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Autor: Michael Bubendorf

Aufbau des globalen Polizeistaats

Die Sustainable Development Goals (SDG), die 17 «Ziele für nachhaltige Entwicklung» der Agenda 2030 klingen zunächst gut – doch tatsächlich untergräbt die UNO unter diesem Deckmantel die nationale Souveränität und die Freiheit der Menschen.

Diese These untermauern Whitney Webb und Iain Davis in ihrem Unlimited Hangout-Beitrag «SDG16: Part 1 – Building the Global Police State». Anhand der Zusammenhänge, die sie in ihrem Beitrag aufzeigen, wird erkennbar, wie gefährlich die UNO und ihre «nachhaltigen Ziele» wirklich sind: Menschenrechte gegen Naturrecht. Impfzertifikate als Vorhut digitaler Ausweise. Bill Clintons Verbindungen zu pädophilen Sexualstraftätern. Der Kampf gegen «Falschinformationen» und Meinungsfreiheit. Weltfrieden als Köder zur Errichtung einer globalen Diktatur. Für ihren Bericht schöpfen die Autorin Webb und der Investigativjournalist Davis aus einem tiefen Fundus jahrelanger Hintergrundrecherchen über die globale Machtelite. «DIE FREIEN» präsentieren eine Zusammenfassung dieses bemerkenswerten Artikels, der im Original 38 Seiten stark ist.

«Die Agenda 2030 ist ein globaler Plan zur Förderung nachhaltigen Friedens und Wohlstands und zum Schutz unseres Planeten.»

Das schreibt die UNO auf der Website der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Hinter der Rhetorik verbirgt sich das eigentliche Ziel: die Stärkung und Konsolidierung der Macht und Autorität des «Global-Governance-Regimes» und die Ausnutzung von realen und imaginären Bedrohungen, um die Vormachtstellung des Regimes zu stärken. Webb und Davis belegen dies insbesondere anhand des 16. «Nachhaltigkeitsziels» (SDG16), welches angeblich «friedliche und inklusive Gesellschaften und Recht für alle» fördern soll. Die Autoren analysieren als Erstes die rechtlichen Grundlagen. …

von Michael Bubendorf und Christian Schmid Rodriguez


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Vertrauen und ich

Plötzlich ist es sehr laut. Kalte Luft dringt herein. Der Geruch von verbranntem Kerosin. Die Stimmung ändert sich schlagartig, wenn auf viertausend Metern über Grund die Flugzeugtür aufgeht. Am deutlichsten bei den Tandem-Passagieren, die diese Situation zum ersten Mal erleben und jetzt realisieren: gleich ist es soweit. Die erfahrenen Springer, die gerade noch herumgeblödelt haben, konzentrieren sich auf den geplanten Exit. Letzte Kontrollen, um den festen Sitz der Griffe zu prüfen. Ungewollte, vorzeitige Schirmöffnungen können nicht nur Fallschirmspringer das Leben kosten, sondern auch Mitspringer gefährden und haben schon ganze Flugzeuge zum Absturz gebracht. Es geht um Leben und Tod und jede Menge Spass. Diese eigentümliche Mischung fasziniert mich immer wieder.

Ich liebe diese intensive Situation, kurz vor dem Exit. Fast mehr noch als den Freifall, bei dem wir gemeinsam Richtung Erde rasen. Beim «Tracking» fliegen wir gemeinsam eine zuvor abgesprochene Kurve. Wir nehmen mit unseren Körpern eine Haltung ein, die an ein Flugzeug erinnert und können so nicht nur einfach fallen, sondern nehmen auch richtig Vorwärtsfahrt auf. Ich komme mir oft vor wie in einer Kampfjet-Formation. Es gilt die Regel, dass man nah genug am anderen fliegt, wenn man sein Lächeln sieht. Wann sonst kann man einem Kumpel bei 250 Stundenkilometern einen High-Five gegeben? Und dabei legen wir richtig Strecke zurück; als ich es zu Beginn damit übertrieb, flog ich bis zur Kirche des Nachbarortes. Als ich meinen Schirm öffnete, wusste ich, dass ich keine Chance hatte zurückzufliegen, begann sofort die Suche nach einem alternativen Landeplatz und führte meine erste erfolgreiche Aussenlandung durch. Kuhfladen inklusive.

Momente der Wahrheit

Natürlich ist auch der Moment der Schirmöffnung immer speziell. Ich greife nach hinten, umfasse den Griff und werfe ihn in den mich umgebenden Wind. Am Griff ist eine Miniaturversion des Fallschirms angenäht, die sich mit Luft füllt und mit über 30 Kilogramm Zugkraft den Pin aus meinem Gurtzeug zieht, der meinen Fallschirm sicher verstaut hielt. Der Minifallschirm zieht weiter und holt den gefalteten Schirm aus der jetzt offenen Packung. Während sich die Kammern des Hauptschirms mit Luft füllen, werde ich unsanft von meiner Flugposition aufgerichtet und hänge schliesslich am geöffneten Schirm. Der ganze Prozess dauert etwa vier Sekunden, bei denen ich rund 200 Höhenmeter verliere. Das von Laien oft befürchtete Szenario vom sich nicht öffnenden Fallschirm gibt es eigentlich nicht. Man müsste eine ganze Reihe von Fehlern machen, damit sich weder der Hauptschirm noch die Reserve öffnet. Doch schlechte Öffnungen, die gibt es durchaus. Statistisch kommt es bei einer von Tausend Öffnungen zu einer Fehlfunktion, und die sind oft schlechter, als wenn sich der Schirm gar nicht öffnen würde. Vom einfachen Twist, bei dem sich die Leinen zwischen Gurtzeug und Fallschirm verdrehen, über den sehr unangenehmen Leinenüberwurf bis zum gefürchteten Hufeisen haben alle Fehlfunktionen etwas gemeinsam; es wird hektisch.

Alle Springer haben den Umgang mit diesen Szenarien geübt und sollten in der Lage sein, schnell zu erkennen, welches Problem vorliegt und was zu tun ist, um sicher landen zu können. Doch zwischen Himmel und Erde ist alles anders, hier ist nicht nur das Wissen entscheidend, sondern vor allem das, was wir «Kapazität» nennen: Die Fähigkeit, wohlbekanntes Wissen in einer extremen Stresssituation zu erinnern und umzusetzen. Erkenne ich das Problem mit meinem Hauptschirm? Kann ich das Problem schnell genug lösen oder greife ich auf meine letzte Option zurück und leite das Notschirmprozedere ein? Diese Entscheidungen müssen getroffen werden, während der instabil geöffnete Schirm enorme G-Kräfte entwickelt und mit atemberaubender Geschwindigkeit nach unten dreht. Wer solche Situationen aus sicherer Distanz miterleben möchte, findet unter dem Stichwort «Friday Freakouts» viele spannende YouTube-Videos solcher Situationen.

Spätestens auf 500 Metern über Grund muss die Entscheidung gefällt sein: Kann ich das Problem mit dem Hauptschirm lösen oder werfe ich ihn ab und ziehe den Reserveschirm? Wer unter 300 Metern über Grund noch zu schnell fällt, wird von einem Mini-Computer gerettet, der konstant Höhe und Fallgeschwindigkeit misst, nötigenfalls bei der eingestellten Höhe mit einer kleinen Sprengladung den Pin der Reserve löst und so den Notschirm automatisch öffnet. Selbst wer bei einem Zusammenstoss das Bewusstsein verliert, landet deshalb an einem offenen Schirm. Wie und wo ist dann natürlich eine andere Frage. Diese Öffnungsautomaten haben schon Tausenden Springern das Leben gerettet. Doch wer zu lange mit einer Fehlfunktion des Hauptschirms hadert, riskiert das Szenario, das ich am meisten fürchte: An zwei geöffneten Schirmen zu hängen, weil die Fallgeschwindigkeit am schlecht geöffneten Schirm so hoch war, dass der Öffnungsautomat die Reserve rausgeschossen hat. Zwei offene Schirme sind nicht doppelt sicher, sondern eine brandgefährliche und schwer zu kontrollierende Situation, die oft tödlich endet. Doch die meisten tödlichen Unfälle beim Fallschirmsport ereignen sich unter einem perfekt geöffneten Schirm aufgrund menschlichen Versagens; meist sind es falsche Manöver in geringer Höhe.

