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Fragebogen an Jasmin Kosubek

Wie viel Freiheit ertragen Sie?


Ertragen ist ein interessantes Wort in diesem Zusammenhang. Ich denke, ich beanspruche viel Freiheit für mich und würde politisch betrachtet noch viel mehr «ertragen». Natürlich geht diese Einstellung auch mit einer gewissen Toleranz gegenüber anderen einher, und dieser Muskel wird in Berlin sehr gut trainiert. Somit schätze ich meine Freiheitstoleranz als sehr hoch ein.


Wann fühlten Sie sich das letzte Mal so richtig frei?


Auf dem «Hohen Dieb» in Südtirol. Die Berge haben einfach eine unglaublich befreiende Wirkung.


Was glauben Sie, woher Sie kommen?

Ich komme aus einem kleinen Dorf am Fusse der schwäbischen Alb. Aber ich schätze, dass Sie mit dieser Frage eher das grosse Rätsel der Menschheit gemeint haben. Wo kommen wir her? Über diese Frage kann man herrlich philosophieren oder wissenschaftliche Theorien und Hypothesen aufstellen. Im besten Fall können wir uns der Wahrheit nähern. Ich habe jedenfalls keine schlüssige Erklärung.


Ihre erste Kindheitserinnerung?

Ich erinnere mich an das Dorf, in dem ich gross geworden bin. An den Steinbruch, den wir als Kinder immer wieder aufgesucht haben und das Hexenhaus, das uns allen irgendwie Angst gemacht hat. Ich erinnere mich an die gigantische rote Buche im Garten, an der wir hochgeklettert sind und an den kleinen Fluss, der in der Nähe unseres Hauses floss und so kalt war, dass es an den Füssen weh tat.


Warum sollte man Ihnen zuhören?


Ich würde es wohl anders formulieren: Man kann mir zuhören, da ich durchaus bemüht bin, ein breites Themenspektrum auf meinem Kanal abzubilden und somit eigentlich für jeden etwas dabei ist.

In welcher Rolle fühlen Sie sich am wohlsten?

Ich fühle mich wohl, wenn ich mich frei und unabhängig fühle und vor allem selbst über meine Zeit bestimmen kann.


Politik ist …?

Anstrengend, nervig, zeitraubend und in dem Masse, wie wir uns heute damit beschäftigen (müssen) absolut übertrieben. Auf der anderen Seite ist die Demokratie eine sehr voraussetzungsstarke Regierungsform, somit bleibt es nicht aus, sich einzumischen, wenn man etwas verändern möchte.


Wem vertrauen Sie?


Meiner Familie, meinem Mann und einer Handvoll Freunden.


Eher mass-los oder mass-voll?


Es gab wohl Phasen in meinem Leben, die man als mass-los bezeichnen könnte. Allerdings würde ich mich grundsätzlich doch eher als den mass-vollen Typen bezeichnen. Ich bin nicht dogmatisch und suche immer die Balance.


Wie viel Macht beanspruchen Sie für sich?


Das ist eine schwierige Frage. Ich weiss nicht, ob ich überhaupt Macht beanspruche, da ich eigentlich nur für mich, meinen Mann und im weitesten Sinne meine Familie Verantwortung trage. Somit spielt Macht für mich persönlich keine grosse Rolle.


Zu welcher Musik tanzen Sie sich frei?


Das ist ganz unterschiedlich. Die letzte erinnerungswürdige Tanznacht war zu 80er-Jahre-Musik und es war grossartig.


Ihr Lichtblick in finsteren Zeiten?


Die Natur.

Wie schärfen Sie Ihre Urteilskraft?

Ich versuche tatsächlich nicht zu urteilen, weder über mich oder andere. Was das Beurteilen angeht, so versuche ich, immer eine gewisse Durchlässigkeit zuzulassen, damit ich in meinen Ansichten nicht verharre.


Wo stehen Sie in Ihrer persönlichen Entwicklung?

Hoffentlich erst am Anfang.


Ihr grösster Erfolg?

Ich würde schon sagen, dass mein grösster Erfolg sich aktuell auf meine beruf liche Laufbahn beschränkt. Ich freue mich sehr, dass ich mich selbstständig machen konnte und meine Inhalte auf Interesse stossen. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Arbeit machen darf.


Was wollen Sie wirklich?


Das ist eine gute Frage. Ich habe das Gefühl, dass ich mich dieser Frage nur annähern kann, denn mein Wollen ändert sich fortlaufend. Grundsätzlich möchte ich ein interessantes Leben führen. Ich möchte interessante Orte sehen und Menschen kennenlernen. Ich möchte mein Leben leben und nicht geschehen lassen.


Was geschieht nach dem Ende?


Das weiss ich nicht. Ich kann dazu nur sagen, dass ich zwar etwas Angst vor dem Sterbeprozess habe, aber nicht vor dem Tod.


Kommt es gut?


Es kommt, wie es kommt. Mit dem zu sein was ist, ist die Herausforderung. ♦

***


Jasmin Kosubek ist als Gesicht des russischen Nachrichtensenders RT DE bekannt geworden. Anfang 2022 hat sie sich mit ihrem eigenen YouTube-Kanal selbstständig gemacht und veröffentlicht regelmässig Interviews.

von Redaktion


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Irgendwann, irgendwo, irgendwie – halleluja!

Doc´s Schnauze

Ich kann´s nicht mehr hören: Wir müssen uns endlich verzeihen und die Ereignisse der letzten drei Jahre aufarbeiten, die Spaltung überwinden.

So viele Krokodilstränen werden da vergossen, mit denen man die Sahelzone bewässern könnte. Und zack, die nächste Impfempfehlung, als wäre nichts geschehen!

Christian «die Locke» Drosten sagte zu Beginn des Jahres: «Die Pandemie ist vorbei, biiiib!» Die Pandemie endet, wie sie begonnen hat. Mit einer Pressemitteilung des epidemiologisch-virologischen Sultans von der Charité-Scharia. Im September dieses Jahres hat der Impfmuezzin Abu Drosten, der über Jahre allerdings die Immungläubigen nicht zum Gebet, sondern zum Pieksen rief, noch einen drauf gesetzt: Er lasse sich nicht boostern diesen Herbst, er gehöre nicht zu einer Risikogruppe und fühle sich gesund! Die Maske wolle er diesen Winter nicht anrühren und er sei auch gegen Testpflicht. Hoppla! Allahu akbar kann man dazu nur sagen.

