Ach, Sie sind Steuerzahler?
Staatsrechtler: Ach, Sie sind Steuerzahler? Herzliche Gratulation, Sie haben gerade die Risiken einer Grossbank übernommen.
Steuerzahler: Was? Ich will keine Risiken einer Grossbank übernehmen.
Staatsrechtler: Machen Sie sich bitte nicht lustig, das ist eine ernste Situation.
Steuerzahler: Ich scherze nicht! Ich will keine Bankrisiken übernehmen.
Staatsrechtler: Es spielt keine Rolle, ob Sie das wollen oder nicht. Der Bundesrat hat es so entschieden, also ist es so.
Steuerzahler: Der Bundesrat kann das nicht einfach so entscheiden. Es gibt kein Gesetz, das dem Bundesrat erlaubt, die Risiken einer Grossbank auf den Steuerzahler abzuwälzen.
Staatsrechtler: Der Bundesrat hat die Rechtsgrundlage selber geschaffen.
Steuerzahler: Der Bundesrat kann keine Gesetze schaffen, das kann in der Schweiz nur das Parlament. Dafür haben wir ja die Gewaltentrennung.
Staatsrechtler: Das stimmt, und weil es kein passendes Gesetz gibt, stützt sich der Bundesrat direkt auf die Verfassung.
Steuerzahler: Das kann nicht sein, in der Verfassung gibt es keinen Artikel, der dem Steuerzahler die Risiken einer Grossbank aufbürden könnte.
Staatsrechtler: Das stimmt, deshalb stützt sich der Bundesrat auf die Verfassungsartikel 184 und 185.
Steuerzahler: Die Notrechtsartikel? Haben wir denn einen Notstand?
Staatsrechtler: Ja.
Steuerzahler: Wer hat das entschieden?
Staatsrechtler: Na, der Bundesrat.
Steuerzahler: Na dann, ist das ja rechtlich alles einwandfrei.
Staatsrechtler: Was Recht ist und was nicht, kann ich nicht beurteilen. Aber juristisch ist das alles wasserdicht.
Steuerzahler: Na, was kann schon schiefgehen? Schon bald wird die neue gigantische UBS ja riesige Gewinne machen, und dann hat sich mein Investment als Steuerzahler gelohnt.
Staatsrechtler: Achtung, Sie als Steuerzahler haben nur die Risiken übernommen. Vergangene und künftige Gewinne gehen nicht auf Ihr Konto, nur allfällige Verluste werden von Ihnen gedeckt.
Steuerzahler: Ja, aber Moment. Das heisst ja, dass ich bestenfalls nichts verliere und schlimmstenfalls Milliardenverluste übernehmen muss.
Staatsrechtler: Das ist richtig.
Steuerzahler: Wer streicht denn die Gewinne ein?
Staatsrechtler: Die Aktionäre und die Bankmanager.
Steuerzahler: Das ist inakzeptabel. Ich werde etwas dagegen unternehmen. Ich werde die Verfassung ändern, damit das nie wieder vorkommt.
Staatsrechtler: Dazu müssen Sie 100’000 Unterschriften sammeln. Das kostet Sie eine Menge Geld. Dann müssen Sie eine Abstimmungskampagne finanzieren, die vom gesamten Establishment, der Politik und den Massenmedien bekämpft wird und selbst wenn Sie gewinnen, wird das nichts ändern.
Steuerzahler: Wieso nicht?
Staatsrechtler: Weil Sie die Notrechtsartikel nicht aus der Verfassung bekommen.
Steuerzahler: Dann mache ich eine Initiative, die diese Artikel aus der Verfassung streicht.
Staatsrechtler: Die Abstimmung verlieren Sie mit 99% der Stimmen. Nur ein paar Libertäre würden so etwas annehmen.
Steuerzahler: Welche Möglichkeit habe ich dann, solchen Betrug am Steuerzahler künftig zu verhindern?
Staatsrechtler: Sie könnten eine Initiative machen, die verlangt, dass innert einiger Monate über Notrechtsbeschlüsse abgestimmt werden muss.
Steuerzahler: Nach einigen Monaten? Dann ist ja alles bereits entschieden und erledigt.
Staatsrechtler: Das ist richtig.
Steuerzahler: Dann kann ich meine Interessen mit rechtsstaatlichen Mitteln gar nicht schützen?
Staatsrechtler: Nein, aber dafür wurde der Rechtsstaat ja auch nicht erfunden. ♦
von Michael Bubendorf
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