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Kunst auf Knien 

Die freiwillige Unterwerfung der Kultur

Kunst könnte ein Raum sein, in dem das Unaussprechliche seinen Ausdruck findet, in dem Tabus gebrochen und unbequeme Wahrheiten ans Licht gebracht werden. Doch unter dem wachsenden Einfluss der woken Identitätspolitik sind zahlreiche Künstler heute mit einer neuen Form der Zensur konfrontiert: der moralischen Kontrolle durch eine aktivistische Agenda.

Die woke Identitätspolitik hat unsere Welt übernommen – bis in die letzten Winkel des Alltags. Fast unbemerkt hat sie sich in Sprache, Denken und Wahrnehmung eingenistet, hat Normen verschoben und Werte neu codiert. Was früher als selbstverständlich galt – sei es in Literatur, Kunst, Kultur oder im öffentlichen Raum – steht heute unter Beobachtung. Alles, was nicht mehr mit dem herrschenden Empfindungsklima vereinbar scheint, wird seziert, umgedeutet, aussortiert. 

Dass sich diese Ideologie mitunter in logischen Verrenkungen verliert, dürfte dem kritischen Beobachter kaum entgangen sein. Obwohl sie vorgibt, starre Rollenbilder aufzulösen, kreist sie mit fast zwanghafter Fixierung um Identitätskategorien wie Rasse oder sexuelle Orientierung und zementiert damit genau das, was sie angeblich überwinden will. 

Lang erkämpfte feministische Errungenschaften geraten ins Wanken, wenn Männer, die sich als Frauen identifizieren, Zugang zu weiblichen Schutzräumen erhalten – und jede Kritik daran als «transphob» gebrandmarkt wird.

Und zu guter Letzt: Während die Vertreter des identitätspolitischen Lagers selbst höchste Sensibilität für ihre zarte, woke Seele einfordern und Triggerwarnungen und safe spaces brauchen, um nicht von allem und jedem traumatisiert zu werden, scheuen sie selbst nicht vor öffentlichen Hasskampagnen zurück.

Im Namen der Moral

Der Grat zwischen Akzeptanz und gesellschaftlicher Ächtung ist schmal geworden. Was im Mittelalter auf Dorfplätzen stattfand, wo Missetäter vor aller Augen zur Schau gestellt und bestraft wurden, hat sich in den virtuellen Raum verlegt und nennt sich Social Media-Aktivismus. Statt faulem Gemüse hagelt es Shitstorms, die Hashtags von heute sind die Mistgabeln von damals. Virtuelle Empörungswellen brauchen keine Gerichte, keine Beweise – nur ein paar Klicks. Menschen verlieren aufgrund von kritischen oder schlicht missinterpretierten Äusserungen ihre Jobs, Professuren werden aberkannt, Redaktoren zum Rücktritt gedrängt und Künstler, die nicht auf Linie sind, boykottiert. Willkommen, werte Leser, im Zeitalter der modernen Inquisition.

Wie sind wir hier nur gelandet?


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