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Das Selbsteigentum des Menschen

Eigentum ist die Strategie der Dinge dieser Welt, um dafür zu sorgen, dass es ihnen gut geht.

Es sind nicht die Menschen, die im Zug ihrer Sesshaftwerdung die Dinge der Welt zu ihrem Eigentum gemacht haben; es sind die Dinge dieser Welt, die in millionenjähriger Evolution die Funktion des Eigen-tums entstehen liessen. Natürlich geschah dies nicht planmässig – Evolution kennt keine Handlungspläne –, sondern es geschah, weil es sich bewährt hat; weil es den Dingen guttat, einen Eigentümer und damit einen fürsorglichen Paten zu haben. Patenfürsorglichkeit gab es lange nicht auf der Erde, sie musste zuerst noch entstehen.

Emergenz von Subjektivität

Sie entstand erst mit dem Aufkommen hochentwickelter Organismen, deren Steuerungsorgane etwas völlig Neues auftauchen liessen, nämlich Bewusstsein und damit Subjektivität. Das ist das Ich-Gefühl, das Sie, liebe Leserin und lieber Leser, täglich von morgens bis abends und nachts im Traum bei sich haben; und dies (im Sinn des Wortes) derart selbstverständlich, dass Ihnen kaum bewusst wird, dass es nicht einfach da ist, sondern auf höchst komplexe Weise von Ihren Nerven- und sonstigen Steuerungssystemen laufend abgesondert wird.

Was diese Subjektivität ausmacht, ist nicht einfach die Steuerung von Entscheidungen, Handlungen, Körperbewegungen, sondern zusätzlich die Ausdifferenzierung eines Ichs mit dem Effekt, dies alles als eigene Entscheidungen, eigene Handlungen, Bewegungen des eigenen Körpers zu empfinden. Je leistungsfähiger dieses Ich im Lauf der Evolution wurde, je raffinierter es Wissen in Zukunftspläne umsetzte, je genialer seine technischen Erfindungen wurden, desto besser erging es dem von ihm als eigen gefühlten Körper. So profitieren Sie heute davon, dass es eine Instanz gibt, die Ihren Körper aufmerksam, geschickt, vorausschauend, sicher an den Klippen dieser Welt vorbeisteuert.

In einschlägigen Fachgebieten – etwa der Evolutionsbiologie, Anthropologie, Kognitionswissenschaft, Soziologie – ist man sich einig, dass Bewusstsein im Sinn subjektiv konnotierter Wahrnehmung nicht schon immer da war und nur darauf gewartet hätte, bis sich ein genügend entwickeltes Gehirn finden würde, es aufzunehmen; so, wie wenn ein definiertes Software-Konzept nur noch darauf wartet, bis der dafür notwendige Quanten-Computer konstruiert ist. Bewusstsein entstand vielmehr dadurch, dass ein Nerven- und Steuerungssystem aufgrund spontaner Mutationen Bewusstsein zur Entstehung brachte, als neues Phänomen «auftauchen» liess und, soweit es sich für den damit ausgestatteten Organismus bewährte, aufrecht hielt.

So wie sich optische, akustische, haptische oder andere Wahrnehmungsorgane darin bewähren, die Umwelt nicht erst dann zu erfahren, wenn man mit ihr kollidiert, so bewährt sich subjektives Bewusstsein mit einer geradezu genial funktionierenden Aussenstation, sozusagen einem Hochsitz, von dem aus sich ein weiter und damit reflektierender Blick auf den eigenen Organismus und dessen weiteren Kontext eröffnet. Solch spektakuläre Fähigkeiten setzen entsprechend leistungsstarke Hardware voraus. Die Grosshirnrinde des Homo sapiens ist ein besonders bemerkenswertes Beispiel. Sie ist nicht etwa der Sitz des Ich-Bewusstseins, aber sie verarbeitet aufgenommene Informationen derart virtuos, dass daraus dieses sehr spezielle Gefühl von Subjektivität aufkommt.

Subjektivität lässt sich also nicht mit Händen greifen, sondern rein subjektiv fühlen, doch ändert dies nichts an seiner Wirklichkeit; Wirklichkeit im Sinn des Wortes – und wie es wirkt! Es macht den Menschen zum Menschen, nicht nur für sich selbst, sondern auch im gesellschaftlichen und nicht zuletzt rechtlichen Kontext. …

von Prof. Dr. iur. David Dürr


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Würde – Der Sinn für sich

Warum es in einer zunehmend komplexen Welt für Gerald Hüther «nicht mehr darauf ankommt, eine Rolle zu spielen, sondern man selbst zu sein».