Michael Müller, der Ex-Bürgermeister von arm aber sexy Berlin sagte im Winter ´22 bei «Hart aber fair»: «Jeder Kontakt mit Ungeimpften ist gefährlich. Es geht dabei, den Kontakt von grösseren Gruppen, zehn, fünfzehn Menschen mit Ungeimpften zu verhindern, weil eben bei einem Kontakt zwischen fünfzehn Menschen mit einem Ungeimpften es für fünfzehn Menschen riskant wird.» Der Mann, damals amtierender Bürgermeister Berlins, unterscheidet also zwischen Ungeimpften und Menschen, für ihn sind das zwei Spezies. Das bedarf nicht primär der Aufarbeitung, aber der Klärung:

1. Müssen wir weiterhin zwischen Ungeimpften und Menschen unterscheiden oder dürfen sich Ungeimpfte Ende 2023 wieder als Menschen fühlen, natürlich und selbstverständlich mit Auflagen und Vorbehalten, wir wollen ja nichts riskieren?

2. Sind bei zukünftigen Grippewellen, wie permanent angedroht, Geimpfte gefährdet, während Ungeimpfte nicht gefährdet sind, und falls ja:

3. Ist Michael Müllers Worten zu entnehmen, dass die neuen Werbekampagnen vom RKI, in der Schweiz BAG, und den entsprechenden Regierungen mit dem Motto «Schütze dich» einen Aufruf darstellen, schnellstmöglich beim Homöopathen einen Impfausleitungstermin zu vereinbaren?

Lieber Herr Müller, lassen Sie sich´s gesagt haben: Wir sind alles Lebewesen, von mir aus Personen, noch lieber Menschen, mit und ohne Pieks. Daran können auch Sie als immunologischer Rassist und ehemaliger Impfgauleiter Berlins nichts ändern. Also, man sieht sich, wahrscheinlich dann vor dem Jüngsten Gericht. Dort arbeiten die Anwälte kostenlos.

Jens Spahn, Vorgänger vom Lauterbach Kari, sagte bereits im August 2020: «Wir werden uns einst viel zu verzeihen haben!» War das weise Voraussicht? Wie hat er das gemeint? Und wann irgendwann ist denn wann irgendwann?

Ich erlaube mir dazu etwas zu sagen, das mir auf der Leber liegt, als jemand, der wegen des Äusserns seiner Meinung, was man ja in der Schweiz angeblich problemlos tun könne, viele gut bezahlte Mandate verloren hat, den die Medien in die immunologische Nazihölle geschrieben und an den Rand der Gesellschaft befördert haben (dabei brav Jean-Paul Sartre folgend, der einst sagte: «Die Hölle sind immer die anderen») und der, spaltungsbedingt, Freundschaften verloren hat:

Keine Vergebung ohne Beichte. Also bitte, die Sakristeien und Beichtstühle sind geöffnet, jetzt, denn irgendwann irgendwo irgendwie ist irgendwann irgendwo irgendwie zu spät!

Halleluja, Halleluja, Halleluja! ♦

von Marco Caimi


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Sei mal nicht dabei

Die meisten Menschen haben Angst vor sozialer Verbannung. Dabei braucht es mehr denn je Menschen, die sich der Masse entgegenstellen. Ein Plädoyer für das Aussenseitertum.

Lautes Lachen. Jonathan Meese rennt mit einem Plastik-Laserschwert durch sein Berliner Atelier. Im nächsten Moment klettert er auf eine Leiter und spannt einen transparenten Mädchenschirm über sich aus. Ausgelassen fuchtelt er damit herum – und verletzt sich schliesslich an der Stirn. Blut tropft. Wieder lautes Lachen. Jonathan Meese schaut mich übermütig an, während er mit einem Taschentuch über seine Stirn tupft und sagt: «Wir können beginnen.» Das ist nun gut vier Jahre her. Ich traf den bekannten Maler, um ihn für das Magazin Galore zu interviewen.

Jonathan Meese gilt als Enfant terrible. Er selbst bezeichnet sich als «Spielkind». Oder als «Seewolf». Manchmal auch als «Robinson Crusoe». Auf einer Insel alleine sein Ding durchzuziehen, das sei genau das Richtige. Überhaupt möge er, wie er mir erzählte, alle Einzelgänger, «die hart am Sturm segeln». Er kenne das, er sei immer isoliert gewesen, von Kindheit an. Kann man sich also daran gewöhnen? Und sich sogar damit wohlfühlen? Sind die anderen nicht ohnehin die Hölle, wie es bei Jean-Paul Sartre heisst? «Ich habe die Riesenschwäche, dass ich mich in Menschenmassen sauunwohl fühle.» Lieber alleine sein und nicht bei den anderen? «Es ist überhaupt nicht schlimm, nicht dazuzugehören», versicherte mir Jonathan Meese. Und: «Man muss den Kindern heutzutage sagen, dass es eine Stärke ist, ein Aussenseiter zu sein.»

Das mag sich wie eine Provokation anhören. Wer will schon am Rande stehen? …

von Sylvie-Sophie Schindler


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«Heilig, heilig, heilig»

Eine Predigt

Erhitze dich nicht über die Übeltäter, ereifere dich nicht über die, die Unrecht tun. Denn schnell wie das Gras verwelken sie, und wie grünes Kraut verdorren sie. Vertraue dem Herrn und tue das Gute, bleibe im Land und bewahre die Treue.

Freue dich des Herrn, und er wird dir geben, was dein Herz begehrt. Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn, er wird es vollbringen. …

Die Rettung der Gerechten kommt vom Herrn, er ist ihre Zuflucht in der Zeit der Not. Der Herr steht ihnen bei und rettet sie, vor den Frevlern rettet er sie und hilft ihnen, denn sie suchen Zuflucht bei ihm.

So lauten die Anfangs- und die Schlussverse von Psalm 37. Die Rettung kommt vom Herrn, vom Gott mit Namen Jahwe, von Adonai, wie man auf Hebräisch auch sagen kann. Die Rettung also kommt von Gott, der viele Namen hat. An einer anderen Stelle im Alten Testament, beim Propheten Jesaja, rufen die Engel gar: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen! (Jes 6,3). Hier hat Gott, als Anführer der Heerscharen, sogar eine allmächtige militärische Aufgabe. Ich will heute aber weniger über die vielen Namen und Aufgaben von Gott reden, sondern vor allem über das Heilige.

