenseits des Materialismus fundamental für das menschliche Leben ist. Doch mit Technologie werden wir uns nicht einfach der Natur entledigen können. Technologie löst keine Sinnfrage. So hat doch gerade die Technologie der Moderne – nebst ihren zweifellos nützlichen Errungenschaften – zu unfassbaren Beschleunigungs- und Zerstörungsorgien beigetragen.

Jean Ziegler schlägt vor, jeden Tag durch Gedanken, Taten und Träume so viel Glück und Sinn wie möglich für sich und die anderen zu erschaffen. Auf diese Weise soll die Angst vor dem Tod, der Negation des Lebens, gemindert werden.

In der Akzeptanz von Ängsten und Verletzlichkeit sowie der Integration des Todes ins diesseitige Bewusstsein liegt ein grosses existenzialistisches Potenzial für den Menschen. Wenn wir Jean-Paul Sartres «Der Mensch ist zur Freiheit verdammt» als lebenspraktischen Leitfaden wählen, akzeptieren wir keine aufoktroyierten Einschränkungen mehr, die dem Menschen seine Fähigkeit und sein Bedürfnis absprechen, sein Leben selbst zu gestalten. Dann lassen wir auch nicht mehr zu, dass man uns für transhumanistische Pläne instrumentalisiert.

Die Angst vor dem Tod kann wohl verdrängt werden, doch nicht ohne Konsequenzen. Die Verdrängung führt zu einer latent psychotischen Realitätsflucht und zur Entfremdung des Selbst von der Wirklichkeit. Der Mensch muss also der Verdrängung der Angst entsagen, denn sie hält ihn in Gefangenschaft.
Ein mündiger Mensch wählt nie mehr freiwillig den Zustand der Entmündigung, der Angst und der Schuld. Der mündige Mensch bedient sich nach Immanuel Kant nicht mehr der Anleitung eines anderen, sondern benutzt seinen eigenen Verstand. Das Projekt der Aufklärung gibt es nicht umsonst: Es setzt Mut und Entschlossenheit voraus. ♦


von Armin Stalder
Credit (Bild): pexels.com – Cottonbro


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Chelsea und ich: Relativ frei – Hafturlaub

«Just wear the fucking mask!» – «Zieht doch einfach die verfluchte Maske an!» Chelsea Manning schaut mich starr an, fast abwesend. Da ist es wieder – dieses mittlerweile vertraute Gefühl, das mir immer dann in die Magengrube kriecht, wenn der Respekt, den ich für einen meiner Helden hatte, an oder mit Corona stirbt.

Chelsea Manning, geboren 1987 als Bradley Manning, übergab 2010 hunderttausende geheime Dokumente der US-Armee an Wikileaks. Die Whistleblower-Plattform von Julian Assange veröffentlichte das hochbrisante Material, wobei vor allem das Video mit dem Titel «Collateral Murder» traurige Berühmtheit erlangte. Die Aufzeichnungen der Apache-Helikopter offenbaren fürchterliche Grausamkeiten der US-Soldaten. Mindestens ein Dutzend unbewaffnete Menschen wurden bei den Angriffen der Helikopter in Bagdad getötet, darunter Journalisten und Helfer, die Verwundete versorgen wollten. Ein Mädchen und ein Junge mussten mit ansehen, wie ihr Vater vor ihren Augen erschossen wurde, die Kinder überlebten schwer verletzt.

Die Bilder haben nichts gemein mit den Action-Filmen «Green Zone» oder «American Sniper» und der restlichen Propaganda, die uns Hollywood über den Krieg erzählt. Dank Chelsea Manning wissen wir, dass die Fratze des Krieges mit dem hübschen Gesicht von Matt Damon rein gar nichts zu tun hat. …

von Michael Bubendorf


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Was können wir tun?

Wie kommen wir von der Information in die Veränderung?

Wer über das schreibt, was passiert, tut das in der Regel, um anderen Menschen den Stoff zu liefern, auf dessen Basis sie Entscheidungen treffen können. Doch welche sind das in der Zeit der Pandemie? Es war etwa anderthalb Jahre, nachdem ich die NZZ verlassen und meine eigene Publikation Freischwebende Intelligenz gegründet hatte, als ich mir diese Frage stellte. Wer sich tiefer und tiefer und immer nur mit Corona beschäftigt, schaut in den Abgrund. Und der Abgrund schaut irgendwann zurück. Wieso unseren Blick nicht mal öfter von den Schlechtnachrichten weg hin zu den Möglichkeiten und Optionen richten? Es gibt viele Möglichkeiten, gegen etwas zu sein. Doch diese alle können letztlich nur zu einem Ziel führen: zum Handeln. Was heisst: für etwas Anderes, Neues zu sein. Wenn das Denken mal die Richtung geändert hat, folgen die Hände und Füsse.