Von Bremen über den Kaukasus nach Russland bis hin nach Indien und China – das Verzauberungsvermögen von Märchen auf Kinder scheint grenzenlos. Aber warum? Weil sie im Gegensatz zum Mythos, so zumindest Lewis Carroll (Autor von «Alice im Wunderland»), mit Liebe erzählt werden: Im Märchen wird das Unendliche ins Endliche übersetzt, das Göttliche ins Menschliche, das Ewige ins Zeitliche, das Ideale ins Unvollkommene. Mit seiner bildhaften Sprache hebt das Märchen die Unzugänglichkeit der Welt auf, macht sie für das Kind verstehbarer. Das Märchen integriert Ambivalenzen, nuanciert zwischen Schwarz und Weiss. Es sind seine unendlichen Möglichkeiten der Identifikation, die negative Emotionen überwindbar erscheinen lassen.

Was aber passiert, wenn einem Kind nur noch wirklichkeitsgetreue Geschichten erzählt werden? Es kann zu dem Schluss kommen, seine innere Wirklichkeit sei für seine Eltern weithin bedeutungslos.

Zwischen Wollen und Sollen, Leben und gelebt werden

«Wer nur gemocht wird, wenn er den Vorstellungen seiner Eltern, seiner Erzieher und Lehrer entspricht, wird nicht geliebt, sondern benutzt.»
– Gerald Hüther

Kinder, so der Neurobiologe Gerald Hüther, internalisieren bereits in ihrer vorgeburtlichen Entwicklung eine Vorstellung dessen, was Liebe bedeutet: gleichzeitige Autonomie und Verbundenheit. Ein Grundvertrauen in das eigene Dasein, das von der Erfahrung, in den eigenen Wünschen und Träumen nicht ausreichend berücksichtigt zu werden, mehr als getrübt werden kann. Es lässt jenes Gefühl von Inkohärenz entstehen, dessen Riss immer dort aufklafft, wo Denken, Fühlen und Handeln keine Einheit mehr bilden. Das «innere Bild» dessen, was und wer man sein will, scheint mit den äusseren Umständen, den Erwartungen und Bewertungen der eigenen Mitmenschen nicht mehr kompatibel. Es entsteht der Eindruck, unverbunden, unverstanden, grundsätzlich so, wie man ist, nicht akzeptiert zu sein.

Dabei ist für ein Kind, dessen – an sein «inneres Bild» geknüpftes – «Ich» noch zu keiner vollständigen Identität herangereift ist, gerade jener mit seinem Ego verbundene Selbsterhaltungstrieb überlebenswichtig: Es braucht die Identifikationen seiner Mitmenschen, um sich selbst als etwas, das existiert, wahrzunehmen. Ihr Verlust oder fehlende Übereinstimmung mit dem eigenen Selbstbild, so Gerald Hüther, bedeutet einen Energieaufwand für unser Gehirn, der – insofern er langfristig nicht aufrecht erhalten werden kann – einzig zwei Ausgangsmöglichkeiten offenbart, um die ursprünglich Ordnung stiftende Orientierung wieder herzustellen: Entweder es werden die Inkohärenz verursachenden Umstände verändert oder man verändert sich selbst, passt sich und seine Bedürfnisse an die jeweils herrschenden Verhältnisse an.

Ähnlich verhält es sich bei einem Kind, dem – sei es durch verbales oder nonverbales Verhalten – zu verstehen gegeben wird, dass es so, wie es ist, «nicht richtig sei». Auch ihm verbleiben einzig zwei «Schuldzuweisungen», um dem Druck jener Qualitätsanforderungen habhaft zu werden und den gewünschten Zustand von Kohärenz wieder herbeizuführen: Entweder es erklärt die Leistungsanfordernden, sprich seine Eltern, das Schulsystem oder gleich die gesamte Gesellschaft für blöd, oder es sucht die Ursache der Qualitätsmängel bei sich und erklärt sich selbst für blöd. Egal für was es sich entscheidet: Zum Objekt eigener oder fremder Absichten gemacht zu werden, tut weh und untergräbt das ureigene Gefühl dessen, ein selbstbestimmter Mensch zu sein. Denn zieht das Kind sich nun in oder aus sich selbst zurück – in beiden Fällen erlischt das menschliche Grundbedürfnis nach Verbundenheit und Zugehörigkeit einerseits sowie Autonomie und Freiheit andererseits. Tritt jedoch Letzteres ein, und das Kind erklärt sich selbst als «zu doof» für diese Welt, reduziert es sich zum «Objekt seiner eigenen Bewertung» und bezeichnet sich selbst als nicht liebenswert.