Statistik und Urvertrauen

In gewisser Weise sind alle dies Szenarien immer mit dabei, in jenem Moment auf 4000 Metern, wenn wir die Tür öffnen und sich die Stimmung so schlagartig ändert. Vor anderthalb Jahren machte ich die Ausbildung zum Fallschirmspringer, mittlerweile habe ich etwas über 300 Sprünge in meinem Logbuch. Bleiben theoretisch noch 700 bis zur statistischen ersten «Malfunction». Weshalb springe ich aus dem Flugzeug, trotz aller unbestrittenen Risiken? Natürlich hat das mit Vertrauen zu tun: Vertrauen in das hochentwickelte Qualitätsmaterial und Vertrauen in mich, dass ich in den entscheidenden Sekunden die richtigen Entscheidungen fällen werde. Aber es ist ein noch tieferes, noch grundlegenderes Vertrauen, nicht eines, das mich glauben lässt, dass mein Überleben garantiert ist. Sondern eines, welches mein Überleben nicht voraussetzt. ♦

von Michael Bubendorf


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Die Wahl der Qual

Fünf Jahre, nachdem Christoph Blocher den Anspruch formulierte, dass es «rechts der SVP keine demokratisch legitimierte Partei geben darf», geschah etwas, was der Volkspartei noch gefährlicher werden könnte als eine Schweizer Rechtsaussenpartei.

Nicht nur rechts der SVP, sondern bis ins linke Lager hinein formierte sich eine Bewegung, die die Massnahmenpolitik während der Coronakrise ablehnte und der rechtskonservativen Partei wichtige Stimmen bei den kommenden Wahlen abzulaufen droht. Als 2021 ganze 40 Prozent der Stimmbevölkerung jenes Covid-Gesetz ablehnte, gegen das sich die SVP nicht positionieren wollte, drohte der Partei ein Debakel, das die Blocherschen Albträume bei Weitem übertraf. Wird eine neue Bewegung der SVP den Rang ablaufen? Welche Alternativen haben kritische, freiheitsliebende Wähler noch? «DIE FREIEN» stellen sich der Qual der Bundeswahl.

Willkommen im Gesetzesdschungel

Sie sind gerade in der Schweiz? Dann müssen Sie sich an über 5000 Gesetze und Verordnungen halten, die hier allein auf Bundesebene in Kraft sind. Die Bundesgesetze werden von den National- und Ständeräten verabschiedet, die das Schweizer Parlament bilden. Am 22. Oktober 2023 werden wieder 246 Menschen in diese nationalen Räte gewählt und in den kommenden vier Jahren Hunderte weitere Gesetze schaffen, die auf verschiedenste Weise Einfluss auf unser Leben nehmen.

Kritische Menschen, die eine Beteiligung an den Wahlen als sinnvoll erachten, sehen sich von den Altparteien am ehesten durch rechtskonservative Kräfte vertreten. Zu tief sitzt die Enttäuschung über die knallharte Diskriminierung und die für viele völlig unerwarteten Diffamierungen, die wachsame Menschen von den Politikern links der SVP erfahren haben.

Massnahmenkritiker und radikale Elemente

Viele kritische Menschen sehen die «Schweizerische Volkspartei» als einzige wählbare Option unter den bisherigen Regierungsparteien. Sie hat sich als einzige Altpartei zuweilen kritisch gegenüber den Zwangsmassnahmen während des Corona-Betrugs geäussert. Fotos von Ueli Maurer im Trychlerhemd konnten viele Menschen überzeugen, dass sich die SVP gegen die Massnahmen einsetzt. Vergessen geht dabei, dass es Vertreter der SVP waren, die die Zwangsmassnahmen im Bundesrat mitgetragen und auf kantonaler Ebene aktiv vorangetrieben haben, etwa in Zürich oder Bern. Die SVP selbst erklärt diesen Widerspruch mit dem Kollegialitätsprinzip, an das ihre Exekutivmitglieder gebunden seien. Doch ist es glaubwürdig anzunehmen, dass Corona-Turbos wie Natalie Rickli, Guy Parmelin oder Pierre Alain Schnegg gegen ihre eigenen Überzeugungen handelten, als sie Corona-Massnahmen ausweiteten und gegen «Ungeimpfte» Stimmung machten? Sicher ist, im Corona-Positionspapier der Partei unterscheidet die SVP zwischen der «grossen Mehrheit vernünftiger Massnahmenkritiker und einiger radikaler Elemente». Wen die SVP zu den Vernünftigen zählt und wer ein «radikales Element» ist, darüber ist im Positionspapier nichts zu lesen.

Auch bei aktuellen Themen hinterlässt die SVP einen schizophrenen Eindruck. «Wir müssen wachsam sein, gegenüber den Kräften, die unsere Neutralität begraben wollen», sagt Parteipräsident Marco Chiesa und lädt zum Wahlauftakt Adolf Ogi ein, der als Altbundesrat die erste NATO-Übung in der Schweiz eröffnete und dem eidgenössischen Beitritt zum NATO-Programm «Partnerschaft für den Frieden» den Boden bereitet hat. Kein Wunder, wird Herr Ogi mit einem riesigen Porträt im NATO-Hauptquartier in Brüssel gewürdigt. Auf unsere Rückfrage zu diesem Widerspruch lässt die SVP ausrichten: «Es steht ausser Frage, dass Herr Ogi an unserem Wahlauftakt sprechen kann. Wir stehen für die Meinungsfreiheit.»

Die SVP ist sich bewusst, dass die etablierte Politik von vielen kritischen Menschen nicht mehr als Möglichkeit gesehen wird, das Miteinander freiheitlich und friedlich zu organisieren. In einer Medienmitteilung zu den bevorstehenden Wahlen erklärt die Partei, dass viele Schweizer der Wahlurne frustriert fernbleiben, weil der Volkswille bei verschiedenen Initiativen nicht umgesetzt wurde. Doch gerade das sieht die SVP als einen der Gründe, weshalb sich die Stimmberechtigten an den Wahlen beteiligen sollten: «Ob und wie ein Volksentscheid umgesetzt wird, ist abhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Parlament. Deshalb lohnt es sich, wenn die Wählerinnen und Wähler bei den Wahlen im Herbst jene Partei wählen, die ihre Interessen am besten vertritt.» Wer dieser Argumentation folgt und sich an den Wahlen beteiligen möchte, wird in der kommenden Legislaturperiode aber weder Corona noch das Verhältnis der Schweiz zur NATO dominieren sehen. Vielmehr wird uns die kommenden vier Jahre – und wohl noch weit darüber hinaus – ein anderes Thema beschäftigen.

Inkonsistenz als Programm

Das Wort «Klima» entstammt dem Griechischen klinein (κλίνειν) und bedeutet «Wandel». Klimawandel heisst also Wandelwandel, und der soll nach aktuellem Zeitgeist bekämpft werden. Nachdem die Stimmbürger das Klimaschutzgesetz (also Wandelschutzgesetz) unter dem Versprechen angenommen haben, dass sich der Wandelwandel ohne Verbote oder neue Steuern verhindern liesse, werden nun die Verbote und Steuern auf den Weg gebracht. Die SVP kritisiert die «Klima-Hysterie» und sieht die Freiheit durch links-grüne Politik gefährdet. Doch die Partei stellt sich nicht grundsätzlich gegen das Narrativ vom menschgemachten Klimawandel – obwohl dieses von unzähligen kritischen Wissenschaftlern als unseriös abgelehnt wird. Wie so oft tanzt die SVP auf allen Hochzeiten. Auf unsere Anfrage, ob es einen «menschgemachten Klimawandel» gibt, antwortet das Sekretariat ausweichend. «Dass sich das Klima wandelt, ist unbestritten. Aber nicht jede Hitzeperiode und jedes Unwetter ist auf den Klimawandel zurückzuführen.» Die Frage, ob und in welchem Ausmass der Mensch für den Klimawandel verantwortlich sei, lässt Andrea Sommer, Leiterin Kommunikation am Generalsekretariat der SVP, unbeantwortet.