Der editorial turn – die Mosaiksteine neu zusammensetzen

Was alles Schlechtes in der Welt passiert, spiegelt sich in der Presselandschaft zur Genüge. Statt über das Üble, das Schockierende, die Schreckensnachrichten, schreibe ich lieber vermehrt über die parallele Welt, die sich bereits auftut. Gegen den allgemeinen Nihilismus und das ängstliche Duckmäusertum hilft am ehesten, was schon Ernst Bloch in «Prinzip Hoffnung» nannte: das wissende Können. Zu lernen, dass man kann – und demnach zu wissen, dass man kann. Das ist der Weg zum tatsächlichen Machen.

Das Gegenmittel zur Fremdverwaltung ist die aktive Gestaltung als Gegenprogramm. Während Angstnachrichten lähmen, machen Mutnachrichten Beine. Umso besser, dass Die Freien diese Lücke nun besetzen und mit Leben füllen. Es geht um eine Art kopernikanische Wende in der Publizistik. Information, die unmittelbar umsetzbaren Wert enthält, ist in Zeiten von Medien, die sich in der Spiegelung des Alten erschöpfen, schlicht die bessere Wahl.

Wer heute aktuell sein will, muss eigentlich seiner Zeit voraus sein. Information, die zu spät kommt, die massiv asynchron ist und von Entscheidungsmacht entkoppelt ist, ist demokratisch wertlos. Sie ist ein geschichtliches Dokument, nicht mehr. Der editorial turn, den ich mit meinem Schreiben versuche, lebt auch von einer anderen Beziehung zum Leser. Ich will nicht vorgeben, alles zu wissen, und es von oben herab predigen. Ich will vielmehr die Mosaiksteine der Gegenwart Artikel für Artikel zu einem Ganzen zusammensetzen. Viele der Mosaiksteine stammen von meinen Lesern. Ich setze nur das Bild zusammen, welches ich meine, in der Gegenwart zu erkennen – in der Hoffnung auf eine gewisse Haltbarkeitsdauer. Ich bin irgendwo ein journalistischer Collagist. Und das bedeutet für mich, meinem Publikum Fragen zu stellen und die Denkfähigkeit der Vielen als Inspiration zu nutzen, um daraus ein neues Mosaik zu basteln: Was denkt ihr? Was kann man tun?

Ich richtete also an meine Leser die ganz grundsätzliche Frage: «Wie soll die Gesellschaft aussehen, in der Sie gerne leben möchten?» und bat um Antworten. Der Aufruf stiess auf reges Interesse.

Ich war zuerst einmal überwältigt von der Anzahl und Tiefgründigkeit der Zusendungen und kann hier natürlich nur einen kleinen Teil davon wiedergeben. Aus vielen Wortmeldungen spricht Verzweiflung: über die Politik, die Wissenschaft, die Medien (ganz besonders häufig) sowie die lieben Mitmenschen. Viele verzweifeln schlicht an der Spezies Mensch. Auch mir geht es manchmal so. Umso erbaulicher fand ich es, so viele tief- und mitdenkende Leser um mich herum zu wissen, die in der Lage sind, eine schonungslose Analyse der Situation anzustellen und daraus reife Handlungsoptionen abzuleiten. Ich spüre aus den vielen Antworten, wie beleidigend diese Situation für den Intellekt ist und wie gross der Wille danach, in der Wahrheit zu leben.

Die Antworten unterscheiden sich naturgemäss stark. Manche haben ganze Wunschlisten formuliert (GEZ abschaffen, Volksentscheide einführen, Lobbyismus verbieten, ein Imperatives Mandat einführen usw.). Andere haben tiefe philosophische Abhandlungen eingereicht. Wieder andere haben sich in Gedichtform geäussert. Manche arbeiten auch bereits an ganz konkreten Vernetzungsmöglichkeiten, bis hin zur Gründung eigener Dörfer, Bürgergenossenschaften oder Privatstädten. Ich versuche hier, einen Querschnitt der Einsendungen zu zeichnen.

