
Krieg im Herzen – Über das Aufwachsen in der Ukraine als Schwester Russlands
Kriege sind nichts Organisches. Sie entspringen weder Mensch noch Kultur.
Gelebte Kulturen können koexistieren. Es ist die Politik, die dies nicht kann.
Wo immer sie Menschen gegeneinander ausspielt, sie aus dem Herzen ihrer Kultur in die Kälte des Verstandes reisst, entstehen Phantome – deren Nebel Menschen dazu befähigt, sich gegenseitig auch noch in den physischen Tod zu stürzen.
«Ursprünglich waren sie keine Feinde; erst als sie Waffen bekamen.» – Erich Maria Remarque, «Der Feind»
Tanya Schindler lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.
Was in ihrem Heimatland, der Ukraine geschah, hatte sie lange nicht verfolgt. Erst zur Revolution auf dem Majdan in Kiew fing sie an, die mediale Darstellungsweise hierzulande mit den Erzählungen ihrer Eltern zu vergleichen. Und gleich auch diese in ihrem Dorf im Westen der Ukraine nicht alles mitzubekommen vermochten, blieb da bei Tanya dieses Gefühl: mit Russland und Russisch aufgewachsen zu sein. Wird sie heute gefragt, im Rahmen ihrer pädagogischen Arbeit den Kindern Lieder auf Ukrainisch beizubringen, wüsste sie keine. Nur russische.
Tanya liebt russische Filme. Da kommt bei ihr «irgendwie so ein Gefühl hoch, ja eine Sehnsucht nach alten Zeiten». Sie mag es, sich alte Bilder anzugucken, sich vorzustellen, wie das Leben damals war. So bodenständig, so «toll irgendwie». Sie hatten zwar nicht viel, sagt Tanya, aber sie waren trotzdem glücklich. Aufgewachsen sei auch sie auf dem Dorf. Russen und Ukrainer galten damals als «Brüder und Schwestern», sagt sie und führt fort: «Jetzt, jetzt sind wir Feinde fürs Leben.» Als der Krieg anfing, sei das schon ein Schock gewesen. Zumal ihre Eltern zu dem Zeitpunkt noch in der Ukraine waren. Es breitete sich eine grosse Ratlosigkeit aus: Die Eltern aus der Ukraine holen und nach Deutschland – in Sicherheit – bringen? Telefoniert wurde jeden Tag. Dann mussten die Eltern sich verstecken, die Verbindung riss ab. Tanya beschreibt diese Zeit als surreal. Bis zu dem Zeitpunkt kannte sie Krieg nur aus Filmen. Von Bildern aus Syrien, dem Irak oder Iran. Dort wirkte er immer «so weit weg». Und plötzlich war er im eigenen Land.
Nachdem Tanya mir den Ausgang ihres persönlichen Familienschicksals erzählt hat, wie sie ihre Eltern mit dem Auto von der ungarisch-ukrainischen Grenze abgeholt hatte, diese aber nach einem Monat bereits zurück in die Ukraine – ihre Heimat – wollten und ihr Vater – dort angekommen – obendrein auch noch mit Krebs diagnostiziert wurde, hält sie einen Moment inne und setzt neu an:
«Es tut mir einfach weh, dass es so gekommen ist. Diese ganze Erfindung von Trennung und Spaltung. Ich bin der Meinung, dass diese künstlich erschaffen wurden von … von denen, die dafür verantwortlich sind, dass diese Kriege überhaupt erst angefangen haben.»
…
***
Tanya Schindler wurde 1982 in einem kleinen Dorf in der Ukraine geboren und schloss dort ihr Studium als Übersetzerin ab, ehe sie 2004 nach Deutschland kam. Heute ist sie selbstständig als Kinderbuchautorin und Übersetzerin.
Victoria Vesta ist Mutter, Erforscherin des Ahnenwissens und eine Pionierin der Bewegung der energiebewahrenden Kleidung in der deutschsprachigen Welt. Sie hält Vorträge zum wedischen Wissen, zu alternativer Geschichte, untergegangenen Zivilisationen, Hyperborea und Atlantis, leitet Rituale und Zeremonien.
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