Ob Corona, Klima oder NATO, die Inkonsistenz im freiheitlichen Denken hat in der SVP System. Klar wird sie hingegen bei den Themen rund um Recht und Ordnung: Die SVP befürwortet die Stärkung des Polizei- und Militärapparats. So war sie eine der lautesten Unterstützer des gefährlichen PMT-Gesetzes, das dem Staat erlaubt, Menschen auf Verdacht hin einzusperren, und das ihnen die Rechtsmittel entzieht, um gegen den Freiheitsentzug vorzugehen.

Die SVP ist – wie alle anderen Regierungsparteien – keine liberale Partei, was sich auch in der unzureichenden intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Thema Freiheit offenbart: Freiheitliche Menschen können nur resigniert den Kopf schütteln, wenn sie im SVP-Parteiprogramm lesen, dass die Familie die kleinste Einheit unserer Gesellschaft sei. Das ist ein unbeabsichtigtes Bekenntnis einer kollektivistischen Partei, die die tatsächlich kleinste Einheit der Gesellschaft nicht anerkennt: das Individuum.

Somit erstaunt es nicht, dass die SVP bei Themen der persönlichen Freiheit oft auf der Verbotsseite zu finden ist – beispielsweise beim Verhüllungsverbot – und auch zur elektronischen ID die Ja-Parole beschlossen hat. Beim Thema Bargeld dürfte die SVP ein etwas verlässlicherer Partner sein. Doch wirklich konsequent wirkt die Partei nur in einem Thema, welches kritische Menschen beschäftigt; in der Ablehnung der Machtdelegation an supranationale Organisationen. Vielen wird das nicht genügen, um die Stimme für vier Jahre an die SVP abzugeben. Doch zum Glück haben sich in den letzten drei Jahren Alternativen entwickelt.

Christoph Blochers Albtraum

Während die Freunde der Verfassung eine Beteiligung an Wahlen früh ausschlossen, formierte sich Aufrecht Schweiz als erste Organisation mit dem Ziel, politische Ämter zu erobern. «Aufrecht stellt Kandidaten, welche für Werte wie Selbstbestimmung und Eigenverantwortung stehen.» Während diese Beschreibung durch Klarheit besticht, fällt es schwer, den Verein anhand seines Positionspapiers einzuordnen. Aufrecht möchte als neue Organisation andere Wege gehen als die etablierte Politik. Werte und Konzepte prägen das Positionspapier, welches bei etablierten Parteien aus eindeutig formulierten politischen Forderungen besteht. Es fällt positiv auf, dass das Papier einer freiheitlichen Bildung viel Raum gewährt. Hingegen wird im Kapitel zum Thema Gesundheit eine klare Absage an Zwangsmassnahmen schmerzlich vermisst. Auch wenn kaum befürchtet werden muss, dass Aufrecht-Kandidaten in Zukunft Pandemiemassnahmen unterstützen, wäre ein klares Bekenntnis angebracht; Massnahmenskepsis ist immerhin die Wurzel der Organisation.

Im letzten Teil wird das Aufrecht-Papier konkreter, wenn auch zu Themen, die teilweise auf Jahre hinaus entschieden sind, wie die durch das PMT-Gesetz zementierten Präventivstrafen und die im letzten Jahr ebenfalls direktdemokratisch legitimierte «Widerspruchslösung» zur Organentnahme. Das Papier scheint – trotz deutlicher Abgrenzung vom Corona-Thema – auf eine Politik der vergangenen Jahre ausgerichtet zu sein. Die grossen Zukunftsthemen wie Bargeld, digitale Identität und WHO werden nur am Rande thematisiert oder bleiben – Stichwort Klimapolitik – gänzlich unerwähnt.

Das Bild der verschiedenen Aufrecht-Kandidaten ergibt eine bunte Collage. Es reicht von klassischen Liberalen wie dem Klotener Remko Leimbach bis zu Konservativen wie Robin Spiri aus dem Thurgau. Auch der ehemalige Grüne Kantonsparlamentarier Urs Hans kandidiert für den Verein. Seine Vorstösse im Zürcher Kantonalparlament richteten sich zuletzt gegen die Corona-Politik, gegen die Russlandsanktionen und für die Pressefreiheit. Lange schien es, als bliebe Aufrecht mit seiner farbigen Kandidatenmischung die einzige Organisation, die etablierten Kräften Wählerstimmen aus der massnahmenkritischen Szene abluchsen könnte. Doch dann kam alles anders.

Alternative für die Schweiz?

«Massvoll ist und bleibt ausserparlamentarische Opposition. Es wird keine Wahllisten geben. Und ich selber kandidiere nicht.» Diese Worte von Massvoll-Anführer Nicolas Rimoldi hatten nur wenige Monate Gültigkeit. Die während dem dritten Referendum gegen das Covid-Gesetz erprobte Zusammenarbeit mit den Freunden der Verfassung soll den Erfolg bei den eidgenössischen Wahlen bringen. Der Präsident der Verfassungsfreunde kandidiert eher lustlos unter dem Massvoll-Banner; zum Zeitpunkt, als dieser Artikel verfasst wurde, war Roland Bühlmann nicht mit einer persönlichen Website präsent. Hingegen überzeugt das Programm, welches Massvoll mit gewohnt professioneller Optik auf einer eigens dafür geschalteten Internetseite unter dem Titel «The Great Freeset» veröffentlicht. Es ist in der pointierten Sprache ihres Präsidenten gehalten: «Politische Posten sind von viertklassigen Taugenichtsen besetzt, von charakterlosen Feiglingen und dummen Schwätzern.» Das Programm greift die Themen der letzten drei Jahre in erfrischender Klarheit auf: Der Slogan «Dein Körper – Deine Entscheidung» stammt nicht von Massvoll, aber die prominente Erwähnung im Parteiprogramm schafft Klarheit. Und weiter stellt die violette Organisation klar, dass niemand diskriminiert werden darf, sei es wegen Masken, Impfungen oder Tests. Massvoll bringt auch eigene Themen ins Gespräch und scheut dabei heisse Eisen nicht: Das geforderte Waffentragerecht wird wohl nur von in der Wolle gefärbten Libertären unterstützt.

Neutralität, Meinungsfreiheit und Grundrechte werden im «Great Freeset» souverän abgearbeitet. Auch die grossen Themen der kommenden Jahre erhalten den gebührenden Raum: für Bargeld und eine vernünftige Energiepolitik, gegen den Digitalzwang. An alldem gibt es für kritische Liberale wenig auszusetzen.

Rimoldi spricht sich dafür aus, dass die SVP möglichst keine Wahlunterstützung aus der kritischen Szene erhält: «Die Stimmen müssen in der Bewegung bleiben.» Doch Massvoll postuliert klar, welche politische Organisation die Bewegung aus ihrer Sicht repräsentiert: «Wir sind die einzige Alternative zu den unfähigen Altparteien.» Der vor allem gegen Aufrecht gerichtete Seitenhieb dürfte nicht überall goutiert werden und offenbart das Problem zweier massnahmenkritischer Organisationen, die gegeneinander konkurrieren, statt gemeinsam die kritischen Stimmen einzufangen und ausserhalb der Blase auf Stimmenfang zu gehen. Unsere Gespräche mit den Präsidenten der beiden Organisationen zeugen von einem tiefen Zerwürfnis, das auch auf den Social-Media-Kanälen der Protagonisten dokumentiert ist: Die «violette Truppe verliert gerade jedes Augen-‹Mass› und suhlt sich in medialer Aufmerksamkeit», schreibt Patrick Jetzer und stellt klar: «Aufrecht hat nichts mit Massvoll zu tun. Wir distanzieren uns entschieden von diesem Anbiedern mit Ausländerfeindlichkeit.» Natürlich macht es Massvoll potenziellen Partnern nicht nur einfach – dass nicht alle Mitstreiter Provokationen wie einen Ausflug nach Braunau mittragen wollen, ist nachvollziehbar. Doch im Gespräch mit uns gibt sich Nicolas Rimoldi konziliant: «Wir haben unser menschenmöglichstes für Listenverbindungen mit Aufrecht getan, trotz aller Hinderungsversuche. Wir bleiben offen für Listenverbindungen mit Aufrecht, auch im Thurgau, wo unser Angebot auf dem Tisch von Aufrecht liegt. Aufrecht kann jederzeit auf uns zukommen.»

