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Monat: August 2022

Der visionäre Winzer vom Iselisberg

Roland und Karin Lenz produzieren am Iselisberg im Kanton Thurgau seit mehr als 25 Jahren Bioweine pur – und das heute völlig pestizidfrei.

In ihren Weinen steckt somit noch mehr Bio, als es das Knospe-Label verlangt, verzichtet das Winzerpaar doch auch auf Kupfer und Schwefel, die im Biorebbau sonst gang und gäbe sind. Das Geheimnis der beiden Pioniere: pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Eine Erfolgsgeschichte.

Roland Lenz führt durch den üppig mit Traubenrispen behangenen Rebgarten neben seinem Hof am Iselisberg, wo es summt und brummt, Schmetterlinge tanzen und unterschiedlichste Arten nebeneinander erblühen: Verschiedene pilzresistente Rebsorten – sogenannte Piwis –, pralle Grünflächen zwischen den Rebreihen und mitten in den Rebenreihen auch Haselnusssträucher, Mandel- und Walnussbäume. Rund 3000 Büsche, Gehölze und Bäume werden auf dem Weingut Lenz gehegt und gepflegt. «Dank unserer konsequent naturwertschätzenden Bewirtschaftungsweise hat sich der Boden unterdessen so gut erholt und ist dermassen fruchtbar geworden, dass wir auf derselben Fläche doppelt so viel Ertrag erzielen», erzählt Lenz freudestrahlend. Biodiversität ist bei ihm Trumpf. Deshalb wird er diesen Rebberg nun mit einem Obst- und Getreidegarten erweitern. «Wir lichten die Reihen aus und pflanzen dazwischen andere Kulturpflanzen an, etwa Dinkel, Hafer oder Buchweizen. Mit weniger Reihen, aber doppelt so viel Ertrag der Reben werden wir hier sogar mehr produzieren als vorher», so Lenz, «aber zusätzlich können wir noch Menschen ernähren mit Getreide oder Öl, falls wir zum Beispiel mal Lein, Flachs oder Hanf zwischen den Rebreihen anbauen.»

Was wie ein Märchen tönt, ist auf dem Rebhof Lenz gelebter Alltag. Weniger oder gar keine Pestizide und weniger Arbeitsaufwand ergeben einen höheren Ertrag, denn die Natur kann unter der Demeter-Bewirtschaftungsweise in ihrer ganzen Fülle erblühen.

Seit 1994 ist Roland Lenz mit den pilzresistenten Rebsorten unterwegs, und seit 1995 bewirtschaftet er seine Rebberge ohne chemisch-synthetische Hilfsstoffe. Auf Bioproduktion umgestiegen war er, weil er selber an einer durch Pestizide ausgelösten Allergie gelitten hatte. «Drei Stunden nach dem Ausbringen von Folpet, einem Wirkstoff von Bayer, war meine Haut jeweils stark gerötet und ich hatte Kopfweh», erinnert er sich. Dagegen nahm er dann eine Kopfwehtablette von Bayer, womit der Kreislauf geschlossen war – jedenfalls für Bayer. Doch die Agroindustrie hatte die Rechnung ohne den Winzer gemacht. «Was machen wir eigentlich hier?», fragte Roland Lenz eines Tages – und läutete die Wende auf seinem Betrieb ein. …


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Mensch/Person und Staat

Staatsrechtsprofessor David Dürr und Freiheitsrebell Christian Frei im Gespräch: Beide betrachten den Staat als Problem – sie haben aber unterschiedliche Ansätze, wie das Problem überwunden werden soll.

«DIE FREIEN»: Worum geht es bei der Idee «Mensch oder Person»?

Christian Frei: Es gibt den lebendigen Mann und das lebendige Weib. Das ist der Ursprung, wir sind lebend. Die Staaten, die aus gewinnorientierten Firmen bestehen, drängen den Lebenden selbsterschaffene Identitäten auf, die sie «Personen» nennen. Die Person ist aber nur eine Fiktion, sie ist nicht real. Es sind Rollen, die uns aufgedrängt werden, die uns nötigen, denn so können wir lebenden Menschen nicht mehr souverän agieren. Dieser Prozess ist illegal, weil nur der Mensch selber eine natürliche oder juristische Person aus eigenem Willen gründen darf. Geheime Verträge oder solche, die unter Zwang entstehen, sind ungültig.

David Dürr: Die Idee «Mensch/Person» stösst immer wieder an das Thema der Souveränität des Menschen, wofür ich mich besonders interessiere.

Gibt es denn einen rechtlichen Unterschied zwischen Mensch und Person?

