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Fünf Fragen an … Milosz Matuschek

Warum schreibst du nicht mehr für die «Weltwoche»?

Ich habe gerne für die Weltwoche geschrieben, aber es sind zwei Kolumnen über Israel-Gaza nicht gedruckt worden und nach so etwas fehlt dann die Basis (und auch die Lust), um weiterzumachen. Als Kolumnist kann ich mir die Denkfreiheit nicht von einem redaktionellen Gruppenkonsens dirigieren lassen und werde das auch nie. Die Lobhudelei auf Gallant und Netanjahu war so unerträglich wie einstmals die gegenüber Schwab und Gates. Wenn die Weltwoche einen publizistischen Kompass hat, dann stelle ich mir dessen Ausschläge ungefähr so vor wie im Bermudadreieck. Offenbar will die Weltwoche nicht über Zionismus und Genozid sprechen, hilft lieber bei der Vermessung von Israels Grenzen nach alttestamentarischen Massstäben und hofiert Kriegsverbrecher. Wenn ich da nicht dagegenhalten kann, habe ich da nichts verloren. Am Ende war es eine von vielen Episoden und Ausflügen in die alte publizistische Welt für mich, doch eigentlich arbeite ich längst und viel lieber an der neuen Welt. Die ist viel spannender.

Was ist Pareto bzw. Nostr?

Wie würde ein idealer Debattenraum aussehen? Jeder hätte Zugang, niemand könnte zensiert oder heruntergedimmt werden. Jede Aussage könnte mit jeder anderen konfrontiert werden, ohne Asymmetrie zwischen den Teilnehmern auf technischer Ebene. Darum geht es bei Pareto: ein neues publizistisches Ökosystem aufzubauen, das einem echten «Marktplatz der Ideen» möglichst nahekommt. Mit unserer Lösung, die gerade in der Testphase ist (pareto.space bzw. pareto.space/read) haben wir eine Webapplikation gebaut, mit der jeder kostenlos und unzensierbar langformatige Texte im Internet publizieren kann, bald auch mit Newsletter-Funktion und Community-Beteiligung. Quasi ein unzensierbares Substack. Wir bauen auf dem Kommunikationsprotokoll von Nostr (nostr.com) auf, wo über dezentrale Knotenpunkte (Relays) veröffentlicht wird, auch auf eigenen, wenn man will. Damit gibt es nun auch für die direkte Kommunikation zwischen Autor und Leser keinen «zentralen Angriffspunkt» (single point of failure) mehr, wie das bei Bitcoin/Lightning für die Bezahlung schon gilt. Letzteres ist bei uns auch gleich schon integriert. Willkommen in der unzensierbaren Welt! Einige kritische Autoren und Publikationen, wie zum Beispiel Tom-Oliver Regenauer, Thomas Eisinger, Walter Siegrist und einige mehr haben bei uns schon zensurresistente Zweitkanäle aufgebaut. Das sollte jeder kritische Publizist machen. Alles andere ist fahrlässig. Man baut sein Haus ja auch nicht auf dem Grundstück eines anderen.

Warum bekämpfst du die Zensur, wo doch jetzt sogar Zuckerberg die Rede befreit und Musk mit X eine zensurfreie Plattform bietet?

Weil es keine zensurfreien Plattformen gibt, das ist eine Chimäre. Auch bei X gibt es Shadowbanning und Aussperrung. Zuletzt wurde Daniel Stricker für eine Woche «beurlaubt». Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass man Plattformen nicht trauen kann, Facebook schon gar nicht. Warum sollte unsere Meinungsfreiheit von der gegenwärtigen Unterwürfigkeit einer Big-Tech-Plattform unter den politischen Zeitgeist abhängen? Eine neofeudale Idee. Wo sind denn die Millionen gelöschten Profile oder impfkritischen Gruppen? Immer noch weg. Wir müssen weg von «Plattformen», das sind Silos, wo einem nichts gehört, weder Kanal, noch Content, noch Follower. Nostr hingegen ist ein Fluss, in dem jeder schwimmen kann. Und auf solchen Netzwerken können wir sämtliche Apps bauen, von Twitter-ähnlichen bis Instagram-ähnlichen bis zu Substack-ähnlichen. Und zwar Open Source, als Werkzeuge für jedermann, die keinem gehören. Das ist für mich Fortschritt. Das ist die Basis für Selbstermächtigung.

Angeblich kann die neue Technologie des Quantencomputers die Blockchain-Technologie aushebeln. Was sagst du dazu? 

Diese Gefahr wird schon lange gesehen und teils auch beschworen. Sie ist ernst zu nehmen, wird aber wohl zu einem Technologiewettlauf führen und auch Blockchains resistenter machen. Unser Publikationswerkzeug Pareto auf Nostr kommt übrigens ohne Blockchain aus. Man braucht nicht für alles eine Blockchain. 

Warum nicht lieber in Print veröffentlichen? 

Warum nicht beides? Ich mag Print auch, es ist ein schönes Leseerlebnis, ich mag das Haptische und die Papierästhetik. Doch die Lesegewohnheiten verändern sich. Newsletter erreichen immer mehr Menschen, auch junge. Substack hat zwei Millionen zahlende Abonnenten in den letzen Jahren gewonnen. Die Zeitungs- und Zeitschriftenabos sind dagegen seit 20 Jahren nur im Sinkflug. Print hatte immer den Vorteil, dass diese Information weniger leicht zensiert werden konnte (Stichwort: Untergrundpresse), zudem durch das Datum ein Beweiswert besteht. Den gleichen Beweiswert haben wir bei uns auch, da jeder Artikel bei uns einen unveränderlichen Zeitstempel hat und durch die zweifelsfrei zuordenbare ID (Registrierung bei Nostr geht ohne Mail, Telefon oder Ähnliches) sowohl Authentizität als auch Integrität der Texte sichergestellt ist. Das wird in Zeiten von KI noch wichtiger werden. 

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Milosz Matuschek ist Jurist, Publizist und Gründer des Pareto-Projekts für zensurfreies Publizieren.
pareto.space


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