Für dieses Kind ist es nicht nur nicht vorstellbar, jemanden zu lieben, ohne, dass damit Erwartungen oder Bedingungen verbunden sind – konform seiner Selbstauffassung als Objekt verliert es den Bezug zu seinen persönlichen Neigungen und Fähigkeiten, ersetzt seine eigenen Entscheidungen und Bedürfnisse durch die Interessen einer Obrigkeit. Anstatt seine eigenen Ideale zu entwickeln, adaptiert es die seiner Mitmenschen. Im Verlust seiner Intuition entfremdet es sich von sich selbst, verfehlt es, verliert es sein Selbst. Das Einzige, was in dieser Willenlosigkeit zu bleiben scheint, ist die Teilnahmslosigkeit: Hat das Kind kein Mitgefühl mehr für sich, kann es auch kein Gefühl für andere mehr entwickeln. Was damit beginnt, sich selbst nicht mehr zu spüren, endet darin, auch andere nicht mehr zu spüren. …

von Lilly Gebert


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Der Geist Europas

Ulrike Guérot ist Professorin für Europapolitik an der Uni Bonn und eine der prominentesten Kritikerinnen der Corona-Massnahmen-Politik. Nachdem sich ihr Essay «Wer schweigt, stimmt zu» über Monate hinweg in den deutschen Bestsellerlisten hielt, erscheint mit «Endspiel Europa» nun ihr nächster Querangriff inklusive Utopie-Entwurf. Wir sprachen mit ihr über den Traum Europa, seine Defizite und die Notwendigkeit der Transzendenz.

«DIE FREIEN»: Liebe Ulrike, seit mehr als 30 Jahren setzt du dich mit Europa, seiner Vergangenheit und Zukunft, seinen Problemen und Potenzialen auseinander. Dabei kommst du immer öfter auf das geistige, das spirituelle Erbe Europas zu sprechen. Warum?

Ulrike Guérot: Mein Nachdenken über oder meine Arbeit an Europa fing 1992 an. Das war zum Zeitpunkt des Maastrichter Vertrags, was ja hiess: «Ever closer union», also «immer engere Union». Zu diesem Zeitpunkt war ich im Bundestag und habe hautnah mitbekommen, wie dieser Vertrag verhandelt wurde und eine Aufbruchsstimmung auslöste. Ich kann mich heute noch daran erinnern, wie freudig damals alle darüber waren, sich in ein geeintes Europa hineinzudenken. Das hat mich nicht verlassen, über viele Jahre, ganz egal, wo ich war – in Brüssel, in Washington, in Wien oder in Berlin. Dieses Nachdenken über Europa, dabei aber auch zu sehen, wie sich die EU immer mehr von dem entfernte, was Europa sein sollte. Das wurde dann auch mein Thema: Eine neoliberale EU, Institutionen, die nicht funktionieren, die fehlende Bindung der EU mit den Bürgern, die populistische Ablehnung der EU. Das ist alles nicht mehr das, wovon wir 1992 geträumt haben. Damals hatte Europa auch eine spirituelle Dimension. Vielleicht sind mir deshalb aus meiner Arbeit für Jacques Delors, den EU-Kommissionspräsidenten 1985 – 1995, die folgenden Sätze besonders in Erinnerung geblieben: «Wir müssen Europa eine Seele geben» und «In einen Binnenmarkt kann man sich nicht verlieben». Denn gerade jetzt, wo Europa sich beinahe wieder im Krieg befindet, habe ich das Gefühl, dies ist ein Verrat an der europäischen Erzählung, an Europa. «Nie wieder Krieg» hiess es. Aber heute kämpft Europa wieder für einen vermeintlich geeinten Nationalstaat. Dabei sollte Europa die Überwindung der klassischen Nationalstaaten sein. Dieser fundamentale Verrat an den europäischen Werten springt mir gerade sehr ins Auge. Und deswegen wünsche ich mir tatsächlich, dass Europa seine Transzendenz, seine Spiritualität oder seinen Geist wiederfindet. Im Sinne von Jacques Delors: Wir werden Europa nicht mit Waffen beseelen.

