Lebenswertes Geld
Ein Thinktank der «Fördergesellschaft Demokratie Schweiz» startete die Suche nach einer neuen Art Geld, das solidarisches Wirtschaften möglich macht. Fündig wurde er unter anderem auf Sardinien.
Wahre Marktwirtschaft gründet auf Solidarität! In einer Welt voller Konkurrenzdenken und Kapitalanhäufung steht eine solche Aussage ziemlich schräg in der Landschaft. Und doch ist der Wechsel zu einem kooperativen Wirtschaftsleben die Voraussetzung, um aus dem heutigen «Geld ist Macht»-Prinzip aussteigen zu können. Die soziale Dreigliederung des Denkers Rudolf Steiner spricht hier von der «Brüderlichkeit» als zwingende Grundlage für ein menschenwürdiges Wirtschaftsleben. Solange sich aber Firmeneigner über jeden Konkurrenten freuen, den sie aus dem Markt drängen können, werden die Menschen unter der Wirtschaft leiden und nach dem Korrektiv des Staates schreien.
Doch wie können wir eine solidarische Wirtschaft erreichen? Dieser Frage geht ein Thinktank der Fördergesellschaft Demokratie Schweiz nach. Eine entscheidende Antwort ist in der Frage der Währung zu finden, des Tauschmittels fürs Wirtschaften. Geld stellt grundsätzlich die Beziehung zwischen den Marktteilnehmern her. Die Art des Geldmittels prägt daher den Charakter der Beziehung. Und angesichts des heutigen rüden Umgangs auf den Weltmärkten ist klar: Ein anderes Zahlungsmittel muss her!
Die Ansprüche an eine neue Art Geld sind gewaltig. Nicht nur soll es ermöglichen, das Wirtschaftsleben von Konkurrenz auf Solidarität umzustellen. Es muss zudem unabhängig vom Staat funktionieren, damit sich dieser weniger ins Wirtschaftsleben einmischt. Es sollte möglichst dezentral geschöpft werden, um Machtkonzentration vorzubeugen. Und es sollte sowohl die regionale Wirtschaft bevorzugen als auch im internationalen Handel bestehen können. Zuletzt muss es möglichst im Umlauf bleiben und trotzdem ein Ansparen von Kapital für grössere Investitionen ermöglichen.
Spätestens hier ist klar: Es handelt sich um eine komplexe Angelegenheit. Viele Menschen haben sich bereits mit dieser Fragestellung befasst. Auch sind schon viele alternative Zahlungsmittel auf dem Markt. Für den Thinktank der Fördergesellschaft war es darum gegeben, sich als Einstieg mit der Analyse von bereits bestehenden alternativen Währungssystemen zu befassen. Darunter sind durchaus vielversprechende Ansätze zu finden. Der Thinktank konzentrierte sich dabei auf die Frage, welche Währung die Entwicklung hin zu einem brüderlichen Wirtschaftsleben am besten fördert.
Die bisher überzeugendste Antwort kommt aus Italien. So sieht der Thinktank den sardinischen Sardex als zurzeit interessanteste Option. Diese Alternativwährung ist eine sehr erfolgreiche Form von digitalem Geld, sogenanntem Giralgeld, das direkt aus der Wirtschaft geschöpft wird. Die Betriebe geben sich gegenseitig die Kredite auf der Grundlage eines unabhängigen Buchhaltungssystems. Der Sardex ist momentan noch eins zu eins an den Euro gekoppelt, jedoch nicht konvertierbar. Er verfällt nicht, hat jedoch eine fast fünfmal höhere Umlaufgeschwindigkeit als der Euro.
Die Einführung des Sardex als Reaktion auf die Finanzkrise 2008 führte auf Sardinien zu einer starken Kooperation der Unternehmen. Damit erreichte der Sardex tatsächlich einen anfänglichen Wandel vom Konkurrenzdenken hin zu mehr Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben. Er steht nicht unter dem Einfluss des Staates, fördert die regionale Wirtschaft und sichert diese gegen internationale Krisen ab. Auch Kapitalbildung für kleinere Investitionen scheint möglich.
Zum Vergleich setzte sich der Thinktank mit einem weiteren Ansatz für Alternativwährungen auseinander, dem Talent aus der Schweiz. Hierbei stehen nicht Unternehmen, sondern Menschen im Fokus. Denn die Währung sichert sich mit den Fähigkeiten des Einzelnen ab. Leistungen oder Waren können mittels Talent bewertet und online über elektronische Konten ausgetauscht werden. Jeder Teilnehmer bekommt einen Überziehungskredit und schöpft selber Talent. Auch wenn der Wert eines Talents dem Franken gleichkommt, gekauft werden kann er nicht.
Der Talent existiert in der Schweiz seit 1993 und basiert auf den Überlegungen des Finanztheoretikers Silvio Gesell (1862 – 1930). Es bestehen verschiedene Regionalgruppen, Tauschkreise und Flohmärkte, die einen schweizweiten Handel zulassen. Konflikte mit lokalen Behörden gibts keine, da der Talent nicht als gesetzliches Zahlungsmittel verstanden werden kann. Es besteht eine unabhängige Software, die den zuverlässigen und unabhängigen Austausch und Handel der Mitglieder untereinander ermöglicht. Auch ein Einsatz über Landesgrenzen hinweg soll mit dieser Währungsform möglich sein.
Hoch im Kurs stehen zurzeit auch Edelmetalle. Nicht wenige Menschen in der Schweiz besitzen bereits Gold- und Silbermünzen – einerseits zur Absicherung vor einem Währungszerfall, andererseits durchaus als alternatives Zahlungsmittel. Ein Thinktank in der Graswurzle-Bewegung lässt den Gedanken wieder aufleben, direkt mit Edelmetall zu bezahlen oder das Zahlungsmittel dank Edelmetallreserven abzusichern. Treibende Kraft hierbei ist das gestörte Vertrauensverhältnis zum Gebilde Staat und seiner Währung. Der Rückgriff auf harte Werte wie Gold und Silber soll dieses Manko beheben.
Ein solidarisch geprägtes Wirtschaftsleben aber basiert auf weichen Werten wie Vertrauen und Wohlwollen. Edelmetalle lösen diese Probleme nicht, sondern bleiben weiter an die bestehenden Verhältnisse gebunden. Weitere Fragen gilt es zu beantworten: Gibt es Alternativwährungen, die auch international funktionieren? Und wie können Menschen zu unabhängigen Zahlungsmitteln kommen, die nichts für den Markt anzubieten haben?
Bei all diesen Fragen darf nicht vergessen gehen, dass wir stark von den Bewegungen des Staates abhängig sind. Was ist, wenn der Staat digitales Zentralbankgeld zum einzigen gültigen Zahlungsmittel macht? Kann dann eine Stromrechnung mit Silbermünzen oder Talent bezahlt werden? Deshalb ist es neben allen Überlegungen zu solidarischen Zahlungsmitteln entscheidend, sich im bestehenden System für den Erhalt des Bargelds und für die Freiheit unabhängiger Zahlungsmittel einzusetzen. Der Thinktank der Fördergesellschaft Demokratie Schweiz bleibt auf jeden Fall dran. ♦
von Istvan Hunter
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