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Eigenverantwortung ist unbeliebt

Corona hat es deutlich gemacht: Eigenverantwortung zu übernehmen ist nicht populär. Je ängstlicher die Bevölkerung, desto weniger möchte sie selbst Entscheide fällen müssen: Doch wer sich davon erhofft,
ein leichteres Leben führen zu können und für seine Taten nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden, irrt sich.

Eigenverantwortliches Handeln ist nur möglich, wenn man gut informiert ist und eine Wahl hat. Ist etwas gesetzlich vorgeschrieben (etwa Rauchverbot im Zug), muss man sich nicht selbst für eine Handlungsweise entscheiden (rauchen oder nicht rauchen). Hat man eine Wahl und möchte eigenverantwortlich handeln, muss man sich informieren (welche Folgen hat das Rauchen für mich und meine Umgebung?). Sich richtig zu informieren ist auch im Internetzeitalter aufwendig. Viele ziehen es deshalb vor, möglichst wenig Wahl zu haben. Von der Verkaufspsychologie weiss man, dass ein zu breites Angebot die Anzahl Verkäufe schwächen kann, weil die potenziellen Käufer mit einer zu grossen Auswahl an Optionen überfordert sein können. Wenn es Menschen gibt, die sich nicht an eine Empfehlung halten, entsteht eine Wahlmöglichkeit. Dies macht eine Minderheit bei der Mehrheit jedoch meist unbeliebt.

Weshalb Ungeimpfte nerven

Wenn sich bei Corona alle die mRNA-Spritze hätten geben lassen, wäre die Frage, was man tun soll, gar nicht entstanden. Doch es gab Menschen, die anders handelten als empfohlen wurde und dadurch Handlungsoptionen aufzeigten. Wenn man nicht bereit ist, Eigenverantwortung auszuüben, ist jede zusätzliche Handlungsmöglichkeit ein Ärgernis. Deshalb entwickelte sich eine Wut auf diejenigen, die Handlungsoptionen aufzeigen, von denen man nichts hören wollte. Zusätzlich sind nun alle durch die Spritze Geschädigten («Post-Vac-Syndrom») ein Ärgernis, da es diese gemäss den damals offiziellen Informationen gar nicht geben dürfte. Sie werden deshalb totgeschwiegen oder sogar angegriffen, um den eigenen Entscheid – der ja eigentlich kein eigener war – nicht infrage stellen zu müssen.

Es gibt viele weitere Beispiele, wo Menschen, die sich anders verhalten als die grosse Masse, sich unbeliebt machen. Zum Beispiel zeigt jeder lebende Veganer auf, dass der Konsum von tierischen Produkten keine Überlebensnotwendigkeit ist. Daraus ergibt sich, dass man sich selbst über die Folgen des Konsums tierischer Nahrungsmittel auf die Umwelt, die Tiere und die eigene Gesundheit informieren müsste, um eigenverantwortlich handeln zu können. Einfacher ist es auch in diesem Fall, dass man Veganer ausgrenzt, damit deren Ernährungsweise als Handlungsoption wegfällt. Damit erspart man sich die Auseinandersetzung mit Tierfabriken und anderen negativen Aspekten der «bürgerlichen Normalkost».

Fehlerkultur? Fehlanzeige!

Wer eigenverantwortlich handelt, kann Fehler machen und übernimmt auch die Verantwortung dafür. Eigene Fehler einzugestehen ist jedoch in unserem Kulturkreis nicht einfach. Auch deshalb versucht man, die Verantwortung generell abzuschieben: Handelt man entsprechend der Empfehlung eines «Experten», der «Regierung» oder einer anderen Autorität, kann man sich immer hinter deren Entscheid verstecken und glaubt, selbst nicht angreifbar zu sein. Weicht man von den Empfehlungen der Autoritäten ab, wird man angreifbar. Man kommt dadurch sogar oft in die Situation, sich rechtfertigen zu müssen. Ohne Eigenverantwortung gibt es auch kaum eigene Fehler, da man (anscheinend) nie selbst etwas entschieden hat, sondern nur Entscheide anderer übernommen hat. Diese Annahme ist auch heute noch weitverbreitet, obwohl in den Nürnberger Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg genau diese Ausrede nicht akzeptiert wurde: Auch wenn ein Vorgesetzter befohlen hatte, Menschen umzubringen, mussten die Mörder trotzdem die Verantwortung für die eigenen Taten übernehmen. «Ich habe nur Befehle ausgeführt» wurde als Ausrede nicht akzeptiert. Dennoch handeln heute noch viele Menschen nach genau diesem Prinzip, in der Hoffnung, für ihre Taten nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden. Hilfreich ist dabei auch, dass Menschen ohne Eigenverantwortung in der Masse untergehen, da sie nichts tun, was nicht schon eine breite Anerkennung erhalten hat.

von Renato Pichler

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Renato Pichler ist Mitbegründer, Präsident und Geschäftsführer von Swissveg sowie Stiftungsrat von Das Tier und Wir. Er ist Mitentwickler vonTalent, dem ersten Tauschkreis Europas, und hat V-Label, das weltweit bekannteste Label für vegane Produkte entwickelt und etabliert.


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