Wie sähe eine spirituell-geistige Transzendenz Europas aus?

UG: Erst einmal braucht es mehr als einen Markt. Es ist ein grosses Problem, dass die Einbettung des Binnenmarktes in ein politisches Projekt Europa nie richtig gelungen ist. Es hat die europäischen Bürger mürbe gemacht, es hat sie gegen Europa gewendet. Viele bemerken das heute. Vielleicht war deswegen mein 2016 erschienenes Buch «Warum Europa eine Republik werden muss» ein so grosser Erfolg. Das hat eigentlich gezeigt, wie viele Leute schon damals im Zusammenhang mit Brexit, Populismus, Orban, PiS usw. das Gefühl hatten: die EU ist nicht die Utopie Europas, sie ist nicht das, wovon wir geträumt hatten. Wir wollen diese EU nicht, aber wir wollen Europa. Europa muss anders werden, une autre Europe, alter Europa, so heissen die Debatten. Und auf dieses «anders» kommen wir jetzt: Was hiesse diese Transzendenz, diese Beseelung Europas? Davon handelt das letzte Kapitel meines neuen Essays «Endspiel Europa». Dort habe ich ausgeführt, dass Europa aus einer Denk- und Geistestradition kommt, die im besten Sinne republikanisch ist. Und das muss man im Wortsinne verstehen: Wir reden derzeit sehr viel über Demokratie, aber selten über die Republik. Die Republik aber ist von Platon über Aristoteles, Cicero, Rousseau, Kant der Begriff dafür, wie in Europa seit 2000 Jahren politische Ordnungen und Bürger-Staat-Beziehungen geregelt werden. Insofern ist die Republik eigentlich das Juwel der europäischen Geistesgeschichte. Republik – also res publica – bedeutet schliesslich Gemeinwohl – dem Gemeinwohl unterstellt. …

von Lilly Gebert


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Wie es sein wird

In einem Gespräch mit einem Freund kam gestern die Frage auf: «Was ist in den nächsten zehn Jahren zu erwarten?»

Vorher hatten wir über Elon Musk gesprochen, daher sagte ich: «Weisst du, würden wir Elon Musk diese Frage stellen, könnte er sie ganz anders auffassen. Vielleicht würde er so anfangen: ‹Ich werde dir sagen, was passieren wird›, und dann würde er beschreiben, was er vorhat in der Welt zu bewirken.» Vielleicht würde er sagen: «Zwölftausend Satelliten werden die Erde in der niederen Erdumlaufbahn umkreisen. Man wird in der Wildnis Alaskas Breitband-Internet empfangen können. Wir alle werden in einem Internet der Dinge vernetzt sein.»

Vorhersagen über die Zukunft sind von einer Art Fatalismus befallen, als wäre die Zukunft eine objektive, vorherbestimmte Realität, die uns einfach widerfährt. Sag mir, wie es sein wird, damit ich mein Leben danach ausrichten kann. Elon Musks Antwort fasst die Frage anders auf, indem er von seiner eigenen Macht und Gestaltungskraft für die Zukunft ausgeht. Er geht von einer metaphysischen Wahrheit aus – dass das Selbst und die Welt, das Innen und das Aussen, nicht gänzlich getrennt sind, und dass die Frage nach der Zukunft unser innigstes Selbst mit einbezieht.

Wir könnten uns leicht darauf einigen, dass wir alle die Zukunft gemeinsam gestalten, aber mein hypothetischer Elon Musk sieht sich selbst als den Gestalter. Warum tut er das? Es liegt nicht nur an seinem immensen Reichtum. Viele ausserordentlich reiche Menschen fühlen sich hilflos angesichts der Zukunft, und ihre Versuche, sie zu gestalten, scheitern letztendlich. Die Macht, die er nutzt, nenne ich prophetische Sprache. Prophetische Sprache ist die Fähigkeit, eine Möglichkeit herbeizureden. (Sie beinhaltet auch die prophetische Warnung, die eine Möglichkeit aus der Wirklichkeit herausredet.)

Elon Musk macht nicht den Eindruck, sich einer vorherbestimmten Zukunft ausgeliefert zu fühlen. Niemand konnte ihm vor ihrem Start versichern, dass Zehntausende Satelliten Millimeterwellen in alle Winkel des Planeten senden würden. Niemand konnte ihm versichern, dass es realistisch war, einen neuen Elektroautokonzern zu gründen. Sehr wahrscheinlich haben viele Leute das Gegenteil gesagt. Doch er wusste es besser. Also sagte er nicht: «Sag mir, was sein wird, damit ich weiss, was zu tun ist.» Er sagte eher: «So wird es sein. Jetzt weiss ich, was zu tun ist.»