DD: Ja, die Unterscheidung zwischen Mensch und Person ist rechtlich real. Als Person sind wir nur eine Nummer im System. Der Unterschied liegt im Umgang; die Person ist nicht auf Augenhöhe. Anderseits gibt es auch den Ansatz der Menschenrechte, bei denen es um den Menschen als solchen geht – oder sagen wir realistischer: gehen sollte. …

von Michael Bubendorf


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Die spirituellen Voraussetzungen der Freiheitsgewinnung

Was wäre, wenn der Mensch mal an sich selbst glaubte?

«Der Mensch ist frei geboren und überall liegt er in Ketten», notierte der Genfer Philosoph Rousseau am Anfang seines Traktats «Über den Gesellschaftsvertrag». Frei und zugleich in Ketten? Ein seltsamer Zustand, ausser wohl für Rousseau, bei dem eher die Gesellschaft den Einzelnen gestaltete, statt umgekehrt. Oder kann man theoretisch frei und praktisch unfrei sein?

Mit Blick auf heute wäre man stark geneigt zu sagen: ja. Freiheit ist ein teilbares Phänomen geworden. Da ist einerseits die freiheitsverbürgende Funktion der Grund- und Menschenrechte, die offiziell unangetastet sind und den würdebegabten Menschen als Subjekt in das Zentrum der Rechtsordnung stellen. Zugleich sieht man allerorten, wie der Begriff der Freiheit in sein Gegenteil verkehrt wird. Regierungen auf der ganzen Welt arbeiteten in den letzten Monaten mit Druck und Zwangsandrohung bei den Impfungen. Wer Freiheitsverzicht gross- schrieb, wurde mit einer Solidaritätsplakette belohnt.

Selten wurde das Gegenteil von Freiheit so unverschämt als Freiheit deklariert wie in Zeiten von Corona, als Politiker verkündeten: «Wir impfen uns den Weg zurück in die Freiheit!» Wenn eine Mehrheit es akzeptiert, dass Folgsamkeit als Freiheit etikettiert wird, ist sie auf einen begrifflichen Taschenspielertrick hereingefallen. 2 + 2 ergibt zwar immer noch 4, aber die Mehrheit hat dann auch nichts gegen 5 als Ergebnis. Ab diesem Punkt gilt die Warnung Voltaires: «Wer andere dazu bringt, Absurditäten zu glauben, kann sie auch dazu bringen, Gräueltaten zu begehen.». …

von Milosz Matuschek


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Die andere Seite der Wahrheit

Ohne den Völkerrechtsbruch des US-Präsidenten Obama vor acht Jahren hätte es die illegale Militärinvasion Putins vermutlich nicht gegeben.
Am 24. Februar 2022 gab Russlands Präsident Wladimir Putin seiner Armee den Befehl, in die Ukraine einzumarschieren – ein Verstoss gegen das UNO-Gewaltverbot und daher illegal. Fast genau acht Jahre zuvor, am 20. Februar 2014, liess US-Präsident Barack Obama die Regierung in der Ukraine stürzen, um das Land in die NATO zu ziehen. Dieser Putsch ist die Wurzel des Ukrainekrieges. Gleich wie die Invasion von Putin war auch Obamas Verhalten ein Verstoss gegen das UNO-Gewaltverbot und daher illegal. Es wird Zeit, sich nicht länger mit Halbwahrheiten der einen oder der anderen Seite zufriedenzugeben und die Geschichte des Konflikts vollständig und ausgeglichen zu erzählen.

Wir hören nur die halbe Geschichte
Derzeit liest und hört man in den Medien viel über die Invasion von Putin, die zu Recht kritisiert wird. Aber man liest und hört praktisch gar nichts über den Putsch von Obama. Warum wird uns nur die halbe Geschichte erzählt?
Haben die USA wirklich die Regierung in der Ukraine gestürzt? Warum hat das damals fast niemand bemerkt? Und welche historischen Belege gibt es dafür? Solche und ähnliche Fragen erhalte ich derzeit oft.
Als Historiker und Friedensforscher habe ich seit Jahren zu den offenen und verdeckten Kriegen der USA geforscht und in meinem Buch «Illegale Kriege» auch den Putsch in der Ukraine beschrieben. «Es war ein vom Westen gesponserter Putsch, es gibt kaum Zweifel daran», erkannte schon der frühere CIA-Mitarbeiter Ray McGovern.

In Berlin habe ich ein Jahr nach dem Putsch am 10. Mai 2015 einen Vortrag über die Ereignisse in der Ukraine gehalten und dort gezeigt, dass Präsident Obama tatsächlich die Regierung in der Ukraine gestürzt hat. Wer möchte, kann sich den Vortrag hier ansehen.

