Vertrauensverlust
Das grosse Loslassen
Mit dem Vertrauen ist es so eine Sache. Man hat es oder man hat es eben oft nicht. Die Psychologie hat da schnell ihre Erklärungen. «Finde den Fehler in der Kindheit», heisst es da oft in Therapien. Und oft landet man allzu schnell bei der Ursache eines angeblich frühkindlichen Traumas, das verhindert, sich auf Menschen oder auch das Leben einzulassen. Dass diese Begründung nicht immer zutrifft, sieht man an der heutigen Zeit.
Was aktuell passiert, ist eine recht eigentümliche Erscheinung. Menschen verlieren reihenweise das Vertrauen – flächendeckend, wenn man so sagen will – in vieles oder vielleicht in alles gerade: in Wissenschaft und Politik, in Institutionen, öffentliche Medien, in Banken und Konzerne, sogar in die Nahrungsmittel auf dem Teller oder die medizinischen, teils zweifelhaften Unterstützungen der letzten Jahre. Ja, selbst die einstige Stütze unserer Gesellschaft, Rückzugsort und Höhle in aller Not, die Familie, demontiert sich geradezu in Windeseile. Man findet keine Zuflucht mehr, keinen Rückhalt, dort wo man es in Sippe und Freundeskreis gewohnt war.
Dekadente Prozesse überall, sie marodieren inzwischen Werte, Ethik und was uns lieb, teuer oder heilig war. Man wähnt sich inzwischen auf einer «einsamen Insel» mit seinem guten alten Hausverstand und der Idee, noch Hüter einer gesunden Einschätzung zu sein, während im Aussen die Grundfesten jeder Moral und jedes prosozialen Gefüges verschwinden. Der Letzte dürfte nun inzwischen ins Grübeln gekommen sein, ob die sakrosankte Bühne der Medizin, die heilige Kuh der Wissenschaft, die Unantastbarkeit der Kirche, die Verehrungswürdigkeit der Alma Mater, die Verlässlichkeit der Politik nicht gerade bröselt, wie mürbe gewordener Sandstein …
von Susanne Lohrey
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Susanne Lohrey ist Kommunikationstrainerin und Coach. Sie kommentiert die aktuellen gesellschaftlichen Umwälzungen regelmässig aus einer psychologischen Perspektive. Ihr Telegram-Kanal: t.me/lohreytraining
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