Eine Annäherung zwischen Aufrecht und Massvoll wäre wohl Voraussetzung, um bei den kommenden Wahlen Vertreter der massnahmenkritischen Bewegung ins Parlament zu hieven. Wenn die kritische Bewegung schon mit zwei Organisationen antritt, müssten diese ihre Kräfte im Minimum durch eine Listenverbindung bündeln. Im Kanton Zürich konnte sich Rimoldi dank dem Schulterschluss mit Aufrecht, der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) und den Schweizer Demokraten (SD) eine sehr Erfolg versprechende Ausgangslage für seinen Einzug ins Parlament sichern. Dieselben Organisationen bündeln im Kanton Bern ihre Kräfte. In einer Medienmitteilung äussert sich der Aufrecht-Vorstand säuerlich zur Zürcher Listenverbindung, die gegen seinen Widerstand zustande gekommen ist; der Aufrecht-Vorstand war geschlossen gegen die Verbindung mit Massvoll, wurde aber von EDU und SD überstimmt.

Inwiefern Aufrecht von der Zusammenarbeit mit der SVP-nahen Organisation Pro Schweiz (ehemals AUNS) profitieren kann, wird sich weisen müssen. Hingegen ist klar, dass die Listenverbindungen zwischen Massvoll und der SVP, die in mehreren Kantonen zustandekommen, vor allem der etablierten Altpartei zugutekommen.

Libertäre, Christen und «regierungszersetzende Projekte»

Welche Alternativen haben kritische Wähler noch? Die Libertäre Partei (LP) verfügt über Erfahrung im Kampf für radikale Freiheitspositionen und formuliert wohl auch deshalb zurückhaltendere Ziele. Die Positionen beweisen ein fundiertes Verständnis libertärer Philosophie; die LP stellt das Nichtaggressionsprinzip in das Zentrum ihrer Positionen und fordert, dass der Staat nur Rechte wahrnehmen darf, welche dem Individuum auch zustehen. Den Exponenten der Partei dürfte klar sein, dass solche naturrechtlichen Positionen in direktem Widerspruch zur Beteiligung an Parlamentswahlen stehen. Entsprechend weichen die Positionen in diesen Punkten von libertären Grundfesten ab; gefordert werden Minimalstaat, Föderalismus und Demokratie. Womöglich ist diese Mischung zu libertär für die allermeisten und zu freiheitsfeindlich für echte Liberale wie Edward Konkin III, der libertäre Parteien als «Antikonzept libertärer Ziele durch staatliche Mittel» bezeichnete. Unbeeindruckt von Konkin treten in Zürich ganze 23 Libertäre mit dem sympathischen Slogan «Nöd haue. Nöd chlaue» zu den Nationalratswahlen an. Angeführt wird die Liste vom ebenso sympathischen Parteipräsidenten Martin Hartmann, der hauptberuf lich in der Kryptobranche tätig ist.

Zu Unrecht geht oft das verdienstvolle Engagement der EDU gegen die Pandemiemassnahmen vergessen, die sich schon in der ersten Abstimmung gegen das Covid-Gesetz zur Wehr gesetzt hat. Das Positionspapier der EDU fordert eine Aufarbeitung der Covid-Politik. Im Kanton Bern tritt mit Andy Gafner ein Bisheriger zu den Nationalratswahlen an. Er hat im Parlament als Mitglied der SVP-Fraktion das Covid-Gesetz abgelehnt und das PMT-Gesetz angenommen. Die EDU ist eine Option für Wählerinnen und Wähler, die christliche Werte höher gewichten als konsequenten Liberalismus.

Nebst unabhängigen Kandidaturen wie jener von Marco Rima, der im Kanton Zug für den Ständerat kandidiert, oder von Josef Ender, der für den Kanton Schwyz in den Nationalrat will, bleibt noch die von Daniel Stricker gegründete Freiheitspartei. Auch sie zielt auf den Minimalstaat ab: mit klaren Forderungen, die Notrecht effektiv verhindern würden, dem Ziel der Abschaffung aller Subventionen, gegen neue Ausgaben und Medienförderung und für eine kontinuierliche Budgetreduktion bei den Behörden. Doch Parteipräsident Stricker erteilt Hoffnungen auf eine diesjährige Wahlbeteiligung der Freiheitspartei eine Absage. Auf unsere Anfrage lässt er ausrichten: «Die Freiheitspartei möchte nicht Teil des derzeit stattfindenden Niedergangs der Bewegung sein. Wir treten darum nicht zu den Wahlen im Herbst an, sondern fokussieren uns auf regierungszersetzende Kultur- und Satireprojekte. Sobald aber die in der Bewegung kultivierte Politik der verbrannten Erde abgeschlossen ist, wird die Freiheitspartei der Phönix sein, der sich mit kräftigem Flügelschlag aus der Asche erhebt.»

Vielleicht wird sich stattdessen aber die Erkenntnis durchsetzen, dass Politik nicht die Lösung ist, sondern das Problem. Stefan Millius, der in St. Gallen für Aufrecht kandidiert, hat dazu aufgerufen, dem System noch einmal eine Chance zu geben: «Wenn das nicht klappt, wenn dieses Angebot nicht auf Anklang stösst, kann man sich immer noch aus dem System ausklinken oder auswandern. Aber im kommenden Herbst sollten wir es noch einmal auf diese Weise versuchen. Denn dann werden wir wissen, ob genügend Menschen in diesem Land bereit sind, einzustehen für den dringend nötigen Wandel.» ♦

von Michael Bubendorf


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Briefwechsel mit Richard Koller

Betreff: «Bargeld ist Freiheit und kein Fiat-Zwang»

Lieber Richard

Vor einigen Wochen hat das Anliegen der Bargeld-Initiative unerwartet Schützenhilfe vom Bundesrat erhalten, der einen Gegenentwurf zur von der «Freiheitlichen Bewegung Schweiz» angeführten Initiative ausarbeiten will. Diese erste Bargeld-Initiative ist ein ordnungspolitisches Vorzeigeprojekt: Kurz, klar und knackig formuliert, nimmt die Initiative den Staat an die Leine und fördert so die Individualrechte gegenüber dem Staat. Diese Initiative hat das Potenzial, den gefährlichen Flirt der Mächtigen mit der Bargeldabschaffung zu beenden, was die Einführung eines Orwellschen Überwachungsstaats nachhaltig behindert. Dafür gebührt dir und den weiteren Initianten Dank und Respekt.

Nun hast Du mit weiteren Initianten die zweite Bargeld-Initiative auf den Weg gebracht. Leider ist sie das exakte Gegenteil der ersten Initiative: Umständlich und ausführlich formuliert, hat sie das Ziel, die Bürger des Landes an die Kandare zu nehmen, sie gibt dem Staat Zwangsinstrumente gegen die Bürger des Landes an die Hand und würde zur buchstabengerechten Durchsetzung eine engmaschige Überwachung sämtlicher Transaktionen durch den Bund erfordern. Zeigt sich hier einmal mehr, dass wir zu dem werden, was wir bekämpfen? Die zweite Bargeld-Initiative ist eine der freiheitsfeindlichsten Vorlagen, über die das Volk je zu befinden hatte.

Sämtliche Transaktionen von Dienstleistern in der Schweiz sollen also mit Bargeld bezahlt werden können. Das ist eine ungeheuerliche Anmassung. Wenn ein Mensch mit der Kraft seiner Hände oder seines Geistes ein Produkt herstellt, dann sollte es diesem Menschen – und ihm allein – überlassen sein, gegen welchen Wert er die Früchte seiner Arbeit eintauschen will. Es ist nicht Aufgabe des Staates oder des Stimmbürgers, ihm dies vorzuschreiben. Wenn der Bäcker seine Brötchen lieber gegen Kartoffeln oder Silber tauschen möchte als gegen den Schweizer Franken, dann soll er das Recht dazu haben.

Besonders ironisch erscheint mir, dass es dieselben Menschen sind, die – vollkommen zu Recht – das Fiat-Geldsystem kritisieren und gleichzeitig ihre Mitmenschen zur Teilnahme an diesem kranken System zwingen wollen. Man muss geradezu hoffen, dass das Fiat-Geldsystem zusammenbricht, bevor die zweite Bargeld-Initiative angenommen wird. Sonst wären wir gezwungen, kostbare Güter und qualitativ hochstehende Dienstleistungen gegen ein vollkommen wertlos gewordenes Papiergeld einzutauschen.

