Skip to main content

«Es lebe die Freiheit, carajo!»

Wo Argentiniens Staatspräsident Javier Milei ist, herrscht entweder Konsternation oder euphorische «Libertad»-Stimmung. Sein Auftreten ist unkonventionell, die Kettensäge allzeit griffbereit. Sie steht symbolisch für die Radikalkur, die er seinem Land verpassen will. Zum Besuch Mileis beim Liberalen Institut.

Libertär, Rechtspopulist, Ultrarechter, Anarchokapitalist, Verrückter, so die Selbst- oder Fremdbeschreibungen von bzw. über Javier Milei, seit Dezember 2023 Präsident Argentiniens. Er ist ein Medienphänomen und ein politischer Rocket Man: Erst im November 2021 war der Ökonom als Aussenseiter in den Kongress gewählt worden. Und gerade für Medien, die ihn nicht mögen, stellt er paradoxerweise einen ökonomischen Faktor dar: Er garantiert Aufmerksamkeit, tritt provokativ auf, mal cholerisch mit Kettensäge und Rockmusik, Lederjacke, mal charmant im Präsidentenanzug, aber immer mit Elvis-Koteletten und verwilderter Haarpracht. Er könnte einer Erzählung des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges entsprungen sein. Für seine Unterstützer ist Milei ein Held, der endlich mit dem bösen Staat und der Elite aufräumt («mehr Politiker sollten arbeitslos sein»). Für seine Kritiker ist er ein weiterer Populist mit marktfundamentalistischen Ansichten, der das Land ausplündert.

Für seine «internationale Vorbildrolle bei der Bekämpfung des ausufernden Staates» erhielt Milei am 24. Januar im Kongresszentrum Kloten vor 600 Gästen den Röpke-Preis für Zivilgesellschaft vom Liberalen Institut. Milei hatte radikale Reformen angekündigt und bislang einige davon umgesetzt. Ministerien wurden geschlossen und Tausende Beamte entlassen. Renten wurden eingefroren, ebenso staatliche Subventionen für öffentliche Versorgungsunternehmen und Investitionen in die Infrastruktur. So sollen Bürokratie und Staatsdefizit abgebaut werden. Dazu passt Mileis Rhetorik «No hay plata!» (es hat kein Geld). Sparmassnahmen, vorübergehend schwierige Zeiten, später wird alles besser – heisst es. Das gilt nicht für Milei: Eine Gehaltserhöhung für ihn und seine Minister musste er im März 2024 zurücknehmen. Einer der bekanntesten ist Federico Sturzenegger, Absolvent amerikanischer Eliteuniversitäten, ehemaliger Chefökonom der staatlichen Ölgesellschaft, Exzentralbankchef und jetzt Minister für Deregulierung.

Während seiner Dankesrede nennt Milei einige Daten aus seinem ersten Präsidialjahr, um zu zeigen, wie sich Argentinien entwickelt hat: Bei seinem Amtsantritt lag die monatliche Inflation bei 26 Prozent, im November 2024 betrug sie weniger als drei Prozent. Sie war jahrzehntelang zweistellig und höher, der Staat war chronisch verschuldet und ging wiederholt bankrott. Zu Beginn von Mileis Amtszeit stieg die Armut, sie schwankt je nach Bevölkerungsgruppe, ist jedoch auch wieder gesunken. Die Zahlen sind unzuverlässig, der informelle Sektor der Wirtschaft ist gross. Die Regierung Milei hofft, dass die Armut durch niedrige Inflation und Wirtschaftswachstum reduziert wird. Um die Inflation «endgültig zu beseitigen», so Milei, arbeite er daran, die Zentralbank abzuschaffen. Denn Inflation entsteht durch Geldschöpfung, so seine Überzeugung.


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 17. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Teile diesen Beitrag mit deinen Freunden