Konfrontation der Atommächte
Der Ukrainekrieg ist ein besonders delikater internationaler Konflikt, weil sich hier die USA und Russland gegenüberstehen, die beide über Atomwaffen verfügen. Wie bei der Kubakrise spielen beide Seiten mit verdeckten Karten und versuchen, die Ukraine in ihren Einflussbereich zu ziehen.
Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion erklärte die Ukraine 1991 ihre Unab­hängigkeit von der Sowjetunion. Die Schwäche von Moskau gab Washington erstmals die Chance, den US-Einfluss auf Osteuropa auszudehnen und die früher von Moskau kontrollierten ehemaligen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes in die NATO aufzunehmen.

Die NATO-Osterweiterung und der Gipfel von Bukarest
Obschon die USA gegenüber Russland versprochen hatten, die NATO werde sich nicht ausdehnen, geschah genau dies. Polen, Tschechien und Ungarn wurden im Jahre 1999 NATO-Mitglieder. Und beim NATO-Gipfel in der rumänischen Hauptstadt Bukarest im April 2008 erklärte US-Präsident George Bush, man werde auch die Ukraine in die NATO aufnehmen. Russland war erzürnt, denn die Ukraine grenzt direkt an Russland. Und auch in den USA gab es mahnende Stimmen. «Man stelle sich die Empörung in Washington vor, wenn China ein mächtiges Militärbündnis schmiedete und versuchte, Kanada und Mexiko dafür zu gewinnen», warnte der amerikanische Politologe John Mearsheimer von der Universität Chicago. Gemäss Mearsheimer hat der Westen die Russen unnötig provoziert und ist daher schuldig an der Krise in der Ukraine.

Senator John McCain auf dem Maidan
Auf dem Maidan, dem zentralen Platz der ukrainischen Hauptstadt Kiew, demonstrierten Ende 2013 immer mehr Menschen gegen die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch und Premierminister Nikolai Asarow. Der bekannte Exboxweltmeister Vitali Klitschko führte die Demonstrationen an und hielt in enger Absprache mit den USA flammende Reden. In dieser angespannten Lage flog der einflussreiche US-amerikanische Senator John McCain in die Ukraine und besuchte am 15. Dezember 2013 Klitschko und das Protestlager auf dem Maidan. Der US-Senator ermunterte die Demonstranten, die ukrainische Regierung zu stürzen. Man stelle sich die Empörung in Washington vor, wenn ein bekannter russischer Parlamentarier nach Kanada fliegen würde, um dort Protestierende in der Hauptstadt Ottawa zu unterstützen, die kanadische Regierung zu stürzen. Genau das taten die USA in der Ukraine.

Die US-Botschaft in Kiew koordiniert die Proteste
Die Anführer der Proteste auf dem Maidan gingen in der US-Botschaft ein und aus und holten sich dort ihre Befehle. Einige Demonstranten waren bewaffnet und gingen gewaltsam gegen die Polizei vor. «Die Amerikaner forcierten erkennbar die konfrontative Entwicklung», erinnert sich Premierminister Nikolai Asarow, der gestürzt wurde.
In der US-Botschaft in Kiew war es US-Botschafter Geoffrey Pyatt, der die Demonstranten unterstützte und dadurch die Ukraine destabilisierte. Botschafter Pyatt war in direktem Kontakt mit Exboxer Klitschko. Die gut organisierte Demonstration auf dem Maidan wurde immer grösser und die Spannungen in Kiew nahmen zu.
Auch der heutige US-Präsident Joe Biden war direkt in den Putsch involviert, da auch er die Demonstration auf dem Maidan unterstützte. Im Dezember 2013 rief Biden, damals Vizepräsident unter Obama, in der Nacht Präsident Janukowitsch an und drohte ihm mit Strafen, wenn er den Maidan durch die Polizei räumen lasse. Janukowitsch hat daraufhin die geplante Räumung zurückgezogen.