Neukalibrierung und Privatstädte

Eine grundsätzliche Neukalibrierung der Gesellschaft fordert Myrthe J.:

Die Basis einer neuen aufgeklärten Zivilisation mit einer längeren Haltbarkeitsfrist besteht meiner Ansicht nach in einer Art «orphischen Praxis», in welcher der Mensch die Abgründe der Existenz permanent und mutig auszuloten vermag, um stets aufs Neue den Kopf aus den Sümpfen seiner existenziellen Auseinandersetzungen herausstrecken zu können und, beispielsweise, einen Baum zu erblicken. Eine Kultur, die den Gang durch die Hölle zur geübten Tätigkeit werden lässt. In einer solchen Kultur kann es nicht mehr zur Verdrängung des Unbequemen, Verstörenden, Beängstigenden, Schmerzhaften kommen, so wie das in den letzten Jahrzehnten der Fall war und mittlerweile exorbitante Ausmasse angenommen hat, ersichtlich in dem geradezu totalen Zwang zu Oberflächlichkeit, Leichtigkeit, «Spass». In einer solchen Kultur werden das Unbequeme und Verstörende, das Beängstigende und Schmerzhafte unermüdlich dazu eingeladen, die Arbeit zu machen, für welche sie da sind, die Arbeit der Vertiefung und Verinnerlichung. Und es sind die Arbeiter des Geistes, die vormachen können, worum es geht, indem sie auf ihren hübsch-konstruierten Gedankenkomplexen nicht sitzen bleiben, und nicht auf den Bühnen hinter den Rednerpulten stehen bleiben, sondern stets aufs Neue, mutig und uneitel, mit den eigenen Gedanken «ins Revier» gehen.

Ja, es braucht eine neuartige «Aufklärung inclusive», das heisst eine Aufklärung ohne Angst vor dem Leben, vor «dem Emotionalen» oder «Spirituellen», vor dem Körperlichen, dem Praktischen und der Kritik. Dies alles muss künftig dazugehören dürfen, auch und gerade, wenn es den Denkenden in gewisse Nöte hineinkatapultiert. Denn das ist gut. Wir brauchen viele, innere Nöte, um erkennen zu lernen, um zu reifen.

Leser Boris K. nimmt sich (stellvertretend für sehr viele) die Massenmedien vor:

Die mit Abstand notwendigste Aufgabe ist eine radikale Reform der Massenmedien. Wir müssen verstehen, dass wir nicht mehr in der Welt der klassischen Diktaturen leben, in denen (wie heute noch zum Beispiel in der Türkei) die Politik über die Medien herrscht und ihnen diktiert, was sie berichten sollen. Im postpostmodernen Westen ist es schon längst umgekehrt. Die Medien sind heute die wahren Treiber des Totalitarismus, des Hasses und der Hetzjagd, und die Politiker sind bloss Getriebene. (Das macht sie nicht weniger verantwortlich dafür, dass sie sich treiben lassen. Aber den radikalen Umbau der Küche muss man doch mit dem Koch und nicht mit dem Kellner anfangen. Die Köche sind jetzt die übermächtigen Medienbosse, während Minister ihre Kellner sind.)

Ich gebe leider ehrlich zu, dass ich nicht weiss, wie genau diese Reform aussehen sollte, aber ohne sie gibt es keine Zukunft, weil die Medien im 21. Jahrhundert so allmächtig geworden sind, dass sie, wenn sie sich einig sind, mit uns Menschen alles was sie wollen machen können. Wenn nur alle (!) Medien ohne Ausnahme sagen, dass Mord ein Akt der Menschenliebe ist, oder dass Vergewaltigung zu bürgerlichen Pflichten gehört, dann ist es so, und es wird keine Möglichkeit geben, dies zu widerlegen. Deshalb meine ich entgegen dem Buch von Michael Meyen («Die Medien-Matrix»), aber in Übereinstimmung mit dem Film, auf den das Buch anspielt, dass die Matrix niemals «aufgeklärt», sondern nur komplett zerstört werden kann und soll. Ihre Koexistenz mit unseren Freiheiten ist genauso undenkbar wie die von Rom und Karthago im antiken Mittelmeer – also Massenmedien delenda sunt. Selbstverständlich sollen alle Dozenten und Professoren für Journalistik sowie alle gegenwärtig führenden Chefjournalisten ihres Amtes enthoben und mit einem absoluten Berufsverbot belegt werden; sie können ein anständiges Handwerk erlernen, denn sie haben so viel über das «Allgemeinwohl» geredet, dass ihnen schliesslich die Möglichkeit gegeben werden soll, zu diesem ein bisschen beizutragen. Eine Schnapsidee wäre vielleicht die Pflicht zum Aufhängen des Porträts von Julius Streicher mit der Überschrift «Auch ich habe gelogen!» in jedem Chefredaktorenbüro. Selbstverständlich würde das alles nicht ausreichen. Ich wäre gern bereit, verschiedene Vorschläge zur Zerschlagung der Krake Massenmedien zu diskutieren; Hauptsache, wir sollen verstehen, dass solange dieser Krake existiert, eine freiheitliche Gesellschaft niemals gesichert werden kann.