Was ist heilig? Das Wort tönt fast wie aus einer anderen Welt. Und das ist es irgendwie auch. Das Heilige ist immer etwas, das auf spezielle Art losgelöst ist von dem, was direkt vor uns in der Welt ist, direkt und unmittelbar und greifbar und fassbar und berechenbar und kontrollierbar. Heiliges ist immer auch ein wenig gefährlich.

Diesen Sommer machte ich eine Studienreise ins Heilige Land. Also nach Israel-Palästina. Auch in dieser Zeit gab es dort einige Eskalationen und viele Proteste. Aber ich fühlte mich keine Sekunde lang unsicher. Das Gefährliche an Israel, so dünkte es mich, ist nicht die situative Lebens-Gefahr für das Individuum – sondern das Gefährliche ist das Heilige selber gewesen. Diese Heiligkeit, die drei Weltreligionen mit diesem Land und mit der Stadt Jerusalem verbindet. In Jerusalem steht die Klagemauer, der wichtigste religiöse Ort des heutigen Judentums. In Jerusalem steht auf Golgota die Grabkirche, ein wichtiger Ort der Christentumgeschichte. Und in Jerusalem steht auf dem Tempelberg der muslimische Felsendom mit seiner berühmten Goldkuppel. In allen drei Religionen wird an den genau gleichen Gott geglaubt. Aber die drei Religionen haben es bis heute nicht fertiggebracht, in Frieden miteinander zu leben. Warum nicht?

Ich kam in den letzten Wochen zum Schluss, dass es damit zu tun hat, dass Dinge als heilig betrachtet werden, die eigentlich nur menschlich sind. Es geht um Besitzansprüche, Wahrheitsansprüche und Herrschaftsansprüche. Es sind Menschen, die Besitz, Wahrheit und Herrschaft für sich beanspruchen, und sie legen diesen Ansprüchen dann mit viel Brimborium respektive Propaganda ein göttliches Mänteli an. Dabei ist es doch so, dass Besitz, Wahrheit und Herrschaft eigentlich nur einem gehören, nämlich Gott, dem Allmächtigen.

Gott, der Allmächtige. So steht es in unserer Bundesverfassung. In der Verfassung, die in den letzten Jahren auch quasi den Status einer Heiligen Schrift erhielt, die viele echte und falsche Freunde fand. «Heilig, heilig, heilig» riefen die Engel bei Jesaja. «Heilig, heilig, heilig» riefen Politikerinnen und Wissenschaftler in den letzten drei Jahren, und meinten immer wieder etwas anderes damit. Aber in meiner Wahrnehmung immer nur Menschliches: Unsere Mission ist heilig, unsere Interpretation ist heilig, unsere Massnahmen sind heilig – aber eure Fragen sind unheilig, also gefährlich und hetzerisch und ketzerisch. In einem kriegsähnlichen Zustand wurde mit Wortkanonen aufeinander geschossen. Ich verwende das Wort «Krieg» absichtlich. Die eingesetzte Rhetorik war nichts anderes als Kriegsrhetorik. Es ist bekanntlich ein Prinzip der Kriegspropaganda, dass man die eigenen Interessen als heilig darstellt und die Interessen der anderen als unheilig, als verwerflich, unmoralisch, unethisch, unmenschlich, verantwortungslos, radikal und so weiter.

Kommen uns solche Worte nicht bekannt vor? Ich habe bewusst nur die harmlosen Beispiele aufgezählt. Aber das reicht, um feststellen zu können: Sobald das Wort «heilig» auf menschliche Dinge angewendet wird, ist der Krieg, ist die Gewalt nicht mehr weit entfernt. Wer etwas als heilig erklärt, ist häufig zur äussersten Eskalation bereit, zu Gewalt und zu Terror.

Das sogenannt Heilige Land und die sogenannt Heilige Stadt geben Tausende von Beispielen. Wie viele Menschen haben sich nicht schon die Zähne ausgebissen an der Lösung der Israel-Palästina-Fragen. Es erinnert an die verfahrene Situation der Russland-Ukraine-Fragen. Auch hier ist die Antwort ja meistens: Heilig! Heilige Werte! Heiliger Krieg! Aber wer als Antwort «friedlich», «sachlich», «gewaltfrei» vorschlägt, wird verleumdet und medial weggebombt. – Auch das ist wieder ein heftiges Wortbild. Aber es ist leider Propaganda-Realität. Wer sich momentan mit der schweizerischen Sicherheitspolitik beschäftigt, hört eher Rufe nach Panzern, Aufrüstung und NATO statt nach Neutralität, Vermittlung und Deeskalation.

Und damit bin ich endlich beim Kern meiner Predigt angekommen. Bei der Friedensbotschaft, die in der Bibel steckt, beim Evangelium von Jesus Christus. Jesus ist der allergrösste Friedensmensch aller Zeiten. Er hat in der Bergpredigt gesagt: Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen (Mt 5,43 f.). Kurz darauf, als er die Jünger das Beten lehrte, sagte er: Dein Name werde geheiligt.

Ich verstehe Jesus so, dass nur der Name des Vaters heilig sein soll, also nur Gott. Es gibt keine gesellschaftliche Mission, die so heilig ist, dass sie Gewalt oder Hass oder Verurteilung rechtfertigen würde. Heilig ist Gott. Nur im Sinn eines Abbildes oder einer Partizipation kommt diese Heiligkeit dem Menschen zu. Im Alten Testament, im 3. Buch Moses, steht: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott (Lev 19,1). Im Neuen Testament wird diese Heiligkeit dann, sehr vereinfacht gesagt, vom Volk auf das Individuum übertragen. Jesus erkannte nämlich, dass der einzelne Mensch als Individuum im Zentrum steht, und nicht seine Ethnie oder sein Beruf oder sein Geschlecht. Das Individuum ist Empfänger von Heiligkeit. Nicht ein Buch, nicht ein Tempel, nicht die Kirche, nicht eine Verfassung. Nur Gott und der einzelne Mensch und die Beziehung zwischen ihnen können streng genommen als heilig gelten.

«Wir hören auf die Stimme des Herzens», heisst es so schön bei den Graswurzle-Werten. Das kann man biblisch so übersetzen: «Wir hören auf die heilige Stimme von Gott in unserem Herzen.» Es ist dann aber nicht mehr wichtig, ob man christlich ist, ob jüdisch, muslimisch oder sonst irgendein Etikettli trägt. Nach dem Evangelium müssen alle diese Etiketten überwunden werden, wenn wir eine friedliche Gemeinschaft werden wollen. Der Apostel Paulus schreibt im Brief an die Gemeinde der Galater: Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus (Gal 3,28).