Die fünf Milliarden Dollar von Victoria Nuland
Im US-Aussenministerium war Victoria Nuland für den Putsch verantwortlich. Nuland war unter US-Aussenminister John Kerry als stellvertretende Aussenministerin eine hochrangige Mitarbeiterin von Präsident Obama. Unter Präsident Donald Trump verlor Nuland an Einfluss, wurde aber von Präsident Joe Biden wieder als Staatssekretärin ins Aussenministerium berufen. In der Ukraine wollte Nuland Premierminister Nikolai Asarow und Präsident Viktor Janukowitsch stürzen, um das Land in die NATO zu ziehen, wie es am Gipfel von Bukarest beschlossen worden war. Die Anführer der De-monstration auf dem Maidan holten sich in der US-Botschaft nicht nur ihre Befehle, sondern auch ihre Bezahlung.
Im Dezember 2013, zwei Monate vor dem Putsch, hatte Nuland in einem Vortrag erklärt: «Wir haben mehr als fünf Milliarden Dollar investiert, um der Ukraine zu helfen, Wohlstand, Sicherheit und Demokratie zu garantieren.» Das führte auch in den USA zu Kritik. Der frühere US-Kongressabgeordnete Ron Paul fragte öffentlich: «Wir haben gehört, wie die stellvertretende US-Aussenministerin Victoria Nuland damit geprahlt hat, dass die USA fünf Milliarden Dollar für den Regimewechsel in der Ukraine ausgegeben haben. Warum ist das okay?»
Dass ein Teil der Demonstranten in der Ukraine bezahlt wurde, war damals ein offenes Geheimnis. «Es gibt Leute wie den US-Milliardär George Soros, die Revolutionen finanzieren. Soros hat auch den Maidan unterstützt, hat dort Leute bezahlt – die haben in zwei Wochen auf dem Maidan mehr verdient als während vier Arbeitswochen in der Westukraine», erklärte die Ukraine-Expertin Ina Kirsch gegenüber der «Wiener Zeitung». «Es gibt genügend Belege dafür, dass sowohl auf dem Maidan als auch auf der Gegenveranstaltung, dem ‹Antimaidan›, Leute bezahlt wurden», so Ina Kirsch, die in Kiew vor Ort war. «Es gab Preise für jede Leistung. Ich kenne Leute, die haben morgens auf dem Antimaidan bei der Gegendemo abkassiert, sind dann rüber auf den Maidan und haben dort nochmals kassiert. Das ist in der Ukraine ja nichts Ungewöhnliches.»

«Fuck the EU»: Das Telefonat vor dem Putsch
Der zentrale Beweis für die Beteiligung der USA am Putsch in der Ukraine ist ein abgehörtes Telefongespräch zwischen Victoria Nuland und Botschafter Geoffrey Pyatt, das diese am 7. Februar 2014 führten, nur wenige Tage vor dem Putsch.
Nuland sagt im Telefongespräch, wer in der Ukraine nach dem Putsch die neue Regierung bilden sollte. «Ich denke nicht, dass Klitschko Teil der neuen Regierung sein sollte, ich glaube, das ist nicht nötig und keine gute Idee», bestimmt Nuland. «Ich denke, Jazenjuk ist der richtige Mann, er hat die notwendige Erfahrung in Wirtschaft und Politik.» 
Tatsächlich wurde Arsenij Jazenjuk nach dem Putsch Premierminister in der Ukraine. Vitali Klitschko musste sich mit dem Posten des Bürgermeisters von Kiew zufriedengeben. Dies beweist, dass Victoria Nuland für die USA den Putsch plante und erfolgreich durchführte. Ban Ki-moon von der UN «könnte helfen, das wasserfest zu machen, und weisst du was, fuck the EU», sagte Nuland im abgehörten Gespräch wörtlich, was bei Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einiger Empörung führte.

Scharfschützen lassen die Lage am 20. Februar 2014 eskalieren
Ende Februar eskalierte die Situation auf dem Maidan. Am 20. Februar 2014 kam es zu einem Massaker, als nicht identifizierte Scharfschützen aus verschiedenen Häusern auf Polizisten und Demonstranten schossen, es gab mehr als 40 Tote. Chaos brach aus. Sofort wurden die amtierende Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch und seine Polizeieinheit Berkut für das Massaker verantwortlich gemacht, obschon diese kein Interesse daran hatten, dass die Lage eskalierte, da sie sich ja nicht selber stürzen wollten. «Die Welt darf nicht zuschauen, wie ein Diktator sein Volk abschlachtet», kommentierte Vitali Klitschko, der die Regierung stürzen wollte, im deutschen Boulevardblatt «Bild».
Der Regime Change war erfolgreich: Präsident Janukowitsch wurde gestürzt und floh nach Russland. Er wurde durch den Milliardär Petro Poroschenko ersetzt, der als Präsident umgehend erklärte, er wolle die Ukraine in die NATO führen.