Persönlich bin ich ein grosser Fan von Bitcoin. Aber ich würde nie jemanden dazu zwingen wollen, Bitcoin zu nutzen. Das beste Geld soll sich in Zukunft im freien Markt durchsetzen können, nicht mit politischem Zwang.

Viele Grüsse, Michael Bubendorf

*

Lieber Michael

Vielen Dank für deinen Brief, welcher aufzeigt, dass unser Verständnis der gegenwärtigen Geschehnisse und der Bargeld-Initiativen unterschiedlich ist …


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Grüne Politik und rote Linien

Interview mit Laura Grazioli

Bereits zum zweiten Mal bewegt Laura Grazioli die Gemüter. Die Baselbieter Landrätin der Grünen hat wenig Berührungsängste, vertritt Meinungen, die im Mainstream unpopulär sind und erntet dafür Lob und Kritik. Welche Ziele verfolgt die 38-jährige Biobäuerin, was ist ihr Antrieb und woraus schöpft sie Kraft und Gelassenheit?

Wir trafen Laura Grazioli in Sissach zum Interview. Obwohl die Landwirtin und Politikerin eine mutige Kämpferin für Debattenräume ist, konnten wir auch mit ihr nicht über alle Themen sprechen, die uns interessiert hätten. Aber wir lernten eine differenzierte, intelligente und spirituell interessierte Frau kennen, die den Kampf für die Grundrechte auch in Zukunft in den Institutionen führen möchte.

«DIE FREIEN»: Laura, wie geht es dir?

Laura Grazioli: Ich habe gerade ein wenig ein Tief hinter mir, aber jetzt geht es mir wieder recht gut. Wenn so ein grosser Sturm über mich hinwegzieht, wie es gerade wieder der Fall war, dann fühle ich mich wie getragen und auch beschützt und habe grosses Vertrauen. Es ist schwer zu beschreiben, ich bin dann einfach so präsent in diesem Moment, auch wenn er einige Wochen dauert und kann viel Energie aufbringen. Diese Intensität kann ich aber nicht dauerhaft aufrechterhalten, so dass mich nach dem Sturm jeweils ein Tief erfasst. Ich brauche dann etwas Rückzug und Normalität.

Man bezahlt einen Preis für die hohe Intensität?

LG: Ja und Nein. Es ist ein bisschen wie beim Sport. Man braucht nach der Anstrengung Erholung, wird dadurch aber stärker.

Die erste solche intensive Zeit begann für dich mit der Einführung des Zertifikats. Vorher bist du öffentlich nicht als massnahmenkritisch aufgefallen. Beim Zertifikat war dann deine rote Linie überschritten und du hast begonnen, dich deutlich kritisch zu äussern. Dadurch bist du parteiintern und bei politisch Verbündeten in starken Gegenwind geraten.

LG: Für mich war das echt spannend. Ich stand den Corona-Massnahmen von Anfang an kritisch gegenüber, doch dann wurde ich zum zweiten Mal schwanger. Mir war während der ganzen Schwangerschaft schlecht und das hat mich so viel Energie gekostet, dass ich mich überhaupt nicht mit der Aussenwelt beschäftigen konnte. Erst als meine zweite Tochter zur Welt kam, lief der Corona-Film bei mir ab und die ganze Tragweite der Massnahmenpolitik kam bei mir an. Wie viele andere musste ich eine richtige Trauerphase durchmachen und Abschied nehmen von der Welt, wie ich sie kannte. Als ich mich kritisch zu äussern begann, war der Gegenwind tatsächlich gross. Das war nicht immer lustig, aber mittlerweile kann ich gut damit umgehen, weil ich auch gelernt habe, die ganzen links-rechts-Kategorisierungen besser einzuordnen. Diese sind heute für mich komplett irrelevant geworden. Ich habe mittlerweile gute Freunde und enge Verbündete in den verschiedensten Parteien.

Ist das die berüchtigte Querfront?

LG: Ja, vielleicht ist das so.

Du schienst angesichts des riesigen Drucks, den Medien und Parteifreunde auf dich ausübten, immer gelassen zu bleiben. Täuscht dieser Eindruck?

LG: Nein, diese Gelassenheit hatte ich wirklich. Ich war mit den möglichen negativen Konsequenzen jederzeit im Frieden, sie waren und sind für mich fast irrelevant. Was ist denn das Schlimmste, das mir passieren kann? Dass ich aus der Partei geworfen werde oder dass ich in der Öffentlichkeit komplett diskreditiert wäre. Natürlich hätte das Einfluss auf mein Leben, aber ich könnte auch mit diesem schlimmstmöglichen Szenario umgehen.

Du wurdest auch schon als künftige Regierungsrätin gehandelt. Würde dich das reizen?

LG: Ja, schon. Aber es wäre überhaupt nicht vereinbar mit dem Betrieb auf dem Hof, und fast gar nicht vereinbar mit meinen Aufgaben als Mutter zweier kleiner Kinder. Daher ist es nichts, was ich jetzt unmittelbar suche. Und jetzt wird mir ja ohnehin gesagt, dass dieser Zug abgefahren sei. Daher lohnt es sich gar nicht, Energie für solche Ambitionen zu verschwenden.

Was würde dich daran interessieren, zu regieren?

LG: Lösungen finden, Ausgleich schaffen, moderieren. Die Arbeit im Hintergrund mache ich derzeit als Kantonsparlamentarierin am liebsten, vor allem im Finanzkommissionspräsidium kann ich konstruktiv arbeiten. Die Aufgaben als Regierungsrätin gingen noch weit darüber hinaus und eröffnen natürlich auch viel mehr Gestaltungsspielraum.

Wie würdest du diesen Spielraum nutzen? Was sind ganz allgemein deine Ziele als Politikerin?

LG: Ich habe nie zu dem harten linken Flügel der Partei gehört. Aber …

von Michael Bubendorf

***

Laura Grazioli ist Grünen-Landrätin im Kanton Basel-Landschaft. Sie hat Internationale Beziehungen
studiert und arbeitete anschliessend als Exportberaterin. Nach einer landwirtschaftlichen Zusatzausbildung arbeitet sie seit 2021 Teilzeit als Biobäuerin. Die zweifache Mutter lebt in Sissach.


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Ich bitte zum Tanz

«Können Sie uns wenigstens Ihren Namen nennen?» Die Frage kam vom Polizisten, der den bad cop machte. Untersetzt, etwas ungepflegt, dauergenervt. Für einen kurzen Moment rang ich mit mir selbst. Irgendwann möchte ich den Weg bis zum Ende gehen. Herausfinden, was passiert, wenn man sich komplett verweigert. Schauen, was sie auffahren können, wenn man wirklich nicht mehr mitspielt; Leibesvisitation, Isolation, eingesperrt in einer kleinen Zelle, ohne zu wissen, wann es enden wird. Eines Tages werde ich die ganzen Demütigungen ertragen, weil es – seien wir doch ehrlich – der einzige Weg ist, seine Würde in der Auseinandersetzung mit dem Staat zu bewahren. Aber jetzt war ich auf dem Weg zu einem Anlass vom Liberalen Institut und draussen wartete ein Freund von mir. Der Tag war noch nicht gekommen. Ich nannte meinen Namen. Und beantwortete auch die nächste Frage nach meinem Geburtsdatum.

«Adresse?», maulte mich der bad cop an. Ruhig blickte ich ihm ins Gesicht und lächelte. «Jetzt haben Sie so einen schlauen Computer und da fragen Sie mich nach meiner Adresse? Finden Sie das gefälligst selbst heraus.»

Neben ihm stand ein zweiter Polizist, lange lockige Haare, könnte auch bei einer Reggae-Band mitspielen. Er fand die Szene eher unterhaltsam, lächelte. Der good cop. Die machen das tatsächlich. Psychospiele des Staates. Dazu gehören wohl auch die blauen Handschuhe, die der Polizist anzog, als ich von den zwei Bahnpolizisten in den Raum geführt wurde.