Nina S. schlägt vor, sich mit anderen bei einer nützlichen und sinnvollen Tätigkeit zu verbinden:

Was tun? Eine Gartengruppe ins Leben rufen! Durch die gemeinsame Arbeit im Garten wird die psychische und physische Gesundheit gefördert sowie ein Bezug hergestellt zur natürlichen und sozialen Umwelt.

Körperliche Gesundheit: Zuerst ist da der Akt des Gärtnerns selbst: Frische Luft, Vitamin D – die Vorzüge liegen auf der Hand. Der Garten zwingt einen, sich dies regelmässig zu Gemüte zu führen, auch wenn das Wetter mal nicht so toll ist. Ein bisschen Bewegung hat auch noch niemandem geschadet. Wer Gemüse anbaut, hat zudem Kontrolle über seine eigene Nahrung. Welche Dünge- und Pflanzenschutzmittel werden verwendet? Wie stelle ich sicher, dass mein Gemüse nährstoffreich ist? Was ich täglich meinem Körper zufüge, wird sich unweigerlich auf meine Gesundheit auswirken.

Psychische Gesundheit: Selbst gezogenes Gemüse ist nicht nur nahrhafter, günstiger und schmeckt besser als Gemüse vom Supermarkt – die Freude, der Stolz und die Dankbarkeit bei der Ernte sind unbezahlbar. Gewisse Mikroben im (gesunden) Boden kurbeln unsere Serotoninproduktion an. Die Arbeit in der Gruppe schafft eine Verbindung, die über das Freundschaftliche hinaus- und ins Familiäre hinübergeht. Weil man sich regelmässig und somit zwangsläufig in allen möglichen Launen trifft, lernt man sich auf eine spezielle Art kennen und übt sich darin, andere zu akzeptieren, auch wenn sie mal nerven. Zudem bietet die Gruppe einen sicheren Ort, in dem man sich aufgehoben fühlen und Freud und Leid teilen kann. Ausserdem macht es einfach viel mehr Spass, mit anderen zu arbeiten!

Konfliktbewältigung und Entscheidungsfindung: Natürlich gibt es in jeder Gruppe Konflikte. Da ein Garten erfordert, dass man sich ihm verpflichtet und regelmässig zusammenkommt, ist die übliche Konfliktbewältigungsstrategie der Vermeidung nicht praktikabel. Weil viel auf dem Spiel steht (schliesslich wollen alle nicht nur Spass, sondern auch eine reiche Ernte haben), müssen Konflikte ausgetragen und bereinigt werden. An seiner eigenen Kommunikation und Akzeptanz zu arbeiten ist daher unabdinglich. Weiter ist eine Gartengruppe ein Spielfeld, auf dem man ausprobieren kann, Entscheidungen in einer kleinen Gemeinschaft zu treffen in der Abwesenheit von autoritären Strukturen wie Polizei, Justiz und Mehrheitsdiktatur.

Einbindung in die Umwelt: Nicht zuletzt bindet uns das Gärtnern in Abläufe ein, die grösser und älter als wir selbst sind. Die Jahreszeiten und mit ihnen die verschiedenen Gemüsesorten, Insekten und Gemütszustände kommen und gehen stetig: immer ähnlich, nie gleich. Die eigenen Probleme werden realistischer in ihrer Dimension. Egal, was gerade in unserem Leben passiert, der Garten wächst weiter, fordert Aufmerksamkeit und bietet ein Refugium. Sein eigenes Gemüse anzubauen macht einen gleichzeitig unabhängiger von globalen Lieferketten und mehr verbunden mit Nahrungsproduzentinnen auf der ganzen Welt. Ich schätze die Arbeit, die diese Produktion benötigt viel mehr und bin froh, dass jemand meinen Weizen anbaut und ihn zu Mehl verarbeitet. Ich überlege nun genau, wie und wofür ich Bauern kritisiere, anstatt sie kollektiv in die Ecke der Umweltverschmutzer zu stellen.