Es ist eine solche Gemeinschaft, die wir über Gräben hinweg anstreben. Wenn es die Religionen bis heute nicht geschafft haben, in Jerusalem friedlich miteinander zu leben, dann auch deswegen, weil man Dinge für heilig hält, die eigentlich gar nicht heilig sind. Anders gesagt: Weil man nicht erkennt, woher alles Heil und woher alle Heiligkeit kommt.

Nur wer sich als Abbild des Heiligen sieht und so seine Beziehung zu Gott erkennt, findet die Zuflucht beim Herrn und die Rettung vor den Frevlern und die Heilung von allen Übeltaten auf Erden. Amen. ♦

von Philippe Schultheiss


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Die Bedeutung des Lichts im heidnischen Brauchtum

Dort wo Licht ist, gibt es viel zu sehen. Die Dinge sind ausgeleuchtet und unser Fokus ist nach aussen auf das Sichtbare gerichtet. Verschwindet das Licht, richtet sich der Blick nach innen. Dort erkennen wir Dinge, die im Aussen verborgen bleiben.

Die Bäume haben ihre Blätter fallen gelassen, nackt ragen ihre Äste stoisch in den Himmel, das Sonnenlicht zeigt sich uns nur noch wenige Stunden am Tag. Die daraus resultierende Kälte weist darauf hin, dass sich die Kräfte der Natur gänzlich nach Innen zurückgezogen haben. Zurück an einen geschützten und unsichtbaren Ort unter der Erde.

Die Tiere begeben sich in die Winterruhe oder halten Winterschlaf in ihren Höhlen, die Natur hat ihr farbenfrohes und üppiges Kleid abgestreift und auf die Grundstrukturen reduziert.

Je dunkler es um uns herum wird, desto mehr wird der Spiegel der Seele beleuchtet. Dies war unseren Vorfahren wohlbekannt. Sie machten sich das Wissen darüber in der dunklen Jahreszeit zunutze. Überall, wo die Menschen dem Rhythmus der Jahreszeiten ausgesetzt sind, ist die dunkle Jahreszeit Anlass für Feiern und Zeremonien. Heute kennen wir Advent, Weihnacht und Neujahr. Wo liegt ihr Ursprung? …

von Prisca Würgler


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Das Scheitern ist selbstverschuldet

Aufrecht und Mass-Voll sind bei den nationalen Wahlen leer ausgegangen. Die Blamage hat viele Gesichter: Selbstherrlichkeit, Zank und ein wenig kohärentes Wahlprogramm führten dazu, dass die beiden Organisationen ihre Anschlussfähigkeit verloren haben.

Der 22. Oktober war ein Tag des Protestvotums mit einer klaren Ansage an die Politik: Die Luftschlösser-Politik von Linksgrün der letzten vier Jahre ist gescheitert. Dafür haben die Grünen und Grünliberalen nun ihre Quittung erhalten. Der deutliche Wahlsieger bleibt die SVP. Die Partei verliert zwar im Ständerat einen Sitz, hat aber im Nationalrat 9 der 12 Sitze zurückgewonnen, die sie 2019 verloren hatte.

Innerhalb der etablierten Parteien ist die SVP meist die einzige, die immer wieder einmal Gegensteuer leistet – wenn auch oft nur sehr zurückhaltend. Für oppositionelle Politik gab es zuletzt Grund genug: Man denke nur an die Corona- oder die Energie-Politik, die die Bürger mehr und mehr entmündigt und auf das Portemonnaie abzielt.

Das darf, so denke ich, einmal nüchtern festgehalten werden. Und das ist kein Loblied auf die SVP – zu deren Wirtschafts- oder Migrationspolitik man geteilter Meinung sein kann. Nun hat sich der kritische Kurs der SVP, so scheint es, ausgezahlt.

Ganz anders Mass-Voll und Aufrecht. Beiden Organisationen hat es nicht einmal für einen einzigen Sitz gereicht. Was ist da geschehen?

Schafften es Organisationen wie die Freunde der Verfassung und Co. doch während der Hochzeiten der Pandemie, mehr als ein Drittel der Stimmbürger hinter sich zu scharen. Man fragt sich: Wie war eine solch krachende Niederlage möglich? Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Doch der Reihe nach.

Egoprobleme und Kritikunfähigkeit

«Wir haben relativ gut abgeschnitten. Das kann man sagen. … Das ist ein beachtliches Resultat», kommentierte Patrick Jetzer, Chef von Aufrecht Schweiz, das Ergebnis nach den Wahlen auf Hoch2. Seine Organisation blieb zwar in allen Kantonen unter einem Wähleranteil von zwei Prozent, trotzdem gab sich Jetzer zufrieden. Er sprach von einer guten Ausgangslage für die kommenden kommunalen Wahlen.

Frei von jeder Selbstkritik äusserte sich auch Mass-Voll- Chef Nicolas Rimoldi: «Mass-Voll ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte.» Dabei ging auch seine Organisation leer aus. Auch die ständige mediale Aufmerksamkeit, die Rimoldi in den Monaten vor den Wahlen wie nur wenige Politiker genossen hatte, half nicht. Rimoldi zeigte sich stolz, weil er in Zürich mit 10´398 Stimmen besser als Erich Vontobel (9390 Stimmen) abgeschnitten hatte, der für die EDU nun in den Nationalrat gezogen ist.

Hier tritt bereits ein erstes zentrales Problem deutlich zutage. Rimoldi und Co. waren zuweilen mit einer Selbstherrlichkeit unterwegs, die Berset und Co. in nichts nachsteht. Sie versuchten zu Recht, aus der Pandemie politisches Kapital zu schlagen, scheiterten aber gerade auch deshalb, weil in ihren Organisationen ein autoritärer Geist vorherrschte – den sie in der Öffentlichkeit pausenlos anprangerten. Kritiker und basisdemokratische Stimmen hatten einen schweren Stand. Ähnliches beobachtete man in der Vergangenheit schon bei den Freunden der Verfassung (FdV).

Streitereien schadeten enorm

So schmiss etwa Christian Besmer, der die Co-Leitung für Aufrecht im Bezirk Horgen innehatte, aus Frust noch in der ersten Hälfte des Jahres das Handtuch. Joyce Küng, die lange mit Rimoldi zusammengespannt hatte, verliess die Organisation, weil Rimoldi alles selbst bestimmen wollte. Es könnten nach Belieben weitere Beispiele genannt werden.