Mein Fehler an diesem Tag war, dass ich auf der Website der SBB ein E-Ticket gelöst hatte. Das hatte ich schon oft getan und beim Feld «Name» hatte ich stets etwas Kreativität walten lassen; ans Konzert von Roger Waters vor einigen Wochen reiste ich unter dem Namen des ehemaligen Pink Floyd-Frontmanns. Ich war aber auch schon als Donald Duck oder Johnny Cash unterwegs. Möglicherweise hatte ich damit heute zum ersten Mal Probleme, weil ich auf einen besonders eifrigen Kontrolleur stiess. Oder lag es daran, dass ich sonst immer in der ersten Klasse reise? Vielleicht werden die Menschen in der zweiten Klasse, mit denen ich und mein Freund heute nach Zürich fuhren, vom Zugpersonal anders behandelt, so quasi als Menschen zweiter Klasse?

Keine Lachfalte zierte das teigige Gesicht des Kontrolleurs, der verdriesslich mein Billett studierte. An der Stelle des Namens hatte ich heute korrekt und zutreffend «Anonymer Fahrgast» eingetragen. «Darf ich bitte einen Ausweis sehen?», fragte mich der Kontrolleur. Meine Antwort war kurz: «Nein.» Ich liebe dieses Wort.

Warum will die SBB den Namen des Reisenden wissen? Tickets aus dem Automaten sind ja auch anonym. Statt meine Fragen zu beantworten, hat mich die Pressestelle der SBB an die Branchenorganisation Alliance SwissPass weitergeleitet. Diese hält fest, dass Billetts aus dem Automaten auf fälschungssicherem Wertpapier gedruckt werden und E-Tickets personalisiert sind, um sicherzustellen, dass nur die Person, die das E-Ticket gekauft hat, es benutzt.

Das macht keinen Sinn. Auf E-Tickets ist ein QR-Code aufgedruckt. Das System der SBB würde eine Mehrfachbenutzung sofort erkennen. So verhindern andere Dienstleister Betrug; vom Konzertveranstalter im Hallenstadion bis zum Dorftheater Hinterguggisberg. Funktioniert tadellos. Meine diesbezügliche Rückfrage liess Alliance SwissPass unbeantwortet. Es geht der SBB offensichtlich um etwas anderes: Um Daten. Bereits heute werden Passagiere von der SBB mit über 700 Kameras in den Bahnhöfen gefilmt. Dazu kommen die Kameras in den Zügen. Und künftig will die SBB «das Pendlerverhalten» noch genauer erfassen: Mit Gesichtserkennungskameras.

Ich hatte mich getäuscht, als ich dachte, dass das verdriessliche Kontrolleurgesicht nicht noch verdriesslicher werden könnte. Wenn ich keine ID zeige, werde er jetzt die Bahnpolizei rufen, drohte der Kontrolleur. «Dann machen Sie das doch. Von mir erhalten Sie keinen Ausweis. Ich habe ein Billett bezahlt und sehe keinen Grund, mich auszuweisen.»

Am Hauptbahnhof in Zürich standen die beiden Bahnpolizisten bereit. Beim Aussteigen begrüssten sie mich mit einem energischen «Guten Tag», das mich offensichtlich hätte einschüchtern sollen. Zu ihrer Überraschung ging ich an ihnen vorbei meines Weges, ohne Eile und gänzlich unbeeindruckt von den tätowierten Armen in der schicken Uniform.

«Halt! Halt!», riefen sie mir überrascht nach, «können Sie bitte mal stehen bleiben?». Konnte ich nicht, ich ging gemütlich weiter meines Wegs. Stehen blieb ich erst, als mich der Polizist physisch daran hinderte, weiterzugehen. Dazu musste er sich vor mich stellen und seine Hand gegen meine Brust drücken. Da war es also wieder: Das Gewaltmonopol, das es erlaubt, mit physischer Gewalt gegen friedliche Menschen vorzugehen.

«Was fällt Ihnen ein, mich aufzuhalten?», fragte ich den Bahnpolizisten. «Ihren Ausweis, bitte», antwortete der Polizist. Da er die Hand senken liess, setzte ich wortlos und gemütlich meinen Weg fort. «Halt, bleiben Sie stehen!», riefen mir die beiden erneut nach, holten mich schnell ein und hielten mich an den Armen fest.

Um es kurz zu machen: Auch die beiden Bahnpolizisten sahen keinen Ausweis von mir und führten mich deshalb auf den Polizeiposten, wo auch die Kantonspolizisten vergeblich einen Ausweis von mir forderten. Mir hat das ganze Spektakel ziemlich Spass gemacht und ich darf mir zugutehalten, dass ich mit der Aktion Steuergelder verschwendet habe. So kann der Staat mit dem Geld nichts Dümmeres tun, was mich ein bisschen vom schlechten Gewissen entlastet, das ich aufgrund meiner feigen Steuerzahlung immer mit mir herumtrage.

Es geht aber um eine ernste Sache. Die Schlinge, die der Staat um unseren Hals legt, zieht sich immer enger zu. Anonymität erschwert die Durchsetzung staatlicher Regeln, weshalb sie komplett abgeschafft werden soll. Die Zukunft liegt klar und deutlich vor uns: Nur wer über die gerade erforderlichen Gesundheitszertifikate verfügt und einen ausreichenden Kontostand in seinem CO₂-Budget hat, kann sich bewegen, mit seinem digitalen Zentralbankgeld kaufen, was der Staat zulässt und verkaufen, was die Behörden bewilligt haben. Oder anders ausgedrückt: «Denn es wird niemand kaufen oder verkaufen können, es sei denn, er habe das Malzeichen, den Namen des Tiers oder die Zahl seines Namens.»

Eine Chance, uns all dem zu entziehen, besteht darin, uns ganz einfach zu widersetzen. Dazu braucht es gar nicht so viel, wie meine Reise nach Zürich zeigt. Ich erhalte womöglich eine Busse; ob ich die bezahlen werde, mache ich davon abhängig, ob ich dann noch gute Energie und Freude an der Auseinandersetzung habe. Es ist gar nicht nötig, verbissen zu werden. David Icke propagiert den «Non-Comply Dance». Also den Ungehorsamstanz; der lässt sich mit Lebensfreude tanzen, mit Freude und Spass an der Sache. Und selbstverständlich sollten wir immer die sein, die keine Gewalt anwenden, denn das ist genau der Punkt, in dem wir uns vom Staat und seinen Vasallen unterscheiden – ob es nun Bahnkontrolleure, Bahnpolizisten oder Kantonspolizisten sind. Ich bitte also zum Tanz.

Künftig jedenfalls werde ich meine Tickets am Automaten erstehen. Das ist ja eine praktische Lösung, und so kann ich weiterhin anonym reisen. Und zwar genau bis ins Jahr 2035. Dann werden die Billettautomaten an Bahnhöfen und Bushaltestellen abgeschafft; sie sind angeblich zu teuer. Die Schlinge wird sich dann nochmals zuziehen, wie die Alliance SwissPass bestätigt: «Wer dann Zug oder Bus fahren will, muss sein Ticket digital kaufen.» ♦

von Michael Bubendorf


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Faustdicke Überraschung für Bargeld-Initiative!

Die Medienmitteilung des Bundesrats vom 17.05.2023 ist eine faustdicke Überraschung: Statt die Anliegen der Volksinitiative «Bargeld ist Freiheit» komplett zu verwerfen, will der Bundesrat einen Gegenentwurf erarbeiten.

«Der Bundesrat anerkennt die wichtige Bedeutung von Bargeld für Wirtschaft und Gesellschaft (und) ist bereit, diese Anliegen von Gesetzes- auf Verfassungsstufe zu heben, um deren Bedeutung zu unterstreichen.»

Etablierte Politiker äusserten sich gegenüber dem Anliegen der Bargeld-Initiative bisher kritisch bis ablehnend. So liess die SP-Politikerin Sara Wyss verlauten: «Es gibt überhaupt keine Bestrebungen, das Bargeld abzuschaffen.» Und die Baselbieter FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger fand es nicht notwendig «hier parlamentarisch oder mit einer Initiative korrigierend einzugreifen».

Anders sieht das offenbar der Bundesrat. An der Initiative kritisiert er einzig eine zu wenig präzise Formulierung, weshalb der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement beauftragt, eine Vernehmlassungsvorlage für diesen direkten Gegenentwurf auszuarbeiten.