Manuel P. plädiert für ein Gegenprogramm zu Bidermans «Diagramm des Zwangs». Wer erkennt, was vor sich geht, hat es schlicht leichter, sich gegenteilig zu positionieren:

Markus T. spricht aus, was viele sich in Sachen Aufarbeitung wünschen:

Was wir im Minimum brauchen, sind Nürnberger Prozesse reloaded, den Zusammenbruch des EU-Monsters, die Einführung eines echten Vollgeldsystems, die Abschaffung des Parteienunwesens, die Presse zurück in die Flasche, aus der sie gekommen war, die Schleifung der Klima-Wahn-Burg und die Betreibung von echtem Naturschutz, echte Kooperation mit Russland, einen vollständigen Neuaufbau des Erziehungswesens mit Abschaffung der Schulpflicht, was natürlich bedeutet, dass Kinder-Quäl-Lehrer ihre Qualifikation verloren haben, Rehabilitation und Entschädigung aller aus dem Land getriebenen Anwälte und Ärzte, das Verbot krimineller Ärzte-Berufsvereinigungen, die Neuaufstellung des gesamten Justizwesens, das Verbot jeglicher Lobbyarbeit in den Parlamenten, Streichung aller Vergütungen im gehobenen Beamtenapparat (bis die Inflation abflacht) … also da ist sehr, sehr viel zu tun.

Ebenso klar ist, dass die Jünger Carolas sich das nicht werden leisten können. Es wird also eine «gute Krise» brauchen – die wir nicht ungenutzt lassen sollten, Herrn Schwab und seine Verbrecherbande loszuwerden.

Immer wieder kamen auch Verweise auf die Lehre von der Sozialen Dreigliederung nach Rudolf Steiner, so unter anderem von Tobi B.:

Rudolf Steiner war ein besonderer Mensch, der die Gesetzmässigkeiten des Kosmos und den Menschen und dessen Wesensglieder Körper, Seele, Geist erforscht und beschrieben hat. Das wäre meine Anregung.

Aus der Bahai-Religion holt sich A. Weiss Anregungen:

Gewählt werden aus der Region (Stadt, Landkreis, Dörfer usw.), ohne Wahlpropaganda, neun Personen, die die meisten Stimmen auf sich vereinigen, für ein Jahr. Dieses sind die regionalen Räte für die Belange vor Ort.

Gleichzeitig werden Abgeordnete gewählt, aus jedem Cluster, die einen nationalen Rat wählen, wobei jeder! wählbar ist, wiederum für ein Jahr. Für die nationalen Belange. Darüber hinaus werden Ausschüsse benannt von diesen Gremien, die sich um bestimmte Bereiche, Belange kümmern, aber nicht entscheiden können, sondern ihre Lösungen den Räten vorlegen, die dann darüber beschliessen. Dieses sind dann in der Regel Ehrenämter, die nicht abzulehnen sind.

Mark K. bringt die Verzweiflung zum Ausdruck, die ihn befällt, wenn er an Deutschland denkt. Das System ist seiner Ansicht nach nicht mehr zu retten.

Mittlerweile bin ich soweit, dass ich in meiner inneren Emigration angekommen bin. Ich bin nicht mehr Waldgänger, ich lebe nun im Wald. Das politische System ist von Grund auf marode. Wie ein alter Baum, der voller Krankheiten und Pilzbefall ist, nicht gepflegt und falsch beschnitten wurde. Nicht mehr zu retten. Anstatt diesen aber nun gewaltsam zu entfernen, warte ich, bis er alleine den Krankheiten erliegt und von der Natur kompostiert wird. Wir Dissidenten tragen aber den Samen für etwas Neues in uns. Das einzige, was wir tun können, ist uns gegen die Krankheiten des alten Systems zu wappnen und stattdessen etwas Neues gedeihen lassen.