Elon Musk besitzt Aktien im Wert von etwa 162 Mrd. USD. Meine Aktien sind weniger als die Hälfte davon wert, und doch glaube ich, dass ich etwas von ihm und von anderen, die die Macht des Wortes zu nutzen wissen, lernen kann. Nicht alle von ihnen haben oder hatten Geld. Nelson Mandela. Martin Luther King. Neema Namadamu und die Frauen von Maman Shujaa. Subcomandante Marcos. Die indigenen Bauern, die das Friedensdorf von San José de Apartadó gegründet haben. Ein vierjähriges Waisenkind namens Jacqueline. Und viele mehr, deren Namen wir niemals wissen werden, deren machtvolle Errungenschaften nach modernen Massstäben nicht sichtbar sind. Ihr fehlendes Geld hat ihre Macht, Wunder zu bewirken, nicht gemindert. Das ist die Art von kreativer Macht, die nötig ist, um eine Zukunft zu manifestieren, die ich «Die schönere Welt, die unser Herz kennt» nenne. Sie unterscheidet sich von Elon Musks Vision, aber wer weiss, wo die verschlungenen Pfade von Kreativität, Enttäuschung, Bedauern und Erneuerung hinführen werden? …

von Charles Eisenstein


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Ohne Privateigentum keine Freiheit

Eigentumsrechte sind der Schlüssel zu einer freien, friedlichen und wohlhabenden Gesellschaft, auch wenn sich diese Tatsache nicht intuitiv erschliessen mag.

Diverse politische Gruppierungen stehen Eigentumsrechten offen feindlich gegenüber. Sie realisieren nicht, dass es gerade die eigentumsrelativierenden bis -feindlichen Ideologien waren und sind, in deren Namen massive Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt wurden und werden.

Sowohl der Nationalsozialismus als auch der Kommunismus, um zwei Extrembeispiele zu nennen, sind ohne einen exzessiv in das Eigentum eingreifenden Staat nicht durchführbar. Während im Kommunismus das Privateigentum an den Produktionsmitteln gänzlich überwunden werden sollte, wurde dieses im Nationalsozialismus zwar formell beibehalten, de facto aber dermassen regulatorisch eingeschränkt, dass die Eigentümer praktisch nicht mehr über ihr Eigentum verfügen konnten – die Eigentumstitel verkamen also zu einer leeren Hülse, über die der Staat durch seine Befehle verfügte.

Hätten diese verbrecherischen sozialistischen Systeme keinen Weg gefunden, das Privateigentum auszuhebeln, wären die unvorstellbaren historischen Gräuel und die Millionen von Todesopfern gar nicht erst möglich gewesen. Denn Eigentumsrechte, das begreifen immer noch zu wenige, schliessen auch den eigenen Körper mit ein. Jeder ist Eigentümer seiner selbst, und keiner hat Anspruch oder ein Recht darauf, mit dem Körper eines anderen – ohne dessen Einverständnis – irgendetwas anzustellen. …

von Olivier Kessler


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Wer war Albert Hofmann?

Es gibt Erlebnisse, über die zu sprechen die meisten Menschen sich scheuen, weil sie nicht in die Alltagswirklichkeit passen und sich einer verstandesmässigen Erklärung entziehen. Damit sind nicht besondere Ereignisse in der Aussenwelt gemeint, sondern Vorgänge in unserem Inneren, die meistens als blosse Einbildung abgewertet und aus der Erinnerung verdrängt werden. Das vertraute Bild der Umgebung erfährt plötzlich eine merkwürdige, beglückende oder erschreckende Verwandlung, erscheint in einem anderen Licht, bekommt eine besondere Bedeutung. Ein solches Erlebnis kann uns nur wie ein Hauch berühren oder aber sich tief einprägen.

— LSD, mein Sorgenkind.

Als Albert Hofmann die Erfahrung einer anderen, vielleicht höheren Wirklichkeit machte, war er noch sehr jung, fast noch ein Kind. Auf einem seiner Waldspaziergänge erstrahlte die ihm so vertraute Umgebung plötzlich in einer ungewohnten Klarheit, einer von ihm bis dahin nie wahrgenommenen Schönheit, die sich nun direkt an sein Herz zu richten schien. Gefühle endlosen Glücks, absoluter Zugehörigkeit und seliger Geborgenheit durchzogen ihn in einer solchen Vehemenz, dass ihm von da an klar war: Diese Welt bietet mehr, als wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können.

