Warm durch den Winter

Thomas Rudolf hat sein altes Mehrfamilienhaus zum PlusEnergieHaus umbauen lassen. Dank der optimalen Nutzung der Sonneneinstrahlung kommt es weitestgehend ohne Fremdenergie aus.

Das Mehrfamilienhaus im Seefeldquartier in Thun wurde 1947 gebaut und 2012 zum PlusEnergieHaus umgebaut – zu einem Gebäude, das mehr Energie produziert, als es verbraucht. Bei der Sanierung liess Hausbesitzer Thomas Rudolf die Aussendämmung und den Schallschutz zwischen den Wohnungen optimal an die heutigen Anforderungen anpassen. Auf die Berücksichtigung der Baubiologie und Bauökologie legte er grossen Wert. Es wurde darauf geachtet, dass die verwendeten Materialien auch bei der Herstellung möglichst wenig Energie verbrauchten und eines Tages einfach zu entsorgen sein würden. So wurde aus einem alten Haus mit hohem Energieverbrauch (Ölheizung) ein neues, energieeffizientes Haus mit gesunden Räumen, welches weitestgehend durch die direkte Sonneneinstrahlung passiv geheizt wird (keine Radiatoren, keine Bodenheizung). Bei allen Geräten wurde auf einen sparsamen Verbrauch geachtet.


Insgesamt wurde der Energieverbrauch des Gebäudes um sage und schreibe 80 Prozent reduziert. Für diese aussergewöhnliche Energiebilanz wurde das Haus 2013 mit dem zweiten Norman Foster Solar Award ausgezeichnet.

Ein geniales Energiekonzept

Das Mehrfamilienhaus funktioniert als solares Direktgewinnhaus – das heisst, es wird mit direkter Sonneneinstrahlung passiv geheizt. Eine gedämmte und luftdichte Gebäudehülle (Minergie-P oder besser) ist Voraussetzung dafür. Die eingefangene Sonnenwärme wird in den massiven Bauteilen (Böden, Wände, Decken) gespeichert und wieder abgegeben, wenn die Sonne nicht scheint. Dadurch bleiben die Räume auch an den Tagen mit wenig Sonneneinstrahlung und tiefer Aussentemperatur angenehm warm.

Die heimeligen Stückholzöfen (Schweden-öfeli) verfügen über eine Herdfunktion, sodass auch bei Stromausfall gekocht werden kann. Das Warmwasser wird zu einem grossen Teil mit Röhrenkollektoren auf der Terrasse vom obersten Stockwerk produziert. Durch die optimale Ausrichtung kann auch im Winter Warmwasser produziert werden. Auch hier gibt es als Ergänzung im Keller einen Stückholzofen (mit Backofen), um die Restwärme für das Warmwasser bereitzustellen.

Strom im Überfluss im PlusEnergieHaus

Wie ist es möglich, dass ein Gebäude über das Jahr mehr Energie produziert, als in den drei Wohnungen verbraucht wird? Die Sonnenwärme, die durch die grossen Fenster eingefangen wird, kann gespeichert, aber nicht verkauft werden. Auf dem gesamten Dach sind Photovoltaikmodule montiert. Statt der passiven Ziegel verfügt ein PlusEnergieHaus über eine aktive Dachabdeckung, welche regendicht ist und zusätzlich Strom liefert, der verkauft werden kann. Die 34-kWp-Photovoltaikanlage auf dem Dach produziert fünf Mal mehr elektrische Energie, als im Haus verwendet wird. Ein Teil dieser Energie wird in einer Batterie im Keller gespeichert, der Rest in das öffentliche Netz abgegeben. Wenn die Sonne scheint, animiert der Gratisstrom die Hausbewohner, diesen auch zu nutzen. So beträgt ihre Eigenenergieversorgung über das Jahr gerechnet 187 Prozent.
Die Erfahrung der letzten zehn Jahre hat Thomas Rudolf gezeigt, dass der Ertrag vom Photovoltaikdach auch in den Wintermonaten Dezember und Januar den Energiebedarf der drei Wohnungen abdecken kann. Dank dem Batteriespeicher können auch im Falle eines Blackouts Kühlschränke und Tiefkühltruhe mit Strom gespiesen werden. Die Sonne würde am nächsten Tag die Batterie wieder aufladen, so dass die Hausbewohner über eine längere Zeitperiode elektrische Energie zur Verfügung hätten. Zum Kochen reicht die Sonnenenergie jedoch nicht. Da würden sie auf dem heimeligen Stückholzofen kochen.

Niedrige Kosten und gutes Gewissen

Die Heiz- und Nebenkosten im PlusEnergieHaus sind extrem gering. Beim Heizen fallen nur die Kosten für das Holz an, da die Sonne für ihre Wärme keine Rechnung schickt. Stromkosten fallen tagsüber auch keine an, da der Solarstrom vom eigenen Dach für alle Mieter kostenlos ist. Verrechnet wird nur der eingekaufte Strom von der Energie Thun. Zum Spülen der Toiletten wird Regenwasser verwendet, welches in einem grossen Tank unter dem Parkplatz gespeichert wird. Die Mieter bezahlen Trinkwasser, Duschwasser, aber nicht das Wasser für die WC-Spülung.
«Wir wollten ein modernes Haus ohne aufwendige Technik, das einfach zu verstehen und zu betreiben ist», resümiert Thomas Rudolf. «Wir nutzen die Sonnenenergie ohne viel Aufwand und haben es schön warm, ohne schlechtes Gewissen», sagt der stolze Hausbesitzer. «Man sollte nicht nur von Alternativen zum Erdöl reden, sondern handeln. Was ich nicht verstehe: Warum baut man überhaupt noch Häuser, die eine negative Energiebilanz haben, wo man es doch mit wenig Aufwand viel besser machen könnte?» ♦

von Redaktion

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