Mit der bundesrätlichen Schützenhilfe scheint die Aufwertung des Bargelds von Gesetzes- auf Verfassungsebene gesichert. Hingegen überrascht der Hinweis zur unpräzisen Formulierung, handelt es sich bei der Bargeld Initiative doch um eine vorbildlich kurze und klare Initiative. Die Initianten rund um die Freiheitliche Bewegung Schweiz und die Bürgerrechtsbewegung werden den Gegenvorschlag der Regierung sicherlich mit Argusaugen prüfen. ♦

von Michael Bubendorf


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Agorismus – Freiheit in der Schattenwirtschaft

Skepsis gegenüber -ismen ist angebracht. Manche -ismen zielen darauf ab, dass der Mensch sich ändert und einer Idee anpasst. Wohin das führen kann, ist bekannt: Staatsterror, Hungersnot, Genozid und Krieg waren allzu oft das Ergebnis.

Beim Agorismus ist es genau umgekehrt: Er beschreibt Handlungen, die seit Menschengedenken stattfinden und oftmals das Überleben jener sicherte, die von anderen -ismen bedroht wurden; beispielsweise vom Nationalsozialismus oder seiner Schwester, dem Kommunismus. Der Agorismus beschreibt die Teilnahme am Markt jenseits des staatlichen Einflusses. Ein Verhalten, wie es der menschlichen Natur entspricht; Ludwig von Mises hat es in «Human Action» beschrieben. Dieses zielgerichtete menschliche Handeln findet seit Menschengedenken auf verschiedenen Märkten statt.

Fasern im Henkersstrick

Den Begriff Agorismus hat Samuel Edward Konkin III geprägt, eine einzigartige, kuriose Persönlichkeit. Konkin kam 1947 in der kanadischen Provinz Saskatchewan zur Welt. In seinen jungen Jahren hätte man ihn als Sozialist bezeichnen müssen. Über die Werke von Robert A. Heinlein, Ayn Rand und Ludwig von Mises fand er zum Libertarismus. Sein Schaffen als libertärer Impulsgeber war entscheidend geprägt vom grossen anarchokapitalistischen Denker Murray Rothbard.

Als Konkin sein neues libertäres Manifest veröffentlichte, richtete er sich an Menschen, die keinen Zweifel an der Natur des Staats mehr haben und welche die «Bande aller Banden, die Mafia allen organisierten Verbrechens, die Verschwörung aller Verschwörungen» in aller Deutlichkeit wahrnehmen: «Der Staat ist eine Institution des Zwangs, die Unmoral zentralisiert, Diebstahl und Mord anordnet und eine Unterdrückung koordiniert, die sich gewöhnliche Kriminelle nicht einmal vorstellen können.» Eindrückliche Beweise für diese These ins Feld zu führen, fällt dem libertären Geist Konkins leicht: Allein im 20. Jahrhundert wurden in staatlichen Kriegen mehr Menschen ermordet als je zuvor; Steuern und Inflation haben mehr Wohlstand vernichtet, als zuvor produziert wurde, was in der globalen Verschuldung Ausdruck findet. Um sein eigenes Überleben zu sichern, hat der Staat dem Verstand der Menschen mehr Schaden zugefügt als jeder Aberglaube zuvor – mit politischen Lügen, Propaganda und vor allem mit vermeintlicher Bildung …

von Michael Bubendorf


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Die Kritik und ich

«Also, ich drücke jetzt den Knopf, dann geht der Artikel online. Bist du sicher, dass ich drücken soll?» Prisca wusste, was uns bevorstand, schon bevor sie unseren Artikel «Das Najadi-Phänomen» online stellte.

Rückblende. Im April 2021 sass ich bei Telebasel Claude Bühler gegenüber und entblösste seine unverschämte Diffamierung der Bürgerrechtsbewegung. Die Reaktionen hätten nicht unterschiedlicher ausfallen können. Respektlosigkeit und schlechter Stil wurden mir auf der einen Seite vorgeworfen, während ich auf der anderen Seite auf Kundgebungen um Selfies gebeten wurde. Ich fand beides übertrieben. Ich sah mich eher wie das von Paulo Coelho beschriebene «Werkzeug», wie jemand, der einfach die Wahrheit sucht und sich dafür weder zu brüsten, noch zu schämen braucht.

Weitere öffentliche Auftritte folgten: «Tagesschau», «10 vor 10», «Arena», «Club». Das Muster der Reaktionen blieb dasselbe und reichte von handfesten Morddrohungen («21 Kugeln in den Kopf») bis hin zu glühender Verehrung («Wir brauchen 7 Bubendorfs im Bundesrat»). Ich misstraute dem kleinen bisschen Ruhm, der mir eine Zeit lang zuflog, doch streichelte es auch mein Ego, und ich gebe zu, dass ich das auch genoss. Gleichzeitig setzte mir die heftige Kritik zu. Es war ein Wechselbad der Gefühle. Ich wusste, dass weder Verehrung noch Verdammung berechtigt waren und lernte, auf der Achterbahn der Gefühle weniger mitzufahren. Denn wer mit hochfährt, muss auch wieder runterrasen. Die Flughöhe entspricht immer der Fallhöhe. Ich entschied, meinen Weg unbeirrt von Kritik oder Zustimmung zu gehen und der Wahrheit treu zu bleiben – was schwieriger ist, als es sich anhört. Ich befreite mich, so gut ich konnte, vom Urteil anderer.

Die Heftigkeit der Reaktionen erkläre ich mir damit, dass ich einerseits Führungspersonen attackierte und andererseits dadurch selbst zu einer wurde. Viele empfanden Alain Berset und den restlichen Pandemieapparat als Autoritäten, fast schon als Vaterfiguren. Das war kein Zufall und wurde medial befeuert. Viele Menschen reagierten auf meine Kritik am Gesundheitsminister so, als hätte ich ihre Eltern angegriffen. Interessant war, dass ich fast gar keine inhaltliche Kritik erhielt. Kaum ein Tadel bezog sich auf die von mir präsentierten Fakten, auf die Studien, die ich zitierte oder auf die Beweise, die ich dafür vorbrachte, dass die Pandemieautoritäten brandschwarz gelogen haben. Es ging fast immer nur um Befindlichkeiten: Wer ich denn sei, einen Bundesrat zu kritisieren, woher ich mir als Unternehmer das Recht nehme, einen Professor zu kritisieren, und dass Bundesrat und Task Force es doch gut meinen, auch wenn sie mal falschliegen.

Knapp zwei Jahre später drückte Prisca den Knopf, und der Artikel «Das Najadi-Phänomen» war im Feld, wurde geteilt und geklickt wie noch keiner unserer rund 150 zuvor veröffentlichten Artikel. Wir hatten einen Nerv getroffen. Und die erwarteten Reaktionen folgten auf dem Fuss: «Was wollt ihr mit diesem Artikel erreichen?» «Und ihr nennt euch frei?» «Unglaublich». «Schockierend». «Herablassend». «Diffamierung.» Und sogar: «Hetze».

Und auch hier wieder die Gegenseite: «Ihr habt den Nagel auf den Kopf getroffen.» «Vielen Dank für euren Mut und euer Engagement.» «Wofür ihr Kritik bekommt, ist mir ein Rätsel.» «Ihr macht es genau richtig.» «Danke für eure Auffassung von Journalismus.» «Ihr seid zurzeit die Einzigen, die echten Journalismus betreiben und menschlich und fair bleiben. Danke.» Daniel Stricker und Marco Caimi bezogen öffentlich Stellung für unsere Arbeit und zogen beide den Vorwurf des «Rampenneids» auf sich. Mehrere Vorstandsmitglieder von Aletheia bedankten sich persönlich bei uns für den Artikel, während im Verein, der nach der Göttin der Wahrheit benannt ist, ein verblüffend heftig geführtes Wortgefecht über Nebenschauplätze unserer Enthüllungen tobte.

«Bereite dich auf den Sturm vor», schrieb ich Prisca am Morgen vor der Veröffentlichung. Und doch überraschte mich die Heftigkeit der Kritik und auch die Menge an Voten, die uns kritisierte. Es dauerte einen Moment, bis wir realisierten, dass es eine Handvoll User waren, die die Telegram-Chats fluteten und jeden positiven Kommentar auf unsere Recherche niederschrien. Irgendwann griff Prisca entnervt zum Handy, schrieb den gehässigsten User an, der sich hinter dem Pseudonym «David» versteckt, und forderte ein Gespräch. Doch der Mann, der hinter der Tastatur so mutig austeilt, scheute das Telefongespräch mit Prisca, lehnte ab und zündelte online weiter. Das ging so weit, dass sich Leser aus den Chats verabschiedeten. Ein Abonnent, der sich herzlich für unseren Text bedankte, erklärte seinen Rückzug aus den Chats mit den «vielen primitiven Kommentaren, die haben mich richtig schockiert». Ist das dieselbe Bewegung, die drei Jahre pausenlos den Untergang der Debattenkultur beklagte?