K. E. W. hat in seinem Blog geantwortet und plädiert (wie so viele andere auch) für dezentrale Strukturen von unten nach oben:

Dezentrale, lokale und analoge Treffen weniger Gleichgesinnter genügen, um kollektive Projekte aller Art umzusetzen. Diese einzelnen Gruppen können und sollten sich überregional vernetzen, um Ideen und Erfahrungen auszutauschen. Zentrale Organisationen, Parteien oder eingetragene Vereine würde ich meiden, da sie Teil des Systems und anfällig für staatliche Überwachung und Einflussnahmen sind.

Caroline Eva B. plädiert ebenfalls für ein back to the roots, ein Zurück zu Kleinstrukturen, wo der Kontakt zum Mitmenschen noch da ist und demzufolge auch die Solidarität ganz unmittelbar spürbar ist.

Ohne konkret zu wissen, ob es heute noch funktionieren kann: Mein Ideal des menschlichen Zusammenlebens sind dörfliche Gemeinschaften mit 150 bis 200 (eventuell auch 500) Menschen, die sich alle kennen und die miteinander im Tauschhandel leben und arbeiten. Geld gibt es nicht oder wenn, dann zwingend zinsfrei.

Das Problem der heutigen Welt ist das Zinsgeld beziehungsweise Schuldgeld, und dass die Menschen nur noch nebeneinander her statt miteinander leben. Diese Kern-Dörfer und Kern-Familienstrukturen kooperieren selbstverständlich mit Nachbargemeinden, halten gemeinsam Markt und kümmern sich gemeinsam um Infrastruktur und grössere Projekte. Jeder in dieser Gemeinschaft hat seine Aufgabe und Pflichten, aber natürlich auch alle Rechte. Wer nicht (mehr) in die Gemeinschaft passt, der kann in einer Nachbargemeinde unterkommen, oder auch weiter entfernt. Es gibt keine Anführer, höchstens Sprecher, die nach aussen repräsentieren, was gemeinsam beschlossen wurde. Diese Sprecher sind direkt ihrer Gemeinschaft Rechenschaft schuldig, jederzeit ansprechbar, persönlich haftbar und verantwortlich.

Jeder in der Gemeinschaft hat seine Aufgabe. Die Kinder und die Alten werden in den Familien versorgt und nicht fremdvergeben an Horte und Heime. Mütter haben neben einem Job, wenn sie einen haben möchten, Zeit für diese Versorgung der Familie (von mir aus auch die Männer, wenn sich Mann und Frau drauf einigen – meistens liegt das aber natürlicherweise doch mehr den Müttern). Die Familie, das Haus, die Region, die Heimat werden hochgehalten und gewürdigt. 

Der Lohn der täglichen Arbeit ist sichtbar und anfassbar, keiner muss sich bei fremden Menschen verschulden, die dann ohne eigene Arbeit nur vom Zins leben und die anderen Stück für Stück weiter ausbeuten. 

Ich stelle mir vor, dass unsere Ahnen vor der Übernahme durch globalistisch agierende Eliten (Parasiten) so gelebt haben und zufrieden waren. Ob das heute mit so vielen Menschen auf der Erde noch geht, weiss ich nicht, aber Gedanken schaffen Realität und die Frage war ja nach idealen Vorstellungen. Dies ist meine.

Die konkreteste Idee zur rechtlichen Umsetzung dieser dezentralen Ideen in echte Lebensprojekte stammt von Unternehmer und Jurist Titus Gebel, einem Vordenker der Idee von Privatstädten, Freigemeinden und Bürgergenossenschaften. Er plädiert für Folgendes, für das er sich auch selbst einsetzt:

  1. Freie Privatstädte gründen.
    Gebel führt dazu unter anderem Verhandlungen mit der Regierung eines Inselstaats.
  2. Freigemeinden in der Schweiz gründen.
    Erste Vorbereitungen laufen.
  3. Bürgergenossenschaften in Deutschland gründen.
    Auch dazu gibt es bereits laufende Aktivitäten, mehr dazu unter:
    www.buergergenossenschaft.net

Klar ist bei alldem: Die Debatte darüber, was zu tun ist, hat gerade erst begonnen. Sowohl die Übermüdung mit dem Status quo als auch die Entschlossenheit, diesen zu ändern, waren lange nicht so gross wie jetzt. Nutzen wir dieses Momentum! ♦

von Milosz Matuschek


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