
Für kurze Zeit tot, um zu leben
Die Lichter der Stadt verleihen dem fröstelnden Novembernebel einen sepiafarbenen Schimmer. Unsere Wohnung ist gemütlich warm. Während ich in Socken über den Parkettboden unseres Wohnzimmers gehe, halte ich das Gute-Nacht-Buch in meinen Händen.
Kaum rufe ich meine zwei Kinder, höre ich ihre kleinen Füsse über den Fussboden poltern. Freudig aufgeregt stampfen sie in ihren Pyjamas um die Wette, um die besten Plätze auf unserem Sofa zu ergattern.
Ich werde unerwartet von einer Schmerzwelle umgehauen – so energisch, dass ich auf dem Fussboden zusammensacke. Es vergeht keine Zeit und ich schwebe an der Wohnzimmerdecke und beobachte meine zwei Kinder von oben, wie sie rechts und links neben mir sitzen, meinen Körper streicheln und mir zuflüstern: «Es ist alles in Ordnung, Mami.» Es zieht mich magnetisch höher und höher ins Universum. Um mich herum ein tief violetter Himmel voller Sterne und das starke Gewahrsein: «Endlich bin ich zu Hause.» Ich bin wieder da, da wo ich schon x-mal war. Hier, wo ich alles und nichts zugleich bin. Hier in der Verschmelzung meines Bewusstseins mit dem Ganzen. Ich bin glücklich im Nichts und in allem.
In keiner Zeit löse ich mich auf und verschmelze in der Seinsfreude. Hier bin ich zu Hause. Hier bin ich. Eine Frage kristallisiert sich aus dem Universum im Aussen und gleichzeitig aus meinem innersten Kern heraus: Möchte ich zurück zu den Kindern? Es ist da keine Zeit, über eine Antwort nachzudenken. Es ist da keine Zeit, eine Antwort zu formulieren, nur Zeit, sie zu fühlen.
Es knallt, ich ringe nach Luft, mein Körper begrüsst mich mit einem inbrünstig lauten Schmerz. Heisse Tränen laufen über meine Wangen. Warum wollte ich zurück? Meine zwei Kinder. Hier bin ich. In diesem schmerzenden Körper gefangen – jedoch entschlossen zu leben und gleichzeitig die Todesangst abgestreift, die mich Jahre zuvor begleitete.
Übernatürliche Träume folgen nach dieser Nahtoderfahrung, die mich leiten und heilen werden. Die Krankheit fungiert als Botschafterin. Diese zu entschlüsseln und zu transformieren ist genauso natürlich wie das blättrige Farbenspektakel des loslassenden Herbstbaumes, der durch sein Ja zum Sterben sich selbst mit seinem Humus nähren wird, um sich dann inbrünstig für das Leben zu entscheiden, sommerlich zu erblühen, um abermals zu sterben.
***
Priscilla Bucher ist Selbstheilerin, Drehbuchautorin und Atemcoach. Auf ihrem YouTube-Kanal chronisch ehrlich tauchen sie und ihr Mann Jonas tief ein in Themen, die als heisse Eisen gelten.
heilkraftwerk.ch
Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop.
Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.