
«Einsamkeit ist der Swimmingpool der Kreativität»
Interview mit Petra Kaindel
Sie fliegt durch Träume, wohnt in ihren Leinwänden und trotzt jedem Sturm: In einem überraschend offenen und tiefgehenden Austausch spricht die österreichische Künstlerin Petra Kaindel über Schönheit, Verletzlichkeit und den Mut, sich selbst treu zu bleiben – auch wenn es unbequem wird.
«DIE FREIEN»: Wenn deine Bilder plötzlich lebendig würden – was glaubst du, würden sie über dich sagen?
Petra Kaindel: Gute Frage. Spannende Frage gleich zu Beginn – damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Die Antwort lautet: Alles. Rückblickend erzählen sie mein ganzes Gefühlsspektrum, jede Phase, die ich im Laufe der Jahre durchlebt habe – mit den Menschen, die mir zum jeweiligen Zeitpunkt etwas bedeuteten, mich inspirierten. Mit denen ich lebte, liebte, lachte, weinte. Oder ihretwegen trauerte. Fortging oder blieb. Meistens fortging.
Nehmen wir an, dein Leben wäre ein Film. Welchen Titel würdest du wählen?
PK: Ich komme mir tatsächlich jeden Tag vor wie in einem Film, von früh bis spät. Im Jetzt würde er heissen: «Das Haus am Meer». Aber ich hätte da noch viele andere Ideen, zum Beispiel: «Freiheit in kleinen Dosen», «Kunst und Kohle» oder «Hunger» – bezogen auf den Hunger nach Leben, den ich immer hatte, und zwar nach wirklichem Leben, in allen Facetten, allen Abgründen, allen Höhen. Alles, jetzt und gleich – bloss nicht lau.
Welche Superkraft hättest du am liebsten?
PK: Ich will auf jeden Fall zwei. Erstens: Fliegen. Ich träume oft davon, aber der Start ist mühsam. Vorher muss ich zu einer Anhöhe laufen, sonst geht es wieder abwärts – und ich werde gefangen und getötet. Es ist alles super abenteuerlich und in Farbe. Wenn ich es schaffe, ist es perfekt. Zu hoch geht allerdings nicht, denn ich habe Höhenangst. – Die zweite Superkraft, die ich haben möchte: Von einem Ort zum nächsten reisen, einfach so – mit einem Augenzwinkern, einem magischen Satz oder so wie in «Bezaubernde Jeannie». Das wünsche ich mir deshalb, weil ich seit vielen Jahren zwischen Süditalien und dem Norden Österreichs hin- und herpendle. Und ich bin manchmal wirklich genervt von dem Aufwand, vor allem, weil das jedes Mal einem halben Umzug gleicht: mit Leinwänden, Material, Kamera und Laptop.
Stell dir vor, du wachst morgen in einer Welt auf, in der alles gemalt ist – was wäre das Erste, das du tun würdest?
PK: Lächeln und meinen Freund küssen. Er und ich als Klimt-Gemälde.
Was ist für dich wahrer – das, was du siehst, oder das, was du fühlst?
PK: Wahrscheinlich beides gleich. Ich bin ein sehr ästhetischer Mensch und ich brauche Schönheit, um mich geborgen fühlen zu können. Da meine hauptsächlich weiblichen Protagonistinnen meine Emotionen transportieren, dürfen sie das gerne so schön wie möglich tun. Ich halte mich nicht zurück: Lippen, Augen, Nase, Haare – alles darf so ansprechend wie möglich sein. Natürlich bin ich auch ein Kind meiner Zeit und auf ein bestimmtes Schönheitsideal konditioniert – aber das ist halt so. Ich müsste mich schon absichtlich zurückhalten, um meine Figuren weniger perfekt zu gestalten. Das Schöne, Wahre und Gute – das will ich abbilden, festhalten, weiterschenken.
Hast du je ein Bild gemalt, das dir selbst Angst gemacht hat, weil es zu ehrlich war?
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Petra Kaindel ist freischaffende bildende Künstlerin, ihre Werke werden international ausgestellt. Sie lebt und arbeitet abwechselnd in Österreich und Süditalien.
kaindel.at
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