Die beiden Protagonisten verfolgten knallhart ihre eigenen Interessen. Die Spitznamen «Rimoldiva» und «Napoleon», welche in der Szene häufig zu hören sind, kommen nicht von ungefähr. Wer es wagte, Rimoldi und Jetzer zu widersprechen, bekam Probleme. Kritik aus den eigenen Reihen prallte immer wieder an ihnen ab. Die «Stars» wussten alles besser.

Gleichzeitig konnten sich Jetzer und Rimoldi auch gegenseitig nicht riechen. Jeder war überzeugt von seiner Strategie: Auf ging keine. Wer scheinbar alles besser weiss, ist zum Scheitern verurteilt.

Es schien fast so, als würde Rimoldi keine Gelegenheit auslassen, um Angriffsflächen zu bieten. Dass er vor allem Stimmen am äussersten rechten Rand fischte, war ihm offenbar auch recht so. Stichwort «Braunau» oder «Remigration». Während Donald Trump in der Vergangenheit erfolgreich nach dem Motto «Any news ist good news» politisierte, ging diese Strategie bei Rimoldi nicht auf. Der Bewegung schadete er damit. Sogar Aufrecht – nicht gerade bekannt dafür, von anderen zu «distanzieren» – tat dies während der Wahlkampagne. Aber wer sich öffentlich fetzt, weckt nicht gerade Vertrauen.

Mit Mühe und Not einigten sich Mass-Voll und Aufrecht im Kanton Zürich auf eine Listenverbindung. Und wie so oft in solchen Situationen, in denen sich zwei streiten, freut sich am Schluss der Dritte. In diesem Fall Erich Vontobel. Er profitierte von der Listenverbindung von Mass- Voll, Aufrecht und den Schweizer Demokraten und holte für die EDU einen zweiten Nationalratssitz.

Kaum anschlussfähig

Der Streit in den eigenen Reihen ist das eine, die fehlende Anschlussfähigkeit in der Mitte der Gesellschaft das andere. Diese war 2021 noch gegeben, wie Organisationen wie die FdV bewiesen hatten. Rimoldi setzte ein libertäres Parteiprogramm auf, mit dem man in der Schweiz bloss an den Rändern Stimmen holt. Zwar versuchte er, sich breiter aufzustellen als Aufrecht und das Corona-Damoklesschwert loszuwerden, das den Organisationen anhaftet, die in der Pandemie entstanden sind. Doch das gelang ihm nur bedingt. Für die meisten blieb Rimoldi einfach der Corona-Kritiker. Bei Aufrecht wiederum wusste man nicht so recht, für was sie eigentlich stehen. Wer unaufhörlich von Eigenverantwortung spricht und gegen einen aufgeblasenen Staat wettert, hat noch lange nicht die Herzen und Stimmen des Volkes auf seiner Seite. Kommt hinzu: In beiden Organisationen sind ehemalige Links- und Rechtsaussen- Politiker tätig. Diese mögen sich zwar in ihrer Kritik an der Corona-Politik einig gewesen sein – bei anderen Themen könnten ihre Positionen jedoch kaum unterschiedlicher sein. So lässt sich kein anschlussfähiges Parteiprogramm schreiben.

Schwander und Ender mit beachtlichem Erfolg

Dass man sehr wohl Massnahmenkritiker und anschlussfähig sein kann, illustriert der Erfolg von Pirmin Schwander. Dem bisherigen SVP-Nationalrat ist mit einem Glanzresultat der Einzug in den Ständerat gelungen. Schwander gehörte zu denjenigen Politikern, die in den Corona-Jahren den Kompass nie aus den Augen verloren haben. Er ging sowohl gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) sowie auch gegen das Covid-19-Gesetz auf die Barrikaden. Der Unternehmer traute sich auch, an Demonstrationen Gesicht zu zeigen – damit war er eine absolute Ausnahme. Nun ist sein Engagement belohnt worden.

Ausgezeichnet schlug sich auch Josef Ender vom Aktionsbündnis Urkantone. Ender erreichte mit seiner Freien Liste als Parteiloser kantonsweit das fünftbeste Resultat – eigentlich eine kleine Sensation. Damit lag er vor sämtlichen Vertretern der Mitte-Partei. Selbst die ehemalige FDP-Präsidentin Petra Gössi (16´398 Stimmen), die in den Ständerat eingezogen ist, konnte den Newcomer Ender (14´963) nur relativ knapp abhängen. Das heisst: Wäre Ender nicht parteilos, wäre er jetzt in Bern. Ender machte das, was alle erfolgreichen Politiker tun: Er bewegte sich nahe bei den Bürgern, tourte durch den ganzen Kanton. Mit Erfolg. Ender ist ein Anpacker, hemdsärmelig und auf dem Boden geblieben. Das kommt gut an. An Schwander, Ender und Co. können sich die Politiker aus dem Umfeld der Bürgerrechtsbewegung ein Beispiel nehmen.

Selbstverständlich gab es in den genannten Organisationen zahlreiche basisdemokratische Kämpfer, die hinter den Kulissen viel Knochenarbeit geleistet haben. Das gilt genauso für viele Kandidaten, die stets die Sache in den Vordergrund gestellt haben. Zu ihnen zählt etwa der ehemalige Grüne-Kantonsrat und Aufrecht-Zürich-Kandidat Urs Hans, dem wenige Tausend Stimmen fehlten. Hans, der nach den Wahlen eine selbstkritische Analyse der Niederlage vornahm, schloss diese mit den Worten: «Wir von Aufrecht Zürich machen weiter. Am Sonntag haben wir an die Türe des Bundeshauses geklopft und in vier Jahren gehen wir hinein.» Wir sind gespannt. ♦

von Rafael Lutz


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Das atomare Paradox

Die Kernspaltung ermöglichte das schlimmste menschgemachte Massaker aller Zeiten. Sie könnte auch die Rettung der Menschheit bedeuten. Notizen einer Reise nach Nagasaki und Fukushima.

Shunichi Yamashita empfängt mich in seinem Haus, auf den Hügeln über Nagasaki. Ground Zero, das Epizentrum der Atombombe, die am 9. August 1945 gegen 70´000 Menschen getötet und die Stadt in ein Trümmerfeld verwandelt hatte, liegt zu unseren Füssen. Als Yamashita 1952 hier geboren wurde, waren noch nicht alle Trümmer weggeräumt. In den Ruinen der Urakami-Kathedrale, keine 500 Meter vom Ground Zero entfernt, wurde er getauft.