Im Kaleidoskop der Wirklichkeit

«Mystische Ganzheitserlebnisse» wie diese begleiteten den wohl berühmtesten Schweizer Chemiker der Neuzeit sein Leben lang. Sie weckten in ihm das «Verlangen nach einem tieferen Einblick in den Bau und das Wesen der materiellen Welt», und damit auch den Wunsch, die Wechselwirkungen zwischen Wirklichkeit und Bewusstsein zu erforschen. Seine Faszination an der Natur und ihren Wirkungsweisen verhalf ihm nicht nur zu einer vielfach ausgezeichneten Dissertation über die Struktur des Chitins, sondern auch zu einer Lebensanstellung als Forschungschemiker und Leiter der Abteilung für Naturstoffe beim Basler Chemie- und Pharmakonzern Sandoz.

Selbst wenn Hofmann damals noch nicht ahnte, dass er neben seinen Forschungen an Heil- und Arzneipflanzen wie Meerzwiebel, Rauwolfia oder mexikanischen Zauberpilzen einen Stoff entdecken würde, von dem ein Gramm «ausreicht, um 20’000 Personen in einen mehrstündigen halluzinogenen Rauschzustand zu versetzen», war LSD – wider zahlreicher Behauptungen – kein Zufallsfund …

von Lilly Gebert
Credit Grafik: polyactive


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Die spirituellen Voraussetzungen der Freiheitsgewinnung

Was wäre, wenn der Mensch mal an sich selbst glaubte?

«Der Mensch ist frei geboren und überall liegt er in Ketten», notierte der Genfer Philosoph Rousseau am Anfang seines Traktats «Über den Gesellschaftsvertrag». Frei und zugleich in Ketten? Ein seltsamer Zustand, ausser wohl für Rousseau, bei dem eher die Gesellschaft den Einzelnen gestaltete, statt umgekehrt. Oder kann man theoretisch frei und praktisch unfrei sein?

Mit Blick auf heute wäre man stark geneigt zu sagen: ja. Freiheit ist ein teilbares Phänomen geworden. Da ist einerseits die freiheitsverbürgende Funktion der Grund- und Menschenrechte, die offiziell unangetastet sind und den würdebegabten Menschen als Subjekt in das Zentrum der Rechtsordnung stellen. Zugleich sieht man allerorten, wie der Begriff der Freiheit in sein Gegenteil verkehrt wird. Regierungen auf der ganzen Welt arbeiteten in den letzten Monaten mit Druck und Zwangsandrohung bei den Impfungen. Wer Freiheitsverzicht gross- schrieb, wurde mit einer Solidaritätsplakette belohnt.

Selten wurde das Gegenteil von Freiheit so unverschämt als Freiheit deklariert wie in Zeiten von Corona, als Politiker verkündeten: «Wir impfen uns den Weg zurück in die Freiheit!» Wenn eine Mehrheit es akzeptiert, dass Folgsamkeit als Freiheit etikettiert wird, ist sie auf einen begrifflichen Taschenspielertrick hereingefallen. 2 + 2 ergibt zwar immer noch 4, aber die Mehrheit hat dann auch nichts gegen 5 als Ergebnis. Ab diesem Punkt gilt die Warnung Voltaires: «Wer andere dazu bringt, Absurditäten zu glauben, kann sie auch dazu bringen, Gräueltaten zu begehen.». …

von Milosz Matuschek


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Die Rückkehr des Todes

Der Tod ist das grosse Tabu unserer Gesellschaft. Diese Behauptung stellte der Soziologe Jean Ziegler 1975 in seinem Buch «Die Lebenden und der Tod» auf. Ein halbes Jahrhundert später gilt festzuhalten: Zieglers These hat durch die vergangenen zwei Jahre an Dringlichkeit gewonnen, denn in der Konfrontation mit etwas potenziell unkontrolliert Gefährlichem offenbart sich, welche Werte wirklich zählen.

Die pandemiepolitischen Überreaktionen erfolgten vielfach in einem irrationalen, aktivistischen Panikmodus. Erklären lässt sich dies mitunter dadurch, dass sich etwas verdrängt Geglaubtes – der Tod – seinen Weg aus der Dunkelkammer des kollektiven Gedächtnisses bahnte und sich in direkter Konfrontation für jeden Einzelnen als omnipräsentes Risiko offenbarte.

