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Von wegen Rollator-Putsch

Max Eders Verteidiger Ralf Dalla-Fini im Gespräch

Die «Reichsbürger-Razzia» ging in die Geschichte ein: Im Dezember 2022 wurden in einer grossangelegten Polizeiaktion in elf Bundesländern 24 Menschen festgenommen. 3000 Beamte waren im Einsatz, die TV-Kameras standen bereit, als einige der engagiertesten Persönlichkeiten der corona-kritischen Bewegung Deutschlands von schwerbewaffneten Vermummten medienwirksam abgeführt wurden.

Heinrich XIII. Prinz Reuss soll der Kopf einer Gruppe sein, die angeblich einen Staatsstreich plante. Ebenfalls «in die brutalen Umsturzpläne verstrickt»: Dr. Birgit Malsack-Winkemann, Richterin und ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete, die Basis-Politikerin Johanna Findeisen oder die Astrologin Hildegard Leiding. 

Auch der beliebte Massnahmenkritiker Maximilian Eder wurde im Zuge der Razzia in Italien festgenommen. Der ehemalige Oberst, der 1999 KFOR-Truppen im Kosovo anführte, gilt als einer der «führenden Köpfe» des «militärischen Arms» der «Putschisten» und wurde damit nach Prinz Reuss quasi zum «Staatsfeind Nr. 2» deklariert. Tatvorwurf: «Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens» – ähnliche Verfahren gab es in der BRD bisher nur in den 1950er-Jahren im Rahmen des KPD-Verbots. Die Sicherheitsvorkehrungen um die Gefangenen sollen vergleichbar mit den Prozessen gegen die RAF sein – einer Terrorgruppe, die gemordet und Sprengstoffanschläge verübt hatte, und deren Gewaltpotenzial offenkundig war. Doch welche Bedrohung ging von den «gefährlichen Reichsbürgern» aus, die seither in Untersuchungshaft sitzen? Sollte mit ihrer öffentlichkeitswirksamen Festnahme und dem harten Durchgreifen des deutschen Rechtsstaats nicht eher ein Exempel statuiert werden? Darüber sprach ich mit Ralf Dalla-Fini, einem der Anwälte von Max Eder.

«DIE FREIEN»: Herr Dalla-Fini, die Tatvorwürfe gegen Ihren Mandanten wiegen schwer: Ursprünglich «Bildung einer terroristischen Vereinigung», erweitert auf «Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens». Die Massenmedien behaupten, er und die anderen Gefangenen seien gefährliche Terroristen. Stimmt das?

Ralf Dalla-Fini: Max Eder und die anderen Angeklagten haben sich in der Corona-Zeit getroffen, miteinander geredet, und gegebenenfalls Pläne geschmiedet. Das ist bei normalen Straftatbeständen nicht strafbar. Wir haben jedoch mit § 129 und 129a StGB Straftaten, die sehr atypisch sind. Wenn Sie im normalen Strafrecht sind, haben Sie Vorbereitungshandlungen, die straflos sind: Angenommen, ich möchte jemanden töten, bin zuhause und lege mir ein Messer oder eine Pistole zurecht – das ist zunächst nie strafbar. Packe ich das ein, gehe zu meinem Opfer und will ihm etwas antun, und halte die Pistole in seine Richtung, bin ich im Versuch. Wenn ich mich nun umentscheide und wieder weggehe, bin ich strafbefreiend von diesem Versuch zurückgetreten – ich habe keine Strafe zu erwarten.

Das Problem mit diesen Vorschriften ist nun: Wenn es mehr als zwei Personen sind, die über etwas reden, was – so der Vorwurf des Generalbundesanwalts – zum Sturz des Staates führen soll, dann bin ich in der vollendeten Straftat. Das Schlimme: dafür werden massive Strafen ausgesprochen.

In Koblenz hatte ich parallel das Verfahren dieser Geschichte um den angeblichen Plan, Karl Lauterbach zu entführen. Mein Mandant, der nichts anderes getan hatte, als zu schwatzen, hat dafür acht Jahre bekommen. Da kriegen Sie viel weniger, wenn Sie in Deutschland andere massive Delikte begehen. Der Mandant versteht die Welt nicht mehr und sagt: Ich habe doch gar nichts getan. Für uns Anwälte sind die Vorschriften grundsätzlich rechtswidrig. Aber das Bundesverfassungsgericht hat es gehalten. Damit müssen wir jetzt leben.

Handelt es sich um einen Schauprozess? Geht es darum, den oppositionellen Widerstand einzuschüchtern, zu diskreditieren und zu delegitimieren?


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