Auch die Universitätsklinik von Nagasaki, wo Professor Yamashita einst seine Studien begann und wo er heute lehrt, lag in der Todeszone. Sein Leben lang forschte er um die Folgen der Strahlung. Als leitendes Mitglied der Tschernobyl-Kommission verbrachte er viele Jahre in der Ukraine. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima koordinierte er den Strahlenschutz vor Ort.

Mit am Tisch sitzt Haru, die 88-jährige Mutter von Yamashita. Sie war knapp drei Kilometer von Ground Zero entfernt, als die Bombe explodierte. Die Strahlung zeitigte auch für sie verheerende Folgen, allerdings anders, als man es sich vorstellt. Hibakusha nannten sie die Überlebenden der Bombe. Im Sommer 2017, anlässlich meines Besuches, lebten in Japan noch 164´621 von ihnen.

Jahrelang wurde Haru wie eine Aussätzige behandelt. Es hiess, die Verstrahlten würden Krüppel gebären, vorzeitig an Krebs sterben, ja sie könnten gar ansteckend sein. Nichts davon ist wahr. Die Diskriminierung basierte auf einem irren Hoax. Die statistische Lebenserwartung der Hibakusha liegt sogar über jener der japanischen Gesamtbevölkerung.

Professor Shunichi Yamashita vermutet, dass eine bevorzugte medizinische Betreuung und grosszügige Renten für Hibakusha einen positiven Effekt auf ihre Lebenserwartung gezeitigt haben. Beweisen lässt sich das nicht. Was sich jedoch statistisch belegen lässt: Weder in der Gegend von Nagasaki noch von Hiroshima noch von Tschernobyl liess sich gemäss Langzeitstudien je eine Häufung von Krebsfällen nachweisen. Anderslautende Zahlen beruhen ausschliesslich auf Hochrechnungen, die auf längst überholten Modellen basieren.

Aber all die Bilder von Fehlgeburten und schrecklichen Missbildungen bei Neugeborenen? Auch das ist gemäss Yamashita ein Hoax: «Es gab diese Missbildungen vor den atomaren Katastrophen, es gab sie nachher. Eine Zunahme lässt sich statistisch nicht erkennen.»

Und die auf Jahrhunderte verseuchten und verstrahlten Landschaften? Yamashita lächelte etwas mitleidig: «Ground Zero war nie gesperrt, weder in Nagasaki noch in Hiroshima, der Wiederaufbau begann nach wenigen Wochen. In den ersten vier Monaten war es sicher nicht empfehlenswert, sich dort aufzuhalten. Vor allem sollte man in der ersten Zeit nichts essen, was dort gewachsen ist. In der Not haben die Menschen trotzdem sofort wieder gepflanzt. Aus pragmatischer Sicht war das nicht einmal falsch. Fehlende Hygiene und die Unterernährung waren eine grössere Bedrohung als Strahlung und Kontamination.»

Halb betäubt fahre ich gegen Abend zurück zu meinem Hotel, vorbei an Ground Zero. In der Schule hatte ich gelernt, dass eine nukleare Katastrophe ganze Landstriche auf Jahrzehnte unbewohnbar macht. Ich ging nicht irgendwo in Afrika zur Schule, sondern in der Schweiz, die auf ihre Volksschulen so stolz ist. Und jetzt das – alles Lug und Trug?

Die Hölle ist lukrativ

Professor Shunichi Yamashita ist kein Verschwörungstheoretiker. Er ist angesehen und integriert in der internationalen Forschungsgemeinschaft. Seine wissenschaftlichen Erhebungen in Nagasaki, Tschernobyl und Fukushima wurden nie bestritten. Das erschütternde Fazit der Tschernobyl-Kommission – dass sich höchstens 56 Todesfälle unmittelbar der Strahlung zuordnen lassen, dass unnötige Evakuation und unbegründete Ängste mehr Leid angerichtet haben, als die nukleare Verseuchung – steht auf solidem Fundament.

Das Problem sind Grenzwerte, die nicht wissenschaftlicher, sondern politischer Natur sind. Als diese in den 1950er-Jahren festgelegt wurden, wusste man so gut wie nichts über die Langzeitwirkung von Strahlung und Kontamination. Man ging von einer linearen Zunahme der Gefahr bei erhöhter Strahlung aus. Heute weiss man, dass die Gefahr exponentiell steigt. Das heisst: Lange passiert nichts, doch dann wird es sehr schnell sehr gefährlich.

Es ist ähnlich wie beim Covid-19-Hype: Wenn die Panik ihre Dynamik entwickelt hat, ist sie kaum noch zu bremsen. Wer radikale Massnahmen fordert, kann nie verlieren. Stellt sich die Warnung später als falsch heraus, schreit kein Hahn mehr danach. Mit Angst lassen sich die Menschen manipulieren, lenken und unterwerfen. Die Hölle ist die lukrativste Erfindung aller Zeiten.

Nicht hinter jeder Fake-News steckt böser Wille. Oft ist es eine Mischung von Vorurteilen, Ignoranz, Konformitätsdruck und Bequemlichkeit. Ich versuchte daher stets, mir vor Ort ein Bild zu machen. Als es 2011 in Japan zur Kernschmelze kam, reiste ich nach Fukushima. Zwei Jahre später gelang es mir, als einem der weltweit ganz wenigen Journalisten, einen Tag in den Reaktor-Ruinen zu verbringen.

Vorweg: Während des Fluges von Zürich nach Tokyo empfing ich eine höhere Strahlendosis als während der acht Stunden im havarierten AKW. Wer täglich fliegt, setzt sich einer Strahlung aus, die in einem AKW niemals zulässig wäre. Vielflieger haben trotzdem nichts zu befürchten.

Die Kernschmelze in den drei uralten Reaktoren von Fukushima Dai Ichi richtete eine gewaltige Sauerei an, doch sie hat keinen Menschen ernsthaft verletzt, geschweige denn getötet. Die Anwohner gingen rational mit der Gefahr um. Die Angst stieg mit der Distanz, am grössten war sie am anderen Ende der Welt, in Deutschland. Die 18´000 realen Toten, die in den Fluten des Tsunamis ertranken, gingen schnell vergessen. Und wie Professor Dr. Sucharit Bhakdi während der Corona-Krise, wurde damals auch Professor Sunichi Yamashita vom medialen Mob schnell zum Schweigen gebracht.