Viele Menschen in westlichen Staaten, die während der vergangenen 70 Jahre ohne Kriegserfahrung aufgewachsen sind, verspürten in der allgemeinen Hysterie womöglich zum ersten Mal in ihrem Leben die Angst vor dem Tod. Diese Angst schaltete jedes kritische Nachdenken über das Geschehen aus, und sie legte eine tiefsitzende Pathologie unserer Kultur frei.

Die Politik behauptete zwar, Leben zu retten. Damit meinte man jedoch eine reduzierte Auffassung von Leben, eine, die sich auf das nackte biologische Leben (Giorgio Agamben) beschränkt. Dieses allein hat aber keinen sinnvollen Inhalt. Es ist absurd zu behaupten, Leben retten zu wollen, wenn dabei dessen Sinn zerstört wird.

Diese Reaktion zeugt von unserem inexistenten Verhältnis zum Tod, dem blinden Fleck in unserer Kultur. Pathologisch ist dies deswegen, weil der Tod eine Konstante des Lebens darstellt und ein integrativer Teil desselben ist. Das ist gewiss – doch wir verleugnen es.

Die Rückkehr des Todes erscheint derart bedrohlich, weil wir ihn abspalten. Der Tod zwingt uns, über die Sinnhaftigkeit oder Sinnlosigkeit unseres eigenen Lebens nachzudenken. Das Gutheissen repressiver Massnahmen dürfte nicht zuletzt darin gründen, dass man auch dieser Aufgabe aus dem Weg gehen will. Der moderne Mensch ist unfähig, sich mit sich selbst zu beschäftigen, oder wie es Blaise Pascal formulierte: «Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.»

Die Angst – die zur politischen Manipulation missbraucht wird – liesse sich reduzieren, wenn wir zu akzeptieren lernen würden, dass menschliches Leben befristet ist. Denn das Bewusstsein über die eigene Endlichkeit macht unser Leben einzigartig, eben weil nichts wiederkehrt und jeder Moment eigen ist. Das Schöne liegt im Vergänglichen.

Als Abwehr einer akuten Lebensgefahr kann Angst nützlich sein. Doch sie darf nicht zum permanenten Zustand werden. Eine während zwei Jahren immer weiter eskalierende Drohkulisse hat nichts mehr mit einem affektiven Schutz zu tun. Vielmehr mündet die Verdrängung des Todes in Gewalt – auch rhetorischer, symbolischer und psychischer – gegenüber vermeintlichen Sündenböcken, die als physische Manifestation der Todesgefahr gesehen werden.

Es ist diese verdrängte Angst vor dem Tod, die es verunmöglicht, zum Leben zurückzukehren. Wir werden lernen müssen, mit dem Tod zu leben. Es scheint, als gäbe es zum jetzigen Zeitpunkt zwei Möglichkeiten, mit dieser Tatsache umzugehen.

Die technologische Verwaltung

Die transhumanistische Ideologie gibt vor, die biologische Existenz technologisch konservieren zu können. Diesen Glauben hat man der Menschheit in den vergangenen zwei Jahren schmackhaft zu machen versucht. Doch ein Glaube, der uns von fremden Autoritäten aufgezwungen wird – ein Dogma –, kann keine Befreiung und auch keine Erlösung sein. Dogmen haben in der Geschichte der Menschheit noch nie dem Einzelnen genützt. Diese Zweckreduktion des Lebens kann keine Zukunft haben, denn die menschliche Existenz besteht nicht nur aus rationalistischem Kalkül, sondern zum Beispiel auch aus Intuition oder moralischem Gewissen. Diese Fundamente der menschlichen Existenz sind nicht eingrenzbar, und auch dies gilt es auszuhalten.

Die Transhumanisten sehen im Menschen bloss eine vergängliche Apparatur, die schwach ist und überwunden werden muss. Aber dieses Evolutionsnarrativ haben sie sich selbst konstruiert. Dabei geht verloren, dass sich mit dem Bewusstsein über die eigene Endlichkeit auch die Einsicht entwickeln kann, sein Leben sinnvoll gestalten zu müssen. Das transhumanistische Ziel des ewigen Lebens nimmt dem Leben seinen Zusammenhang und seinen Sinn. Dabei ist das Leben für den Menschen nicht vom Sinn zu trennen, ohne dass er zum Tier degradiert wird.