Obama spricht über den Putsch
Ein Jahr nach dem Putsch hat US-Präsident Obama mit CNN über den Machtwechsel in der Ukraine gesprochen, dabei aber die Rolle der USA verschleiert. «Putin wurde durch die Proteste auf dem Maidan auf dem falschen Fuss erwischt», sagte Obama. «Janukowitsch ist geflohen, nachdem wir einen Deal zur Machtübergabe ausgehandelt hatten.» Dass Obama tatsächlich die Regierung in der Ukraine gestürzt hatte, erfuhren die Zuschauer von CNN nicht.

Putin spricht über den Putsch
Aber die Russen wussten, dass die USA den Putsch organisiert hatten, und waren sehr verärgert. «Ich glaube, dass diese Krise willentlich geschaffen wurde», sagte Präsident Putin gegenüber der italienischen Zeitung «Corriere della Sera». Die NATO-Länder hätten den Putsch verhindern können, zeigte sich Putin überzeugt.
«Wenn Amerika und Europa zu jenen, die diese verfassungswidrigen Handlungen begangen haben, gesagt hätten: ‹Wenn ihr auf eine solche Weise an die Macht kommt, werden wir euch unter keinen Umständen unterstützen. Ihr müsst Wahlen abhalten und sie gewinnen›, dann hätte sich die Lage völlig anders entwickelt.»

Die Sezession der Krim
Präsident Wladimir Putin hatte nicht die Absicht, die Ukraine kampflos aufzugeben. Unmittelbar nach dem Sturz von Janukowitsch gab er in den frühen Morgenstunden des 23. Februar 2014 den Auftrag, mit der «Rückholung» der Krim zu beginnen. Russische Soldaten in grünen Uniformen ohne Abzeichen besetzten am 27. Februar 2014 alle strategischen Punkte in Simferopol, der grössten Stadt auf der Halbinsel Krim.
Schon am 16. März 2014 stimmten 97 Prozent der Bevölkerung der Krim für den Austritt aus der Ukraine und den Anschluss an Russland. Seither gehört die Halbinsel Krim nicht mehr zur Ukraine, sondern zu Russland.
Weder die USA noch Russland haben sich im Ukrainekrieg an das Völkerrecht gehalten. Zuerst brach Obama das Völkerrecht mit dem Putsch am 20. Februar 2014. Als Reaktion darauf brach auch Putin das Völkerrecht mit der Besetzung der Krim am 23. Februar 2014. Die Besetzung der Krim durch Russland «war ein Bruch geltenden Völkerrechts (…) die völkerrechtliche Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine wurden missachtet», erklärt Dieter Deiseroth, früher Richter am Bundesverwaltungsgericht. Der Westen kritisierte Putin nun scharf, obschon er selbst «in zahlreichen Fällen immer wieder gegen geltendes Völkerrecht verstossen hat und verstösst (Kosovo, Irak, Afghanistan, Libyen, Drohnenkrieg, Guantanamo et cetera), was seine Glaubwürdigkeit schwer beschädigt hat».

Der Donbas spaltet sich ab
Nach dem Putsch in Kiew und der Sezession der Krim stürzte die Ukraine in einen Bürgerkrieg. Der neue Premierminister Arsenij Jazenjuk versuchte mit der Armee, dem Geheimdienst und der Polizei, das ganze Land unter seine Kontrolle zu bringen. Doch nicht alle Soldaten, Polizisten und Geheimdienstmitarbeiter folgten den Weisungen der Putschregierung. Im an Russland angrenzenden russischsprachigen Osten der Ukraine erklärten die Bezirke Donezk und Lugansk, dass sie die Putschregierung in Kiew nicht anerkennen würden. Die Separatisten besetzten Polizeistationen und Verwaltungsgebäude und argumentierten, die neue Regierung habe keine Legitimität, da sie auf illegalem Wege an die Macht gelangt sei.
Premierminister Jazenjuk wies dies vehement zurück und erklärte, alle Separatisten seien Terroristen. CIA-Direktor John Brennan flog nach Kiew, um die Putschisten zu beraten. Am 15. April 2014 begann die ukrainische Armee mit Unterstützung der USA ihren «Antiterror-Sondereinsatz» und griff die Stadt Slawjansk im Bezirk Donezk mit Panzern und Schützenpanzern an. Damit begann der ukrainische Bürgerkrieg, der in acht Jahren mehr als 13000 Tote forderte und am 24. Februar 2022 zur illegalen Invasion durch Putin führte.

Der Putsch in Kiew gibt Putin kein Recht, in der Ukraine einzumarschieren und damit das Völkerrecht zu brechen. Aber wenn wir im Westen den Putsch von 2014 ignorieren, werden wir den Ukrainekrieg nie verstehen können. ♦

von Daniele Ganser
erstmals erschienen im Rubikon, 12.3.2022 (online)
Credit (Photo): Michael Peter


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