Alle moderneren Kernreaktoren Japans haben sowohl eines der heftigsten Erdbeben aller Zeiten wie den Tsunami problemlos überstanden. Wenn man eine Lehre aus Fukushima ziehen wollte, würde man die alten Meiler durch neue ersetzen. Doch die Schweiz tat das Gegenteil: Sie verbot neue AKW – und weil es ohne nicht geht, lässt man die alten auf Ewigkeit weiterlaufen. Angst macht Idioten.

2000 Windräder gegen einen Kubikmeter Uran

Die Kombination von Wasser und Atom ist meines Erachtens die umweltfreundlichste, sicherste und günstigste Alternative. Allein die Schweizer Erfahrung zeigt dies. Der Stromverbrauch wird von der Nachfrage bestimmt. Wir müssen immer so viel produzieren, wie verlangt wird, sonst bricht das Netz zusammen. Und dafür ist der Schweizer Strommix – AKW für die Grundversorgung, hoch flexible Wasserkraft für die Regulierung – geradezu genial. Mit Wind und Sonne ist das schlicht unmöglich. Es liegt nicht an der fehlenden Technologie, sondern an den Gesetzen der Natur. Die Speicherung grosser Strommengen funktioniert bestenfalls auf dem Papier und verschlingt Unmengen an Ressourcen.

Der grosse Vorteil der Kernenergie ist der gemessen am Ertrag geringe Verschleiss an Ressourcen. Längst erprobte Brutreaktoren der Generation IV hinterlassen keine lange strahlenden Abfälle mehr. Sie können sogar Atombomben und Atomabfälle in Energie verwandeln.

Um Leibstadt ein Jahr lang zu betreiben, braucht es gut einen Kubikmeter Uran. Der Treibstoff für zehn Jahre hätte in einer Garage Platz. Wollte man die Produktion von Leibstadt durch Windräder ersetzen, müsste man 2000 Türme mit 95 Meter Nabenhöhe in die Landschaft stellen. Damit wären gerade mal 10 Prozent des Schweizer Strombedarfs gedeckt, allerdings nicht bei Flaute. Der Ertrag aller Schweizer Wälder würde im Übrigen nicht ausreichen, um Leibstadt durch ein Holzkraftwerk zu ersetzen. Ich habe das alles in meinem Buch «Der Fluch des Guten» nachgerechnet.

Was stimmt: Die Geschichte der Kernenergie ist untrennbar mit jener der Atombombe verknüpft. Präsident Harry S. Truman rechtfertigte die 150´000 getöteten Zivilisten von Hiroshima und Nagasaki mit über einer Million Kriegstoten, welche die Kapitulation Japans voraussichtlich verhinderte. Ich weiss nicht, ob solche Rechnungen zulässig sind, sie übersteigen meinen Horizont. Aber es ist eine Tatsache, dass es seither zwischen den Atommächten zu keinem offenen Krieg mehr gekommen ist. Weil keiner einen solchen Krieg gewinnen kann.

Es gibt kein Zurück

Es liegt mir fern, die Atombombe als Segen zu bezeichnen. Gemäss Murphy´s Law trifft jedes Unglück, das theoretisch möglich ist, irgendwann mal ein. Doch wir haben diese Wahl gar nicht. Ist die Erfindung einmal gemacht, lässt sie sich nicht mehr rückgängig machen, wie Friedrich Dürrenmatt in seinem genialen Drama «Die Physiker» plastisch darlegte. Selbst wenn man alle Pläne zu vernichten versuchte, eine Kopie bliebe immer erhalten. Und wehe, wenn sie in die falschen Hände gelangt. Wir sind zum Leben mit der Bombe verdammt.

Präsident Dwight D. Eisenhower unterbreitete der Weltgemeinschaft 1958 einen Deal: Die USA würden ihr bis dahin streng geheimgehaltenes Wissen um die Kernspaltung für all jene Länder freigeben, die sich verpflichteten, die Technologie nur für friedliche Zwecke zu nutzen. Daraus entstand eine Art Weltbank, welche die Herstellung, die Lagerung und den Handel von spaltbarem Uran-235 und Plutonium überwacht. Die Stoffe sind gleichsam der Schlüssel zur Bombe wie zur Kernenergie.

Bislang hat das System funktioniert. Eine Alternative ist nicht in Sicht. Und wenn alle Demokratien dieser Welt auf Kernenergie verzichten würden, die Diktatoren würden erst recht darauf setzen. Allein China hat seinen AKW-Park seit Fukushima vervierfacht, eine weitere Verdoppelung bis 2030 ist geplant. Die Chinesen rechnen heute dank Serienproduktion mit vier Jahren Bauzeit für ein AKW, das viermal weniger kostet als das analoge europäische 1000-Megawatt-Modell.

Unter Zivilisationsmüden mag Energiesparen angesagt sein. In Entwicklungsländern, wo die meisten Menschen leben, ist das schlicht kein Thema. Mit gutem Grund. Ernährung, Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung, Industrialisierung, Forschung, Produktion – ohne eine günstige und sichere Stromversorgung läuft rein gar nichts. Und falls wir ernsthaft von den fossilen Brennstoffen wegkommen wollen, brauchen wir in Zukunft nicht weniger, sondern viel mehr Strom. Ich sehe nicht, wie wir das ohne Kernenergie schaffen wollen.♦

von Alex Baur


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Entwicklung und ich

Vor einem märchenhaften Haus, in einem verwunschenen Garten, umgeben von rätselhaften Wesen, hob ich einen Stein, unter dem ich zu meinem Entsetzen eine sich windende Schlange fand. Vor Schreck liess ich den Stein fallen und rannte zu meiner Mutter, so schnell mich meine kurzen Beine trugen.

Die Schlange – wahrscheinlich war es nur eine Blindschleiche – hat jenen sonnigen Tag in Vevey wohl kaum überlebt. Dass ihr unangenehmes Ableben meine früheste Kindheitserinnerung geprägt hat und damit einen Wendepunkt in meinem Bewusstsein darstellt, wäre für das unglückliche Reptil wohl ein schwacher Trost.

