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Gilgamesch war nicht versichert

Das Gilgamesch-Epos stammt aus Mesopotamien und wird auf etwa 700 vor Christus datiert. Es ist eine der ältesten überlieferten Dichtungen, mit 3000 Versen, die in zwölf Tontafeln gemeisselt wurden. Joseph Campbell bezeichnete das Epos als die grossartigste Geschichte über die Suche nach dem Lebenselixier.

«Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, was von selbst aus mir herauswollte. Warum war das so schwer?»
– Hermann Hesse

Das Epos beginnt mit einem Loblied auf Gilgamesch: «Der, der die Tiefe sah, die Grundfeste des Landes, der die Wege kannte, der, dem alles bewusst.» Heute würden wir dies als «Spoiler» bezeichnen – das Ende wird gleich zu Anfang verraten; Gilgamesch wird alles bewusst werden. Für den früheren Menschen war das der Hinweis, in Gilgameschs Heldenreise seine eigene Entwicklung zu erkennen.

Gilgamesch war der König von Uruk, zu zwei Drittel Gott und zu einem Drittel Mensch. Wie sich die Menschen benahmen, wusste Gilgamesch, er sah sie in seinem Königreich. Doch wie benahm sich ein Gott? Dieser Frage ging er in seiner Jugend nach. Erst war er gut und gnädig, dann war er herrschend und zornig. Doch den Gott in ihm fand er nicht. Schliesslich fand er einen Freund, Enkidu, der war zu zwei Drittel Tier und zu einem Drittel Mensch. Zusammen errichteten sie ein prächtiges und strahlendes Königreich. Doch Enkidu wurde krank und starb. Gilgameschs Welt wurde erschüttert, mit Enkidu verlor er nicht nur einen Freund, er verlor das, was ihn zu einem vollkommenen König gemacht hatte. Ohne Enkidu fühlte sich Gilgamesch nicht mehr vollständig. Er verliess Uruk und begab sich auf eine Reise, die den grössten Teil seines Lebens dauern sollte und von Leid, Kampf, Entbehrungen und Einsamkeit geprägt war. Als er nach vielen Jahren zurückkehrte und die Mauern von Uruk bestieg, sah er sein Königreich wie nie zuvor …

Gilgamesch fand auf seiner Heldenreise den Weg zu sich selbst. Er war der Erste, der diese Reise antrat. Viele werden ihm noch folgen und wir kennen die Geschichten vieler weiterer «Helden»: Odysseus, Ödipus, Siddartha Gautama, Parzival, Siegfried …


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