
Die Kraft des Gänseblümchens – im Gespräch mit Gerald Hüther
Wir treffen den beliebten Hirnforscher in Basel, einen Tag, bevor er an einem grossen Kongress seine Sichtweise über die Grundlagen für ein gelingendes Leben einbringen wird. Worüber er dort genau sprechen möchte, wollen wir von ihm wissen. Gerald Hüther antwortet verschmitzt: «Über das Gänseblümchen.» Daraufhin wird er ernst …
Gerald Hüther: Der Titel des Vortrags heisst: «Woher weiss ich, was richtig ist für mich?» Die spirituelle Szene spricht von der inneren Stimme, aber mich interessiert, was dieser Stimme naturwissenschaftlich zugrunde liegt. Unser ganzes Wirtschaftssystem lebt von der Einstellung «Weil es mir nicht gut geht, muss ich mir was gönnen!» und den davon getriebenen Ersatzhandlungen. Doch ein Mensch, dem es gut geht, der sich wohl fühlt und nicht ständig etwas von anderen haben muss, braucht nichts. Das finde ich eben sehr spannend: Da ist etwas in den Lebewesen, das sie immer wieder aufrichtet. Doch mir als Wissenschaftler genügt die Erklärung nicht, dass dies die innere Stimme ist – ich möchte es weiter erforschen.
Ein Gänseblümchen, das draussen wächst und auf das gerade jemand draufgetreten ist, hat diese innere Stimme ja auch, und diese sagt ihm, wie es sich wieder aufrichten muss. Woher weiss es denn, wie es sich wieder aufrichten muss, damit es weiter blühen und gedeihen kann? Verfügt nicht jedes Lebewesen über so ein inneres Wissen? Ich suche also nach dem, was die Entfaltung von Lebewesen immer wieder ermöglicht, auch dann, wenn es schwierig wird. Es existiert offenbar ein Sensorium in jedem Lebewesen, das misst, ob es sich in einem Zustand des Einklangs befindet oder nicht.
Im Einklang sein bedeutet: minimaler Energieverbrauch. Ich muss der Zelle nicht ein Wissen zuschreiben, sondern kann es so begründen, dass sie alles, was sie hat und kann, mobilisieren wird, um wieder in diesen Einklang, in diesen kohärenten Zustand zu kommen. Denn sie merkt, dass sie in dieser zerquetschten Form zu viel Anstrengung braucht, um mit den anderen Zellen zusammen zu funktionieren. Deshalb versucht sie, sich mehr Raum zu schaffen, und alles, was in ihr und im Zusammenspiel mit den anderen Zellen abläuft, wieder harmonischer aufeinander abzustimmen, damit ihr Energieverbrauch wieder geringer wird. Dadurch geschieht das Aufrichten. Dies ist die wissenschaftliche Herangehensweise an das Thema der inneren Stimme.
Ich bin froh, dass ich über 20 Jahre experimentelle Gehirnforschung betreiben konnte, um meinen Rucksack mit Sachwissen über neurobiologische und naturwissenschaftliche Themen zu füllen. Dieses Wissen kann ich jetzt nutzen, um in Bereiche vorzustossen, wo sich die meisten meiner Kollegen nicht hinwagen. Damit bringe ich Spiritualität und Naturwissenschaft wieder zusammen.
«DIE FREIEN»: Was können wir daraus für unsere eigene Entwicklung oder die der Kinder ableiten?
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Dr. rer. nat. Dr. med. habil. Gerald Hüther ist Neurobiologe, Sachbuchautor und Vorstand der Akademie für Potentialentfaltung.
gerald-huether.de
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