Alles was ist, war und jemals sein wird

Vor einigen Monaten habe ich an dieser Stelle über den Sinn des Lebens gegrübelt. Heute bin ich fast sicher, ihn in der Entwicklung des Bewusstseins gefunden zu haben. Finden Sie das übertrieben? Dröseln wir mal auf: Es dürfte weithin unbestritten sein, dass wir Menschen ein Bewusstsein haben, mit dem wir uns selbst und die Welt erfahren. Ebenfalls sind Sie wahrscheinlich einverstanden mit der Aussage, dass sich dieses Bewusstsein verändert. Als Säugling können wir zwischen uns und der Welt noch nicht unterscheiden, wir glauben – so wird es von Forschern beschrieben –, dass wir eins sind mit unseren Müttern. Die Trennung zwischen uns und der uns umgebenden Welt erfahren wir erst später, als Kleinkind. In jenen prägenden Jahren also, in denen erste Erinnerungen hängen bleiben. Da aber nimmt unsere Entwicklung erst richtig Fahrt auf, wenn wir die Trennung vom innen und aussen lernen, und dieses Lernen ist wahrscheinlich selbst dann noch nicht abgeschlossen, wenn wir erkennen, dass die erlernte Trennung eine Illusion ist. Denn wie innen, so aussen. Weil alles eins ist. Wir sind ewiges Bewusstsein, das, um sich selbst zu erkennen, auf diesem Planeten eine menschliche Erfahrung macht. Ist Ihnen das zu abgefahren? Verrückter scheint mir die Reduktion des Menschen auf Materie, auf Chemie, die Idee des Menschen als Maschine aus Fleisch, die Verneinung unserer Existenz als geistige Wesen. Ich kenne kaum jemand, der so denkt. Oder fühlt. Sogar die Naturwissenschaftler betreten mit der Erforschung der rätselhaften Quantenwelt wieder zunehmend geistiges Territorium. Es bewahrheitet sich, dass der erste Schluck aus dem Becher der Naturwissenschaft atheistisch macht, aber auf dem Grund des Bechers Gott wartet.

Halsabschneider und andere Abkürzungen

Während wir uns als Individuen entwickeln, sind wir zugleich ein winzig kleiner Teil eines kollektiven Prozesses. Einige Jahre bevor sich in der Waadt ewige Dunkelheit über ein Reptil im Garten meiner Grossmutter senkte, veröffentlichten prominente DDR-Dissidenten den Berliner Appell «Frieden schaffen ohne Waffen». Fast 40 Jahre später stellt die zwangsgebührenfinanzierte Sendung «Sternstunde Philosophie» die Frage «Wie viele Waffen braucht es für den Frieden?». Das Beispiel zeigt: Auch das kollektive Bewusstsein unterliegt Veränderungen, die keineswegs linear verlaufen. Die Menschheit durchlebt immer wieder temporäre Rückschritte. Für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit schnitten revolutionäre Franzosen im ausgehenden 18. Jahrhundert viele adelige Köpfe ab. Um das Erreichte gegen monarchistische Restaurationsbestrebungen und Gegenrevolutionäre zu verteidigen, mussten in den Jahren des terreurs noch viele Tausend weitere Hälse durchschnitten werden, bevor sich Napoleon als Kaiser von Gottes Gnaden an der Spitze der verirrten Republik installieren konnte und in der Folge Verheerung über ganz Europa brachte. Die Franzosen hatten einen riesigen Aufwand betrieben, um einen König durch einen Kaiser zu ersetzen.

Das kollektive menschliche Bewusstsein war damals nicht reif für Liberté, Égalité, Fraternité und ist es bis heute nicht. Ich glaube aber, dass wir auf dem Weg dahin sind. Oder präziser; auf einem Umweg dahin. ♦

von Michael Bubendorf


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Warum sollen wir heiraten?

Noch vor gar nicht so langer Zeit wäre diese Frage ziemlich sinnlos gewesen. Wollten zwei, die sich liebten, zusammenbleiben, mussten sie heiraten. Eine Alternative dazu gab es nicht.

Das hat sich glücklicherweise geändert. Man kann auch zusammenbleiben, ohne zu heiraten. Man kann auch unverheiratet eine Familie gründen.

Warum also trotzdem heiraten?

Weil es mit Kindern einfacher ist, wenn die Eltern verheiratet sind? Weil es immer noch Sitte ist? Weil man es sich immer gewünscht hat?

Die meisten Paare, die heiraten wollen, würden sagen: Weil wir uns lieben. Das ist der Hauptgrund. Was aber will ein Paar damit ausdrücken? Ich versuche hier eine Antwort zu geben:

Wir wollen heiraten, weil wir uns nicht nur erotisch anziehen, sondern eine Verbindung zueinander empfinden, die weit über das Sinnlich-Körperliche hinausgeht. Wir wollen heiraten, weil wir diese Verbindung für ein unschätzbares Geschenk des Lebens halten und uns vor Zeugen versprechen möchten, alles dafür zu tun, um dieser Kostbarkeit Sorge zu tragen. …

von Nicolas Lindt


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Auf den Hund und den Hummer gekommen

Gérard de Nerval, ein Dichter der Romantik, spazierte an einem herbstlichen Tag des Jahres 1841 durch den Garten des Palais Royal in Paris. Zum grossen Erstaunen der anderen Flanierenden führte er einen Hummer an der Leine.

Auf die Frage, warum er dieses Tier, das nicht gut zu Fuss wäre, als Begleiter ausgewählt habe, gab er zu Antwort: «Hummer sind ruhig, haben ein ernstes Wesen, kennen die Geheimnisse des Meeres und bellen nicht.» Was für eine Entschleunigung! Aber: Nervals Beispiel hat (noch) nicht Schule gemacht – noch sieht man Hunde, Hunde, Hunde. Der Mensch ist immer noch auf den Hund gekommen, tja, im wahrsten Sinne des Wortes. Machen wir uns nichts vor: Die Menschheit ist mit ihrem Latein am Ende, degeneriert langsam vor sich hin und nähert sich einem amöbischen Dasein, dieses immerhin woke und regenbogenfarbig.

Wenn Sie Folgendes hören, werden Sie sich spontan die Frage stellen, ob man noch vom Homo sapiens oder schon längst vom Homo inconcinnus, dem peinlichen Geschöpf, sprechen sollte. An der Bordeaux-Queer-Week hielt die Geografin Rachele Borghi einen Vortrag mit dem Titel «Die Beziehung zwischen Raum und Queer-Identities, das Performance-Konzept, seine räumliche Umsetzung, die Praktiken der Gegensexualität und der sexuellen Dissidenz, besonders der Post-Porno-Bewegung» …

von Marco Caimi


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