Aus anderen Gründen war auch ich schockiert: Weil die Reaktionen auf unsere Kritik an Pascal Najadi eine perfekte Kopie jener Reaktionen war, die auf meine Kritik an Alain Berset eingingen. Wieder machte sich niemand die Mühe, auf unsere Argumente einzugehen. Nicht einmal Herr Najadi selbst greift in seiner von uns veröffentlichten Gegendarstellung unsere konkrete Kritik auf, er verliert sich stattdessen in Beanstandungen über unseren Schreibstil und in argumentfreien Anschuldigungen. Für die Beweise, die wir für Herrn Najadis Lügen vorlegten, interessierten sich weder deren Absender noch seine Unterstützer. Auch dass Herr Najadi als «ehrenwerter Richter» ein bizarres «Tribunal» veranstaltete und verbreitete, dass Xi Jinping und Klaus Schwab aufgrund seines Urteilsspruchs verhaftet würden, schmälert die Begeisterung mancher Najadi-Befürworter in keiner Weise. Stattdessen drehten sich ihre Argumente um die «Tonalität» unseres Artikels, wobei nie konkretisiert wurde, welche unserer Formulierungen unanständig seien. Ich kann bis heute keine finden – dank Prisca war der Text zurückhaltend und höflich formuliert. Auch wurde uns erklärt, dass Herr Najadi Menschen erreiche, die sich ausserhalb der Bubble aufhalten. Zwar werden für diese Behauptung keinerlei Beweise vorgelegt, aber der angebliche Ausbruch aus der Blase genügt vielen Bürgerrechtlern als Rechtfertigung für Lügen und Täuschungen.

Und immer wieder: der Vorwurf der Spaltung. Jede kritische Auseinandersetzung innerhalb der Bewegung wird als spaltend gesehen. Das ist offensichtlicher Unsinn. Konflikte sind nährend und reinigend für die Gesundheit jeder Gemeinschaft, das zeigt auch ein Blick in die Geschichtsbücher: Wo wäre die Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner hingekommen ohne den Konflikt, den ihre so gegensätzlichen Identitätsfiguren Martin Luther King und Malcolm X öffentlich austrugen? So viel Dissonanz muss aushalten können, wer der globalen Machtelite Paroli bieten will.

Dass auch wir Neojournalisten noch eine viel dickere Haut brauchen, zeigen uns die Geschichten von Journalisten, denen wir bedeutende Enthüllungen verdanken. Als Dan McCrum den Wirecard-Skandal aufdeckte, geriet er während seiner Recherchen unter massiven Druck seines Arbeitgebers, der Financial Times. Politiker setzten ihr Netzwerk in Bewegung, um McCrum von seiner Arbeit abzuhalten, ja selbst professionelle Schläger wurden auf den Journalisten angesetzt, um ihn zu bedrohen. McCrum blieb unbeirrt, zerrte die Wahrheit ans Licht und brachte das Lügengebäude von Wirecard zum Einsturz. Erst seit sich die Wahrheit über den Finanzdienstleister auf breiter Front durchsetzte, wird McCrum gefeiert. Bis dahin fand er sich in einem regelrechten Sturm der Kritik. Weniger Glück hatte Gary Webb, der die Verbindungen zwischen Drogenkartellen und der CIA aufdeckte. Er beging angeblich «Suizid», indem er sich zweimal (!) in den Kopf schoss. Ich möchte unsere Najadi-Geschichte nicht mit den wichtigen Enthüllungen dieser grossen Journalisten vergleichen, sondern von ihnen lernen, dass kritischer Journalismus entgegen der allgemeinen Wahrnehmung anfänglich selten auf Begeisterung stösst und immer Kritik auslöst.

Fundierte Kritik an unserer Arbeit über Pascal Najadi nehmen wir an, wir wachsen daran. So war das Videointerview wirklich schlecht. Es war ein Fehler. Najadi entschied sich während des Gesprächs für eine Videoaufzeichnung; das war vorher nicht vereinbart. Wir hatten die Chance, das zu verhindern, wir hätten ganz einfach auf unserer Abmachung beharren können. Ich hatte alle meine Fragen bereits gestellt und fand es seltsam, ein zweites Interview für die Öffentlichkeit anzuhängen. Prisca und ich agieren im Video gekünstelt, unauthentisch, schwach. Es ist mir ein Rätsel, weshalb zwei Starrköpfe wie wir nicht die Kraft und den Mut aufbrachten, Herrn Najadi für die Aufzeichnung eine Absage zu erteilen. Nun, wir sind neu im Geschäft, gestehen uns Fehler zu und lernen daraus. Wichtig ist uns, dass wir bei der Wahrheit bleiben, und das ist uns gelungen; keine einzige unserer Aussagen konnte widerlegt werden.

Lügen und Täuschungen können nicht zu Freiheit führen, im Gegenteil werden sie den Weg zur Freiheit verlängern und erschweren. Wer mich dafür beglückwünscht, dass ich Bersets Lügen offengelegt habe, mich aber verdammt, wenn ich dasselbe bei Herrn Najadi tue, dem werfe ich inkonsistentes Denken vor. Und was nicht konsistent ist, ist sinnlos und ein Betrug. Das sagte Samuel Edward Konkin III., der folgerte: «Inkonsistenz aufzuzeigen ist die wichtigste Aufgabe des libertären Denkers.» Genau das werde ich weiterhin tun. Völlig unabhängig davon, wer der Absender von Lügen und Täuschungen ist. Und auch unabhängig davon, wie viele Menschen mir auf diesem Weg folgen.

Wir würden Abonnenten und Follower verlieren, wurde uns in den letzten Tagen oft prophezeit. Geschehen ist das Gegenteil. Doch darum geht es nicht. Denn wir brauchen niemanden, der uns folgt, solange wir der Wahrheit folgen. ♦

von Michael Bubendorf


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Berset zu beschäftigt für die «Arena»

Am 16. Dezember 2022 hat das Parlament das Covid-Gesetz zum wiederholten Male als «dringlich» erklärt und damit demokratische Prozesse unterlaufen. Das ewig-dringliche Gesetz hat seinen Ursprung in den Notverordnungen zur Bekämpfung der «Corona-Pandemie».

Angesichts so viel dringlicher Not handelt es sich bei der Verlängerung des Covid-Gesetzes sicherlich um eine Angelegenheit allerhöchster Priorität. Da erstaunt es, dass der zuständige Bundesrat Alain Berset keine Zeit findet, an der «Abstimmungs-Arena» zum dringlichen Notgesetz teilzunehmen. Der Redaktion von «DIE FREIEN» liegt Korrespondenz vom SRF vor, wonach Herr Berset «aus terminlichen Gründen leider nicht an der Sendung teilnehmen kann».

Aus dem Schreiben geht nicht hervor, an wen der Chef des zuständigen Bundesamtes die mittlerweile dritte Verteidigung des dringlichen Gesetzes delegiert. Ebenfalls ist nicht bekannt, welche Verpflichtungen den Bundespräsidenten von der Verteidigung des dauerdringlichen Notgesetzes abhalten. Ob Ministertreffen in Brüssel oder private Angelegenheiten im Schwarzwald – dass er sich den Argumenten der Gegner dieses Gesetzes nicht noch einmal stellen muss, kommt Herrn Berset sicherlich entgegen.

Die Aufzeichnung der «Abstimmungs-Arena» zum Covid-Gesetz erfolgt am 17. Mai im berüchtigten Zwangsgebühren-Fernsehstudio Leutschenbach. Wer auf ein Zusammentreffen der beiden Titanen der Corona-Zeit hoffte, wird also enttäuscht: Bundespräsident Berset und MASS-VOLL-Präsident Nicolas A. Rimoldi werden in der «Arena», die am 19. Mai um 22:25 auf SRF 1 ausgestrahlt wird, nicht aufeinandertreffen. ♦

von Michael Bubendorf


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