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We(h)r will denn eine solche Pflicht?

Seit ich politisch interessiert und aktiv bin, hat mich eine Position der liberal-konservativen Parteien immer sehr irritiert, habe ich doch insbesondere diese eine Position stets als ein grobes Missverständnis betrachtet. Ein Missverständnis darüber nämlich, was die Rolle des Einzelnen, des Individuums im Verhältnis zur Gesellschaft, zum Staat, ist. Bürgerliche Parteien, auch jene, die sonst konsequent und stringent freiheitlich-staatskritisch argumentieren und dabei stets den Einzelnen und dessen Rechte ins Zentrum ihrer Überlegungen stellen, vor allem und insbesondere gegen die Anforderungen und Angriffe von links, sind in dieser Frage stets quergestanden, stets falsch gestanden, fast so wie ein Stürmer, weit im Abseits.

Ich rede nämlich von der Wehrpflicht. Sie ist mit einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung nicht in Einklang zu bringen. Sie ist aus liberaler Sicht grundfalsch. Und sie ist es wohl auch aus ethischer Sicht. Aus christlicher Sicht. Denn die Wehrpflicht greift nachhaltig und sehr massiv in die persönliche Freiheit und auch ins Gewissen eines jeden Einzelnen ein und verpflichtet ihn, sich für eine lange Zeit in den Dienst der Gemeinschaft, der Gesellschaft, des Vaterlands zu stellen. Und dies nicht selten gegen seinen Willen.

Gerade für liberale und konservative Parteien, die immer und überall die Freiheit des Einzelnen propagieren, und dies zu Recht propagieren, ist dies eine verwunderliche Position, eigentlich eine unmögliche Position.

Denn: Wie kann man gegen eine Serafe-Gebühr sein, gegen eine zu hohe Steuerpflicht, gegen eine Hundehalter-Grundkurs-Pflicht, gegen all diese und alle möglichen anderen Pflichten, aber nicht gegen die Pflicht, die sehr weit, wohl am allerweitesten ins Privatleben hineinreicht?

Wie kann eine freiheitliche Partei dem Staat das Recht in die Hand geben, aus freien und mündigen Bürgern Vasallen des Staates zu machen? Eines Staates notabene, der immer übergriffiger, immer unverschämter handelt? Weshalb um alles in der Welt soll also ein Staat ein solches Recht auf den Zugriff auf seine Bürger (nicht Bürgerinnen!) haben? Ein Recht darauf, sie für Monate in einer Rekruten-«Schule» herumzukommandieren und dann, die nächsten Jahre, dazu zu verknurren, sich – oft langweilend – in irgendeiner Kaserne zu verdingen?

Doch ganz egal, ob man sich langweilt oder etwas Sinnvolleres macht: Die zentrale Frage ist nicht die nach dem Inhalt, sondern jene nach der Legitimation. Deshalb dient auch der Zivildienst als Ausrede nicht. Denn: Was gibt dem Staat das Recht, mich einzuziehen – und sei es nur für eine Woche oder einen Tag oder auch nur eine einzelne Stunde –, um im besten Fall mich in einem Bunker zu langweilen, im schlechteren Fall an einem Schwingfest die Besoffenen zu betreuen, und im allerschlimmsten Fall mitzuhelfen, die Bevölkerung gegen Corona zu «immunisieren», in vielen Fällen gegen deren expliziten Willen?

Die letzten Jahre haben diese meine Position noch stark akzentuiert: Während vor dieser «Pandemie» meine Position eine rein politische war, ist es jetzt auch eine emotionale. Und: eine mehr und mehr moralische.

Das Militär und auch der Zivilschutz haben eine wesentliche Rolle gespielt im Aufziehen dieses Unrechtsregimes, das wir in den vergangenen Jahren erlebt haben. Hier mitzuhelfen wäre Verrat. An meinen Mitmenschen. An meinem Gewissen. An meinem Gott, auch das.

Deshalb: Es ist höchste Zeit, die Wehrpflicht abzuschaffen. Subito. Tutti quanti. Und es ist insbesondere Zeit für den zivilen Ungehorsam, sich gewissen «Pflichten» zu verweigern. Mit Verweis aufs Gewissen. Mit Verweis auf die individuelle Freiheit. So wie es früher – als viele von ihnen noch an der persönlichen Freiheit interessiert waren – die Linken getan haben. Wobei sie für ihre mutigen Überzeugungen nicht selten im Bunker gelandet sind.

Natürlich kenne ich den berühmtesten Einwand gegen diese Position: Sicherheit geht uns alle an. Die Verteidigung der Schweiz ist Sache aller wehrhaften Schweizer (nicht Schweizerinnen!), und deshalb sollen sich auch alle in den Dienst des Landes stellen. Mit Verlaub: Dies ist Blödsinn. Denn: Wenn dem so wäre, könnte keine Polizei funktionieren und auch keine Feuerwehr, die sich grossmehrheitlich aus Freiwilligen rekrutieren und ganz ohne Zwang auskommen.

Eine freiwillige Armee schliesslich wäre einem Wettbewerb unterworfen. Man müsste um Menschen ringen, anstatt sie einfach einzuziehen und herumzukommandieren. Man müsste die Armee attraktiver gestalten, damit mehr Menschen dort ihre Zukunft sähen, sei es beruflich oder in einem Milizengagement. Und man muss diesen Menschen die Möglichkeit geben, davonlaufen zu können, wenn ihnen das, was befohlen, zu krude oder zu unsinnig wird. Denn: Was auf Freiwilligkeit basiert, ist immer und in jedem Fall besser, hat immer das solidere Fundament als Zwang und blinder Gehorsam.

Höchste Zeit also, dass wir die Wehrpflicht abschaffen. Höchste Zeit also, dass wir immer mehr staatliche Pflichten und Zwänge abschaffen und stattdessen eine Gesellschaft auf dem Fundament von Freiwilligkeit und Wohlwollen aufbauen. ♦

von Jérôme Schwyzer

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Jérôme Schwyzer ist Lehrer und Präsident des Lehrernetzwerks Schweiz


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