Diese Wahnvorstellung des ewigen Lebens speist sich aus der Angst vor dem Tod und dessen Verdrängung. Man glaubt, dieser Angst mit technologiebasierter «Human Augmentation» begegnen zu können. Die transhumanistische Heilslehre schöpft ihre Suggestionen aus der Komplexität der heutigen Welt und zielt darauf ab, Menschen ein verwaltetes, delegiertes Leben führen zu lassen.

Im politischen Feld ist mittlerweile offenkundig, dass der Staat sich heute in diese Richtung bewegt. In seiner technokratischen und expertokratischen Massnahmen-Manie war nicht zu erkennen, dass man bereit ist, die individuelle Lebensgestaltung zu respektieren. Auch ein sinnhaftes politisches Ziel war nicht zu identifizieren. Der Sinn fehlte überhaupt gänzlich. Diese ultimative Rechtfertigung aller Repressalien trieb sich so selbst ad absurdum. Doch durch das kollektive Bedürfnis nach Sicherheit sah sich der Staat legitimiert, den Wert des biologischen Überlebens absolut – und damit totalitär – zu setzen.

Doch über den Wert des Lebens kann keine Politik entscheiden; dies muss ein offener Prozess auf individueller und gesellschaftlicher Ebene bleiben. Im Kosmos Platons ist der Mensch nicht das Beste, hat aber eine ewige Seele, die ohnehin unsterblich ist. Wer wie die Transhumanisten selbst Hand am Schicksal anlegen will, wird überheblich. Auf die Hybris folgt die Ernüchterung.

Die aufgeklärte Selbstbestimmtheit

Die andere Möglichkeit fusst in einer radikalen Selbstreflexion, die zu Selbsterkenntnis führt. Es ist im Kern ein aufklärerischer Gedanke, ein Bekenntnis dazu, dass niemand anderes als der Einzelne selbst den Sinn seines Lebens bestimmen kann. Dieser Sinn kann seine Entfaltung auf verschiedene Weise finden: zum Beispiel im Glauben, in der Spiritualität. – Es ist die Verantwortung jedes Einzelnen, sein Koordinatensystem zu kennen, zu überprüfen und anzupassen. Diese Aufgabe scheint unumgänglich zu sein. Anthropologische Erkenntnisse legen nahe, dass ein Glaubenssystem jenseits des Materialismus fundamental für das menschliche Leben ist. Doch mit Technologie werden wir uns nicht einfach der Natur entledigen können. Technologie löst keine Sinnfrage. So hat doch gerade die Technologie der Moderne – nebst ihren zweifellos nützlichen Errungenschaften – zu unfassbaren Beschleunigungs- und Zerstörungsorgien beigetragen.

Jean Ziegler schlägt vor, jeden Tag durch Gedanken, Taten und Träume so viel Glück und Sinn wie möglich für sich und die anderen zu erschaffen. Auf diese Weise soll die Angst vor dem Tod, der Negation des Lebens, gemindert werden.

In der Akzeptanz von Ängsten und Verletzlichkeit sowie der Integration des Todes ins diesseitige Bewusstsein liegt ein grosses existenzialistisches Potenzial für den Menschen. Wenn wir Jean-Paul Sartres «Der Mensch ist zur Freiheit verdammt» als lebenspraktischen Leitfaden wählen, akzeptieren wir keine aufoktroyierten Einschränkungen mehr, die dem Menschen seine Fähigkeit und sein Bedürfnis absprechen, sein Leben selbst zu gestalten. Dann lassen wir auch nicht mehr zu, dass man uns für transhumanistische Pläne instrumentalisiert.

Die Angst vor dem Tod kann wohl verdrängt werden, doch nicht ohne Konsequenzen. Die Verdrängung führt zu einer latent psychotischen Realitätsflucht und zur Entfremdung des Selbst von der Wirklichkeit. Der Mensch muss also der Verdrängung der Angst entsagen, denn sie hält ihn in Gefangenschaft.
Ein mündiger Mensch wählt nie mehr freiwillig den Zustand der Entmündigung, der Angst und der Schuld. Der mündige Mensch bedient sich nach Immanuel Kant nicht mehr der Anleitung eines anderen, sondern benutzt seinen eigenen Verstand. Das Projekt der Aufklärung gibt es nicht umsonst: Es setzt Mut und Entschlossenheit voraus. ♦


von Armin Stalder
Credit (Bild): pexels.com – Cottonbro


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